Wer die Hoffnung hat, dass die neue GroKo die wahrhaftig großen Probleme der Zeit und die des Landes anfasst und löst: Der ist schief gewickelt!

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Warum ich das in der Überschrift Geäußerte derart kurz nach der erneuten Inthronisierung der vierten Regierung von Frau Merkel meine, so formulieren zu sollen? Ganz einfach, weil der neue Gesundheitsminister Spahn ohne Rausschmiss aus eben dieser unseligen Koalition sagen durfte: In Deutschland muss niemand hungern, auch wenn es hier keine Tafeln gäbe, weil Hartz IV doch allemal zum Leben reiche…

Nachdem wir der rot-grünen Schröder-Regierung die entwürdigenden, den Export jedoch deutlich steigernden Hartz IV-Gesetze im Rahmen der Agenda 2010 zu verdanken haben – entwickelt und durchgesetzt schwerpunktmäßig zwischen 2003 bis 2005 – leben erhebliche Teile der weniger begüterten Bevölkerung unter der permanenten Bedrohung, in Armut abzustürzen, wenn sie ihre Arbeit verlieren oder sonst irgendwie aus der Spur geraten: Mit all den entwürdigenden Tatbeständen, die damit verbunden sind – bis hin zum Hunger. Was bekanntlich ein dehnbarer Begriff ist.

Ein Minister, der sich anlässlich der Diskussionen, die von den Beschlüssen der Essener Tafel – keine zusätzlichen bedürftigen Migranten zur Essensausgabe zuzulassen – ausgelöst worden sind, hinstellt und tönt, Hartz IV-Empfänger müssten in Deutschland auch ohne die Tafeln nicht hungern, lebt ganz offensichtlich auf einem anderen Stern. Die Wahrheit ist, und das bestätigen alljährlich die traurigen Berichte der Wohlfahrtsverbände immer wieder neu, dass die Armut in Deutschland zunimmt, nicht trotz, sondern wegen dieser unsäglichen Gesetze, die Sozialdemokraten unter dem Jubel von Wirtschaft und CDU in die Welt gesetzt haben.

Dass die SPD bis heute als Partei wegen dieser im Kern asozialen Gesetzgebung zerrissen ist und „leidet“, dass sie schon zehntausende von Mitgliedern verloren hat und nun schon lange gegen einen rapide zunehmenden Wählerschwund ankämpfen muss (die SPD liegt inzwischen auch im Bund hinter der AfD und folgt damit möglicherweise bald dem Schicksal anderer europäischer, sozialdemokratischer Parteien, die schon ganz von der Bildfläche verschwunden sind!!), sind alles Tatsachen. Wann der Niedergang dieser einst stolzen Partei genau eingesetzt hat, ist eine ausgesprochen komplizierte Frage: Bei der Zustimmung zu den Kriegskrediten vor dem 1. Weltkrieg, als Noske („Einer muss der Bluthund sein“) die Soldateska 1919 auf die streikenden Berliner Arbeiter losgelassen hat, beim Erlass der Berufsverbote durch Willy Brandt oder erst „kürzlich“, als Schröders Ghostwriter Steinmeier, der eigentliche Vater der Agenda 2010 und der Hartz IV-Gesetze, mit diesem Gesetzespaket und dem Generalangriff auf soziale Rechte von Hunderttausenden dem bis dahin rheinisch eingefärbten Kapitalismus den Todesstoß versetzt hat? Aber solche Fragen führen hier zu weit…

