Schlagwortarchiv für: 16. Februar 2015

Nachdem die SPD 1993 unter und mit OB Bremeier unvergesslich abstürzte – in feudaler Machtvergessenheit versuchte die SPD damals ihren Wählerinnen gleich drei Kröten auf einmal in den Mund zu stopfen – bedurfte es langer Lewandowski–Jahre, bis Kronprinz Hilgen die SPD wieder zurück an Macht und Pfründe führen durfte. Erst aber mussten die Lollies (als Symbol von Tempo 30 undiskutiert), die Erhöhung der Getränkesteuer (wie bringt man den kleinen Mann schnell und effektiv gegen sich auf!) und die Jahrhunderttreppe auf dem Königsplatz (zum documentaKunstwerk geadelt und mit praktischem, braun verkleidetem Holzklosett darunter) ein wenig in Vergessenheit geraten. Der Mann hat zwei Anläufe genommen und dann doch keine Multifunktionsarena gebaut. Es hat damit weder auf den Giesewiesen noch auf dem Salzmanngelände geklappt. Er hat ein technisches Rathaus – auch bei Salzmann – bauen wollen. Auch das ist kläglich gescheitert, wie auch die personell daran geknüpfte Männerfreundschaft mit dem Ex-Investor von und für Salzmann, Herrn von und zu Rossing. Der ist inzwischen ganz aus der Mode gekommen, fast zur Unperson geworden! Hilgens Flughafen (den allerdings hat er geerbt von Vorgänger Lewandowski) ist zum Gespött der Nation geworden. Inzwischen reden selbst seine glühendsten Verehrer davon, ihn wieder zum Verkehrslandeplatz zurückzustufen. Was der alte Flughafen ja einst auch schon war. Dass Hilgen Dr. Barthel zuerst schassen wollte, ihn dann aber als unsozialen Sozialdezernenten behielt, blieb nicht folgenlos. Unvergessen ist der verlorene Prozess der Stadt Kassel, weil Hilgen Barthel erlaubte, den Ärmsten der Stadt die Kosten für die Unterkunft (KdU) zu pauschalisieren und damit zu kürzen. Gegen Recht und Gesetz!

Ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister und sein Sozialdezernent greifen den Schwächsten der Stadt in die Tasche und rühmen sich noch der eingesparten Beträge. Unter Hilgen, wir erinnern uns, ist auch die mit Preisen ausgezeichnete Joseph-von-Eichendorffschule dicht gemacht worden, obwohl sie in Sachen Integration ein Vorzeigeobjekt für Kassel gewesen ist. Und dann erst die geniale Verkehrspolitik dieses Mannes: Für richtig viel Geld wird im Jahr 2012 ein sogenannter Verkehrsentwicklungsplan auf den Weg gebracht. Nach langen Jahren der Datenerhebung und Planung liegen erste Konzepte vor, zu denen u.a. auch der Vorschlag gehört, auf einigen der massiv belasteten Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 einzuführen. Kassel, ohnehin stark belastet durch Feinstaub und Lärm, hätte dringend Entlastung nötig. Die Reaktion der von Hilgen geführten SPD: mit uns gibt es auf keinen Fall Tempo 30 auf der Holländischen etc.. Egal, was da der Fachdezernent denkt: die SPD, die ihr Tempo- 30-Trauma aus 1993 längst noch nicht verarbeitet hat, bleibt autolobbyistisch und vergibt damit schon am Anfang der Debatte um eine bessere und ökologischere Verkehrspolitik große Chancen! Jetzt ist Hilgen schließlich, nachdem er zuerst seinen Parteigenossen Kaiser aus dem Chefsessel geschubst und sich selbst zum Aufsichtsratschef der Städtischen Kliniken gemacht hat, auch noch der Mann, der anstelle von Dr. Sontheimer einen neuen Klinikchef ins Boot geholt hat.

