Salzmann: Hippes Hochpreiseigentum im Osten

Und wieder lassen es die Stadt und ihre Vorturner an Selbstbewusstsein und Klarheit im Hinblick auf die Zielvorgaben bei einem zentralen städtebaulichen Großprojekt fehlen! Es ist, wie es immer ist: Am Ende triumphiert höchstens die viertbeste aller Lösungen statt das städtebauliche Optimum!

So war‘s beim Finanzamt an der Fulda (wo wir nun statt eines architektonischen Highlights einen hässlichen Klotz stehen haben, der einem holländischen Baukonzern gehört), so war‘s zuletzt bei der Wiederbebauung des Grundstückes vom ehemaligen Stadtbad Mitte (wo nun der RP in einen schlichten Bürokomplex einziehen wird, der am Abend genau so dunkel und ungenutzt rumstehen wird, wie das Finanzamt an der Fulda) und so war es bisher auch bei der Endlos-Geschichte von Salzmann. Nachdem Rossing, der bisherige Eigentümer und Investor, die Stadt jahrelang am
Nasenring durch die Arena geführt hat, jetzt endlich das Handtuch geworfen hat – es blieb ihm nach der Entscheidung der Stadt, das unüberlegte technische Rathaus nun doch nicht zu Salzmann zu verlegen, wohl keine andere Option mehr – gibt es mit einem neuen Investor eine vielleicht letzte Chance, das wichtige Industriedenkmal Salzmann zu erhalten: zumindest die beiden Hauptflügel. Alles andere ist ja ohnehin schon abgerissen. Der neue Investor aus Süddeutschland hat Rossing Salzmann abgekauft.

Rechtskräftig wird der Kaufvertrag allerdings erst dann, wenn die Stadt für den neuen Investor gesichertes Baurecht, also einen auf die Interessen des Investors zugeschnittenen Bebauungsplan beschlossen hat. Er hat sich in ganz Deutschland einen Namen dadurch gemacht, dass er aufgelassene Industrie-, Militär- und Gewerbegebäude mit hohem Aufwand in besonders werthaltigen Wohnungsbau verwandelt hat. Der Geschäftsführer der BHB Bauwert Holding aus Baden – Baden, Herr Birk, hat im Frühjahr 2015 alle Fraktionen des Rathauses besucht: auch die Fraktion der Kasseler Linken. Seinem Vortrag war klar zu entnehmen, dass er für Salzmann eindeutige und klare Vorstellungen hat. Im Jargon der Immobilien- und Bauprofis liest sich das so: „Hierfür setzen wir in jedem Bereich qualifizierte Fachleute ein, die in enger Kooperation mit unseren Kunden individuelle Wohnkonzepte für gehobene Ansprüche entwickeln“. Was uns sofort aufgefallen ist: Nachdem jetzt die Rossing’schen Blütenträume – zuerst mit großflächigem Einzelhandel, dann mit einer Multifunktionshalle und zum Schluss mit einem technischen Rathaus viel Geld zu verdienen – alle zerplatzt sind, wird die Rettung von Salzmann über ausschließlich teuren Wohnungsbau finanziert. Uns stört dabei nicht so sehr, dass es in diesem Bereich von Bettenhausen auch gehobenen Wohnungsbau, den für Leute mit gut gefülltem Geldbeutel geben soll, sondern dass der Wohnungsbau für die weniger Betuchten, die ganz normalen Stadtbewohner, gänzlich fehlt. Wenige hundert Meter Luftlinie von Salzmann entfernt liegt die neue Unterneustadt. Dort durfte die Stadt mehrfach Preise u.a. dafür entgegennehmen, dass es gelang, eine optimale Mischung der Nutzungen und außerdem einen guten Mix aus Eigentums- und gefördertem Wohnungsbau zu kombinieren. Salopp formuliert hieß das „Drittelmix“: ein Drittel Eigentumswohnungen, ein Drittel öffentlich geförderter Wohnungsbau und ein Drittel Gewerbe….

