Stadtverordnetenversammlung Nach der Kommunalwahl in Kassel
Die letzten Wahlen haben die parlamentarische Szenerie in der Kasseler Stadtverordnetenversammlung aufgemischt und grundlegend verändert. Die Wähler*innen haben sich unmissverständlich für eine neue Zusammensetzung ihres Parlaments ausgesprochen. Das hat nicht nur mit dem (erwarteten) Einzug der AfD zu tun, sondern mit vielen anderen Faktoren darüber hinaus. Alle Parteien verlieren nicht nur Wähler*innen, sie verlieren vielmehr die Bindung zu ihren Wähler*innen – und/ oder umgekehrt. Und so kommt‘s, dass die bei den nächsten Wahlen schlicht das genaue Gegenteil wählen können. Die SPD, um mit der alten Tante zu beginnen, befindet sich seit Jahren in einem desolaten Zustand und das nicht nur in Kassel. Hier aber ganz besonders seit 1993. Das hängt mit ihrem arroganten und selbstherrlichen Politikstil zusammen und nicht zuletzt mit dem damaligen Absturz nach der unsäglichen dreifachen Verfehlung (der Erhebung einer Bier- und Getränkesteuer, dem arroganten Treppenwitz auf dem Königsplatz und der großen Lollie-Coladosen-Aktion zur Verkehrsberuhigung), von der sie sich bis heute nicht erholt hat.
Die CDU würde es gerne besser machen, hat aber weder inhaltlich noch personell seit dem Rausschmiss von Holler auch nichts zu bieten. Die Grünen sind stark und teils – durch Kretschmann und andere Effekte – richtig im Kommen. Auch wenn sie im Prinzip bei diesen Wahlen in Kassel wieder da angekommen sind, wo sie – Fukushima-bereinigt – hingehören, sind und bleiben sie ein wichtiger Faktor in der Politik.
Dass sie der SPD ihre Haut nicht deutlich teurer verkauft und nichts Eigenes, wirklich Substanzielles durchgesetzt haben in den vergangenen 5 Jahren (wenn man vom Erhalt der beiden Sitze im Magistrat mal absieht), hat – neben dem Fehlen eines kollabierenden AKW‘s – zum aktuellen, niedrigeren Ergebnis der Grünen beigetragen.
Die Grünen sind die neue FDP, deren Verbleib in den bundesdeutschen Parlamenten ja alles andere als sicher ist. Piraten und ähnliche Parteien oder Grüppchen kommen und gehen, sowieso. Die Kasseler Linke gehört, und das „zurecht“, zu den Gewinnern der letzten Wahl. Mutig, ideenreich und fleißig, oft in Verbindung mit außerparlamentarisch zum Ausdruck gebrachter Unzufriedenheit, hat sie – mit einer riesigen Zahl von Anträgen, Anfragen, Presseerklärungen und Artikeln in dieser Zeitung hier – die Stimme erhoben für die vielbemühten kleinen Leute und gegen viele von der rosa/grünen Koalition ausgeheckten Unsinnigkeiten, Ungerechtigkeiten bzw. Unterlassungen. Der Platz, um das auch nur annähernd vollständig aufzuzählen, ist schlicht nicht vorhanden.
Die AfD hat so abgeschnitten, wie es die meisten erwarteten. Eine Mischung aus Fehlern der großen Parteien bei dem, was man gemeinhin als Flüchtlingsfrage bezeichnet, ein im Prinzip immer schon vorhandener Bodensatz an völkischem und rassistischem Denken vereint mit einer mehr oder weniger begründeten Angst vor sozialem Absturz, haben zu diesem Wahlergebnis beigetragen. Die Partei, die im Westen und im Osten vollkommen unterschiedlich auftritt und agiert, hat deshalb auch ganz unterschiedliche Wähler hinter sich versammelt. Aber auch wenn es heute mit der AfD die Falschen sagen: An einer großen gesamtgesellschaftlichen Debatte, in allen Parteien und Gruppierungen um den Islam, kommt niemand mehr vorbei. Natürlich hat die übergroße Mehrheit der Muslime in Kassel und andernorts nichts zu tun mit Islamismus und Terror – sie sind zum Teil selber Opfer. Aber alle diese Terroristen berufen sich auf den Islam und entsprechende Textstellen im Koran. Das zu verschweigen führt nicht wirklich weiter. Neue Denkansätze müssen her, sonst können aus dieser Unterlassung wahrhaft große Probleme erwachsen.
Dass die SPD nun, da es zu keinen stabilen Mehrheiten für eine entsprechende, bei den SPD-Chefs Zufriedenheit auslösende Koalition gekommen ist (über eine rechnerisch mögliche rosa-rot-grüne Kooperation wollte niemand ernsthaft sprechen, weil man auf der Basis derart unterschiedlicher Politikkonzepte nicht wirklich kooperieren kann), wird nun mit wechselnden Mehrheiten regiert. Führte das, wie wir es schon öfter vorgeschlagen hatten, zu einem Wettstreit der besten Konzepte: Diesen Wettstreit hätten wir nicht zu fürchten. Es steht allerdings zu befürchten, dass es in Kassel schlicht so weiter geht wie bisher. Der bisher verantwortliche politische Kern aus ausgemergelter, ideenloser SPD und duckmäuserischen Grünen wird das politische Geschäft weiter führen. Mal darf die, mal jene kleine Wählergruppe, vielleicht sogar auch mal der Ex-SPD‘ler mit seiner „Demokratie erneuern“-Gruppe seine Stimme mit in die Waagschale werfen: Es wird im Prinzip bei rosa/grün bleiben. Mit der Kasseler Linken wird man genau so wenig reden (wenn‘s um Entscheidendes geht) wie mit der AfD. Also: Es bleibt wie es ist, erst mal.
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