Michel Houllebecq’s Roman Unterwerfung war für das Kasseler Staatstheater Anlass – die bisherigen Vorstellungen waren offensichtlich alle gut besucht – zum 2. Mal innerhalb der Reihe Streitzeit zur Diskussion zu laden. Über das Buch und das im TIF laufende Stück wurde nicht diskutiert. Das lag, wie vieles andere auch, an der Auswahl der Vortragenden, die sich trefflich ergänzten, sich in keinem einzigen Punkt widersprachen, obwohl das ganze Land mehr als zerrissen ist in der Frage, die zur Debatte stand: Ist das „Alles nur ‚Angstgerede‘?“, was da so diskutiert wird über den Islam?
Wie es um die Positionen von Frau Dr. Amirpur steht, konnten die geneigten HNA- Leser/innen schon am Vortag lesen: Während die Massaker des sogenannten Islamischen Staates, die Rolle von Hamas und Hisbollah im Nahen Osten unter dem Terror-Sponsoring des Iran genau so wenig eine Rolle spielten, wie all die vom Islam und vom Koran motivierten islamistischen Attentate in Europa, in London, Madrid, Paris, Berlin, Brüssel etc., wurde den gespannt lauschenden Zuhörern in geschliffener Rede offenbart, dass es keinen Zweifel gebe daran, dass westliche Demokratie, Frauenrechte und Geschichtsauffassung sehr wohl kompatibel mit dem Islam und den MuslimInnen seien. Hätte sie ihre Auffassungen wenigstens im Konjunktiv formuliert, wäre es mit der Kompatibilität zumindest ein klein wenig offener geblieben. So aber legte sich Frau Dr. Amirpur in jeder Hinsicht fest: Burka, Niqab, Hidschab und Tschador seien im öffentlichen Raum kein Problem. Dem Antisemitismus in den Köpfen der in den letzten Jahren nach Europa Geflüchteten, ebenso wie dem Antisemitismus bei denen, die schon länger hier leben, wie z.B. den vielen Türken, die von der AKP-gelenkten DITIB indoktriniert werden, müsse man zwar entgegentreten – dieser Antisemitismus sei aber ursprünglich ein europäischer. Das aber entspricht nicht den Tatsachen.
Eine häufige Erfahrung aufmerksamer Besucher des Nahen Ostens und der arabischen Länder ist die Begeisterung, auf die man trifft, wenn man arabischen Menschen mitteilt, man sei aus Deutschland. Oh, Deutschland! Hitler war ein guter Mann… Und die angeblich so geschundenen und entrechteten „Palästinenser“ verdanken all die Durchschlagskraft ihrer irren Forderungen dem unermüdlichen Bemühen eines Muftis aus Jerusalem – Amin el-Husseini -, der die palästinensische Frage und Nationalbewegung im Alleingang erfunden hat, vor den Engländern nach Berlin zu Adolf Hitler flüchtete und später in Bosnien für die Nazis zwei muslimische Regimenter kommandierte, bevor er sich rechtzeitig, Nürnberg entrinnend, wieder in den Nahen Osten begab. Alles kein Thema für die Dame Amirpur und auch nicht für ihren Mitdiskutanten, Herrn Professor Leggewie, Urgestein der 68er und Multi-Kulti-Ideologe. Aber angesichts solcher Zusammenhänge macht sich bei der Linken ein Schweigen breit, das kein vernunftbegabter Mensch begreifen kann.
Abzustreiten, dass nicht wenige der hierher kommenden Flüchtlinge ein durchaus verfestigtes antisemitisches Weltbild mitbringen, ein durchaus rückwärtsgewandtes Bild der Frau und noch viel gefährlichere Vorstellungen von einem Staat, in dem Politik und Religion nicht klar voneinander getrennt sind, kann man nur als ignorant bezeichnen. Solche Probleme derart kleinzureden, deutet bei Frau Dr. Amirpur auf eine Art Realitätsverlust hin. So äußerte sie in der HNA wörtlich: „…zu sagen, Muslime sind antisemitisch und muslimische Flüchtlinge bringen eine antisemitische Grundstimmung mit, ist idiotisch und führt zu nichts“. Dieser Satz ist grundfalsch. Er widerspricht der Faktenlage eklatant. Und die Gefahr, die darin liegt, dass sich derartige Grundhaltungen verbinden mit dem in Deutschland auch ohne Muslime schon vorhandenen vielfältigen Antisemitismus (bei den vielen Gruppen ultrarechter und völkischer Organisationen und Parteien, bei relevanten Teilen der Linken und auch bei Gruppen, die tief in der sogenannten Mitte der Gesellschaft verankert sind) darf nicht übersehen und kleingeredet werden, auch und vor allem nicht von einer Frau, die weit umher reist und sich als große Iranversteherin gibt.
