Schlagwortarchiv für: 07. April 2014

Die Verbandsversammlung des ZRK beschließt im Februar 2014, dass im interkommunalen Gewerbegebiet des sog. Lohfeldener Rüssels ein großer Laden für Pferdebedarf errichtet werden soll. Eine völlig unbedeutende, niemanden interessierende Kleinigkeit im kommunalpolitischen Getriebe der Region? Ja und nein. Vor dem Hintergrund der Größe und Qualität anderer Probleme ja, vor dem Hintergrund des Umgangs mit eigenen, selbst vorgegebenen Planungszielen nein. Aber der Reihe nach: Für den Aufstellungsbeschluss zur Änderung des gütigen Flächennutzungsplanes (FNP) hat die ZRK-Verwaltung eine kluge und erschöpfende Vorlage erarbeitet, die das Problem klar und eindeutig beschreibt. Danach ist das Ansinnen der Gemeinde Lohfelden, Partner der Stadt Kassel in diesem interkommunalen Gewerbegebiet, einen großen Fachmarkt unterzubringen, planungsrechtlich z.Z. nicht möglich. Derartiges widerspricht auch dem Regionalplan. Damit sehen alle übergeordneten Planungen unisono gewerbliche Nutzungen, aber keinen Einzelhandel vor. Auch der Fachbeirat „Kommunale Entwicklungsplanung“ beim ZRK hat sich gegen die Unterbringung dieses Fachmarktes an dieser Stelle im ZRKGebiet ausgesprochen. Normalerweise wäre die Sache jetzt gegessen. Die Verbandsversammlung – das Parlament des ZRK – hätte jetzt nur noch formal die Ablehnung des Lohfeldener Ansinnens beschließen müssen. Gegen den Antrag des Unterzeichners, der Vorlage der Verwaltung zu folgen und keine FNP-Änderung einzuleiten, geschieht jedoch genau das Gegenteil. Eine Änderung eines FNP ist natürlich keine Sünde. Das macht manchmal sogar Sinn. In diesem Fall allerdings nicht, weil das Entscheidende vor dem Beschluss passiert ist. Die Gemeinde Lohfelden hatte nämlich dem Investor für den Pferdefachmarkt das Grundstück bereits verkauft, bevor der o.a. Beschluss zu Änderung des Flächennutzungsplanes gefasst worden ist. Und das ist schon ein dickes Ding: obwohl ein abgelehnter Bauantrag (wegen fehlenden Planungsrechts) bereits vorlag, veräußert die Gemeinde Lohfelden dennoch ein Grundstück für eine Nutzung, die so nach Recht und Gesetz gar nicht möglich ist. Besser wäre es gewesen, das Verfahren umzudrehen: erst argumentieren, dann ggf. die Planung ändern, dann verkaufen. Aber den Verkauf zum Totschlagargument für eine Planänderung zu machen, widerspricht allen parlamentarischen Regeln.

Öffentliche Investitionen müssen sich nicht nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten rechnen, um ihren gesellschaftlichen Nutzen zu beweisen. Das ist mit Schulen, Schwimmbädern, Bibliotheken und dem ÖPNV so. Doch Defizite in den genannten Einrichtungen führen immer wieder dazu, dass sie einer existenziellen Prüfung unterzogen werden. Nicht so beim Flughafen Calden. Die anhaltend fehlende Nachfrage hochsubventionierter Flüge nach Mallorca und an die türkische Adria haben dazu geführt, dass die Chefin des Caldener Flughafens, Frau Muller, in die Wüste geschickt wurde. Man warf ihr eine ungeschickte PR-Arbeit vor und dass sie mangels Alternativen auf windige Angebote obskurer Fluggesellschaften hereingefallen sei. Die HNA sah in diesem Schritt eine längst überfällige Maßnahme, die nordhessische Investitionsruine zu retten. Nun soll es der ehemalige Chef des Kairoer Flughafens, Herr Schustereder, richten. Wenn er nicht so viel Geld gekostet hätte, wenn er nicht so viel ökologischen Flurschaden angerichtet hätte („Hätte, hätte – Fahrradkette!“/SPD Kanzlerkandidat Steinbrück), könnte man aus vollem Herzen lachen. Dieser Caldener Flughafen, Gespött der Nation, dieser Flughafen, den keiner braucht und von dem keiner fliegt, sieht so ‚klasse‘, so blank, so leer aus, dass man definitiv auf aberwitzige Gedanken kommt, die wir nun dem neuen Chef mit auf den Weg geben. Nachdem wir für den Calden-Artikel in der letzten Ausgabe der LinksZeitung im Internet recherchierten, stellten wir fest, dass der nie in Betrieb gegangene Regionalflughafen in Dessau (nachdem auch dort niemand bereit war zum Abheben) inzwischen Nachtflugtraining und Ähnliches anbietet. Das Motto dort: „Fliegen im Mondschein“. Wir empfahlen den hiesigen Verantwortlichen, sich doch mal in Dessau anzumelden und abzufragen, ob denn mit solchen hochattraktiven, nächtlichen Freizeitaktivitäten Chancen bestünden, auch den Flughafen in Calden aus der Schusslinie der bundesweiten Kritik zu bringen. Es hat sich allerdings bis jetzt noch niemand nach Dessau aufgemacht, wie man uns dort ausdrücklich versichert hat.

