Corona allüberall. 24 Stunden am Tag. Und das noch lange. Viele interessante Begleiterscheinungen gibt es zu beobachten. Und nun wird bzw. ist das Klopapier knapp, im Land der Dichter und Denker!

Meine Frau fuhr gestern – statt, wie sonst, mit dem NVV – mit dem Auto zur Arbeit, in Richtung City. Auf dem Weg dahin, wollte sie Toilettenpapier besorgen. Auch wenn wir so gar nicht zu denen gehör(t)en, deren Haupt- und Lieblingsgericht nach Ausbruch der Krise Spaghetti in Tomatensoße an Clopapier gewesen ist: Irgendwann braucht man aber auch in solchen Haushalten Nachschub. In sechs Läden auf dem Weg von Ahnatal Weimar in die Stadt gab es kein solches Papier. Erst im Vorderen Westen, in der Nähe von Rossmann und Rewe, begegneten ihr FußgängerInnen mit der heißbegehrten Ware. Sie entschied sich für Rossmann am Karl-Marx-Platz und bekam dort, große Erleichterung, das heißbegehrte Produkt…

Die Geschichte erzählte ich einer Bekannten, die – wie ich – bislang auch keine Erklärung für den rätselhaften, angstgesteuerten Run der Deutschen auf das besagte Papier hatte. Was sie aber zu erzählen wusste, waren Informationen zu den Hamsterkäufen in Frankreich: Präservative und Rotwein! Was lernen wir daraus? Deutsche haben andere Präferenzen.

Während man die Hamsterkäufe in Frankreich gut nachvollziehen kann, habe ich bislang noch keine plausiblen Erklärungen für den Hang meiner Landleute zum Bevorraten von Toilettenpapier.

Der hier so oft und so überaus klug schreibende und erklärende Dr. Martin Reuter: Weiß der vielleicht, was da in die Deutschen gefahren ist?

Weil politische Debakel – auf welcher politischen Ebene auch immer – oft und gleich personalisiert werden, reden jetzt viele über einen „untreuen“ Liberalen, der das Dreier-Bündnis aus SPD, Grünen und diesem einen freischwebenden Liberalen hat über die Klinge springen lassen. Was darüber so alles kolportiert und berichtet wird: Das meiste davon ist Unsinn, Kaffeesatzleserei und/oder überflüssig. Denn solche fruchtlosen Debatten über ein bestimmtes Abstimmungsverhalten führen weg vom eigentlichen Problem: Warum hat dieser Abgeordnete die Koalition verlassen und damit gegen zwei wichtige rot/grüne Projekte gestimmt bzw. eine Abstimmung darüber verhindert?

Der Grund, kurz zusammengefasst, ist der, dass bei diesen beiden bedeutenden städtebaulichen Projekten – Markthalle und documenta Institut auf dem Karlsplatz – wieder einmal weder professionelles Projektmanagement stattfand noch eine ausreichende, kohärente und transparente Kommunikation. Letzteres gilt für den parlamentarischen Bereich, d.h. die rechtzeitige und umfassende Information und Einbindung aller Fraktionen, wie auch für die jeweils betroffenen bzw. fach-interessierten Gruppierungen der Kasseler Bürgerschaft. Vieles bei diesen beiden bedeutenden Projekten erinnert sehr an die dilettantischen Versuche, in Kassel eine Multifunktionshalle (zuerst auf den Giesewiesen und dann bei Salzmann) zu bauen bzw. das Technische Rathaus aus dem Zentrum der Stadt weit ab davon in den Kasseler Osten zu verlagern. Beide Projekte sind, wie sich alle Interessierten bestimmt noch gut erinnern, kläglich gescheitert…