Während Frau Dr. Amirpur nicht müde wird, überall zu verbreiten, dass sich die Geduld mit den Mullahs im Iran lohne und sich die Situation u.a. für die Frauen bald verbessere, dass sich Israel keine Sorgen machen müsse (auch wenn die Raketen des Landes bei Tests überaus deutliche Aufschriften tragen) und dass die Reformer sich am Ende mit substantiellen Reformen durchsetzen würden: Die Menschen im Iran wissen es besser. Sie wussten es besser im Jahr 2009 und so auch bei den jüngsten Demonstrationen und Erhebungen. Auch Frau Shirin Ebadi, die für ihren Mut und ihren Widerstand als Menschenrechtsanwältin den Nobelpreis erhielt, war über lange Jahre der Meinung, dass alle Bestrebungen von außen, einen „Regime Change“ zu verlangen und darauf hin zu arbeiten, nicht der richtige Weg seien. Heute, wie kürzlich in einem Interview mit dem Nahostexperten Thomas von der Osten-Sacken zu lesen war, spricht Frau Shirin Ebadi Klartext: „Das iranische Regime ist unreformierbar“. Zu gern hätten wir von Frau Dr. Amirpur so etwas oder etwas Ähnliches gehört: leider Fehlanzeige.
Herr Dr. Leggewie, der es wichtig fand, sich als Anhänger des rheinländischen Katholizismus zu bezeichnen, gab den ideologischen Begleitschutz für Frau Dr. Amirpur ab. Eigentlich müsste er es besser wissen, verbinden ihn doch seine frühen politischen Bezüge mit Algerien. Algerien ist das Land, in dem der Islamismus schon in den Neunzigern einen mörderischen Bürgerkrieg entfesselte, der sich auch explizit gegen Gewerkschafter, Linke und Frauen richtete und über Hunderttausend Menschen das Leben kostete. Aber auch er sieht keinerlei Problem darin, den Islam, in allen seinen Spielformen, in Europa optimal zu integrieren. Und er hat durchaus den Arbeitsmarkt im Blick, wenn er sagt, dass ausgesprochen gute Chancen bestünden, die vielen, gut ausgebildeten Syrer in die deutsche Wirtschaft einzubinden…
In der sich anschließenden Diskussion wurde immer wieder hervorgehoben, dass man eigentlich nur Fragen erwarte. Außerdem sollten diese dann möglichst kurz und knapp sein. Kritische Statements waren eher nicht erwünscht. Dazu gab es bedauerlicherweise nur ein Saalmikrofon, das vom Theaterintendanten, Herrn Bokelmann, persönlich herumgereicht wurde. Und so wurde aus den überaus einmütigen, in keiner Weise zum Disput anregenden Eingangsreferaten des Beschwichtigungs-Duos Amirpur/Leggewie eine fast ebenso brave Debatte.
Zu Beginn fragte eine Besucherin kritisch nach, wie es sein könne, dass man ein Streitgespräch zu einem in der Gesellschaft derart kontrovers diskutierten Thema ankündige und dann zwei Referenten einlade, deren Positionen zum Thema nahezu identisch sind. Der AfD – Mann, Manfred Mattis, Rechtsanwalt und Bundestagskandidat der AfD im Wahlkreis 168, machte dann den Versuch, seine eigenen, kritischeren Auffassungen vom Islam vorzutragen, auch wenn man ihn dabei mehrfach unterbrach. Dann gab es noch ein paar differenziertere Anmerkungen einiger ZuhörerInnen, u.a. vom Autor dieses Artikels. Er fragte, was wohl aus Israel werden würde, eingekreist wie es sei von judenhassenden Nachbarn? Und Jürgen Petzoldt berichtete von der Arbeit mit Flüchtlingen an einer Landkreisschule und erzählte, dass sie alle gegen Israel konditioniert seien.
Es war ganz offensichtlich kein Raum und kein Abend für eine kritische Sicht auf das, was der Islam für Europa darstellt: eine große Gefahr. Michel Houllebecq jedenfalls – und damit wären wir wieder bei den Eingangszeilen und bei seinem Roman bzw. dem gleichlautenden Theaterstück im TIF (wie auch immer man die literarische Qualität des Romans bewerten mag): Dieser Schriftsteller hat mit seinem Werk auf jeden Fall eine wahrhaft visionäre Weitsicht an den Tag gelegt, wenn er vor den möglichen Entwicklungen durch eine zunehmende Islamisierung – nicht nur in Frankreich – warnt.
Wenn das ein typischer Abend mit deutschen wohlsituierten, betuchten Bildungsbürgern war, dann kann einem Angst und Bange werden. Die Herrschaften leben in einer anderen Welt und pflegen ihre wohlmeinende Gesinnung, völlig unberührt von den Fährnissen der sozialen Realität. In Israel kann sich das nicht einmal diese privilegierte Schicht leisten.
PS: Zu dem Artikel, den Sie auch im Blog des Bündnisses gegen Antisemitismus lesen können (www.bgakassel.de/blog/), haben Jürgen Petzold und Jonas Dörge einige durchaus wichtige Anregungen und Sätze beigetragen!