Alle relevanten Gruppen der Stadtgesellschaft, alle Fachleute und auch die Ämter der Stadt waren unisono der Auffassung, dass man es im Prinzip genauso machen muss. Und jetzt, nur wenige Jahre später, ermöglicht die Stadt, dass in einem Areal von Bettenhausen – stark gewerblich geprägt und eher nicht vom Kasseler Geldadel bewohnt – knapp 500 ausschließlich hochpreisige Wohnungen gebaut werden, die dann von anderen Investoren gekauft und entweder teuer weiter verkauft oder eben teuer vermietet werden. Wenn man von Quadratmeterkosten von über 3000 Euro ausgeht, kann man leicht errechnen, was da am Ende für Mietpreise dabei herauskommen werden. Auf der hier mit abgedruckten Konzept-Übersicht lässt sich ablesen, dass das Salzmann-Areal (37.000 qm Grundstücksfläche) nun mit rund 500 teuren Eigentumswohnungen vollgeknallt wird: alles was auf dem Plan schwarz und grau angelegt ist. Und mit so einer Wohnstruktur liegt das zukünftige neue Salzmann Areal als Spielwiese für Investoren und Wohlhabende mitten in einem stark gewerblich geprägten Bettenhäuser Mischgebiet. Ob das die richtige Performance ist – bei aller Anerkennung dafür, dass Salzmann als bedeutendes Industriedenkmal nun vielleicht doch noch gerettet wird – für die Aufwertung von Bettenhausen ist, darf bezweifelt werden. Und wie viel am Ende von dem ganzen teuren Zauber leer steht, wird sich zeigen. Die 4000 qm für Kultur und Gewerbe parallel zur Sandershäuserstraße sind kein Geschenk an die Stadtgesellschaft und die ehemaligen Kulturschaffenden der Salzmann-Factory, sondern eindeutig und allein dem Lärm geschuldet. Dort können wegen des Straßenlärms baurechtlich keine Wohnungen gebaut werden. Und wie diese 4000 qm am Ende bespielt werden und wer damit beglückt werden wird – auch das ist noch offen. Unsere Kritik hat zwei Elemente: Das eine betrifft die Rolle der Stadt im Allgemeinen. Statt eindeutige Ziele vorzugeben, mutig die Hosen anzuziehen und mit präzisem Baurecht die Richtung zu weisen, setzt die Stadt allein und pur auf das Know How und den Erfahrungsschatz eines Wohnungsbauunternehmens, das nahezu ausschließlich aus denkmalgeschützten Gebäuden teure Wohnungen für eine bestimmte Klientel macht. Ob das reicht für diesen spezifischen Standort in Kassel hat Hilgen und Nolda leider weniger interessiert, als pünktlich zur Kommunalwahl ein großes stadtpolitisches Thema vom Tisch zu schaffen. Das andere Element unserer Kritik ist fachlicher, inhaltlicher Natur. Nach unserer Auffassung passen in das Gebiet des Kasseler Ostens, in dem das Salzmann – Gebäude liegt, keine 500 teure Oberschichtwohnungen. Vielmehr kommt es einem Offenbarungseid städtebaulicher und sozialpolitscher Art gleich, gänzlich darauf zu verzichten, einen gewichtigen Anteil geförderten Wohnungsbaus an diesem Standort zu realisieren.

Auch wenn Dr. Barthel nicht mehr Sparkommissar in Kassel ist: Sein langer Schatten liegt auch auf diesem Projekt. Denn seine Devise, dass in Kassel unter keinen Umständen Politik für die Bedürftigen und ökonomisch nicht ganz so Starken gemacht werden darf, findet beim jetzigen Salzmann-Projekt reloaded seine Fortsetzung, und zwar in Reinkultur. Die beim Land Hessen durchaus vorhandenen Wohnungsbaufördermittel werden nicht in Anspruch genommen, weil die Stadt gar nicht auf die Idee kam, dem herbeigesehnten Investor entsprechende Ziele und einen exakten wohnungspolitischen Rahmen vorzugeben. Da wir alle wissen, dass Alternativlosigkeit immer eine Lüge ist, wäre auch bei diesem Projekt und in der Kooperation mit diesem Investor mehr drin gewesen.

Deshalb bleiben wir dabei: ohne mindestens 30 Prozent öffentlich geförderten Wohnungsbau, ohne dafür zu sorgen, dass auch jenseits der Betuchten „normale“ Kasseler BürgerInnen in Zukunft bei Salzmann wohnen können, ist für uns alles, was da zu glänzen scheint, nicht gut genug.

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