Vielmehr wollen wir all denen, die sich um die Umwelt sorgen demonstrieren, was unser kleiner Beirat so macht, um das Bedrohliche um uns rum zum Besseren zu wenden. Im Kleinen sozusagen und mit viel Arbeit und Einsatz. Ehrenamtlich natürlich…
Der Naturschutzbeirat hat insgesamt 12 Mitglieder. 4 davon werden von der Verwaltung, sprich der UNB (Untere Naturschutzbehörde), eingesetzt. Es sind jeweils ausgewiesene Öko-Experten. Dazu kommen 8 gewählte resp. von den verschiedenen Umweltverbänden wie BUND, NABU, Botanikervereinigung, Landesjagdverband etc. entsandte Fachleute. Der Beirat tagt nur 4 oder 5 Mal im Jahr. Über viele Jahre hinweg waren diese Sitzungen eine eher traurige Veranstaltung, wo vor allem Informationen über die vielen Niederlagen der Naturschutzbewegung ausgetauscht wurden. Hintergrund dieser mehr als unbefriedigenden Situation war der Tatbestand, dass verschiedene hessische Landesregierungen die Rechte des Naturschutzbeirats per Gesetz – Details würden hier zu weit führen – immer mehr ausgehöhlt hat. Bis zum Schluss dann nur noch das Wackeln mit dem Kopf erlaubt war und die Beiräte nichts mehr mit ihrem Votum hatten verhindern können.
Seit einigen Jahren hat sich der Beirat, von innen heraus und durch personelle Veränderungen, die auch mit Verjüngung zu tun haben, erneuert und auf den Weg gemacht, sich – jenseits ihm formal zustehender Rechte – wieder mehr politisch einzumischen. Das wird vom Landkreis, den der Beirat genaugenommen ja berät, auch toleriert. Vermutlich solange Beirat und Landkreis umweltpolitisch an einem Strang ziehen. Was vor allem in der Frage K+S und dessen geplanter Salzabwasser-Monsterleitung quer durch Nordhessen in allerhöchstem Maße der Fall ist. Diese idiotische und völlig überflüssige Leitung will kein Mensch und sie trägt auch kein Jota zur Behebung der Schäden bei, die bisher schon entstanden sind und weiter entstehen werden, wenn nicht bald eingegriffen wird.
Der folgende Rückblick zeigt einen Querschnitt durch unsere Arbeit. Und Rückblick ist hier gleich Ausblick bzw. Programm für 2019. Denn in Anbetracht des Schneckentempos, in dem sich Veränderungen im Umweltbereich abspielen, werden wir an all den Themen, an denen wir uns 2018 abgestrampelt haben, auch im kommenden Jahr dranbleiben müssen.
Aber wir wollen nicht in Pessimismus machen. Vielmehr die gefühlt große Mehrheit all der Menschen, die den ökologischen Kollaps abwenden wollen, zu eigenen Aktivtäten überreden. Denn wir werden es wohl selbst in die Hand nehmen müssen. Wenn die Politik nicht einmal die verbrecherischen Autokonzernlenker an die kurze Leine nimmt, dann sieht es trübe aus. Lieber heben die Politiker doch die Grenzwerte an, statt von BMW, VW, AUDI und MERCEDES BENZ aktiv die Einhaltung bestehender Gesetzte einzufordern. Gute Luft in den Städten für die nicht so gut organisierten Millionen von StadtbewohnerInnen ist ganz offensichtlich nicht so viel wert wie gute Stimmung zwischen Regierung und Konzernzentralen! Und so ist es ja leider nicht nur in Sachen Diesel…
Dann also viel Spaß, aber auch Geduld bei und mit unserem Text. Wir wissen natürlich, dass wir uns damit schon allein von der Länge her der Kritik aussetzen. Alle haben es heute eher gern in Twitter-Kürze, in leicht verdaulichen Häppchen. Damit können und wollen aber nicht dienlich sein. Vielleicht hat die eine oder andere ja trotzdem Freude an dem Text:
– K+S: Kein Einsatz von leistungsfähiger, umweltfreundlicher Technik in Sicht, statt dessen werden neue Salz-Abfall-Halden beantragt und es wird weiter von Haldenbegrünung schwadroniert…
