K+S lädt zur Hauptversammlung: Im Mai 2019
Am 15. Mai war es wieder so weit: Die Chefetage und der Aufsichtsrat von K+S, einer der Salzgewinnungsgiganten des Planeten, rufen zur Hauptversammlung nach Kassel. K+S Vorstandschef Dr. Lohr trägt das Fazit aus 2018 vor und er macht keinen Hehl aus der Tatsache, dass angesichts des massiv gesunkenen Gewinns und der weiterhin hohen Schulden alle unzufrieden sind: Vorstand und Aktionäre. Er vergisst allerdings zu sagen, dass die, die am unzufriedensten mit der Politik von K+S sind, vor den Toren der Stadthalle erneut und mit gutem Grund demonstrieren. Es sind Umweltaktivsten vom BUND, vom Salzfreien Märchenland und wir vom Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel. Wir alle sind, wie jedes Jahr, so auch 2019, wieder mit einem knappen Dutzend Aktivisten vor der Stadthalle und protestieren gegen die unzureichende Umweltpolitik des Konzerns.
Die eingeladenen Damen und Herren Aktionäre schlendern an uns vorbei in die Halle. Nur wenige nehmen unser Flugblatt. Noch weniger von ihnen lassen sich in Dialoge ein. Aber immerhin: Einige von ihnen haben sich als durchaus interessiert und offen gegenüber unseren Argumenten gezeigt. Der eine oder andere versteht sehr wohl, dass es dringend einer Wende in der Politik seitens K+S bedarf, um die Lasten für die Umwelt und für das Grundwasser zu verringern und die Gewässerqualität von Weser und Werra zu verbessern. Perspektivisch, daran haben wir keinen Zweifel gelassen, muss sich die Salzproduktion im Werrarevier in Richtung „abstoßfrei“ verändern. Alles andere hinterließe den Bürgern und der Region Salzgebirge als Ewigkeitslast, die erst in mehr als 1000 Jahren verschwinden würden. Erst danach würden auch die Belastungen für das Flusssystem langsam abnehmen bzw. enden…
Die gigantischen Salzgebirge müssen deshalb entweder in die Hohlräume zurückgebracht oder – was am besten wäre – nach und nach mit modernen Verdampfungsmethoden erneut ausgebeutet werden. Denn, was die meisten gar nicht wissen: Die hoch aufgeschütteten und weithin sichtbaren Salzabfallberge stecken noch voller Rohstoffe. Mit aktuellen technischen Methoden lassen sich daraus Gewinne machen, Umweltprobleme lösen und Arbeitsplätze langfristig sichern. Die erforderlichen technischen Verfahren sind von einer erfolgreich agierenden Firma, der K-Utec AG Salt Technologies, entwickelt worden. Sie befinden sich weltweit in differenzierter Form in Anwendung und sie sind im Hinblick auf die Anwendung bei K+S im Werrarevier vom Umweltbundesamt als zielführend und geeignet bewertet worden. K+S selbst kooperiert auch für Detailfragestellungen der Salzgewinnung aus Salzabfällen mit ebendieser Firma. Genaugenommen steht einer Anwendung dieser positiven Umwelttechniken nichts entgegen. Es fehlt lediglich seitens K+S der Wille, in diese leistungsfähigen Techniken zu investieren und seitens der Politik, den Druck auf K+S entsprechend zu erhöhen. Statt über den Jahrhundertsommer 2018 zu lamentieren, der zu schmerzhaften Betriebsstilllegungen geführt hat, sollte endlich der mutige und überfällig Schritt in eine „abstoßfreie“ Zukunft getan werden.
Nicht verschweigen wollen wir, dass es die interessantesten Gespräche in dieser knappen Stunde vor dem jeweiligen Beginn der hier in Rede stehenden Hauptversammlung mit Herrn Willecke gibt, einem der Pressesprecher von K+S. Trotz unüberbrückbarer Gegensätze in Bezug auf die Einschätzung dessen, was K+S tut bzw. unterlässt, wenn es um die Eingriffe in den Natur- und Wasserhaushalt geht, so ist dieser Austausch von Argumenten jedes Mal ergiebig und interessant.
Was wir als Interessenvertreter der Umwelt immer wieder in Zusammenhang mit den Umweltsünden von K+S vorbringen, müssen sich der Vorstand um Herrn Dr. Lohr und diejenigen Aktionäre, denen es ausschließlich um ihre Rendite geht, natürlich auch im Verlauf der Hauptversammlung von anderen anhören: So hat z.B. Herr Russau für den Dachverband der Kritischen Aktionäre und für den BUND eine gemeinsame Erklärung verlesen, die es in sich hat und die hoffentlich entsprechend Beachtung gefunden hat.