Ob sich diese Wahl am Ende als glücklich erweisen wird, werden wir noch sehen. Und um das Maß voll zu machen, hat sich Hilgen jetzt auch noch mit der aktiven Kasseler Kunst-, Kultur- und Stadtgeschichtsszene überworfen, weil er ohne jede öffentliche Fachdebatte das gesamte Konzept der städtischen Museen von den Füßen auf den Kopf gestellt und dabei Frau Dr. Dörr vor die Tür gesetzt hat. Nicht nur die Experten z.B. vom Geschichtsverein befürchten einen „radikalen Bruch im stadtgeschichtlichen Wissen“. Aber wir dürfen bei aller Kritik nicht vergessen: Der große Meister hat ja auch den größten und besten Hessentag aller Zeiten veranstaltet. So was hat Hessen wirklich noch nicht gesehen. Im schönen Sommer 2013 schwingt sich der Meister gelungener Inszenierungen auf zu ganz großen Höhen. Das, was Hilgen dabei geleistet hat, lässt sich nicht einfach publizistisch, statistisch oder sonst wie feiern und würdigen. Nein, es gibt dafür einen fulminanten, sehr zu empfehlenden Fotoband über und zu dieser beeindruckenden Oberbürgermeister-Leistung: 140 Seiten, kein Text, dafür aber 97 mal Hilgen in Farbe, teils ganzseitig. Einfach traumhaft. Das müssen Sie sich unbedingt besorgen und durchblättern. Sie werden unsere Begeisterung teilen.

Wir beten und hoffen: Mögen ihn seine wackeren Sozialdemokraten bald für weitere 5 Jahre auf den Schild heben! Dann kann in Kassel nichts mehr schief gehen.

Auch wenn zu Dr. Barthels Abschied vermutlich kein buntes Fotoalbum mit knapp 100 Barthel-Bildern herausgegeben wird – wie sich Hilgen zum Hessentag 2013 eins hat machen lassen. Er wird in den kommenden Monaten bis zu seinem Weggang im Mai noch viel gelobt und gefeiert werden. Was hat der Mann nicht alles für Kassel getan, erreicht, vollbracht? Selbst wenn es zum Kasseler SPD Parteichef nicht gereicht hat und es auch mit dem Sessel des Klinikchefs nichts wurde: Er hat, ganz zweifelsfrei, viel gemacht, in vielen Töpfen gerührt und sich in seiner langen Kämmerer-Zeit viele Feinde und sicher auch viele Freunde gemacht. Dasselbe gilt für seine Zeit als Sozialdezernent. Seine Freunde und Fans werden das Wort auf den schon angesprochenen Feierlichkeiten noch zur Genüge schwingen und manche Lobhudelei loswerden. Unsere Aufgabe ist das nicht. Wir haben nie zu seinen Anhängern gehört und daraus keinen Hehl gemacht. Mit den Artikeln, die wir in unserer Zeitung über ihn verfasst haben, könnte er – falls er als Rentner sich noch irgendwo bewerben wollte – keinen Eindruck schinden. Und bei den Menschen in Kassel, denen er widerrechtlich „Kosten der Unterkunft“ gekürzt hat und sich mit den dabei eingesparten Millionen noch gerühmt hat, schon gar nicht.

Wir meinen, dass Dr. Barthel – auch wenn ihn OB Hilgen gleich zu Beginn seiner 1. Amtszeit noch aus dem Magistrat werfen wollte – von Anfang an genau der Richtige für Kassel war. Das gilt von 1991 bis heute, also sowohl für die CDU- und Lewandowski-Zeit als auch die Zeit mit der SPD. In Zeiten von Neoliberalismus, Deregulierung und Sozialabbau – und das war, bei allen Konflikten und Streitereien zwischen SPD, CDU und GRÜNEN, übergeordnetes Ziel – war auf Dr. Barthel immer Verlass. Wenn es eines Beweises bedurfte: Die feste Zusicherung der CDU, Dr. Barthel wann auch immer in ihre christliche Partei aufzunehmen, zeigt: Dieser Mann hat den vereinten Konservativen der Stadt, den schwarzen mit dem unchristlichen Einschlag und den Roten mit dem verlorenen Herz für die kleinen Leute, immer alles recht gemacht! Alles, was Barthel in seinen langen Jahren als Kämmerer und Sozialdezernent falsch gemacht hat, hier in einem kurzen Artikel unter zu kriegen: das bekommen selbst wir nicht hin. Aber ein paar seiner Meister- und Kabinettstückchen möchten wir schon ausgraben: Sie wollen im Zentrum der Stadt schwimmen gehen? Geht leider nicht mehr. Dr. Barthel wollte das nicht. Sein Sparkonzept für die Kasseler Bäder ließ das nicht zu. Geschwommen wird in Kassel jetzt in der Fulda am Auedamm. Mit negativen Folgen für Karls- und Fuldaaue und die Innenstadt gleichermaßen. Sie wollen, dass die vielen Gewerbebrachen im Stadtgebiet Kassel für ansiedlungswillige Unternehmen aufbereitet werden? Geht nicht, weil Kassel jetzt seine letzte ökologisch wertvolle Fläche im Stadtgebiet, für das Gewerbegebiet „Langes Feld“ verbaut. Dass dafür jetzt sogar noch Geld aus dem wichtigen Projekt Umbau Friedrich-Ebert-Straße umgeschichtet worden ist, setzt dem Ganzen nur die Krone auf. Sie wollen, dass die Schulen auch und vor allem dazu beitragen, dass schwächere Kinder besser integriert werden? Geht leider auch nicht überall. In Bettenhausen wird z.B. aus Ignoranz und Sparsamkeit die Eichendorffschule geschlossen, die als preisgekrönte Schule hessen- und europaweit für ihre Integrationsleistungen bekannt war.