Wer nach dem schon früh und zu Recht in die Kritik geratenen Standort an der Universität, am verkehrsumtosten Holländischen Platz, nur noch einspurig und verengt auf den Karlplatz setzt und diesen dann mehr oder weniger gut begründet zum „Non Plus Ultra – Standort“ erklärt, ohne auf die fundierte Kritik z.B. vom AK Denkmalschutz und Stadtgestalt (Dr. C. Presche) einzugehen, verspielt vielleicht mal wieder Chancen, von denen man als Stadt nicht allzu viele geboten bekommt. Denn dass das documenta Institut eine Großchance ist, die zu nutzen für Kassel selbstverständlich und notwendig sein sollte, bestreitet niemand. Damit aber aus der Chance auch ein Plus für Kassel wird, muss der Standort in jeder Hinsicht geeignet sein und entsprechende Voraussetzungen besitzen. Und die hat der Karlsplatz für ein Gebäude der Dimension, die das documenta Institut haben muss, genau nicht. Denn wenn man über den Karlsplatz als potentiellen Standort spricht, gehört die Würdigung des kulturellen Erbes der hugenottischen Oberneustadt, also der kritische und sensible Umgang mit Stadtgeschichte, zwingend dazu. Sonst würde dieses Erbe, nachdem schon der Filmpalast für die Situation dort und vor allem die Karlskirche zu groß und nachgerade erdrückend geraten ist, erneut mit Füßen getreten. Wer die für das Institut in Rede stehenden 6500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche mit dem vorhandenen Raumangebot auf dem Karlsplatz in Beziehung setzt, wird schnell feststellen: Das Gebäude erschlägt den kleinen Platz! Großzügige Förderung von Bund und Land machen ein gründliches Nachdenken über die Eignung eines Standorts nicht überflüssig. Und die wie so oft ins Feld geführte Zeitknappheit ist kein inhaltliches Argument…

Viel schlauer wäre es gewesen, für die Standortwahl einen komplexen und tiefgehenden nutzwertanalytischen Ansatz anzustoßen und parallel dazu eine transparente, öffentliche Debatte mit den Fraktionen im Parlament und interessierten Kreisen der Stadtgesellschaft zu führen, die entsprechende Interessen und Kenntnisse mitbringen. Als da sind: Stadtplaner und ihre Organisationen, der Bund Deutscher Architekten (BDA), der Fachbereich 06 der Universität (Architektur, Landschafts- und Stadtplanung) und andere mehr. Wäre dieser Dialog, entsprechend breit angelegt und mit der dafür notwendigen Zeit klug auf die Schiene gesetzt worden, wäre der Zug für die Realisierung des documenta Instituts auch nicht auf dem Abstellgleis gelandet – wo er sich nun ja gerade befindet. Und dann wäre man gar nicht auf dem Karlsplatz gelandet, der einen ganz anderen Gebäudetyp braucht: Einen mit Bezug auf den alten Grundriss der Oberneustadt, mit einer stimmigen, den Ort belebenden Nutzung und einer u.a. für die Karlskirche verträglichen Dimension… Für das documenta Institut stehen im Besitz des Landes oder der Stadt besser geeignete Standorte zur Verfügung: Zum einen im Bereich vom Ottoneum oder den RP-Parkplätze bzw. an der Torwache an der Wilhelmshöher Allee… Und nicht zuletzt gäbe es durchaus auch Umbau-Alternativen, also die Nutzung vorhandener Gebäude – wie z.B. das Polizeipräsidium im Königstor, das leer steht und ggf. geeignet sein könnte.

Im Übrigen und nur ganz am Rande: Das ewige und subtanzlose Argument der Ladenbetreiber, die Parkplätze seien zum ökonomischen Überleben unerlässlich, darf bei einer zukünftig mehr als wünschenswerten Bebauung des Karlsplatzes, keine Rolle spielen. Denn zum einen ist dieses Argument wissenschaftlich längst widerlegt (vom einen oder anderen Behindertenplatz mal abgesehen), zum anderen existieren diese Parkplätze nach einem immer noch gültigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung aus den 80iger Jahren gar nicht mehr: Zu dieser Zeit ist mehrheitlich beschlossen worden, dass nach Vollendung des 2. Abschnitts der Tiefgarage unter dem Friedrichplatz die oberirdischen Stellplätze auf den Plätzen der Stadt abzubauen sind! Und dieser Abbau steht bis heute aus!

Beim Projekt Markthalle sieht es nicht viel besser aus: Ein für die Stadtgesellschaft derart prominentes, bedeutendes Projekt muss von der Vorbereitung der Ausschreibung bis hin zu den Kriterien für die Vergabe transparent und ergebnisoffen geführt werden. Dass da nur in 2 städtischen Gremien (Grundstücksausschuss und Grundstückskommission), ganz ohne fachliche Beratung, ohne Einbeziehung der heutigen Nutzer (der Marktbeschicker) und ohne Einbindung der Fraktionen ein Konzept mit derart weitgreifenden Veränderungen über Erbpacht für Jahrzehnte an eine Investorengruppe gehen soll, stößt bei vielen Menschen in Kassel auf Unverständnis und Kritik.