Im Folgenden lesen Sie bitte unsere Erklärung zur diesjährigen Hauptversammlung von K+S:
„Zum 4. Mal werden Sie heute hier vor der Stadthalle in Kassel von Mitgliedern des Naturschutzbeirates des Landkreises Kassel auf Ihrem Weg zur diesjährigen Aktionärsversammlung begrüßt.
Während Sie sich ggf. um die Rendite Ihrer Aktien bekümmern, treibt uns die Sorge um den Erhalt der Natur auf die Straße. In unseren Augen macht die Politik von K+S aber auch die Arbeitsplätze im Kali-Revier unsicher, wenn nicht schleunigst in Richtung abstoßfreie Produktion – was schon lange technisch möglich ist – umgestellt wird. Bitte denken Sie daran, dass das Auf und Ab der Wertpapiere für Sie vielleicht das Wichtigste in Ihrem Leben ist. Für die Bevölkerung der Region jedoch, dort wo K+S das für Ihre Aktien so bedeutsame Salz zutage fördert, sieht es ganz anders aus: Sie interessiert sich mehr für den Zustand der Gewässer, das Grundwasser und die drohenden Ewigkeitslasten der gigantischen Salzgebirge, die die Salzproduktion von K+S mit sich bringt.
Zusammen mit vielen anderen Umweltorganisationen und noch mehr Wissenschaftlern, die sich mit Salz und Salzabbau und den dabei entstehenden Risiken für die Umwelt gut auskennen, möchten wir Ihnen unsere Bedenken vortragen hinsichtlich der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie hier in Deutschland, insbesondere in den Bereichen des Werra-Weser-Reviers. Bis heute vermissen wir effektive Maßnahmen seitens des Konzerns, die fortbestehenden Probleme bei der Belastung der Flüsse Weser und Werra, des Grundwassers und der Böden überall dort, wo jahrzehntelang Salzabwässer in den Untergrund verpresst wurden oder ausgewaschene Salze aus Halden und Produktion versickert sind.
• Wir sind besorgt, weil weder die Behörden noch K+S selbst die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die Qualitätsziele der EU-Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL) fristgemäß zu erreichen. Vielmehr werden Maßnahmen ergriffen, welche die Umsetzung der WRRL erschweren und das Erreichen der Qualitätsziele tendenziell unmöglich machen. Zu diesen Maßnahmen zählen u.a. die über 140 km lange Salz-Abwasser-Leitung, die kein Gramm Salz beseitigt, sondern es vielmehr lediglich von der Werra zur Weser transportiert, also nur verlagert. Dass darüber spekuliert wird, dass auf diese Maßnahme ggf. verzichtet wird, beruhigt uns erst, wenn verbindliche Entscheidungen der zuständigen Länderministerien vorliegen.
• Wir sind besorgt, weil die Behörden in Deutschland (in Spanien übrigens ebenso) gegen das Verschlechterungsverbot der EU-WRRL verstoßen (gem. Urteil des EuGH vom 01.07.2015 in der Rechtssache C-461/13, hier: Rn. 70, zweiter Satz). Dies betrifft zumindest die Einleitung von Produktionsabwässern und Haldenlaugen in die Flüsse, das Verpressen von Produktionsabwässern in das Grundwasser sowie das Versickernlassen von Haldenlaugen.
• Wir sind besorgt, weil in den deutschen Abbaugebieten die verbleibenden untertägigen Hohlräume nicht durch Versatz (also durch Wiedereinbau fester Produktionsrückstände) gesichert, sondern der Konversion überlassen werden sollen, obwohl ausreichend Versatzmaterial zur Verfügung stünde. Damit wird zum einen Geld gespart, zum anderen zusätzliches Geld verdient mit der Einlagerung verschiedener belasteter, teils hochgiftiger Müllfraktionen. Stattdessen sollen die festen Rückstände auf der Oberfläche weiter aufgehaldet werden. Die dort entstehenden Haldenlaugen behindern die Umsetzung der WRRL, weil sie in die Vorfluter geleitet werden bzw. durch Versickern dorthin gelangen.
Dazu wird es auch dann kommen, wenn probiert wird, die Halden abzudecken. Das Auswaschen der Salze wird dadurch nämlich nicht gestoppt, im besten Fall nur geringfügig gedrosselt. Es gibt in Deutschland Versuche, bei denen trotz aufgebrachter Abdeckungen bei Althalden (aber mit viel flacheren Flanken) weiter Salzlaugen in die Vorfluter gelangten und die Qualitätsziele der WRRL nicht erreicht bzw. nicht eingehalten wurden.
