Städtebauliche Projekte
Auch wenn es in meiner beruflichen Arbeit natürlich noch viele andere städtebauliche Projekte gab, beschreibe ich hier nur die wichtigen und überregiongal interessanten.
Auch wenn es in meiner beruflichen Arbeit natürlich noch viele andere städtebauliche Projekte gab, beschreibe ich hier nur die wichtigen und überregiongal interessanten.
Als ich 1978 aus Heidelberg nach Kassel kam und den Job als Planungskoordinator zwischen der Bundesgartenschau GmbH (Buga) und den vielen mit der Errichtung der Schau betroffenen Ämtern des Rathauses übernahm, waren die Grundsatzentscheidungen für diese zweite Buga schon gefallen: Das Konzept beschlossen, die Finanzierung gesichert, der Wettbewerb durchgeführt, das Büro Miller aus Stuttgart als Gewinner ermittelt und wichtige Verhandlungen, so z.B. über die Verwendung der für den See ausgebaggerten Kiesmassen, bereits erfolgreich abgeschlossen …
Die Realisierung einer kompletten, im Wortsinne aus dem Boden gestampften, ökologisch ausgesprochen anspruchsvollen Seenlandschaft in der östlichen Fuldaaue, stand von Anfang an im Fokus dieser herausfordernden Aufgabe. Neben dem Anspruch, eine große Ausstellung gärtnerischer Höchstleistungen in einen historischen Park zu integrieren, der vorher erst noch wegen zu lange unterlassener Pflege einer Generalsanierung unterzogen werde musste – was auch zu unseren Aufgaben gehörte – blieb bis zur letzten Stunde vor Ausstellungseröffnung im April 1981 die Fertigstellung der Fuldaaue die entscheidende Herausforderung. Ein in der Tat ausgesprochen umfangreiches, anspruchsvolles und aufregendes Programm, das mit einem kleinen, engagierten Team umgesetzt worden ist.
Haupt-Gewinnerin war, neben den vielen begeisterten BesucherInnen der Bundesgartenschau, die Stadt selbst. Sie hat in einer fantastisch kurzen Zeitspanne eine Seenlandschaft für (Wasser-) Sport, Erholung und Naturschutz in einem knapp 10 ha großen naturnahen Freizeitgelände und einer großen, vielseitigen Wasserfläche erhalten. Ein richtiges Geschenk. Das kleine, aber feine Naturschutzgebiet im Norden der Seenplatte ist ein Kleinod für die Tier- und Pflanzenwelt. Aus ornithologischer Sicht ist es sogar ausgesprochen bedeutsam und vermutlich eines der innenstadtnächsten Naturschutzgebiete, die es in Bundesrepublik gibt. Und das eben nicht in der Nähe der privilegierten Stadtteile des Kasseler Westens, sondern im Osten, angrenzend an Waldau und Bettenhausen, also dort, wo viele Leute mit vermutlich kleinerem Geldbeutel wohnen.
Mit dem Vokabular von heute würde man das, was da in der Fuldaaue entstanden ist, als ein ökologisch-soziales Musterprojekt bezeichnen, auch wenn einige der geplanten, über die Karls- und Fuldaaue hinausgehenden Maßnahmen – wie z.B. der durchgängige Fuldauferweg – bis 1981 noch nicht realisiert werden konnten.
Das Wohngebiet Hasenhecke, im Fachjargon Splittersiedlung genannt, liegt am nordwestlichen Rand von Kassel. Diese Siedlung wurde 1939 in der NS-Zeit als Flakkaserne errichtet und nach 1945 nicht mehr militärisch genutzt. Ganz im Unterschied zu den anderen großen Kasernenanlagen im Westen der Stadt, die inzwischen jedoch auch umgewandelt und in ein hochinteressantes und attraktives Mischgebiet konvertiert wurden.
Aufgrund der enormen Kriegszerstörungen in weiten Teilen Kassels wurde die Hasenhecke für provisorisches Wohnen genutzt. Dabei blieb es dann allerdings bis in die Mitte der 80iger Jahre. Aber es war ein Provisorium, denn das Wohnen dort oben funktionierte eher schlecht als recht.