Auch wenn die 3 Umweltministerinnen aus Hessen, Thüringen und Niedersachsen die Salzabwasserleitung zur Weser in ihrer Herbstsitzung 2018 immer noch nicht „beerdigt“ und eine Entscheidung erneut um ein halbes Jahr verschoben haben: Keiner weiß, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Denn K+S wird auf diese Leitung nur verzichten, wenn auch ohne diese teure Investition die Produktion ungehindert laufen kann. Das wird sie aber nicht, weil Salzeinträge in die Werra sowohl durch alte und neue Aufhaldungen als auch durch den Eintrag der jahrzehntelang in den Untergrund verpressten Salzabfälle nicht weniger, sondern mehr werden. Außerdem wird nicht in die richtige Technik investiert, sodass auch die Abfälle aus der Produktion zunehmen werden… Die Produktionseinschränkungen vom Sommer 2018 sind Folge einer notorisch falschen Umweltpolitik des Unternehmens und fehlenden politischen Drucks. Wenn der Druck aus der Politik aber ausbleibt und die Vorgaben der EU aus der Wasserrahmen-Richtlinie aus dem Jahr 2000 weiterhin nicht eingehalten werden, bleibt nur Druck von unten: von den betroffenen Behörden und Kommunen, von Bürgerinitiativen, Einzelpersönlichkeiten und dem Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel. Und so werden wir als Beirat auch im Mai 2019 erneut vor der Stadthalle in Kassel, bei der alljährlich stattfindenden K+S Aktionärsversammlung, gegen die verfehlte Umweltpolitik des Konzerns protestieren…
Somit bleibt festzuhalten: Der Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel sieht die andauernden Planungen zur Verlegung einer Leitung für Salzabwässer inklusive der Errichtung von 30 ha großen Speicherbecken im Reinhardswald nach wie vor unter naturschutzfachlichen Aspekten als sehr kritisch an und fordert eine nachhaltige Lösung der Abwasserproblematik durch den Einsatz von zeitgemäßen Techniken anstatt einer Verlagerung des Problems von der Werra in den Reinhardswald und an die Weser.
– Die Novellierung der Hess. Bauordnung (HBO) vom Juli 2018 führt zu vielen Änderungen und Vereinfachungen
Leider sind diese „Vereinfachungen“ beileibe nicht immer positiv. Vielmehr führt das z.B. dazu, dass Fahrsilos ohne Größenbegrenzung sowie Güllebehälter bis zu 50 Kubikmeter Fassungsvermögen und 3 m Höhe baugenehmigungsfrei werden. Vielfach ist nicht bekannt, dass trotzdem eine naturschutzrechtliche Genehmigung beantragt und der Eingriff ausgeglichen werden muss. Durch die Änderung der HBO steht zu befürchten, dass die Untere Naturschutzbehörde (UNB) oft nicht oder erst im Nachhinein von solchen Bauten erfährt und daher keine naturverträgliche Steuerung dieser Vorhaben im Vorfeld möglich ist.
Da die UNB in diesem Jahr erneut personell ausgedünnt wurde, sind vor Ort-Kontrollen viel seltener möglich. Die Vollzugsdefizite werden also weiter wachsen. Wir appellieren daher an die Verantwortlichen, diese bedenkliche Entwicklung zu stoppen und neue Stellen zu schaffen.
– Die Flächenversieglung ist nach wie vor eines der größten Umweltprobleme in der Bundesrepublik und in Hessen
Die Flächeninanspruchnahme für Siedlungen und Verkehr ist, laut dem Hessischem Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie, ein wichtiger Schlüsselindikator für die Nachhaltigkeit der Raumnutzung. Die mit Flächenversiegelungen verbundenen z. T. irreversiblen Umweltschädigungen sind in der Regel schleichend und treten erst über lange Zeiträume auf. Ökologische Funktionen des Bodens, wie die Regulierung des Wasserhaushaltes, gehen ebenso verloren wie Lebensräume für Flora und Fauna. Auch der Verlust des Bodens für die landwirtschaftliche Nutzung betrifft uns ebenso direkt wie die Tatsache, dass versiegelte Flächen unsere Erde weiter aufheizen. Die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsflächen ist darüber hinaus meist verbunden mit der Abnahme an Siedlungsdichte, mit einer Zunahme des Verkehrsaufkommens und des Energieverbrauchs sowie mit dem kostenträchtigen Ausbau von Infrastruktur. Der Flächenverbrauch und damit verbunden der Verlust einer natürlichen Ressource, liegt in Hessen im Schnitt bei rund 3 Hektar pro Tag, was viel zu hoch ist. Auch Nordhessen und der Landkreis Kassel tragen ihren Teil zu dieser dramatischen Entwicklung bei. Das zeigt sich in vielen Baumaßnahmen wie z. B. am nördlichen Ortsrand von Vellmar, wo eine 17 ha große, derzeit landwirtschaftlich genutzte Fläche in Wohnbauland umgewandelt werden soll anstatt eine Innenverdichtung sinnvoll umzusetzen. Der Beirat hält diese Entwicklung für ausgesprochen problematisch.