Sie wollen, dass bei Neubauprojekten in der Innenstadt, die immer noch geprägt ist von Struktur- und Gestaltungsdefiziten aus der Nachkriegszeit, neue städtebauliche Erkenntnisse einfließen mit guten gestalterischen und funktionalen Ergebnissen? Pech gehabt. Daraus wird leider nichts. Wo ein Kämmerer ungehindert Städtebau betreiben darf (ohne jede Kompetenz dafür zu besitzen), braucht sich niemand wundern, wenn dann zum Beispiel am alten Standort des Stadtbades Mitte ein trister Büroklotz entsteht: ohne Architektenwettbewerb, ohne Nutzungsmischung und ohne Wohnungen, dafür mit vielen neuen Tiefgaragenplätzen. Dr. Barthel verkaufte dieses bedeutsame Grundstück zwischen Lutherplatz und Königsstraße schnell, damit der RP dort zusätzliche Büros bauen lassen kann, die dann ab 16.30 Uhr wieder in tiefer Dunkelheit versinken. So was haben wir ja schon einmal erlebt beim neuen Finanzdienstleistungszentrum an der Fulda. Sie wollen nach Kassel ziehen oder in Kassel wohnen bleiben, in einer attraktiven erschwinglichen Wohnung, in ihrem Lieblingsstadtteil? Es kann gut sein, dass das nichts wird, weil Dr. Barthel ganz klare Prioritäten durchgesetzt hat: Kassel soll attraktiv sein für Betuchte, gut Verdienende und gut Abgesicherte. Für die wird alles getan, dass sie die gewünschte Eigentumswohnung oder ihr Penthouse bekommen oder eben ein Grundstück in bester Lage für ein Einfamilien- oder Reihenhaus. Durch eine absichtliche bzw. in Kauf genommene Verknappung günstiger Wohnungen und die Weigerung, in den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu finanzieren, wird es Menschen und Familien mit kleinem Geldbeutel von Barthel und der SPD richtig schwer gemacht. Was uns angeht: wir freuen uns, dass die Ära des Dr. Barthel, der den Konservativen aller Couleur den willigen und ideenreichen Sparkommissar gegeben hat, den Schwachen der Stadt aber einen umso herz- und kompromissloseren Un-Sozialdezernenten und uns allen einen schlechten Städtebauexperten, nun endlich und bald vorbei ist. Er kann nun, was gut ist, keinen weiteren Schaden mehr anrichten. Ob und wie sein Nachfolger tickt und agiert, werden wir bald sehen.

Und dann wäre, ganz zum Schluss, doch noch etwas Positives zu vermelden: Bei der Eröffnung des letztjährigen Dokumentarfilmfestivals verkündete Dr. Barthel, der den Magistrat dort vertreten hat, er werde – weil er bald viel Zeit haben würde – deutlich öfter ins Kino gehen. Da sind wir sehr dafür! Frei nach dem Motto:„Wer schläft, sündigt nicht“ bzw. „Wer ins Kino geht, kann keine kommunalpolitischen Fehler machen!“

Auch die Umbenennung zum großspurigen ‚Airport Kassel‘ wird nicht helfen: Sie ist so überflüssig und nutzlos wie der gesamte Neubau. Und sie zeigt, wie naiv diejenigen sind, die immer noch an einen prosperierenden Flughafen in naher Zukunft glauben. Jetzt soll es ein neuer Namen richten?

