Schlagwortarchiv für: 19. Februar 2017

„Schön“ zu hören resp. kürzlich in der HNA zu lesen: Norbert STEINER, seit 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der K+S AG, kümmert sich auch – über den Arbeitskreis der Wirtschaft für Kommunalfragen (AfK) – um die kommunalen Finanzen des nordhessischen Oberzentrums Kassel. Anlässlich des Tatbestandes, dass sich Kassel nicht mehr unter dem sogenannten Schutzschirm des Landes befindet, fühlt Steiner sich berufen, darauf hinzuweisen, dass „die eigentliche Arbeit, den Sparkurs weiterhin einzuhalten und die Entschuldung voranzutreiben, … ohne Schutzschirm weitaus schwerer (wird)“. Der erneuten schwarzen Null beim aktuellen Haushalt stünden über 450 Millionen Euro Schulden gegenüber. Außerdem kämen dazu noch die Schulden der städtischen Eigenbetriebe. Und da die kommunale Finanzwelt natürlich voller Risiken und Unwägbarkeiten stecke, da die Steuereinnahmen auch wieder sinken bzw. die Zinsen wieder steigen könnten, sei die Stadt gut beraten, wenn sie seiner Empfehlung, mit den 3 Tugenden SPAREN, KONSOLIDIEREN, ENTSCHULDEN fortzufahren, weiter folge. Die von der Stadt in den vergangenen Jahren brav umgesetzte kommunale Sparorgie bezeichnet Steiner als „eine Jahrzehnte alte Forderung der Wirtschaft“.

Das ist alles Klartext und nicht wirklich verwunderlich. Der Chef eines globalen Konzerns, der jetzt auch den AfK „führen“ darf, möchte natürlich, dass die Stadt ihren Haushalt wie ein Wirtschaftsunternehmen betreibt. Schwarze Zahlen, rote Zahlen – Strich drunter. Verlust, Gewinn! Basta! Menschen? Interessieren Herrn Steiner offensichtlich nicht so sehr, so wie ihn nicht interessiert, dass viele hochverschuldete Kommunen wie Kassel diese Sparwut nicht nur auf dem Rücken des ärmeren Teils der Stadtgesellschaft ausgetobt haben, sondern auch unter Hinnahme des Verfalls vieler Schulgebäude, der Schließung von Schwimmbädern und Stadtteilbibliotheken. Für die Schicht, der Herr Steine angehört, mit eigener Bibliothek o.ä., ist das mit der Schließung von Bibliotheken natürlich nicht ganz so schlimm: Andere trifft es da schon härter!

Wie schräg ist es eigentlich, einen Konzernchef als obersten Einflüsterer für eine hochverschuldete Kommune im Kreuz zu haben, der aber dort, wo er eigene Zuständigkeiten und Verpflichtungen hat, selbst ausgesprochen kläglich versagt und geltendes Recht seit vielen Jahren bricht? Während andere Salzkonzerne, wie z.B. ICL, der auch das Werk von Iberpotash bei Barcelona betreibt und inzwischen aus den Rückständen der Halden und den Produktionsabwässern besonders hochwertige Salze herstellt, belastet K+S im vollen Widerspruch zu europäischem Recht Flüsse, Boden und Grundwasser. Es interessiert Herrn Steiner kein bisschen, dass sein Konzern ‚allszus‘ gegen die im Jahr 2000 erlassene Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU verstößt. Unverdrossen belastet seine Firma die Flüsse Werra und Weser, unbekümmert durch Bedenken von Umweltschützern und Wissenschaftlern und bislang noch unangefochten von gerichtlichen Klagen presst K+S weiterhin Millionen Kubikmeter belasteter Salzabwässer ins Gestein und ruiniert damit viele Grundwasserbrunnen der Region. Auch das Auftürmen des salzhaltigen Abraummaterials dauert an. Dieses Salzgebirge, das infolge von Regen wiederum große Mengen salzhaltige Laugen erzeugt, die den Untergrund, die beiden Flüsse und damit letztlich das Grundwasser schädigen, wächst immer weiter an…

Auf der konzerneigenen Internetseite kann man lesen, dass Steiners Aktionäre in den vergangenen 9 Jahren 3,07 Mrd. Euro an Dividende erhalten haben. In den vergangenen 20 Jahren sollen jedoch nur (und das ohne jeden nachvollziehbaren Nachweis) 400 Mio. in den dringend nötigen Umweltschutz investiert worden sein.