Fazit: Dass der Kasseler Magistrat ohne Mehrheit dasteht, ist nicht das Problem (*); das kann sich vielmehr bis zur Neuwahl 2021 durchaus noch als Vorteil erweisen. Das Problem vielmehr ist, dass es die sozialdemokratisch geführte Stadt mal wieder an Professionalität einerseits und Transparenz seiner Bürgerschaft gegenüber andererseits hat fehlen lassen. Die Fraktion der Kasseler Linken fordert deshalb zu Recht eine Transparenz-Wende!

* Keine Mehrheit zu haben, ist in parlamentarischen Demokratien kein Problem. Das müssen aktuell auch die Sozialdemokraten in Spanien neu lernen, die nun zusammen mit Podemos koalieren, aber eben ohne eine Mehrheit zu haben. Und gute Beispiele, wo das Regieren ohne bzw. mit immer neu zu schmiedenden Mehrheiten zu guten Ergebnissen führen kann, gibt es genug. Z.B. in Skandinavien. Ob das in Kassel klappt und vielleicht sogar zu positiven Ergebnissen führt, wird man bald sehen.

Am 9. Oktober verübte ein ultrarechter deutscher Nazi während des Jom-Kippur-Gottesdienstes einen Terroranschlag auf die Synagoge in Halle. Nur die Robustheit der Synagogen-Tür bewahrte die anwesenden jüdischen Mitglieder der Gemeinde davor, Opfer eines Terrorangriffs zu werden. Stattdessen erschoss der Attentäter 2 unbeteiligte Personen. Eine Spende aus New York in Höhe von 12.000 Dollar für die Verstärkung der Eingangstür verhinderte offensichtlich Schlimmeres. Dieser Tür und natürlich auch der Ladehemmung der Waffe des Angreifers war es geschuldet, dass die verängstigten, am Gottesdienst Teilnehmenden unbeschadet überlebten. Das Ereignis ist wie eine Schockwelle durch die Bundesrepublik gegangen. Fassungslosigkeit hat um sich gegriffen, auch ob des Tatbestandes, dass den Bitten der Gemeinde um mehr Polizeischutz nicht nachgekommen worden war.

Auch wenn Jüdinnen und Juden sich in den letzten Jahren sowohl von rechts als auch von islamistischer Seite zusehends bedrängt und angegriffen sahen: Mit einem derartig brutalen Angriff haben jedoch die wenigsten gerechnet. Wie diese Tat ausgegangen wäre ohne die erwähnte Spende aus den USA, kann sich jeder selbst ausmalen… Die aktuellen Statistiken zu Übergriffen und Anfeindungen gegenüber Jüdinnen und Juden sind eindeutig: Die Angriffe werden härter und brutaler und sie breiten sich in allen Bereichen der Gesellschaft aus. Dass viele dieser Übergriffe islamistische Hintergründe haben, wird gern und schamhaft verschwiegen, ist aber ein offenes Geheimnis und Gegenstand von Kritik an der offiziellen Statistik.

Die Stadt Kassel hat, in Person ihres Oberbürgermeisters, Herrn Christian Geselle, als Zeichen der Solidarität mit den Juden in Deutschland, die nun erneut verängstigt sind und um ihre Sicherheit bangen, am Tag nach dem Attentat die Flagge Israels vor dem Rathaus aufgezogen. Ob das die beste aller denkbaren Formen von Solidarität, von offen gezeigtem Beistand und Mitgefühl gewesen ist, darüber kann und darf man durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Intuitiv oder bewusst hat der Oberbürgermeister jedoch begriffen, dass der jüdische Staat für die Selbstermächtigung der Juden steht, die damit nicht mehr vom mal gewährten und mal nicht gewährten Wohlwollen einzelner Länder abhängig sind. Vielmehr haben die Juden der Welt zum ersten Mal nach über 2000 Jahren die Möglichkeit, in ihrem Land über die eigenen Geschicke selbst zu bestimmen. Deshalb ist unstrittig, weil das jeder Wohlmeinende sehr genau hat erkennen können (wenn er denn nur wollte!), dass das Hissen der Flagge als eindeutiger Akt der Solidarität mit den Juden in Deutschland gemeint war. Wenn allein im Jahr 2014 knapp 25.000 Juden Frankreich verlassen und sich in Israel in Sicherheit gebracht haben, wird klar, was Israel in der Praxis für die Juden der Welt bedeutet.

