Eine Frage: Hilft die weitere Privatisierung von Pflegeheimen in Kassel bei zukünftigen Pandemien?

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Das Corona Thema ist medizinisch, sozial und ökonomisch komplex. Das gilt für die auf allen Ebenen unseres Landes getroffenen Maßnahmen. Nicht überall auf dem Globus – auch wenn die Corona Pandemie, wie schon im Wort enthalten, eine globale Erscheinung ist – wird gleich gehandelt…

Ganz unabhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie hier in Kassel, in der Region, in Deutschland und in der Welt: Die Diskussion darüber, was aus der Krise für Konsequenzen zu ziehen sind, hat begonnen. Überall und intensiv. Denn dass nicht alles optimal läuft, zumindest da und dort nicht, bekommen wir alle mit. Dass die gutachterlichen Erkenntnisse und Ratschläge aus den Jahren 2012/13 zum Schutz der Bevölkerung bei zukünftigen Pandemien (Drucksache des Bundestages 17/12051) weder zur Kenntnis genommen noch umgesetzt worden sind, spürt das Land jetzt teils sehr schmerzhaft. So fehlt es an vielen Stellen an den allernötigsten, an den allerbanalsten Mitteln, will man erfolgreich gegen eine Pandemie dieser Art bestehen: an Mundschutz, an Schutzkleidung, am Ende vielleicht auch an Notfallbetten. Aber auch an Medikamenten. Und das nicht erst seit Corona.

Die Jahrzehnte der Privatisierung, der Deregulierung, der Auslagerung lebenswichtiger Produktionen, wie z.B. die für Medikamente, Schutzkleidung etc., rächen sich nun. Noch mehr jedoch die vielfältigen Überlastungssituationen in den Krankenhäusern und in den Pflege- und Altenheimen. Und alles war lange bekannt. Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sind dennoch weiterhin mit ungeheurem Druck, gegen alle Warnungen und gegen jede Vernunft, privatisiert worden. Die meisten Pflegekräfte und das Krankenhauspersonal, Chefärzte natürlich ausgenommen, sind – alle wissen es – krass unterbezahlt…

In vielerlei Hinsicht bekommt das Land jetzt die Quittung. Bei Anerkennung und Würdigung der Leistungen der im Gesundheitswesen Arbeitenden, ja es stimmt, da sind viele Heldinnen und Helden im Einsatz, gibt es dennoch viele zu beklagende Missstände. Daran ändern auch alle Bemühungen, der Einsatz und der Fleiß vieler Regierungsmitglieder nichts, denn sie können das fehlende Material und die fehlenden Pflegekräfte ja nicht herbeizaubern. D.h.: Über die schmerzhaften Defizite kann das alles nicht hinweghelfen. Und was am Ende, in der Gesamtbilanz, noch zu Tage tritt, wird man erst noch sehen…

Es wird nun viel über die Zukunft und die Zeit danach, also die Zeit nach der Corona Krise geredet. Was alles besser werden soll, auch wenn Vieles schon vorher und längst bekannt war. Zehntausende Pflegekräfte haben, allen Spahn‘schen Bemühungen zum Trotz, die Heime inzwischen verlassen oder haben die Arbeitszeit reduziert: Weil es einfach nicht mehr zum Aushalten war. Diese Kräfte fehlen jetzt schmerzlich, an allen Ecken und Enden… Da und dort, wir haben es gesehen und gehört, sind dramatische Situationen entstanden.

Vieles, so hört man jetzt allerorten, soll nun anders, besser werden: Medikamente sollen wieder hier produziert werden, Pflegekräfte, Krankenschwestern besser bezahlt, eine vorausschauende Materialbevorratung für Krisenfälle und zukünftige Pandemien, so wie es der Bericht aus 2012 ja gefordert hat (auf den aber niemand professionell reagiert hat), soll in ausreichendem Umfang stattfinden…

Statt abzuwarten, welche Konsequenzen aus der Corona Krise auf welcher Ebene und in welchem Bereich zu ziehen sind – die Liste dessen, was sich da wird ändern müssen, ist viel länger als oben angedeutet – handelt die Stadt Kassel jetzt schon. Aber nicht klug, vorsichtig und analytisch, unter sorgfältiger Auswertung der in der Krise gemachten Erfahrungen, vielmehr mit dem Verkauf der unter kommunaler Regie stehenden städtischen Pflegeheime. Bevor also die möglicherweise zu ziehenden Konsequenzen auf der kommunalen Ebene analysiert, diskutiert und ausgearbeitet sind, schafft der SPD geführte Magistrat Fakten. Begründet sind die rein betriebswirtschaftlich, nicht jedoch belegt mit den Erfahrungen aus dem Kampf gegen die Pandemie! Damit setzt der Magistrat die Privatisierung im Pflegebereich fort, die zweifelsfrei ein Teil des Problems der Krise ist.

Am vergangenen Wochenende, den 28. März 2020, durfte die geneigte HNA Leserin, ohne eine Silbe der Kritik natürlich, der Wochenendausgabe entnehmen, dass die kommunale Trägerschaft der beiden Altenheime am Lindenberg und am Fasanenhof im Juni 2020 endet. Danach gehen die beiden bisher zur Gesundheit Nordhessen Holding (GNH, eine 100 Prozent Tochter der Stadt) gehörenden Traditionshäuser in die Hände der Convivo GmbH über. Diese Firma besitzt bereits 100 Pflegeheime und andere Einrichtungen dieser Art.

Dass Privatisierungen nicht allein dafür verantwortlich sind, dass es bei der Bewältigung der Corona Krise da und dort so heftig knirschte und weiter knirscht, weiß auch der Unterzeichner. Die Verlagerung zentraler Bereiche des Gesundheits- und Pflegewesens in private Hände dient jedoch in erste Linie dem Interesse der Eigentümer an den Gewinnen, die dort zu generieren sind. Deshalb investieren ja Fondgesellschaften aus der ganzen Welt in diesem offensichtlich lukrativen Bereich. Aber ob das gut ist für die Menschen, die dort leben und arbeiten, darf gefragt und bezweifelt werden. Der Lindenberg und der Fasanenhof wären, meiner Meinung nach, besser in kommunaler Hand bzw. unter dem Dach der GNH geblieben.

Nun wissen wir es alle: Die nächste Pandemie kommt, so sicher wie das Amen in der Kirche und sie wird die Stadt Kassel nicht besser vorbereitet finden als bisher. Eher schlechter, denn Teile des Pflegewesens sind dann in privater Hand.