Unter dem SPD-geführten Magistrat mit Hans Eichel an der Spitze wurde Anfang 1984 eine umfassende Sanierung der Anlage auf den Weg gebracht, die am Ende dazu führte, dass aus der Hasenecke ein attraktives Wohngebiet wird. Die für Wohnen nur sehr bedingt geeigneten Kasernengebäude sind aufwändig saniert, energetisch und technisch ertüchtigt und mit Balkonen ausgestattet worden. Ein Nahwärmekonzept mit einer modernen Kraft-Wärme-Gekoppelten Anlage, die die ganze Siedlung, auch die weiter im Osten sich anschließende Ergänzungsbebauung, sorgen für eine ökologisch zeitgemäße Energieversorgung.
In einer von mehreren Informationsfaltblättern an die Mieterinnen und Mieter der Wohnsiedlung erläutert die Stadt, die für das Projekt mit der damals noch gemeinnützigen Hessischen Heimstätte im besten Einvernehmen und erfolgreich kooperiert, wie die Sanierung der Wohnanlage genau ablaufen soll. Mit solchen Informationsblättern und regelmäßigen Bürgerversammlungen wurden die dort Wohnenden „mitgenommen“. Über viele Jahre betrieb die Stadt auch ein Stadtteilbüro, um als Ansprechpartner für die BürgerInnen da zu sein. Das alles war auch nötig, denn für den Umbau der ehemaligen Kasernengebäude mussten alle für ein paar Monate ihre jeweilige Wohnung auf der Hasenhecke aufgeben und zwischenzeitlich in einer von der Hess. Heimstätte bereitgestellten Wohnung unterkommen. Nur zwei Familien sind nach der Modernisierung nicht wieder zurück gezogen. Ganz offensichtlich hatten sich dort über die vielen Jahre hinweg derart enge, gut funktionierende „Gemeinschaften“ herausgebildet, die die allermeisten auch für die Phase nach der Sanierung nicht missen wollten.
Auf eine empirische Befragung zum Erfolg der Sanierung konnte so verzichtet werden. Die Abstimmung darüber fand quasi mit dem Wiedereinzug statt!
„… und wenn bis 1990 alles gebaut, geschafft und verwirklicht ist, dann wird die Hasenhecke einer der Stadtteile von Kassel sein, wo man in modernisierten Wohnungen, praktisch und bequem, mitten im Grünen leben kann – mit einem herrlichen Blick auf die Stadt, für den am andern Ende von Kassel erst der Herkules erklettert werden muss …“ Dieser Satz, der – ganz nebenbei – aus meiner Feder stammt, sollte relativ bald wahr werden insofern, als die Sanierung einschließlich der Ergänzungsbebauung im Osten der Siedlung, recht zügig abgewickelt und Anfang der 90iger Jahre bereits abgeschlossen werden konnte.
Die Stadt Kassel kann mit Vielem glänzen, nicht mit jedoch mit einem Wiederaufbau nach dem Krieg, der die Chancen, die mit großen Zerstörungen einhergehen können, genutzt hätte. Vielmehr kam es aufgrund der großen Wohnungsnot zu einem überhasteten, öffentlich geförderten Wohnungsbau bis ins Herz der Innenstadt hinein, zum rücksichtslosen Abbruch halber Viertel, vielerorts zur Abkehr vom alten Stadtgrundriss und nicht zuletzt zu einem teils monströsen Ausbau kleiner Altstadtstraßen hin zu mehrspurigen Straßen: als Signal für eine einseitige automobile Zukunft von Stadt. Mit fatalen Folgen bis heute. Damit haben auch die Stadtplaner der unmittelbaren Nachkriegszeit große Verantwortung auf sich geladen, denn es wäre – zumindest aus heutigem Blickwinkel – von den Schönheiten und Unverwechselbarkeiten Kassels deutlich mehr zu erhalten und zu retten gewesen, als es dann im konkreten Wiederaufbau realisiert wurde …
Der so in Szene gesetzte, riesige Mengen an kritischer Fachliteratur erzeugende Wiederaufbau westlich der Fulda – Dieter Hoffmann Axthelm mit seiner „Verpassten Stadt“ ist nur ein Autor von vielen, der das Kasseler Wiederaufbau-Drama zum Gegenstand kritischer Würdigung gemacht hat – hinterlässt bis heute schwer oder gar nicht mehr „reparierbare“ Folgen. Unter Phantomschmerzen litten und leiden viele BürgerInnen der Stadt bis heute, so sie noch Erinnerungen an das alte Kassel hatten und haben. Dass die Probleme mit der autogerechten Wiederaufbaustadt bis heute fortdauernd anhalten, sieht man gut daran, wie schleppend die notwendige und viel beschworene Verkehrswende vorankommt.
