Wenn eine Debatte – wie die um die Bädersanierung – so viele Jahre dauert und es um so viele planerische und finanzielle Details geht, dann besteht die große Gefahr, sich im Kleingedruckten zu verlieren. Manchmal gehört es auch zum strategischen Konzept von Konfliktparteien, einen schmutzigen Kleinkrieg um die Details regelrecht anzuzetteln. Je nach Blickwinkel führt das leider oder eben praktischerweise oft dazu, dass sich viele Beobachter und/ oder Mitstreiter abwenden oder den Überblick verlieren. Da macht es Sinn, das Thema mit Abstand zu betrachten. Wer soll eigentlich glauben, dass im Jahr 2013, in einem der reichsten Industrieländer der Welt, in einer prosperierenden Stadt wie Kassel die Finanzierung von Freibädern nicht mehr möglich sein soll? Eine Leistung, die diese Stadt in den schweren Jahren nach dem Krieg, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts schultern konnte? Wem will man das einreden? Es ist ganz offensichtlich absurd, dass das, was in der Nachkriegszeit unter schwierigen Rahmenbedingungen gelungen ist, nun nach
fast 70 Jahren wirtschaftlichen Wachstums nicht mehr möglich und nicht mehr zu halten sein soll. Tatsächlich hat eine große Koalition aus CDU, SPD und zuletzt auch den GRÜNEN die Bäder jahrzehntelang verrotten lassen und kaputtgespart. Gelegentlich wird das in einem Nebensatz auch mal zugegeben. Von Herrn Dr. Barthel, der dafür die Verantwortung trägt, hört man das jedoch nicht – denn genau das zum Abriss führende Kaputtsparen war seine Absicht und sein Ziel. Verantwortung zu übernehmen kann aber nicht bedeuten, jetzt – wie es die SPD unter Hinweis auf vermeintlich unabdingbare finanzielle Zwänge praktiziert – tabula rasa zu machen und den Bäder-Abbruch zu propagieren. Denn bei einem weiteren Blick aus der Distanz erinnern wir uns noch gut an den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom Januar 2008, bei dem eine noch größere Koalition aus CDU, SPD, GRÜNEN und KASSELERLINKE für eine Sanierung der Bäder an den bestehenden Standorten stimmte. Das war nicht nur ein Beschluss, vielmehr ein Versprechen. Ein Versprechen, an das sich seitdem offensichtlich nur die Kasseler Linke noch erinnert und gebunden fühlt. Seitens der anderen Fraktionen (CDU, SPD und GRÜNE) hielt das Versprechen aber kaum ein halbes Jahr. Ganz offiziell und schnell stand im Dezember 2008 dann das neue „Bäder-Paket“ im Raum. Es bestand aus einem sogenannten Kombi-Bad am Auedamm (von einem Freibad kann ja dort mit einer maximalen Wassertiefe von ca. 1,35 m wirklich keine Rede sein), dazu der Sanierung des Hallenbades Süd und der beiden Freibäder in Wilhelmshöhe und Harleshausen. So wurde es beschlossen und versprochen. Das Budget wurde genauso offiziell um 5 Millionen Euro auf 35 Millionen Euro aufgestockt. Lediglich der Stadtverordnete Boeddinghaus von der Fraktion der Kasseler Linken prophezeite in der damaligen Debatte, dass die Kosten eher bei 42 bis 45 Millionen liegen würden. Dafür wurde er heftig attackiert und kritisiert. Nun soll also auch das Versprechen zum Erhalt der beiden sanierungsbedürftigen Freibäder nicht mehr gelten. Unter der „Führung“ der Mehrzweckwaffe des Kasseler Magistrats, Herrn Dr. Barthel, der gleichzeitig als Kämmerer, Interims-Baudezernent, Liegenschaftsdezernent und vor allem als Sozialdezernent fungiert, wurde der Generalangriff auf beide Freibäder geführt. Das Ziel: beide Freibäder sollen abgerissen werden. Die freiwerdenden Flächen, das gilt in erster Linie für die Flächen des Schwimmbades Wilhelmshöhe, sollen hohe Beträge für den maroden Haushalt der Stadt erlösen. Was dabei, neben dem traditionsreichen Schwimmbad auf dem Spiel steht – Mikroklima, Funktion des Grünzuges etc. – interessiert offensichtlich einen feuchten Kehricht. Hier fällt einmal mehr auf, dass der (grüne) Stadtbaurat in der Debatte überhaupt nicht vorkommt. Als wäre das Thema der Kasseler Bäderlandschaft nicht vor allem auch eines der Stadtplanung bzw. Stadtgestaltung. Der Versuch der SPD-Clique um Dr. Barthel zur Zerstörung und zum Abriss der beiden Freibäder wurde erst einmal erfolgreich durch ein breites Bündnis von Bürgerinitiativen und Fördervereinen abgewehrt. Startschuss bildete die Kampagne der Kasseler Linken im Sommer 2012. Innerhalb kürzester Zeit führte dies zu zwei Bürgereingaben, die von mehreren Tausend Menschen unterschrieben wurden. Der Förderverein des Freibads Wilhelmshöhe konnte binnen kurzer Zeit mehrere Hundert Neumitglieder gewinnen. Die letzte Rückzugslinie der SPD scheint nun noch in der Zerstörung des Freibades in Wilhelmshöhe zu bestehen. Aber auch hier wird aus etwas mehr Distanz der Blick frei auf die unglaubliche Ignoranz der SPD in Bezug auf Bürgerbeteiligung und -mitbestimmung. Immer wieder wird die Notwendigkeit bzw. der hohe Wert einer aktiven Bürgerbeteiligung hervorgehoben. Und jetzt, wo sich hunderte in den Fördervereinen zusammenschließen, wo tausende die Bürgereingaben unterschrieben haben, wo intensiv zwischen der Stadt und dem Förderverein Wilhelmshöhe um die Kosten einer Sanierung verhandelt und gerungen wird, ausgerechnet jetzt preschen SPD-Fraktion und Kämmerer vor, um die Zerstörung des Freibades in Bad Wilhelmshöhe brachial durchzusetzen. Das ist nicht nur ein weiteres gebrochenes Versprechen.
Das ist auch ein Anschlag auf das intensive Engagement all derer, die sich für eine konstruktive Lösung einsetzen. Es muss Schluss sein mit der Salami-Taktik zur Zerstörung der Kasseler Bäderlandschaft. Schlimm genug, dass die Hallenbäder Ost und Mitte geschlossen wurden bzw. werden. Die Kasseler Linke tritt für den Erhalt beider Freibäder ein. Scheinlösungen lassen wir uns nicht auftischen. Abriss hier und da und Neubau vielleicht dort oder hier oder dann auch wieder nicht! Schluss damit. Her muss jetzt – wie 2008 noch feierlich versprochen – ein verbrieftes Ende
des weiteren Bäderabbruchs und ein schlüssiges Konzept für den Erhalt der beiden Freibäder. Besonders infam finden wir den Versuch, die Nutzer der beiden Bäder gegeneinander auszuspielen.
Geschrieben zusammen mit Kai Boeddinghaus