Der Kasseler Osten – Folge 2
In Folge 1 habe ich mich mit der Vorgeschichte des Salzmann-Debakels und den z.Z. auf verschiedenen Ebenen laufenden Aktivtäten für den Kasseler Osten beschäftigt. In den Punkten 1 bis 3 habe ich begründet, warum es eines Beschlusses der Kasseler Stadtverordnetenversammlung bedarf (Punkt 1), warum die Debatten um die Entwicklungsperspektiven des Kasseler Ostens an der den Stadtgrenzen nicht halt machen dürfen (Punkt 2) und warum es in diesem Zusammenhang keine Spar-Kameralistik geben darf (Punkt 3)…
4. Die intelligent umgebaute Leipzigerstraße muss Achse und Entwicklungsband sein, um das sich und an dem sich wesentliche Maßnahmen zur Quartiersentwicklung herum gruppieren und bündeln. Mit diesem guten Beispiel von Straßenumbau, der allen Verkehrsteilnehmern gleichermaßen versucht, gerecht zu werden, sind nicht nur gute Voraussetzungen für eine positive Weiterentwicklung gegeben, es ist schon jetzt – mit den reduzierten Geschwindigkeiten, den verbesserten Querungsmöglichkeiten und der guten Begrünung – eine Teil-Aufwertung des Kasseler Ostens erreicht worden. Die Potentiale, die hier noch ungenutzt brachliegen, gilt es zu nutzen. Jeder Laie, der sich auf der Leipzigerstraße bewegt, sieht und erkennt, dass rasch gehandelt werden muss. Sonst wird es in Bälde noch mehr hässliche, leer stehende Gebäude, Läden und vernagelte Fassaden und Ladengeschäfte geben… Hier bedarf es rascher Impulse.
5. Der Kasseler Osten hat, neben vielen interessanten Flächenpotentialen (die hier aus Platzgründen nicht einmal aufgelistet werden können), einige herausragende und bedeutsame städtebauliche Highlights und besonders wertvolle, prägende Elemente. Sie verdienen es, in das in Rede stehende Konzept eingebunden und bewahrt zu werden. Dazu gehören – an prominentester Stelle – das Salzmannareal und das ehemalige Hallenbad Ost. Insbesondere für Salzmann müssen nun, nach dem Scheitern der bisherigen städtischen Bemühungen, neue, tragfähige und ideenreiche Konzepte auf den Tisch. Es müssen in die Erarbeitung dafür nicht nur die bisherigen Mieter aus der vielfältigen, bunten Kasseler Kulturszene einbezogen werden, sondern vielmehr weitergehendes Know How der Universität und potentieller Nutzer und Mieter bzw. Erwerber eingeworben werden. Vor allem aber muss sofort und mit allen Möglichkeiten städtischer Interventionsmöglichkeiten dem weiteren Verfall ein Riegel vorgeschoben werden. Rücksichtnahmen auf den ganz offensichtlich in dieser Hinsicht handlungsunwilligen Eigentümer, Herrn Rossing, sind nicht angesagt. Vielmehr ist von der Stadt zu erwarten, dass sie – wie das viele inzwischen fordern – mit einer sogenannten Ersatzvornahme, also auf Kosten des Eigentümers, die erforderlichen Schutzmaßnahmen zur Sicherung des Gebäudes vor weiterem Vandalismus, Diebstahl und witterungsbedingtem Zerfall durchführt. Sie muss auch die per HNA kolportierten Scheinprojekte des Eigentümers in Bezug auf großflächigen Einzelhandel öffentlich und klar zurückweisen, weil die keinerlei Chance auf Realisierung haben. Hier ist der Schutz der Innenstadt und des vorhandenen, gut eingebundenen Einzelhandels an der Leipziger Straße zu beachten, was Herr Rossing im Übrigen genau weiß. Über Formen des (bau-) gemeinschaftlichen Wohnens oder die Integration genossenschaftlicher Wohnformen in das Salzmannareal nachzudenken: ein durchaus positiver, begrüßenswerter Ansatz! Rossings Ansinnen jedoch, in größerem Stil geförderten Wohnungsbau für Studenten dort unterzubringen, lässt eher vermuten, dass hier in erster Linie Fördermittel abgegriffen werden sollen. Die Zeit drängt und die Stadt kann nicht weiter so tun, als regele sich die Sache von allein. Wer jetzt nicht eingreift, macht sich mitschuldig am Verlust nicht nur des einmaligen Industriedenkmals, sondern verspielt auch die Potentiale, die in dem Projekt stecken.
6. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Kasseler Ostens ist ein Konzept für die Ansiedlung von wohnverträglichem Gewerbe, und zwar nicht nur auf noch freien Potentialen wie dem Bettenhäuser Bahnhof etc., sondern auch dort, wo Gewerbeflächen brach liegen oder auf eine Umnutzung (Konversion) warten. Auch davon findet sich im Kasseler Osten genug. Im Wort „wohnverträglich“ steckt sozusagen schon drin, was in der Stadtplanung zu einem zentralen Begriff geworden ist: die Herbeiführung lebendiger und gemischter Strukturen von Wohnen, Büros und Gewerbe. Beim Thema Wohnen muss immer darauf geachtet werden, dass für unterschiedliche Schichten und Gruppen, für Mieter und Eigentümer etc. mitgedacht, mit geplant wird. Nur so bekommt man am Ende lebendige und funktionierende Quartiere. Kassel hat gerade hierbei in den beiden letzten Jahrzehnten selbst durchaus positive Erfahrungen gemacht und Zeichen gesetzt. So in der Unterneustadt und auf der Marbachshöhe. Wohnen, Gewerbe, Büros, Läden, Bildungseinrichtungen aller Art: das alles gehört zusammen und führt u.a. zu einer Stadt der kurzen Wege. Die Zeit von öden und problematischen Monostrukturen ist – hoffentlich – endgültig vorbei.
7. Damit das mit der Mischung richtig klappt, muss sich die Stadt auch wieder stärker für eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus (aber einen, der Namen „sozialen Wohnungsbau“ auch verdient: gut, günstig, intelligent, in der Hand von Genossenschaften o.ä.) einsetzen und ihn sich selbst auf die Fahnen schreiben. Es fehlt, alle wissen das, seit Langem an günstigem, bezahlbarem Wohnraum, der sich an den Bedürfnissen derjenigen orientiert, die eben den prall gefüllten Geldbeutel nicht haben und oft außerdem auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Auch wenn Stadt und Dr. Barthel nicht müde werden kundzutun, dass man es im Magistrat eher auf die tüchtig Einkommensteuer zahlende Klientel abgesehen hat: Wir brauchen unbedingt (und das nicht nur im Kasseler Osten!!) eine Wohnungspolitik, die den sozialen Ausgleich im Blick hat und weg kommt von der bewussten und ausschließlichen Ausweisung von Flächen für den Bau von Eigenheimen und Reihenhäusern! Ein solche Politik ist weder ökologisch, noch ökonomisch sinnvoll und bei der absehbaren Bevölkerungsentwicklung realitätsferner Unsinn. Statt dauernd und fieberhaft neue Bauflächen auszuweisen, sollte sich der Magistrat besser auf Bestandsentwicklung und behutsame Nachverdichtung konzentrieren. Hier gibt es viel zu tun und durchaus nennenswerte Potentiale zu erschließen!
8. Was nach der Datenerhebung und dem dann vorliegenden Überblick über die verschiedenen Flächenkategorien wichtig sein wird, ist die Verbindung aller Grünstrukturen und wohngebietsnahen Freiflächen. Sie müssen so miteinander verbunden und vernetzt werden, dass eine deutliche Qualitätssteigerung in der späteren Nutzung damit einhergeht. Solche grünen Netze sind nicht nur wichtig für alle Altersgruppen, insbesondere für Kinder und ältere Menschen, sie sind auch wichtig für Radfahrer, Fußgänger, Jogger etc. Ein deutlich verbessertes Radwegenetz muss Bestandteil eines den ganzen Kasseler Osten durchziehenden grünen Netzes sein. Und hierfür müssen unbedingt relevante, nennenswerte Beträge und Mittel eingesetzt werden, weil das Radfahren ein wichtiger Baustein der Mobilität der Zukunft sein wird.