So überflüssig wie eine solche an Torschlusspanik erinnernde Maßnahme ist, so erschütternd sind die Zahlen und Fakten: 2013 benutzten noch nicht einmal 50.000 Fluggäste den neuen Flughafen;
die schon abgespeckte Prognose aus 2012 für 2013 lag bei 100.000! Die anvisierten 660.000 Fluggäste für 2015 sind völlig aus der Luft gegriffen und absolut unerreichbar. Reine Fiktion, Träume unprofessioneller Kommunalpolitiker, die nach einer ganzen Kaskade politischer Fehler sich stur weigern, der Realität ins Auge zu blicken. Um schwarze Zahlen zu schreiben wären ungefähr 2 Millionen Passagiere notwendig. Erst dann wären die Betriebskosten gedeckt. Das aber wird bis zum Jahr 3000 nicht eintreten. Im Übrigen müsste der Flughafen dann erneut massiv ausgebaut werden, weil er heute auf maximal 660.000 Fluggäste ausgelegt ist. 2 Millionen Fluggäste wird es in Kassel-Calden auch dann nicht geben, wenn der unnötige Landeplatz an 2 Autobahnen gleichzeitig angeschlossen wird, was einige der ganz Unbelehrbaren am liebsten machen würden. All das hat Folgen: Denn auch wenn die jetzige Landesregierung aus CDU und GRÜNEN beschlossen hat, das Defizit pro Jahr um 10% zu drücken, bleiben dennoch enorme Summen zu verkraften, die die Haushalte des Landes Hessen und die beteiligten Kommen – Landkreis Kassel, Stadt Kassel und Gemeinde Calden – erheblich belasten. Runde 10 Millionen Euro müssen jährlich in diesen nicht funktionierenden Unsinn gesteckt werden. Calden ist bereits das erste Opfer: Zu gerne würde es seine unrentierlichen Flugplatzanteile loswerden. Aber niemand will sie! Wir haben es schon 100 Mal gesagt und genau so oft geschrieben: Der Rückwärtsgang muss eingelegt, die Realitäten gewürdigt und Blütenträume beerdigt werden.

Und das kann nur heißen: sofortige Rückstufung zum Verkehrslandeplatz und Kostenreduktion auf breiter Front. Unter Einbeziehung der Bewohnerinnen und aller anliegenden Kommunen muss ein nordhessisches Brainstorming veranstaltet und ausgeschrieben werden, mit der Fragestellung: Was kann aus dem nun überdimensionierten Flughafen gemacht werden? Da die Region über genügend kreatives Potential verfügt, eine umtriebige Universität hat und viele innovative Planungsbüros hier ihren Sitz haben etc., wird es garantiert gute Ergebnisse geben… Und zum dritten Mal weist der Artikelschreiber auf Dessau hin: Dort mussten sich die Verantwortlichen mit ähnlichen Problemen herumschlagen wie wir hier am Flughafen Kassel-Calden. Denn ihr Regionalflughafen war ja noch nicht einmal in Betrieb gegangen; er wurde gleich nach Fertigstellung statt als Flughafen zum Verkehrslandeplatz herabgestuft. Und damit das Ding dann nicht völlig ungenutzt in der Gegend rumliegt und jeder über das verpulverte Geld die Nase rümpft, kann man dort jetzt – lt. aktueller Internetseite http://www.flugplatz-dessau.de/v1/135-0-Flugangebote.html – „Fliegen im Mondschein“ erlernen. Unter dem Motto „In der Dämmerung abheben“ wird Nachtflugtraining und Ähnliches angeboten. Außerdem: Warum werden in Calden keine Inliner-WM oder große europaweit ausgeschriebene Inline-Skater Rennen veranstaltet? Die Zukunft des Caldener Flughafens muss nicht zwingend traurig und teuer sein!