– Es fehlt seit Jahren an einer wirksamen Kontrolle für die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
Auch wenn einige Kommunen sich auf den Weg gemacht haben und beginnen, Lösungen für dieses Problem zu finden: In weiten Teilen des Landkreises ist die wichtige Kontrolle solcher Maßnahmen noch immer ein Stiefkind. Die Problematik der fehlenden bzw. nicht umgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in die Landschaft wurden dieses Jahr von einigen Kommunen nachgebessert, wenngleich immer noch eine Vielzahl aussteht. Die Defizite reichen teilweise Jahrzehnte zurück und betreffen oft mehrere Hektar Fläche. Es gibt sogar Fälle, wo die seinerzeit geplanten Kompensationen wegen mangelnder Flächenverfügbarkeit oder fehlender rechtlicher Bindung nicht mehr realisierbar sind und mühsam Ersatzflächen gesucht werden müssen.
Die Koordinierung, Kontrolle und langfristige Betreuung solcher Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen könnte auch durch einen Landschaftspflegeverband erfolgen, wie ihn der Beirat schon seit etlichen Jahren für den Landkreis fordert. Der Untere Naturschutzbehörde kann diese immense Aufgabe angesichts der Stellensituation unmöglich alleine übertragen werden. Wer einer weiteren Schädigung unserer Umwelt etwas entgegensetzen will, muss auch mit zusätzlichem Personal an den entscheidenden Stellen positive Voraussetzungen dafür schaffen.
Ferner wünscht sich der Naturschutzbeirat eine Kommunalaufsicht, die ihrem Namen und ihrer Aufgabe auch gerecht wird.
– Bedauerliche Entwicklungen in der Gartengestaltung – in Stadt und Dorf
Manche selten gewordenen Tier – und Pflanzenarten haben sich aus den ausgeräumten, überdüngten und mit Pestiziden belasteten Agrarlandschaften in die urbanen Räume zurückgezogen. Das bezeugen nicht nur Besuche von Wildschweinen, Füchsen, Waschbären und anderen Wildtieren, sondern betrifft u.a. die Insekten und andere Arten. Stadthonig ist nicht nur ein Modetrend, sondern ein klares Zeichen. Leider gibt es daneben aber auch Entwicklungen im Siedlungsbereich, die kritisch gesehen werden müssen: Viele Bewohner in Stadt und Land setzen, weil es schick zu sein scheint und weil es vor allem weniger Arbeit macht, setzen mit auf den Trend, Gärten in hochdesignte Steinwüsten zu verwandeln. Wenige Solitäre schmücken verschiedenfarbige Steinflächen, die durch eingebaute Folien unerwünschten (Un-)-Krautbewuchs verhindern sollen. Damit werden Gärten zum Gegenteil von Zufluchtsorten für Insekten und weiteren Kleintieren, sondern vielmehr zu leblosen Steinwüsten… Dem wollen wir als Naturschutzbeirat entgegenwirken, indem wir aufklären und die Kommunen dazu ermuntern, u.a. in ihren Festlegungen zu Bebauungsplänen darauf zu reagieren.
