Zweckverband Raum: Kassel Gerangel um neue Gewerbeflächen
Genau genommen ist der Zweckverband Raum Kassel (ZRK) eine durchaus bedeutsame kommunalpolitische Instanz. Wenn man seine Satzung und seine Geschäftsordnung liest, die seiner Arbeit zugrunde liegen, staunt man nicht schlecht. Dieser Verband hat nicht nur die Aufgabe für alle Gemeinden und Städte, die ihm angehören – als da sind Kassel, Ahnatal, Baunatal, Calden, Fuldabrück, Fuldatal, Kaufungen, Lohfelden, Niestetal, Schauenburg und Vellmar – Kommunale Entwicklungspläne, den Flächennutzungsplan, den Landschaftsplan und sonstige gemeindeübergreifende Entwicklungsmaßnahmen aufzustellen und fortzuschreiben. Der ZRK ist darüber hinaus auch mit der Wahrnehmung von interkommunalen Aufgaben und Projekten zuständig, wenn er hierfür einen Auftrag erhält. Hierzu gehört z.B. das interkommunale Projekt des Güterverkehrszentrums (GVZ). Auch beim Flughafen Calden ist der ZRK eingebunden, u.a. bei der Entwicklung eines neuen, rund 80 Hektar großen Gewerbegebiets im Bereich alten Flughafens. Bei allen relevanten raumgreifenden oder raumbeanspruchenden Maßnahmen ist der ZRK über die Flächennutzungsplanung mit im „Geschäft“. Wer nun aber glaubt, dass im höchsten Gremium des ZRK, der Verbandsversammlung, wichtige politische Debatten und Kontroversen ausgetragen werden, der irrt gewaltig. Genau das Gegenteil ist der Fall.
Und seien die anstehenden Maßnahmen, Projekte, Planungen noch so teuer, noch so überdenkenswert, noch so raumgreifend, noch so relevant: für die nur vier Sitzungen pro Jahr brauchen die Parlamentarier meist nicht mehr als eine halbe Stunde. Es gab aber auch schon Sitzungen, die in nur wenigen Minuten über die Bühne gegangen sind, trotz durchaus gewichtiger Tagesordnung. Woran das liegt, fragen Sie sich? In der Hauptsache wohl daran, dass dem ZRK absichtlich und offensichtlich nicht oder nicht mehr die Bedeutung zukommen soll, die ihm bei seiner Gründung zugedacht worden war. Er sollte wegen der gescheiterten Gebietsreform in den 70igern einen fairen Interessensausgleich zwischen den Verbandsgemeinden herstellen und außerdem schädliche und unnötige Konkurrenz untereinander zu vermeiden. Stattdessen ist aus der Verbandsversammlung ein bloßes Abnickgremium worden, das nur beschließt, was zwischen den Bürgermeistern, dem Landrat und dem OB bzw. dem Magistrat der Stadt Kassel längst im Vorfeld und hinter verschlossenen Türen ausgekungelt worden ist. Als uns, der Fraktion der Kasseler Linken im ZRK, die Tagesordnung für die Sitzung der Verbandsversammlung im März 2012 zuging, richteten wir für den Tagesordnungspunkt eines geplanten Gewerbegebietes beim alten Caldener Flughafen ein 21 Fragen umfassendes Fragenpaket an die Geschäftsführung. Mit diesen Fragen, auf die wir uns erschöpfende Antworten erhofften, wollten wir prüfen, ob und inwieweit ein weiteres großes zusätzliches Gewerbegebiet in der Region lohnt, Sinn macht, nötig ist. Die Antworten auf unsere fundierten Fragen hätten es jedoch nicht nur uns, sondern allen anderen Parlamentariern ermöglicht, über das Thema zu einer begründeten Position zu kommen. Stattdessen verweigerte man uns die Auskunft und speiste uns mit dem Hinweis ab, dass alle unsere Fragen im kommenden Bebauungsplanverfahren abgearbeitet werden würden. Ins Deutsche übersetzt bzw. nach dem üblichen Motto heißt das: „Wir wissen zwar nicht, ob wir die Gewerbeflächen um den alten Flughafen wirklich noch brauchen, aber wir geben erst mal ein viele zehntausend Euro kostendes Plan-Verfahren in Auftrag – an dessen Ende dann immer noch jeder ja und nein sagen kann“. Da man aber jetzt schon weiß, dass Nein sagen dann, wenn schon so viel Geld in ein Projekt gesteckt worden ist, eh nicht mehr in Frage kommt, weiß man jetzt schon das Ergebnis: auch dieses Gewerbegebiet wird beschlossen und gebaut!
