Der Kasseler Osten – Perspektiven und Ansätze für eine professionelle, erfolgreiche Entwicklungsplanung
Der folgende Artikel erscheint in drei Folgen. Er versteht als sich als Grundsatzbeitrag zur angelaufenen Diskussion um den Kasseler Osten. Vor dem Hintergrund mit dem von der Stadt selbst- bzw. mitverschuldeten Debakel um das Industriedenkmal Salzmann, wendet sich das Baudezernat nun (endlich!!) dem Osten der Stadt in Gänze zu. Dort bündeln sich, das wissen die Experten und Kommunalpolitiker vor Ort bestens und seit Langem, viele Probleme. Der Artikel ist gedacht für an Stadtplanung grundsätzlich Interessierte und für alle am Prozess beteiligten Bürgerinnen und Bürger. Es fließen ein unter anderem die vom Autor gemachten Erfahrungen um die Wiedergründung der Unterneustadt ab Mitte der Neunziger.
Nachdem sich die Aufregung um den vergeigten Versuch zum Erhalt von Salzmann einigermaßen gelegt hat und wieder freie Sicht möglich ist, kann nun konstruktiv an einem vernünftigen und tragfähigen Konzept für die Entwicklung der östlichen Kasseler Stadtteile gestrickt und gearbeitet werden. Insofern ist der von der Stadt gewählte Zeitpunkt für Zukunftskonferenzen und die Diskussion um das ‚Entwicklungskonzept Kassel Ost‘ als günstig anzusehen. Um die Chancen auf einen vielleicht gelingenden Dialog mit allen Fraktionen, allen Ortsbeiräten und allen am Thema interessierten Bürgerinnen und Bürgern steht es jetzt besser. Auch der Vorrang für das Wirken von Fachleuten am Anfang dieses Prozesses scheint von der politischen Führung der Stadt nicht mehr angefochten zu werden. Insofern ist es nur folgerichtig, dass der grüne Bau- und Planungsdezernent, Herr Nolda, die Steuerung des Prozesses jetzt zu seiner Sache gemacht hat.
Hier ist natürlich nicht der Ort, das muss einschränkend vorweggeschickt werden, ein komplexes und auf eine längerfristige Zukunft ausgerichtetes fachlich-stichhaltiges Konzept für den aus der Unterneustadt, Bettenhausen, Forstfeld und Waldau bestehenden Kasseler Osten in allen seinen vielfältigen Details auszuarbeiten. Was hier gemacht werden soll, ist vielmehr die Benennung einiger wichtiger zentraler Vor- und Rahmenbedingungen für einen solchen Planungsprozess und die Skizzierung von Faktoren, die für einen Erfolg dieses Prozesses bedeutsam sind.
1. Ähnlich wie beim einstimmigen Beschluss der Kasseler Stadtverordneten von 1994, das im Krieg zerstörte Zentrum der Unterneustadt neu zu ‚gründen‘ und die Fulda wieder zum zentralen Element der ganzen Stadt zu machen, braucht man für die Entwicklung des gesamten Kasseler Ostens so etwas wie einen politischen Grundsatzbeschluss. Denn genau so, wie der Impuls für den Wiederaufbau von großen Teilen der Unterneustadt, die Schließung der letzten großen Kriegswunde und die beherzte, mutige Verknüpfung von Innen- und Unterneustadt den Willen aller Parteien und relevanter Teile der Bürgerschaft brauchte, genauso muss es heute eine von vielen Kräften getragene Grundsatzentscheidung für eine weitreichende Entwicklung des Kasseler Ostens geben. Für eine solche grundlegende Änderung der kommunalpolitischen Schwerpunktsetzung, die sich über Jahre, ja Jahrzehnte hinziehen kann und muss, braucht es breite Mehrheiten und ein von großen Teilen der Bürgerschaft mitgetragenes Konzept!
2. Alles, was zur Definition von sinnvollen Zielen und Projekten für die Entwicklung der östlichen Stadtteile benötigt wird, darf an den „willkürlichen“ Grenzen der Stadt nicht enden. Die unverzeihlichen Fehler und Unterlassungen, zu denen es Mitte der 70iger Jahre hier in der Region im Zuge der Gebietsreform kam, dürfen bei derart wichtigen Planvorhaben nicht an der (heute noch gültigen) Stadtgrenze wie an einer Mauer enden. Vielmehr müssen überall dort, wo relevante Strukturen der Nachbargemeinden Niestetal, Kaufungen, Lohfelden und Fuldabrück an die Kasseler Stadtteile angrenzen, die Belange der Nachbargemeinden fachlich und politisch mit einbezogen werden. Es müssen regelrechte und belastbare Kooperationen gebildet werden. Aus den Versäumnissen der 70iger dürfen sich keine neuen Fehlerquellen auftun. Auf die in Sachen Regionalpolitik mehr oder weniger untätigen Politiker des Landes, des Kreises und der Stadt sollte man hier nicht noch länger warten.
3. Oft ertönt, bei neuen Projekten und ambitionierten Versuchen, Fehlentwicklungen zu korrigieren bzw. Defizite in bestimmten Stadtteilen zu beheben, der Ruf aus der Kämmerei: Städtebau darf nichts (oder zumindest nicht viel) kosten bzw. der städtische Haushalt darf nicht (über Gebühr!) belastet werden. Das ist Unsinn, denn guter Städtebau rechnet sich! Wenn gut durchdachte, gut erschlossene Wohnungs- oder Gewerbeprojekte in den besagten Stadtteilen definiert, an den richtigen Stellen angedockt und mit den schon gut funktionierenden Teilen anderer Quartiere intelligent vernetzt werden und die sozialen Belange dabei einen zentralen Stellenwert einnehmen, werden Projekt-Kosten häufig durch spätere Steuereinnahmen und andere positive Folgewirkungen wie Zuzug mehr als aufgewogen. Das Verhalten von OB und Kämmerer in Kassel ist häufig zwiespältig: Während eindeutig defizitäre und finanzpolitisch hochriskante Projekte – wie z. B. der Flughafen Calden und das Lange Feld – enorme Belastungen für den Haushalt darstellen und trotzdem in Kauf genommen werden, fehlt es vermeintlich an Geld für den Erhalt von Stadtteil-Bibliotheken und Schwimmbädern, die ganz wesentlich zur Qualität einer Stadt mit beitragen. Gute Ideen und Projekte im Kasseler Osten dürfen an falschen Kosten-Nutzen Argumenten nicht scheitern.