Ganz anders, aus den hier nur angedeuteten Wiederaufbaufehlern auf der westlichen Fuldaseite lernend, nimmt sich die Stadtplanung Ende der 80iger und Anfang der 90iger Jahre vor, genau in der Phase der europäischen Zeitenwende und der bevorstehenden Wiedervereinigung, konkrete Schritte hin zum bislang unterlassenen Wiederaufbau des im Krieg völlig zerstörten Kerns der Unterneustadt zu unternehmen.
So macht sich die Stadt 1994 auf den Weg, gestützt auf mehrere einstimmige Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung, der Fulda wieder näher zu kommen und die ebenfalls im Oktober 1943 untergegangene Unterneustadt wieder aufzubauen. Am Ende dieses Wiederaufbaus, auch wenn er länger als geplant gedauert hat, ist die Fulda nicht mehr die alte. Vielmehr ist sie, und das lässt sich heute wunderbar besichtigen und im Sommer sogar vom Rondell aus tanzend erleben, zu einem urbanen Fluss geworden, zu einem echten Ereignis, zu einem Fluss, der sich – zumindest hier – in innigem Kontakt und Austausch mit seiner Stadt befindet.
Die moderne, auf dem alten Grundriss von 1943 wieder aufgebaute Unterneustadt war ein ambitioniertes, europaweit beachtetes und mit vielen Preisen ausgezeichnetes städtebauliches Großprojekt. Die Wiederentdeckung de Fulda, die innerstädtische Dichte, die architektonische Vielfalt, die Mischung der Nutzungen und der Mix aus öffentlich gefördertem und privatem Wohnungsbau in allen seinen Spielarten bereichert die ganze Stadt ab den 2000er Jahren um ein spannendes und reizvolles Quartier. Dass bei der Gelegenheit eine sechsspurige Ausfallstraße auf vier Spuren verschmälert, die Innenstadt mit einer wunderschönen neuen Fußgängerbrücke verbunden und der auf Simon Louis du Ry zurückgehende ovale Unterneustädter Kirchplatz wieder zurückgewonnen und rekonstruiert wird, gehört mit zu den Glanzleistungen dieses in vielerlei Hinsicht geglückten Wiederaufbaus.
Dabei als Projektleiter in der für diese Aufgabe extra geschaffenen Projektentwicklungsgesellschaft Unterneustadt GmbH (PEG) mitgewirkt zu haben, erfüllt mich mit Stolz. Um bei großen städtebaulichen Projekten Erfolg zu haben, braucht es aber auch Glück. Und genau das hatte die Stadt. Es war genau das richtige Zeitfenster, das sich just am Anfang der Wendejahre öffnete. Und Kassel hatte gerade zu der Zeit auch genau den Stadtbaurat (Uli Hellweg), den man für ein solch zukunftsweisendes Projekt braucht. Seine Kompetenz und sein Engagement waren es, die das Tor für die Wiedergründung der Unterneustadt öffneten …
Aber natürlich gilt auch bei diesem Projekt, dass am Ende, bei allen Erfolgen und eingeheimsten Preisen, doch nicht alles so geklappt hat, wie es sich die Planer und Macher ausgedacht haben. Um dafür nur ein Beispiel zu nennen: Aufgrund des Druckes und des Einflusses der Denkmalpflege musste beim Wiederaufbau an vielen, teils auch besonders wertvollen und exponierten Lagen, wie z.B. direkt an der Fulda, auf Tiefgaragen für die parkenden Autos verzichtet werden. So sollten die Relikte bzw. die historische Schichtenfolge der Stadtentwicklung vom Barock bis 1943, begraben unter dicken Schichten von Trümmerschutt, die nach dem Krieg dort aufgebracht worden waren, unbeschädigt erhalten bleiben. Aus heutiger Sicht ist das sicherlich ein Fehler, denn nun sind die Stellplätze für Autos im Erdgeschoss in privilegierten Lagen eher störend und irritierend zu bewundern.