Kein Ausstieg aus dem Ausstieg

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Nachlese zur Antiatomdemo am 24. April 2010

Was am Anfang der Mobilisierung kaum jemand für möglich gehalten hat: am 24. April 2010 waren um die 150.000 Antiatomgegner auf den Beinen – gegen
den Versuch der Bundesregierung, die Atommeiler der Republik um Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, länger am Netz zu lassen – was den Energiekonzernen
Milliarden in die ohnehin prall gefüllten Kassen spült.
Mit der Menschenkette zwischen Krümel und Brunsbüttel, der Umzingelung von Biblis und der Demo am Atomzwischenlager Ahaus haben wir, die Demonstranten aus allen Teilen Deutschlands, der Atomwirtschaft und der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin die gelb-rote Karte gezeigt. Mit Erfolg hat die unübersehbare und beeindruckende Manifestation sowohl den Atomkonzernen als auch den sie fördernden Parteien Feuer unter dem Hintern gemacht. Es ist keine Überheblichkeit, davon auszugehen, dass dieses Großereignis Auswirkungen auf die Wahlen in NRW gehabt hat. Das war natürlich auch ein Ziel dieser Demo und Grund dafür, den Demo-Termin so unmittelbar vor diese Landtagswahl zu legen.
Die Atomwirtschaft, mit ihren unzähligen Skandalen, der (ewig) ungelösten Endlagerung der radioaktiven Abfälle und der offenen Absicht, den Energiewechsel, den Umstieg auf umweltfreundliche und nachhaltige Energieproduktion zu verhindern bzw. deutlich zu verzögern, hat viele mächtige und einflussreiche Freunde. Die sitzen nicht nur in der aktuellen Regierung, sondern auch in vielen Redaktionsstuben der Republik. Die HNA darf hierfür als Beispiel dienen: Am Samstag vor der Demonstration, obwohl es da schon alle Spatzen
von den Dächern pfiffen, bringt die HNA irgendwo im Innenteil – mit einer billigen Bildunterschrift – den kleinen Hinweis, dass wohl mit 20.000 Demonstranten an eben diesem Samstag zu rechnen sei. Ein Blick ins Internet hätte den Herrschaften aus der zuständigen Redaktion längst gezeigt, dass alle Züge aus den verschiedenen Teilen der Republik ausgebucht waren. Die Veranstalter rechneten mit rund 120.000 Demonstranten für die Menschenkette auf 120 km Länge … Der Knaller kam dann aber am Montag, dem 26.April, in der Berichterstattung über die Antiatomdemonstration am 24. April. Was macht die HNA? Sie spricht, auf der Seite 12 – also schon weit hinten im politischen Teil der Zeitung – von nur 100.000 Demonstranten!

Wieder nur in einer Bildunterschrift. Das Ereignis ist der HNA nur ein Foto mit einer verzerrenden, untertreibenden, leicht verlogenen Mitteilung wert, obwohl doch so viele bedeutende Fragen von größter politischer Tragweite damit verbunden sind. Dass der Streit um die Verlängerung der Laufzeit der AKWs inzwischen auch in der Berliner Koalition tobt und die verschiedenen CDU geführten Landesregierungen bissig übereinander herfallen, könnte einen, wenn das Thema nicht so bitter ernst wäre, zum Schmunzeln bringen. Jetzt wird ja auch überlegt, die Verlängerung der Atomkraftwerke unter Umgehung des Bundesrates zu beschließen. Das aber darf der Atomlobby und ihren Wasserträgern in der schwarz-gelben Regierung nicht gelingen.

Mehrheiten bei Wahlen gewinnt man damit ohnehin nicht, das wissen Frau Merkel und Herr Westerwelle in Berlin nur zu genau. Also gehen solche Spielchen, derartig bedeutungsvolle Beschlüsse an der Länderkammer vorbei zu fassen nur dann, wenn längere Zeit keine wichtigen Wahlen stattfinden. Pikant auch immer wieder: Wieso wird eine Physikerin, die sogar mal Umweltministerin war und bestimmt einiges dabei mitbekommen hat (verheimlichte Störfälle, gefälschte Gutachten etc.), zu einer Atomlobbyistin? Sei’s drum!
Die große Mehrheit der Bevölkerung muss für das Abschalten der AKWs und das Umsteuern in der Energiepolitik auf der Straße sorgen. Die besseren Argumente sind auf der Seite der Atomgegner. Den Rest besorgt hoffentlich das abgesoffene Atommülllager Asse und die Unmöglichkeit, Gorleben mit Atommüll voll zu stopfen, nachdem die Wahrheit über die gefälschten Gutachten von jedermann nachgelesen werden kann …

Eckhard Jochum
(aus LinksZeitung Jahrgang 4 – 2/10)