In der darauf folgenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel, am 4. November 2019, hat Simon Aulepp, vom Bündnis KASSELER LINKE, diesen Vorgang heftig kritisiert. Er nahm die Fragestunde zum Anlass, den Oberbürgermeister regelrecht zur Rede zu stellen: Wie der denn dazu komme, die Situation der Jüdinnen und Juden in Deutschland mit dem Staat Israel gleichzusetzen. Da die Antworten Simon Aulepp nicht zufrieden stellten, formulierte er weitere Nachfragen (einen Audio-Mitschnitt ab der 8. Minute der besagten Fragestunde gibt es hier). In der HNA vom 6. November erschien außerdem ein Interview mit ihm. Im Mitschnitt der Fragestunde und im HNA-Interview wird gleichermaßen erkennbar: Sowohl der Vergleich des demokratischen Israel mit dem wahhabitischen Gottesstaat Saudi Arabien als auch Simon Aulepps Beharren darauf, dass mit der israelischen „Besatzungspolitik“ seine Kritik an Oberbürgermeister Christian Geselle allemal berechtigt gewesen sei, zeigen eines überdeutlich: Simon Aulepp ist ein überzeugter Antizionist, der nicht verstanden hat, was der Staat Israel für die Juden in der Welt bedeutet.

Auch wenn dem so ist, nehme ich meine Simon Aulepp gegenüber geäußerte Kritik, die ich am 10.11.2019 im Blog der KasselZeitung gepostet habe – Simon Aulepp sei ein „Antisemit in Reinkultur“ – zurück. Das, was Simon Aulepp in Zusammenhang mit den oben geschilderten Vorkommnissen gesagt, gefragt, in Abrede gestellt und/oder sonst verlautbart hat, rechtfertigt nicht den von mir erhobenen Vorwurf des „Antisemitismus“ bzw. den des „Antisemitismus in Reinkultur“.

Dass Simon Aulepp mit seinem Verhalten jedoch ein überaus eindeutiges, in der Linken alles andere als unübliches und gestörtes Verhältnis zu Israel offenbart hat, ist nichts Neues oder gar Besonderes. Seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 ist die deutsche Linke, in fast allen ihren Schattierungen, nicht in der Lage gewesen, ein von Antisemitismus und Antizionismus freies Verhältnis zu Israel zu entwickeln. U.a. mit ihrem zu kurz gegriffenen Antifaschismus-Begriff und Verständnis gehört sie bedauerlicher Weise mit zu der großen Gemeinde der Israel-Hasser und Kritiker, die mit ihrer Sympathie, wenn es um Jüdinnen und Juden geht, viel leichter auf die Toten (die der Shoa) denn die lebendigen Jüdinnen und Juden (die im Staat Israel) positiv Bezug nehmen. Antizionismus und zum Teil auch offener Antisemitismus innerhalb der Linken ziehen sich wie ein roter Faden, hier in der Kürze natürlich nur beispielhaft angerissen, durch von 1976 über 2010 bis heute. So haben 1976 zwei an der palästinensischen Flugzeugentführung in Entebbe beteiligte Mitglieder der sog. Revolutionären Zellen, die beiden deutschen Linken Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, zum ersten Mal nach dem 2. Weltkrieg wieder Juden bzw. Israelis aus den Flugzeugpassagieren aussortiert. 2010 haben Linke, zusammen mit Islamfaschisten, die Schiffsreise mit der Mavi Marmara zur Befreiung von Gaza bzw. zur Durchbrechung der Gaza-Blockade organisiert. Und gerade eben, in 2019, hat Jeremy Corbyn von der Labour Party die Parlamentswahlen in Großbritannien vergeigt. U.a. deshalb hat er so krachend gegen Boris Johnson verloren, weil er die seit vielen Jahren offen antisemitischen Umtriebe in seiner Partei nicht aus der Welt geschafft hat und weil auch er selbst alles andere als frei war von Vorwürfen und Kritik in Sachen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit. Völlig zu Recht führt ihn deshalb das Simon Wiesenthal-Centrum als ersten in der aktuellen, jährlich herausgegebenen Liste der 10 schlimmsten Antisemiten. Seine Freundschaft zur Hamas ist Legende. Die Kritik an ihm kam auch von eigenen Parteigenossinnen, obwohl seine schärfsten Kritikerinnen inzwischen längst aus der Partei entweder ausgetreten sind und heraus gemobbt wurden. Dass zum ersten Mal nach 1945 mit Oberrabbiner Ephraim Mirvis der höchste Vertreter des Judentums in Großbritannien in einem offenen Brief in die Wahlen eingegriffen hat, zeigt, wie weit die Linke dort herunter gekommen ist. Die Frage des Oberrabbiners in diesem Brief – „Was wird aus uns Juden in GB, wenn Corbyn an die Macht kommt?“ – offenbart das ganze Desaster der Linken.

