Um den Düngemittelhersteller K+S gab es in letzter Zeit fast schon zu viele Meldungen: Mal ging es um Stapelbecken im Landkreis Kassel, um Strafanzeigen und polizeiliche Untersuchungen, mal um Gewässerschutz und Kurzarbeit. Es wird immer schwieriger, durch diesen Dschungel an Informationen durchzusteigen und zu verstehen, worum es eigentlich geht. Im Kern geht’s auf der einen Seite um das Interesse des Konzerns K+S, für ökologische Anforderungen möglichst wenig Geld auszugeben und erforderliche Schutzmaßnahmen für Fluss- und Grundwasser möglichst lange zu verzögern, auf der anderen Seite um die Interessen der Menschen der Region. Die möchten langfristige Sicherheit für das Lebensmittel Nummer 1: sauberes Trinkwasser und kein Salz mehr in Werra und Weser. Die Beschäftigten von K+S wiederum wollen ihre Arbeitsplätze noch möglichst lange erhalten sehen. Weil wir einen großen Teil unseres Trinkwassers aus dem Grundwasser beziehen, wird es vom Gesetzgeber besonders geschützt. In § 48 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) heißt es zur Reinhaltung des Grundwassers, dass nur dann die Einleitung von Stoffen ins Grundwasser erlaubt werden kann, „wenn eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist.“ Bei der Kaliproduktion fallen jedoch gigantische Mengen Abwasser an. Dazu kommt noch weiteres salzhaltiges Wasser, das aus den Salzhalden durch Regen ausgespült wird. Dieses Wasser wird von K+S zur Zeit noch durch Verpressen in den Untergrund entsorgt bzw. direkt in die Werra eingeleitet. Nach einem Gutachten des gänzlich unverdächtigen Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie (HLUG) wird eindeutig festgestellt, dass man sich um das Grundwasser nicht nur Sorgen machen muss, vielmehr sei die Verschmutzung desselben längst eingetreten, also Realität. Der Grund dafür liegt in eben dieser Versenkung von Salzabwässern.
Auch wenn die Grünen das in der Zeit vor der Übernahme des hessischen Ministerpostens für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz alles sehr genau wussten und da noch die Auffassung vertraten, dass die Versenkung von Salzabwasser spätestens im Jahr 2011 beendet sein muss, gibt es dennoch heute den sogenannten Vier-Phasen-Plan: Und der trägt die Handschrift der Grünen Umweltministerin Priska Hinz. Mit diesem Plan, den die Ministerin zusammen mit K+S Boss Norbert Steiner im September vergangenen Jahres stolz verkündet hat, ignorieren die Ministerin und der Konzernchef, dass die versenkte Salzlauge an vielen Stellen bereits an die Oberfläche kommt. Gemeinsam leugnen Politik und Konzern außerdem den Tatbestand, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Versenkung von Salzabwässern und der Versalzung des Grund- und Trinkwassers gibt. Auch die Anzeigen, die gegen die Umweltministerin vorliegen, werden ignoriert, wie auch ignoriert wird, dass noch so wissenschaftlich daherkommende Computermodelle (damit ist das sogenannte dreidimensionale Grundwassermodell gemeint) auf unabsehbare Zeit keine zuverlässigen Prognosen über den Verbleib der versenkten Salzlauge geben können. Statt großzügige Genehmigungen bzw. Tolerierungen zu erteilen, hätte Frau Hinz aufgrund des fehlenden Nachweises der Unbedenklichkeit das Regierungspräsidium Kassel anweisen müssen, die Versenkgenehmigung von 2011 zu widerrufen. Für eine erneute Versenkerlaubnis im Rahmen des „Vier-Phasen-Plans“, des „optimierten Vier-Phasen-Plans“, des „Masterplans Salzreduzierung“ oder einer „Übergangsregelung“ gibt es weder eine sachliche noch eine gesetzliche Grundlage. Zum Antrag von K+S auf Versenkung von Salzabwässern bis 2021 (Phase 1) stellt z.B. das Thüringer Landesverwaltungsamt in einem Schreiben vom 30.10.2015 an den Regierungspräsidenten von Kassel trocken fest: „….der Antrag (ist) in der vorliegenden Form nicht erlaubnisfähig. […] Ebenso sind die künftigen Auswirkungen der beantragten Salzabwasserversenkung nicht zu kalkulieren und nicht zu überwachen“.
Die von den Thüringer Behörden beauftragte Ingenieursgesellschaft delta h ist bereits nach einer einfachen Prüfung des von K+S vorgelegten Grundwassermodells zu einem vernichtenden Urteil gekommen: Damit „ […] können weder qualitative noch quantitative Aussagen über den Verbleib des Salzwassers im Buntsandstein getroffen werden.“ Im Übrigen enthielte der Antrag zahlreiche weitere gravierende Fehler und teils völlig unrealistische Annahmen. Ohne den Vier-Phasen-Plan hier im Detail besprechen geschweige denn würdigen zu können, muss festgehalten werden: Wenn am Ende aller Bemühungen, Investitionen und Genehmigungen – irgendwann so um 2075 herum – als Ergebnis dieses fatalen Planes feststeht, dass immer noch bis zu 1,5 Millionen Kubikmeter Salzwasser aus den bis dahin immer weiter angewachsenen Salzhalden die Werra und Weser verschmutzen dürfen und wenn außerdem der Grenzwert für Chlorid nach der Wasserrahmenrichtlinie der EU dann statt der vorgeschriebenen 300 mg/l immer noch 800 mg/l betragen darf, dann ist dieser Plan kein guter, sondern Bullshit. Auch wenn hier eine grüne Ministerin den Stift geführt hat, durchgesetzt hat sich der Konzern. Die Interessen der Region und die der dort wohnenden Menschen, die Ökologie und alles, was in den betroffenen Bereichen von Werra und Weser rumschwimmt, sind bei diesem Plan auf der Strecke geblieben. Was stattdessen her muss, sind präzise Festsetzungen von Abwassergebühren für die Einleitung von Salzlaugen in den Untergrund und in die Werra bzw. Weser. Was außerdem dringend ausgehandelt werden muss, ist, dass so schnell wie möglich – wie andernorts längst praktiziert – das anfallende Abraummaterial gleich wieder zurück in die Stollen der Bergwerke gebracht wird. Gemäß dem United Nations Environmental Programm von 2001 (UNEP) muss eine abwasserfreie Kaliproduktion zur Norm werden. Dafür tritt DIE LINKE ein. Mit modernen Produktionstechniken müssen die flüssigen Abfälle eingedampft, die darin enthaltenen Rohstoffe zusätzlich verwertet und die festen Reste zusammen mit den Halden sukzessive wieder in die Hohlräume unter Tage eingebaut werden. Das erhöht die Ausbeute, sichert die Hohlräume, entlastet die Umwelt, macht Werra und Weser wieder zu Süßwasserflüssen und sichert längerfristig Arbeitsplätze im Kalirevier. Was andere Kaliwerke können, muss auch in unserer Region zur Regel werden. Und zwar jetzt und nicht erst dann, wenn K+S es möchte. Wir brauchen eine Politik, die genau das durchsetzt, Frau Prinz.
Geschrieben zusammen mit Marjana Schott