– Entwicklungskonzepte für mehr Artenvielfalt, Biotopvernetzung und die Rückgewinnung von Feldrainen
Seit über einem Jahr arbeitet der Zweckverband Raum Kassel (ZRK), ein Zusammenschluss vom Oberzentrum Kassel und seinen direkten Umlandgemeinden, an einem Entwicklungskonzept für überackerte Feldraine Die Schwierigkeit hierbei liegt darin, Landwirtschaft, Gemeindeverwaltung, Naturschützer und Jäger zu gemeinsamem Handeln zu bewegen. Erste Zusammenkünfte der jeweiligen Interessenvertreter in verschiedenen Gemeinden lassen jedoch erkennen, dass eine Zusammenarbeit möglich ist und auch angestrebt wird. Es ist zu hoffen, dass diese Form der Zusammenarbeit in den kommenden Jahren erste Früchte trägt und es bald Fortschritte in Bezug auf mehr Biotopvernetzung und Artenvielfalt geben wird…
Dass auch Kommunen ohne Einbindung in den ZRK sich dieser Thematik stellen zeigt das Beispiel der Gemeinde Habichtswald, in der mithilfe einer engagierten Verwaltung ein Hecken- und Grünpflegeplan realisiert wird, der neben einer fachgerechten und naturschutzverträglichen Lösung auch die Einbindung der BürgerInnen vorsieht.
– Die neu überarbeitet Kompensationsverordnung in Hessen sieht mehr Geld für Ausgleiche vor
Seit dem 26. Oktober 2018 gibt es in Hessen eine aktualisierte Kompensationsverordnung. Mit dieser wird die im Bundesnaturschutzgesetz (siehe § 13 ff.) festgeschriebene Verpflichtung geregelt, nach der Eingriffe in Natur und Umwelt ausgeglichen (=kompensiert) werden müssen. Sie gilt für Bauvorhaben im Außenbereich, d. h. außerhalb der Siedlungen. Das eigentliche Verfahren hat sich gegenüber der alten Verordnung nicht wesentlich geändert, verändert hat sich jedoch die Höhe der Ausgleichszahlung. Bislang lag der Betrag bei 0,35 € pro Wertpunkt. Nun wurde er auf 0,40 € erhöht. Darüber hinaus kommt eine regionale Bodenwertkomponente neu hinzu. Sie beträgt momentan zwischen etwa 0,47 € (im Vogelsbergkreis) und 1,20 € (in Frankfurt, im Main-Taunus-Kreis). Ebenfalls neu ist, dass Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierungen nur noch von dafür qualifizierten Gutachtern durchgeführt werden dürfen.
Aus Sicht des Naturschutzbeirates ist diese Novellierung ein längst überfälliger Schritt, um zumindest einen Teil der Biotopverluste besser ausgleichen zu können. Ohne eine drastische Senkung des derzeitigen Flächenverbrauchs und wirksame Kontrollmechanismen ist dieser positive Ansatz jedoch nichtig und kommt einem Ablasshandel gleich.
– Gibt es so etwas wie ein neues Umweltbewusstsein vor dem Hintergrund von immer deutlicheren sicht- und spürbar werdenden Auswirkungen von Klimawandel und Artensterben?
Vielleicht rütteln uns alle ja die Bilder von klimabedingten Naturkatastrophen – von Orkanen, Taifunen und Hurrikans ungekannten Ausmaßes, von Überschwemmungen auf dem Festland, vom Verschwinden von Inselwelten im Meer, von anhaltenden Trockenheiten (sogar bei uns), von Niedrigwasser und von Wüstenbildung, von riesigen Waldbränden und von einem neuen Artensterben in nie dagewesenem Ausmaß und Tempo – in hohem Maße auf. Inzwischen reden alle – Medien, Wissenschaft und Politik – vom Insekten- und Vogelsterben: Und es scheint, dass die meisten Menschen wissen oder ahnen, dass das alles nicht wirkungslos bleiben wird in Bezug auf die Perspektiven der Menschheit hier auf diesem einzigartigen Planeten. Kommt es vielleicht doch noch zu einem Umdenken bei breiten Teilen der Bevölkerung? Wird es die Politik schaffen, das Geld für die dringend notwendigen Investitionen in den Schutz der Umwelt aufzubringen und endlich die dafür dringend erforderlichen Beschlüsse zu fassen? Vom Ausstieg aus der kohlenstoffbasierten Energieerzeugung hin zum Ausbau regenerativer Energieformen, vom konsequenten Atomausstieg hin zu einer umweltfreundlichen Mobilität, vom Ausstieg aus der Massentierhaltung und hin zu einer menschen- und naturverträglichen Landwirtschaft? Große Aufgaben, große Ziele. Kapitulation wäre der falsche Weg, Selbstreflektion und Vorbildfunktion ein Anfang. Werden diese skizzierten Ziele angesteuert, werden wir sie nach Kräften unterstützen, bleiben politische Entwicklungen in diese Richtung jedoch aus, werden wir zu denen gehören, die sie protestierend einfordern.