Unabhängig von dieser Problematik des Antizionismus in der Linken, wie er auch bei Simon Aulepp und seiner SAV, einer trotzkistischen Gruppe innerhalb der Linkspartei, feststellbar ist, nehme ich den Vorwurf des Antisemitismus in Bezug auf Simon Aulepp zurück und verwandle den o.a. Artikel bzw. das Posting in der KasselZeitung so um, dass er über Google nicht mehr auffindbar ist. Es gibt an der bisherigen Stelle im Blog lediglich einen Screenshot davon. Er zeigt nur noch die Stelle auf, an der der alte Artikel vorher gestanden hat. (Ich habe das soeben, am 30.12.2019, 14.00 Uhr, wie angekündigt realisiert).

Diese Rücknahme bzw. Richtigstellung ist das Ergebnis eines Gesprächs zwischen Simon Aulepp, Kai Boeddinghaus und mir. Darüber hinaus hat es ein klärendes Gespräch mit der Fraktion der KASSELER LINKEN gegeben, zu deren Mitbegründern ich selbst gehöre und deren kommunalpolitische Arbeit über jeden Zweifel erhaben ist.

Dass die Debatte über Fragen von Antisemitismus und Antizionismus in der deutschen Linken und der Linken in Kassel damit nicht zu Ende ist, versteht sich von selbst. Angesichts der Tatsache, dass z.B. in der Partei die Linke gleichzeitig eine Untergruppierung existiert, die sich Bak Shalom nennt (eine Gruppe, die eindeutig und solidarisch zu Israel steht) und parallel dazu antisemitisch und antizionistisch angehauchte Mitglieder mit türkischen Faschisten zusammen gen Gaza in See stechen (wie 2010 mit der oben schon erwähnten Mavi Marmara), gibt es erheblichen Klärungsbedarf, um es neutral und diplomatisch zu formulieren. Darüber, dass sich 2014 Gregor Gysi im Reichstagsgebäude vor schlagfesten Israelhassern, die von Mitgliedern der eigenen Bundestagsfraktion der Linkspartei „angeschleppt“ worden waren, die nicht minder israelfeindlich eingestellt waren und sind, aufs Klo hat retten müssen, hat sich die Republik amüsiert. Obwohl das alles andere als lustig war. Für die Entschuldigungen der beiden Linkspartei-Frauen, Groth und Höger, beide waren auf der Mavi Marmara mit dabei und letztere ist sogar aktuelle Landesvorsitzende der Linkspartei in NRW (!!), wird sich Gregor Gysi nichts kaufen können.

Alle reden vom Klimawandel, weil er für die Städte und seine Bewohnerinnen enorme Belastungen mit sich bringen wird. Und natürlich wird viel darüber gesprochen, wie man dem begegnen kann. Die meisten Fachleute und Stadtplaner wissen längst, was angesagt ist: Eine massive Nach-Begrünung in den Stadtzentren! Aber alle reden auch und gleichzeitig von Innenentwicklung und Nachverdichtung, weil nur so der Flächenraubbau an den Rändern der Städte gebremst werden kann. Da beide Ziele grundsätzlich richtig sind – auch wenn es den Artikel sprengte, hier zu sehr ins Detail zu gehen – so gibt es jedoch, wenn bei der Realisierung beider Zielkomplexe nicht klug, gekonnt und rasch gehandelt wird, relevante negative Überschneidungspotentiale mit möglicherweise unerwünschten Nebenwirkungen…

