Grossprojektwahn Calden: Eine Nordhessische Erfolgsstory

Öffentliche Investitionen müssen sich nicht nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten rechnen, um ihren gesellschaftlichen Nutzen zu beweisen. Das ist mit Schulen, Schwimmbädern, Bibliotheken und dem ÖPNV so. Doch Defizite in den genannten Einrichtungen führen immer wieder dazu, dass sie einer existenziellen Prüfung unterzogen werden. Nicht so beim Flughafen Calden. Die anhaltend fehlende Nachfrage hochsubventionierter Flüge nach Mallorca und an die türkische Adria haben dazu geführt, dass die Chefin des Caldener Flughafens, Frau Muller, in die Wüste geschickt wurde. Man warf ihr eine ungeschickte PR-Arbeit vor und dass sie mangels Alternativen auf windige Angebote obskurer Fluggesellschaften hereingefallen sei. Die HNA sah in diesem Schritt eine längst überfällige Maßnahme, die nordhessische Investitionsruine zu retten. Nun soll es der ehemalige Chef des Kairoer Flughafens, Herr Schustereder, richten. Wenn er nicht so viel Geld gekostet hätte, wenn er nicht so viel ökologischen Flurschaden angerichtet hätte („Hätte, hätte – Fahrradkette!“/SPD Kanzlerkandidat Steinbrück), könnte man aus vollem Herzen lachen. Dieser Caldener Flughafen, Gespött der Nation, dieser Flughafen, den keiner braucht und von dem keiner fliegt, sieht so ‚klasse‘, so blank, so leer aus, dass man definitiv auf aberwitzige Gedanken kommt, die wir nun dem neuen Chef mit auf den Weg geben. Nachdem wir für den Calden-Artikel in der letzten Ausgabe der LinksZeitung im Internet recherchierten, stellten wir fest, dass der nie in Betrieb gegangene Regionalflughafen in Dessau (nachdem auch dort niemand bereit war zum Abheben) inzwischen Nachtflugtraining und Ähnliches anbietet. Das Motto dort: „Fliegen im Mondschein“. Wir empfahlen den hiesigen Verantwortlichen, sich doch mal in Dessau anzumelden und abzufragen, ob denn mit solchen hochattraktiven, nächtlichen Freizeitaktivitäten Chancen bestünden, auch den Flughafen in Calden aus der Schusslinie der bundesweiten Kritik zu bringen. Es hat sich allerdings bis jetzt noch niemand nach Dessau aufgemacht, wie man uns dort ausdrücklich versichert hat.

Das passt zu allem, zur ganzen Vorgeschichte: Unbeirrbar, gegen alle Vernunft und gegen zahlreiche Expertenmeinungen wird dieser verrückte Flughafen im (Nicht-) Betrieb gehalten. Aber statt jetzt endlich kreativ zu werden, das Ruder rumzureißen und den Versuch zu starten, Kassel und seinen Flughafen aus den Negativschlagzeilen zu bekommen, wird die Sache ausgesessen und erst mal eine teure VIP-Lounge gebaut. Die Sturheit, jetzt – falls tatsächlich mal ein größeres Flugzeug in Calden landen oder vielleicht auch nur notlanden sollte – erst mal an die VIP’s zu denken (so überhaupt welche drin sind im Flieger), ist schon eine sehr spezielle Form von Krisenmanagement und irgendwie sehr nordhessisch.

Solange jedoch in Calden nichts passiert, sollte zumindest das großzügige Gebäude ein wenig genutzt werden. Der Autor kann dafür schon mal eine erste – selbst getestete – Empfehlung aussprechen: Radfahren, mit hoher Geschwindigkeit! Der glatte und äußerst gepflegte, hochglänzende und garantiert teure Fußboden verleitet förmlich dazu. Sie werden sehen: Niemand hat etwas dagegen. Die wenigen, ins Gespräch vertieften KollegInnen nicht, die wenigen Besucher des Bistros am Ende der Halle erst recht nicht. Es bewegt sich ja sonst nichts! Und glauben Sie uns: Sie können dort noch viele Runden in aller Ruhe drehen, dann der jetzige Zustand wird noch länger andauern, egal, wer Chef des Flughafens ist.

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