Ob man es braucht, spielt anscheinend gar keine Rolle mehr. Im Übrigen wurden unsere Fragen – nach einem geharnischten Protest bei der Geschäftsführung des Zweckverbandes – bei der Junisitzung der Verbandsversammlung wieder nicht beantwortet. Vor dieser Sitzung hatten wir bei einem Pressegespräch mit der HNA zu diesem Thema schon angekündigt, die Kommunalaufsicht beim RP einschalten zu wollen. Es ging uns gegen den Strich, dass inzwischen offensichtlich sogar schon den gewählten Vertretern ihr nach der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) verbrieftes Recht auf Antwort, wie es dort u.a. in § 50, Abs. 2 geregelt ist, derart eklatant streitig gemacht wird. Ein solches, gegen jede parlamentarische Gepflogenheit gerichtetes Verhalten stört uns zutiefst: Zum einen, weil es die „Herrschaften“ in den Chefetagen der Städte und Gemeinden offensichtlich nicht einmal mehr nötig haben, sich mit den gewählten Parlamentariern qualifiziert auseinander zu setzen. Zum anderen, weil dieselben Herrschaften ebenso offensichtlich auf das kompromisslose Zubetonieren der Landschaft mit Gewerbegebieten setzen, obwohl viele davon in unmittelbarer Nachbarschaft leer stehen oder nur schwer an den Mann zu bringen sind. So ist z.B. von dem in unmittelbarer Nähe ausgewiesenen Gewerbegebiet beim neuen Flughafen in Calden bisher nur ein Bruchteil verkauft. Unabhängig davon, ob man ein Planverfahren für die Ausweisung neuer Gewerbegebietsflächen zur Zeit für sinnvoll oder nicht hält – 80 Hektar sind ja kein Pappenstil: Für uns steht im Vordergrund, dass vor einem solchen Verfahren die gründliche Erörterung und Analyse der verfügbaren und planrechtlich bereits ausgewiesenen Flächen vorausgehen muss. Wer sich dem verweigert, verletzt nicht nur demokratische Spielregeln und frustriert engagiert in parlamentarischen Gremien Mitarbeitende, sondern wird der Politikverdrossenheit in der Bevölkerung weiter Vorschub leisten.
Dass nicht einmal mehr Parlamentarier einer Antwort auf seriöse, ja notwendige Fragen für würdig gehalten werden, ist ein starkes Stück. An das verlogene, schon zum Ritual gewordene „Bestürzt – Sein“, wenn nach den jeweiligen Wahlen wieder nicht einmal die Hälfte der WählerInnen zu den Urnen gegangen ist, hat man sich schon lange gewöhnt. Aber wundern muss man sich über die massenhafte Wahlenthaltung nicht, denn das sich immer mehr verbreitende Gefühl bei den Bürgerinnen und Bürgern – „Die machen da oben die wichtigen Sachen eh unter sich aus!“ – hat seine Ursache im Verhalten der Politiker. Dazu passt punktgenau die Antwort des RP: Natürlich wird in der Antwort auf unsere Eingabe weder die Geschäftsführung des ZRK noch der Verbandsvorstand für seine unkommunikative, mit der HGO nicht in Vereinbarung zu bringenden Haltung gerügt. Alles in Ordnung. Weiter so. Die einzige Möglichkeit, die wir sehen um im ZRK weiter konstruktiv mitarbeiten zu können, wäre eine Art Auflehnung der Parlamentarier aller Fraktionen in der Verbandsversammlung: Sollten die es sich auch nicht mehr gefallen lassen, nur zum Abnicken in diese Versammlung zu gehen, dann – ja dann – könnten die Karten neu gemischt und vielleicht wieder Diskussionen und Debatten um Grundsatzfragen der Entwicklung des Verbandsgebietes geführt werden.
Begründete Hoffnungen gibt es allerdings für einen solchen Wandel zur Zeit nicht.
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