Die massive (Nach-)Begrünung der Stadt mit Baumpflanzungen, mit der Erhaltung und Ausweitung von Grünanlagen, mit massiver Begrünung von Fassaden und Dächern möglichst vieler Häuser und Nebengebäude, mit Entsiegelungen, mit der Rückhaltung von Regenwasser und der Integration von offenen Wasserflächen in die privaten und öffentlichen Freiräume… Damit wird verstärkt Verdunstungskälte produziert, Staub und Schadstoffe gebunden, die Luftqualität verbessert und vor allem: Die Temperatur effektiv gesenkt. Nichts von diesen Maßnahmen ist irgendwie geheimnisvoll, nichts davon ist technisch besonders kompliziert oder gar unlösbar. Positive Erfahrungen liegen zur Genüge vor, weltweit. Was bisher, auch wenn der Klimawandel und innerstätische Temperaturbelastungen nicht ganz so neu sind, wie dauernd getan wird, sträflich unterlassen wurde – sei es aus Ignoranz, Geldknappheit oder falscher Schwerpunktsetzung – muss nun rasch und ernsthaft auf- und nachgeholt werden. Ich bezeichne das, was sich da als gigantische Herausforderung vor den Städten unserer Klimazone regelrecht auftürmt, als eine „große, grüne Rolle vorwärts“ in der Stadtentwicklung. Ohne diese „Rolle vorwärts“ wird es ungemütlich werden in den Städten. Darüber dürfen die als meistens positiv empfundenen Trends des Südens – langes und gemütliches im Freien Sitzen bis in die Nacht und den Spätherbst hinein, das Feiern und Genießen an Straßen und auf Plätzen – nicht hinwegtäuschen.

So wie es keine Kunst ist, bewaldete Häuser zu bauen, so sind auch alle die anderen oben skizzierten Begrünungsaufgaben relativ leicht umzusetzen. Was die Maßnahmen im öffentlichen Bereich angeht, haben die Kommunen freie Hand und könnten längst optimierend in diese Richtung handeln. Die Maßnahmen jedoch an und um die privaten Häuser herum sind planungsrechtlich komplizierter, weil Eigentum heilig ist und kein Kommunalpolitiker gern zu Zwangsmaßnahmen greift. Ein weites, nicht unkompliziertes Feld, das aber beackert werden muss. Denn ohne begrünend in den Bestand der Gebäude einzugreifen und zwar massiv, wird das genannte und anzustrebende Ziel zur Verbesserung des Stadt-, des urbanen Mikroklimas nicht zu haben sein. Und natürlich auch nicht ohne massive Förderung durch EU, Bund und Land… Vor allem aber müssen die jetzt schon vorhandenen planungsrechtlichen Instrumente des Baugesetzbuches geschärft und kreativ eingesetzt werden. Bei Neubau und im vorhandenen Bestand gleichermaßen. Zu den Erfolgsaussichten: Wo der Wille sich mit Kreativität, gestützt durch positive Beispiele, vereinen, werden die notwendigen Veränderungen auch durchzusetzen und zu realisieren sein.

Auch wenn das Haus nicht in der hochverdichteten urbanen Problemzone steht, also
eigentlich nicht so richtig passt: So ist es doch schon seit bald 30 Jahren rundherum
grün. Und grüne Dächer plus solare Stromproduktion sind kein Widerspruch!

Wer die Bilder bewaldeter Gebäude in verschiedenen, experimentierfreudigen Städten betrachtet – z.B. in Mailand, Paris oder Singapur – sieht, was geht. Dass sich ein technisch hochentwickeltes Land wie die Bundesrepublik Deutschland demgegenüber erlaubt, Jahr für Jahr viele weitere Hundertausend Quadratmeter an eingeschossiger Gewerbebauten in Stadt und Land zu genehmigen, fragt sich, warum dem niemand Einhalt gebietet. Derartige monotone, nutzlose, sich im Sommer bis auf 80 Grad aufheizende Flächen müssen verboten, d.h. dürfen nicht weiter genehmigt werden. Sie müssen wie die schon vorhandenen Flachdachgebäude – gewerblich und privat – nachträglich begrünt und zusätzlich mit Solarpanelen belegt werden; womit wir aber bei einem ganz anderen Thema wären…

Das Flachdachdebakel ist nur ein Beispiel dafür, wie trotz aller Klarheit in Bezug auf den Klimatrend und den damit einhergehenden Problemen für die Zukunft der Städte vollkommen falsch gehandelt wird bzw. wie erforderliche Gegenmaßnahmen unterbleiben. Begrünte Dächer sind schon lange vor der Zeitenwende erfolgreich realisiert worden, wie die sagenhaften Gärten der Semiramis belegen.

