Wichtige Städtebauprojekte: Wann endlich emanzipiert sich die Stadt dem Land gegenüber?
Es ist eine Kette nicht enden wollender Fehlschläge und Ärgernisse, wenn man – zumindest unter städtebaulichen Gesichtspunkten – auf die Zusammenarbeit zwischen der Stadt Kassel und dem Land Hessen blickt. Um die Leserschaft nicht zu langweilen, sei nur auf die beiden allerletzten dieser misslungenen Kooperationsprojekte hingewiesen: Das langweilige Finanzamt in privilegiertester Lage, direkt an der Fulda, das ab 16.30 Uhr in der dunklen Jahreszeit öde, dunkel und verlassen am Flussufer liegt. Und der nicht minder bedauerliche Büroklotz für den RP am Lutherplatz. Beide Projekte sind suboptimal, beide Projekte halten sich nicht an grundsätzliche Erkenntnisse des Städtebaus heutiger Tage wie z.B. Mischung verschiedener Nutzungen und beide Projekte lassen in Anbetracht der herausragenden Bedeutung des Ortes eine entsprechende bzw. (ansprechendende) Architekturqualität schmerzhaft vermissen.
Und in beiden Fällen hätte die Stadt eine ganze Reihe von Möglichkeiten gehabt, derartige Städtebaufehler zu verhindern, weil sie die Planungshoheit hat, d.h. sie kann mit Bau- und Planungsrecht bestimmte Qualitätsstandards im Vorfeld durchsetzen bzw. solches nur unter bestimmten Bedingungen gewähren. Im Falle des Projekts am Lutherplatz waren die Stadt resp. die Städtischen Werke sogar Eigentümer des Grundstücks. In beiden Fällen wäre also durchaus mehr drin gewesen.
Nun darf der interessierte Leser bzw. Lerserin in der HNA vom 03.03.16 erfahren, dass das Land plant, im Zuge des Umbaus des ehemaligen Finanzamtes in der Goethestraße zu einem weiteren Justizzentrum (mit Verwaltungsgerichtshof, Verwaltungsgericht und Sozialgericht), das unbebaute Nachbargrundstück zu einem möglicherweise ebenerdigen Parkplatz für Bedienstete auszubauen.
Statt ein Aufschreis der Stadt, statt einer klaren Ansage, so etwas mit allen denkbaren Mitteln und unter allen Umständen zu verhindern: Schweigen. Das lässt Schlimmes vermuten.
Gerade hat die Stadt einen wichtigen und anerkennenswerten Schritt in die richtige Richtung getan und Teile Friedrich Ebert- und Goethestraße zeitgemäß so umgebaut, dass man davon sprechen kann: hier sind alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt im Straßenraum unterwegs. Anstelle daran anzuknüpfen und nun – bei einem so gewichtigen Baustein im Bereich der neu gestalteten Goethestraße – klare Vorgaben für die in Rede stehende Baulücke zu machen, hört man von solchen städtischen Vorgaben nichts. Und der geneigte Leser muss wissen: Wenn die HNA derartige Pläne beschreiben kann, darf oder soll, sind längst Gespräche zwischen den städtischen Ämtern und den Dienststellen des Landes am Laufen….
Wie vorangegangene Projekte beeindruckend zeigen, ist es dringend nötig, dem Land Hessen gegenüber glasklare Positionen zu beziehen und zu erläutern, welche Vorstellungen die Stadt hat.
An dieser Stelle muss es ein eindeutiges Bekenntnis zu einer am historischen Vorbild sich orientierenden Wohnbebauung geben, wobei öffentlich geförderter Wohnungsbau klar im Vordergrund stehen sollte. Es ist aber durchaus auch eine Mischung von gefördertem Wohnungsbau und Eigentumswohnungen denkbar, wie es erfolgreich in Teilen der neuen Unterneustadt praktiziert worden ist. Darüber hinaus gibt es europaweit praktizierte, anerkannte und verträgliche Möglichkeiten, unabdingbaren Bedarf an Stellplätzen so zu organisieren, dass auf teure Tiefgaragen-Lösungen verzichtet werden kann. Das Haus könnte dann sozusagen über einem schön kaschierten Parkplatz stehen. Vorbedingung ist jedoch, dass der Arbeitgeber (Land Hessen) seine Bediensteten auf die Möglichkeit des vorhandenen, optimalen Nahverkehrs verweist und den Umstieg mit einem Jobticket tatkräftig und zielgerichtet unterstützt: U.a. mit dem Hinweis, dass nur ganz wenige Stellplätze vorhanden sind, die nahezu allein für Dienstfahrzeuge etc. reserviert sind!
Also: Keine Hemmungen, Herr Nolda! So etwas durchzusetzen, das ist die Aufgabe des Stadtbaurats. Das ist nicht delegierbar und wie Sie selbst wissen, muss man dem Land gegenüber Durchsetzungsvermögen an den Tag legen, sonst machen „die“, was sie wollen. Und das – wie die Beispiele weiter oben zeigen – deckt sich durchaus nicht mit den Interessen der Stadt. Wofür haben wir denn einen grünen Stadtbaurat, wenn er nicht offensiv für eine solche Lösung eintritt?? Hier in Kassel und im Land; denn da sitzen die Grünen ja auch in hohen Positionen, man könnte sogar sagen, an den „Hebeln der Macht“?