Solche Ratgeber, die die eigenen Hausaufgaben in keiner Weise im Griff haben und sich schuldig machen nicht nur an der Natur, sondern an den zukünftigen Generationen, die auch ein Recht auf sauberes Trinkwasser haben, kann weder die Stadt Kassel noch sonst jemand brauchen. Und Steiners Ratschläge sind ja weder innovativ, noch neu, weder phantasievoll noch hilfreich. Hilfreich wären vielmehr Gesetze, die dem Grundgesetz folgten, wonach die Kommunen so mit Mitteln auszustatten sind, dass sie die ihnen übertragenen gesetzlichen Aufgaben auch wirklich erfüllen können. An solchen Gesetzen, die eine Tendenz zur dringend notwendigen Umverteilung hätten, ist jedoch jemand wie Steiner nicht interessiert und deshalb gehen seine Ratschläge, wie wir gesehen haben, über sozialen Kahlschlag und rigorose Spartipps nicht hinaus!

Denn eins steht fest: Das Geld, um die kommunalen Aufgaben in den Städten und Landkreisen zu lösen, ist da. Es ist nur falsch, skandalös falsch verteilt oder einfach nur in den falschen Händen, wie man es überall seriös nachlesen kann. Würde dieser Verteilungsskandal, dieser hässliche „Schönheitsfehler des Systems“, der sich noch fatal auswirken kann und vermutlich auch wird, beseitigt, erübrigten sich solche überflüssigen Rollenspiele, in denen Konzernherren unaufgeforderte Ratschläge an verschuldete Städte wie Kassel erteilen. Der o.a. „schöne“ HNA-Artikel vom 07.02.2017 geht dann im Übrigen wie folgt zu Ende: Die Gewerbesteuern dürfen auf keinen Fall nicht erhöht werden, vielmehr müsse die Stadt dafür sorgen, dass Unternehmen ausreichend Anreize zum Investieren erhielten. Dann wachse die Wirtschaft wieder oder weiter und das Geld fließe wie früher sprudelnd in die kommunalen Haushalte. Und der Wolf frisst auch überhaupt keine kleinen Geißlein!

Am 27. Januar 2017 erinnert die HNA resp. Herr Steinbach unter Stadtteile (?) und unter der Überschrift „Kassel gedenkt der Nazi-Opfer“ an die sich an diesem Tag erneut jährende Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.

Zwei irritierende Details veranlassen mich zu diesem nur 286 Worte umfassenden Artikel:

Warum findet Herr Steinbach eigentlich keinen Platz, obwohl in dem 24 mal 24 cm großen Artikel dafür eigentlich genug Raum hätte sein dürfen, daran zu erinnern, dass es die Rote Armee war, die die Befreiung durchführte? Und warum überschreibt er den Hintergrund (zur Erläuterung des Gedenktages) mit „BEREITS seit dem Jahr 1996 Gedenktag“? Auch wenn es den Fakten entspricht, dass dieser Tag in Deutschland seit 1996 offizieller Gedenktag ist und auch wenn es richtig ist, dass die Vereinten Nationen ihn seit 2005 zum Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (International Holocaust Remembrance Day) erhoben haben: Was um alles in der Welt soll im Titel des Hintergrunds BEREITS heißen?

Wenn am 27. Januar 1945 russische Soldaten der Roten Armee die Jüdinnen und Juden befreit haben, die den mörderischen Vernichtungswahn der Nazis gerade so überlebten und Deutschland sich ab 1996 herablässt, diesen Tag durch die Einrichtung eines offiziellen, gesetzlich verankerten Gedenktages zu würdigen, kann doch die Überschrift nicht lauten BEREITS, vielmehr nur ERST 1996!!

Denn im Klartext heißt das doch, dass die Deutschen tatsächlich gute 50 Jahre brauchten, diesem Tag seine späte Würde zu verleihen, wenn das die richtigen Worte für so einen Gedenktag sind? BEREITS klingt demgegenüber so: Was sind wir doch für tolle deutsche Super-Gedenker, die noch fast 10 Jahre vor den Vereinten Nationen der Befreiung von Auschwitz gedenken!