Und wer schon einmal im Lafayette, mitten in Paris, von den dort an den Fassaden angebauten Erdbeeren gegessen hat – im Moment jedoch noch mit einem gewissen Aufpreis – weiß oder ahnt, ganz im Sinne des Werbespruchs von Toyota, was in Bezug auf eine urbane Begrünungsoffensive alles möglich sein könnte…

Bevor aber der Jubel über die leicht schaffbare, grüne Stadt ausbricht, müssen wir noch mal zurück zum Ausgangspunkt. Denn: Wir brauchen diese kreativ und ideenreich nachbegrünte Stadt zeitlich und räumlich zeitgleich und zusammen mit einer baulichen Großoffensive zur Innenentwicklung und Nachverdichtung unserer Städte, um die unkontrollierte, weitere Ausdehnung der Städte an ihren Rändern angesichts des weiteren Zuzugs von immer mehr Menschen vom Land in die Stadt erfolgreich bewältigen zu können. Vor allem aber auch deshalb, weil der ärmere Teil unserer Gesellschaft drastisch unterversorgt ist mit günstigem, qualitätsvollem Wohnraum. Da man demographische Prozesse recht präzise prognostizieren kann, braucht über den Tatbestand des Zuzugs und damit des weiteren Wachstums der Städte (trotz der Abnahme der Gesamtbevölkerung) nicht streiten. Dieser Trend ist allseitig anerkannt. Wir haben es also mit einer doppelten urbanen Herausforderung zu tun: Einem zunehmenden Klima- und Temperaturstress bei zeitgleicher Zunahme der Bevölkerung, was einen mehr oder weniger starken Bauboom nach sich ziehen wird. Wie er im Übrigen überdeutlich und teils dramatisch in den Großstädten der Bundesrepublik bereits seit einigen Jahren stattfindet.

Genau deshalb wird, seit Jahren, landauf, landab die Innenentwicklung gepredigt (wie auch von mir), weil Innenentwicklung und Nachverdichtung die beste Lösung dafür ist, den Zuwachs an Wohnungen und Infrastruktureinrichtungen in den Städten ökologisch und nachhaltig zu bewältigen. Diese Erkenntnisse haben sich in Gesetzen, Förderungsmodalitäten etc. längst niedergeschlagen. Sie sind und bleiben, aus vielerlei Gründen, gut und sinnvoll. Das Ausufern der Städte an den Rändern, das Versiegeln wertvoller landwirtschaftlicher Nutzfläche ist – wie hier bei uns gerade das aktuelle Negativ-Beispiel Vellmar Nord zeigt – eine Sackgasse. Das Gegenteil von einer Lösung.

Ganz so leicht wie die Begrünungsoffensive wird sich eine konsequente Innenentwicklung und Nachverdichtung allerdings nicht verwirklichen lassen. Neben den schon erkannten Potentialen für Wohnungsbau über Einkaufsmärkten aller Art muss auch über die Aufstockung und den Bau deutlich höherer Gebäude nachgedacht werden. Nur so wird sich die Quadratur des Kreises – Intensivierung der Begrünung in Fläche und Vertikale und Platz für weiteren notwendigen Wohnungsbau erreichen lassen.

Kassel ist schon heute eine relativ grüne Stadt. Sie ist gesegnet mit einem waldreichen Umland und zwei überaus bedeutsamen Parkanlagen: dem Bergpark Wilhelmshöhe und der Karls- und der Fuldaaue. Sie hat darüber hinaus einen grünen Stadtbaurat und eine aufgeweckte und interessierte Bürgerschaft. Eine Wende, eine Offensive, eine „grüne Rolle vorwärts“ wie beschrieben scheint also durchaus möglich. Mit Klimakarten allein, die zeigen wie warm es demnächst in Kassel werden wird, lassen sich jedoch keine Erfolge erzielen. Da müssten Sie schon, Herr Stadtbaurat Nolda, noch eine Schippe drauflegen. Und vor allem: Sie müssten die Initiative ergreifen und für diesen Prozess die Richtung vorgeben. Die Impulse zu dem, war ihre ureigenste Aufgabe wäre, werden vermutlich nicht von der SPD kommen, die ja noch nicht einmal den Anflug von einer Wende zu einem fahrradfreundlichem Kassel hinbekommt.

