Die Landkreise schlagen Alarm: noch dezent, aber mit Recht!
In Anbetracht der aktuellen deutschen Gesamtsituation mit Bildungskrise, Rentenkrise, Infrastrukturkrise, Klimakrise, Verkehrskrise, Waldsterben, Krise im Wohnungsbau, Demokratiekrise, zunehmendem Antisemitismus, weiterer Zunahme von Millionären und Milliardären … ist der kreisende Pleitegeier über Nordhessens Landkreisen eigentlich kein Aufreger. Ich jedoch finde es durchaus besonders, dass sich die hiesigen Landkreisfürsten wenigstens zu einem verhaltenen Protest durchgerungen haben:
So wird es jedenfalls in der HNA vom 23. Januar 2025 berichtet:
„Wenn die kommunale Familie nicht mehr handlungsfähig ist, wird das Vertrauen in die staatlichen Institutionen weiter abnehmen. Das darf so nicht weitergehen.“
Und da liegen sie richtig, Frau Landrätin Rathgeber vom Werra-Meißner-Kreis, Herr Siebert vom Landkreis Kassel, Herr van der Horst von Waldeck-Frankenberg, Herr Becker vom Schwalm-Eder-Kreis und Herr Warnecke vom Landkreis Hersfeld-Rotenburg.
Wenn die Landkreise – und das natürlich landauf landab und nicht nur hier im idyllischen Nordhessen – ihre Aufgaben zur Daseinsfürsorge (was für ein schönes Wort!) nicht mehr richtig erfüllen können, ist was faul im Staate Deutschland! Alle wissen das aus je eigener Erfahrung: Wenn sie bei Ärzten auf Termine oder auf wichtige Medikamente warten müssen, wenn sie in Krankenhäusern für eine OP auf langen Wartelisten stehen, wenn Kitas und Schulen zu wenig Personal haben und für bauliche Instandsetzungen kein Geld da ist, wenn Straßen, Brücken und Schienen marode sind und das Geld hinten und vorne fehlt, um sie in Ordnung zu bringen, wenn für die weniger Betuchten seit Jahrzehnten geeignete und günstige Wohnungen fehlen … All das drückt auch die Landkreis-ChefInnen, weil der Teil vom Steuerkuchen, der den Kommunen z.Z. noch zugeteilt ist, bei wachsender Aufgabenfülle einfach nicht ausreicht.
Das ist aber seit langem der Stand der Dinge und das Gegenteil von neu: In meiner ersten Haushaltrede hier in der Ahnataler Gemeindevertretung, im Dezember 1981 (!), war es schon genau so, wie es heute die Landräte recht treffend beschrieben haben: kein Geld für’s Jugendzentrum, kein Geld für Obstbaumpflanzungen … Genau genommen: kein Geld für gar nix. Und weil ich das gleiche Drama in Kassel und den anderen Gemeinden aus der Presse kannte, war mein Vorschlag ganz einfach: Alle Bürgermeister und Oberbürgermeisterinnen Hessens sollten sich zu einer Demo in Wiesbaden treffen, um laut und unüberhörbar auf das Finanzproblem der Kommunen hinzuweisen. Sie haben es erraten: Niemand demonstrierte damals und auch danach passierte nichts, von ein paar klagenden Hinweisen auf der oder jener Pressekonferenz mal abgesehen. Aber auch die blieben natürlich folgenlos.
Ähnlich folgenlos wird das o.a. Interview der 5 Landkreisbosse natürlich auch bleiben. Da ja alle politischen Ebenen im Bund, in den Ländern und in den Kommunen unter chronischem Geldmangel leiden, wird erst der Druck relevanter Teile der Bevölkerung, zusammen mit Gewerkschaften und anderen Interessensgruppen, das Problem in den Fokus rücken und ggf. für Abhilfe sorgen können. Möglich wäre das durchaus, weil ja ein großer Teil des Geldes, der für die unterschiedlichen Aufgaben der schon erwähnten Daseinsfürsorge gebraucht werden würde, sich in privaten Händen befindet. Auch wenn es erfreulicherweise eine ganze Reihe von Reichen und Superreichen gibt, die sich auf unterschiedliche Weise für eine gerechtere Besteuerung einsetzen: Die verantwortlichen Parteien im Bund wollen eben das ja nicht.
Und so bleibt es erst einmal dabei, dass – auch wenn das Grundgesetz eine auskömmliche Finanzierung der kommunalen Aufgaben sehr wohl vorsieht – der Pleitegeier weiter über den nordhessischen Landkreisen schwebt wie über allen anderen kommunalen Einrichtungen auch: kein Geld zur Bekämpfung der Klimakrise und eben auch kein Geld für die drängenden sozialen Aufgaben. Nur die Zahl der Milliardäre wird weiter steigen. Das tröstet ungemein!
Und in noch einem Punkt haben die Landkreisverantwortlichen recht: Das Vertrauen in die staatlichen Institutionen wird weiter abnehmen und bei den Wahlen werden die Falschen davon profitieren.
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