Das passt zu allem, zur ganzen Vorgeschichte: Unbeirrbar, gegen alle Vernunft und gegen zahlreiche Expertenmeinungen wird dieser verrückte Flughafen im (Nicht-) Betrieb gehalten. Aber statt jetzt endlich kreativ zu werden, das Ruder rumzureißen und den Versuch zu starten, Kassel und seinen Flughafen aus den Negativschlagzeilen zu bekommen, wird die Sache ausgesessen und erst mal eine teure VIP-Lounge gebaut. Die Sturheit, jetzt – falls tatsächlich mal ein größeres Flugzeug in Calden landen oder vielleicht auch nur notlanden sollte – erst mal an die VIP’s zu denken (so überhaupt welche drin sind im Flieger), ist schon eine sehr spezielle Form von Krisenmanagement und irgendwie sehr nordhessisch.

Solange jedoch in Calden nichts passiert, sollte zumindest das großzügige Gebäude ein wenig genutzt werden. Der Autor kann dafür schon mal eine erste – selbst getestete – Empfehlung aussprechen: Radfahren, mit hoher Geschwindigkeit! Der glatte und äußerst gepflegte, hochglänzende und garantiert teure Fußboden verleitet förmlich dazu. Sie werden sehen: Niemand hat etwas dagegen. Die wenigen, ins Gespräch vertieften KollegInnen nicht, die wenigen Besucher des Bistros am Ende der Halle erst recht nicht. Es bewegt sich ja sonst nichts! Und glauben Sie uns: Sie können dort noch viele Runden in aller Ruhe drehen, dann der jetzige Zustand wird noch länger andauern, egal, wer Chef des Flughafens ist.

Immerhin 15.000 Euro hat es sich die Stadt kosten lassen, einen Photoband zum Hessentag 2013 mit mehr oder weniger gelungenen Bildern zum Ereignis herauszugeben. Er ist zum Jubelband für OB Hilgen geraten. Da unten ist er, unser gewählter Boss, das Oberhaupt der Stadt, der Gemeinde, der Bürgermeister, der Meister der Bürger. Ihm haben die Kasseler Bürgerinnen und Bürger im Wahlakt der z.Z gültigen demokratischen Spielregeln, bei einer Wahl unter 4 Bewerbern um das politische Hochamt, die Meisterschaft des Gewinners übertragen. Er ist der Chef in Kassel, er repräsentiert uns, uns alle, die Großen und Kleinen, die Prominenten und Namenlosen, die Reichen und die Armen. Einfach alle: Auch wenn Hilgen tatsächlich nur von einem Viertel der Wähler wirklich zum Meister auserkoren worden war…. Hier ist er zu sehen: Der freundlich-seriöse Herr im Silberlook, inmitten von Jugendlichen, eingerahmt und dekoriert von einem fröhlichen Veranstaltungsteam. Im Hintergrund die Menge der Menschen, die zum Erlebnis des Frohsinns, des unvergesslichen Festes, des HESSENTAGES, herbeigeeilt sind.

Da 2013 nicht nur der HESSENTAG zu zelebrieren war, sondern auch die 1100 jährige Existenz der Stadt, war und musste über lange Zeit richtig ausdauernd und auch schon ein bisschen für die Zukunft mit gefeiert werden. Das gute Leben in der Stadt wird dabei in allererster Linie durch unseren wahrhaft repräsentablen Meister demonstriert. Und dafür, zum Repräsentieren, braucht man unbedingt einen teuren Photoband, bezeichnender Weise ohne Text, der allen, die an diesen Festen und Feierlichkeiten teilgenommen haben, noch einmal eindringlich vor Augen führt, wie schön es war… Und wie schön vor allem unser Meister war, wie hübsch er sich in Szene gesetzt hat. Dabei hat es der Meister und seine von ihm Beauftragten tatsächlich fertiggebracht, dass er permanent und bei jeder noch so banalen Aktivität mit auftaucht. Auf den ansonsten völlig inhaltsleeren 150 Hochglanzseiten ist der Meister, 93 Mal selbst abgebildet und das auf die teils unglaublichste Art und Weise: von vorne, von hinten, von der Seite, mit Tischtennisschläger und ohne, beim Bungee- Jumping, im Oldtimer, neben dem Ministerpräsidenten, neben und in den Menschenmassen….

Und immer adrett gekleidet, meistens mit durchaus geschmackvollen Krawatten. Die Selbstinszenierung mag gar kein Ende nehmen: Er ist nämlich nicht nur insgesamt die besagten 93 Mal zu bestaunen, nein, er ist auch ganze 20 Mal ganzseitig, 3 mal dreifach, 4 mal vierfach, 1 mal sechsfach und 3 mal siebenfach zu sehen… Wir fordern zum Nachzählen auf, weil wir uns durchaus verzählt haben könnten. Denn, das muss man zugegeben: Schon nach einigen Seiten wird es derart langweilig, dass schon das Umblättern schwer fällt. Wer sich entscheiden sollte, sich das Werk zum Kasseler HESSENTAG 2013 schenken zu lassen oder es gar zu erwerben, hat nur ganz kurze Durststrecken ohne ein Hilgen-Foto zu ertragen. Auf jeder Seite kommt der Meister der Stadt im Schnitt 0,62 mal pro Seite vor, auf der Doppelseite immerhin schon 1,24 mal. Ein Buch, ein Bilderbuch, ein Kasseler Jahrhundertwerk – einfach herrlich zum Angucken, zum Betrachten, zum Bewundern, aber natürlich auch – das ist nicht verboten – zum Schmunzeln. Wir wünschen viel Vergnügen!