Aber solche Gedankenspiele sind ohnehin überflüssig, da Haldenabdeckungen bei derart steilen Haldenflanken wie im Werrarevier gar nicht realisiert werden können. Es gibt international kein einziges Beispiel, wo entsprechende positive Erfahrungen damit gemacht worden wären. Der Tatbestand, dass K+S im Netz einen Aufruf gestartet hat, um nach Ideen für das Abdeckungsprojekt zu suchen, spricht Bände. Im Übrigen bringt die ins Auge gefasste Verwendung schwermetallhaltiger Abdeckmaterialien eine weitere Altlast mit erneut wassergefährdendem Potential ins Spiel. Für uns ist das alles andere als die Lösung des Problems.
• Wir sind besorgt, weil die EU-Kommission und die zuständigen Behörden im Falle des Salzabstoßes durch Kalihersteller in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich vorzugehen scheinen. Dies betrifft zumindest die Aufhaldung von Salzrückständen.
Im Falle des spanischen Kaliherstellers Iberpotash hat die EU-Kommission 2014 die Beendigung der Salzaufhaldung und den Rückbau der Salzhalden gefordert. Dem sind die spanischen Behörden nachgekommen. Um auf die Salzaufhaldung verzichten zu können, will Iberpotash 800 Mio. Euro investieren, davon ca. 400 Mio. für zwei Aufbereitungsanlagen, mit denen das Haldenmaterial in Industriesalz umgewandelt werden kann.
In Deutschland ist die Salzaufhaldung jedoch immer noch nicht untersagt und der Rückbau bislang nicht gefordert worden. Hier werden Haldenerweiterungen immer noch genehmigt und neue Rückstandshalden beantragt. K+S steht damit weiterhin der billigste Entsorgungsweg für feste Salzabfälle zur Verfügung. Das ist eine klare Wettbewerbsverzerrung. Iberpotash und K+S bedienen nach eigenen Aussagen beide den europäischen Markt und sind deshalb zumindest in Europa direkte Konkurrenten.
Wir sind besorgt, weil die Salzgebirge von K+S nicht beseitigt, sondern als Altlasten zurückgelassen werden sollen. Die Entsorgung der anfallenden Haldenlaugen bliebe damit auf unbestimmte Zeit (nach K+S-Angaben mindestens 700 Jahre) Aufgabe des Staates, ebenso wie die Schäden durch Bergsenkungen, weil die nach dem Abbau verbleibenden untertägigen Hohlräume nicht durch Versatz, d.h. dem Material aus den Rückstandshalden gesichert werden.
Sie sehen: Unsere Sorgen sind nicht unbegründet. Wir, die Mitglieder des Naturschutzbeirates des Landkreises Kassel, fänden es toll, wenn Sie Ihren Einfluss als Aktionäre dafür nutzen würden, Ihren Aufsichtsratsvorsitzenden, Dr. Andreas Kreimeyer und das Team um Vorstandchef Dr. Lohr zu konsequentem ökologischem Handeln aufzufordern. Damit helfen Sie mit, die Natur im Werra-Revier zu schützen und zu entlasten und damit sichern Sie sich aber auch möglicherweise längerfristige Erträge aus Ihren Aktien. Und nicht zum Schluss tragen Sie damit außerdem dazu bei, dass die Arbeitsplätze im Werra-Weser-Revier zukunftsfähig gemacht werden…
Die Zeiten für eine ökologische Wende stehen gut. Wie wir der aktuellen Ausgabe der Internetzeitschrift „Der Aktionär“ entnehmen, kann derzeit von einem „recht ordentliche(n) Preisniveau sowie (einer) guten Nachfrage auf den Kalimärkten“ gesprochen werden. „…nicht zuletzt… (wird) die Produktion im neuen Kaliwerk Bethune in Kanada weiter steigen….“.
Diese hier dargestellten Auffassungen teilen wir mit vielen Bürgerbündnissen und Umweltinitiativen. So mit der Werra-Weser-Anrainerkonferenz e.V. (WWA). Sie ist ein gemeinnütziger Zusammenschluss von Kommunen, Verbänden, Vereinen und Wirtschaftsunternehmen, die als Anrainer von Werra und Weser von der Versalzung der Flüsse durch die Abwässer der Kali-Industrie betroffen sind. Ihre Mitglieder vertreten 14 Kommunen mit 150.000 Einwohnern, 150 Fischereivereine mit 31.500 Mitgliedern, elf Fischereigenossenschaften und fünf Berufsfischern. Aber auch mit dem BUND, dem Aktionsbündnis Salzfreies Märchenland, der Bürgerinitiative Giesenschacht e.V., der Bürgerinitiative Umwelt e.V. und vielen anderen.“