In direkter Verknüpfung mit einigen anderen Tatbeständen, die ebenfalls ursächlich in die Schröder’sche Politik- und Agendaphase fallen – entfesselter Neoliberalismus, radikale Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und Verkauf von öffentlichen Eigentums – ist, als Rückseite der Medaille, eine konsequente Begünstigung des Reichtums in allen seinen Spielarten festzustellen. Sie zieht sich seit der Streichung der Vermögenssteuer (noch unter Kohl), der Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 % und der Freistellung der „Gewinne aus der Veräußerung inländischer Kapitalbeteiligungen im betrieblichen Bereich“ unter Schröder/Fischer hin bis zum neuen Koalitionsvertrag der neuen (zweiten) Groko hintereinander. Denn dieser Vertrag ist kein Buch mit 7 Siegeln, vielmehr eine 177 Seiten lange Bankrotterklärung in Sachen Armutsbekämpfung bzw. weiterer Umverteilung zugunsten der Reichen und Superreichen. Dieser Vertrag enthält keine Silbe zur Umverteilung oben nach unten, kein Wort zu einer Vermögenssteuer, keinen Satz zur Reform der Erbschaftssteuer, die den Namen wirklich verdiente… Alles Fehlanzeige.

Das wird der SPD am Ende aber das Genick brechen und die Stimmung im Land sicher nicht verbessern, der AfD nicht das Wasser abgraben. Dass 10 % der Reichsten in Deutschland 2/3 des Gesamtvermögens in ihren Händen halten und dass auf der anderen Seite die Armutsquote bei 15,7 % liegt (sie betrifft damit 13 Millionen Menschen, darunter jedes 5. Kind!) zeigt, wie falsch die Dinge laufen. Und ökonomisch ist ein derartiges Ungleichgewicht von Reichtum für gar nichts gut. Einkommensungleichheit in solchen Dimensionen wirkt sich fast nur negativ auf die Konjunktur und andere ökonomische Faktoren aus.

Und wenn sich nun obengenannter Herr Spahn ums Gesundheitswesen kümmern soll, das dringend großer und mutiger Reformen bedürfte, also um die Krankenhäuser, die Kluft in der ärztlichen Versorgung zwischen Stadt und Land, die gruseligen Unterschiede zwischen Privatversicherten und Kassenpatienten, die himmelschreiende Überbelastung und Unterbezahlung der in der Altenpflege Arbeitenden…, dann darf man keine Erwartungen hegen, dass sich da rasch etwas zum Besseren wenden wird, außer dass die privaten Akteure im Gesundheitswesen ihr „Recht auf steigende Renditen“ realisieren werden. Interessiert es Sie überhaupt, Herr Spahn, dass hier bei uns, einem der reichsten Länder der Welt, tatsächlich jedes 5. Kind arm ist? Vermutlich nicht. Und dann wird es sie sicher auch nicht tangieren, dass das eine oder andere davon tatsächlich ab und an mal hungert…!

Aber man kann natürlich besagten Herrn Spahn nicht allein für seinen unsäglichen Satz verantwortlich machen. Vielmehr muss man die ganze Riege der Ministerinnen und Minister der neuen Regierung auf die Anklagebank setzen. Und vor allem darf man den freundlichen Herrn Steinmeier, der als Außenminister zuletzt so überaus hohe Sympathiewerte zu verzeichnen hatte und der inzwischen unser aller Bundespräsident geworden ist, nicht vergessen. Aber ob es die vielen Hartz IV – Empfänger freut, die Zeitarbeiter, die 1 Euro Jobber etc., dass nun der Vater und Erfinder der Gesetze, unter denen sie leiden, der höchste Repräsentant der Deutschen ist, darf dann doch bezweifelt werden. Denn genau er hat die Gesetzes – Arie angeregt und er hat kräftig mitgeholfen, sie durchzusetzen, so wie er zu denen in der SPD gehörte, die sich bis heute erfolgreich gegen ihre Abschaffung gewehrt haben, weil er offensichtlich immer noch an ihre positive Wirkung glaubt. Unter Schröder war er seinerzeit als Kanzleramtsminister tätig. Die, denen er damit Tag für Tag die Würde raubt, sollten ab und an mal dran denken, wenn er uns bei Gelegenheit wieder so treu-brav im Fernsehen anlächelt…