Mehrfach habe ich mich hier schon darüber ausgelassen, warum es so unerfreulich ist, dass sich der Landkreis Kassel bei der Neubebauung im Norden von Vellmar nicht mit Ruhm bekleckert hat in Bezug auf die Schonung von Flächen- und Bodenressourcen. Den Nordrand von Vellmar mit weiteren Einfamilien- und Reihenhäusern zuzupflastern, steht nicht nur im Widerspruch zu den entsprechenden Erklärungen der aktuellen schwarz-grünen Koalitionsvereinbarung, es entspricht auch nicht den Planvorgaben, die sich der Zweckverband Raum Kassel (ZRK) selbst gegeben hat. Vor allem aber wird er nicht dem gerecht, was endlich in Sachen Ökologie bei der Beanspruchung von Bauland anders gemacht werden müsste.

Das alles soll hier nicht noch einmal wiederholt werden. Das wäre langweilig. Interessant ist es aber schon, dass es nicht allen so wurscht ist wie den politisch für das Debakel in Vellmar Verantwortlichen, wenn jetzt ohne Not erneut 17 ha wertvollen Ackerlandes für diejenigen in Bauland umgewandelt werden, die es gar nicht brauchen. Das genau hat der Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel erkannt und in seiner jüngsten Erklärung vom 27. Juni 2019, anlässlich seiner letzten Sitzung in Lohfelden, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Diplomatisch im Ton, deutlich in der Sache.

Die Erklärung schließt sich an diese wenigen Zeilen an.

Vorsitzende des Naturschutzbeirates des Landkreises Kassel
Dr. rer. nat. Anna Kuntzsch • Kaufungen, den 27.06.2019

Einstimmige Beschlussfassung zur Presseerklärung des Naturschutzbeirates des Landkreises Kassel

Vellmar Nord soll kommen: Gute Gründe sprechen jedoch dagegen!

Am 12. Juni 2019 hat die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Raum Kassel nach einer erneut intensiven, emotionalen und immer wieder kontroversen Debatte den Weg für die Ergänzungsbebauung am nordöstlichen Rand von Vellmar freigemacht, indem sie die erforderliche Änderung des Flächennutzungsplanes beschlossen hat. Damit wird – ganz ohne Not – die Entwicklungsmöglichkeit von drei bereits planungsrechtlich gewidmeten Bauflächen im Inneren von Vellmar, was man Innenentwicklung nennt, aufgehoben und eine wertvolle landwirtschaftlich genutzte Fläche am äußersten Rand der Stadt in erster Linie für Einfamilien- und Reihenhäusern verbaut.
Der Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel spricht sich erneut gegen diese knapp 17 ha große Baumaßnahme aus, weil damit unwiederbringlich Flächen versiegelt werden, obwohl
• im Koalitionsvertrag der hessischen Landesregierung überdeutlich gefordert wird, Maßnahmen gegen den immer noch anhaltend hohen Flächenverbrauch von über 2,5 ha pro Tag endlich einzuleiten und
• alle aktuellen Statistiken zeigen, dass es einen relevanten Bedarf an Einfamilien- und Reihenhäusern gar nicht gibt. Vielmehr sinkt – vor allem im Landkreis – der Wohnungsbedarf ab 2025 wieder mehr oder weniger deutlich. Was tatsächlich gebraucht wird, aber in Vellmar nur partiell als Lärmschutz Richtung Straße (L 3386) für die höherwertigen Grundstücke vorgesehen ist, sind günstige, geförderte Wohnungen für Menschen und Familien mit kleinem Einkommen.

Nach dem Dafürhalten des Naturschutzbeirates ist diese Baumaßnahme überflüssig. Was die Befürworter ins Feld führen, ist tendenziell ein Verbiegen von Fakten und Tatsachen. So wird beispielsweise von einer Arrondierung gesprochen, was den Gegebenheiten allerdings in keiner Weise entspricht. Tatsache ist vielmehr, dass die geplante Fläche deutlich sichtbar in die offene Landschaft ragt. Nach Vollendung wird sie erneut eine Arrondierung nach sich ziehen. Und so geht es scheibchenweise weiter, als gäbe es die Nöte des Planeten nicht bzw. als würden die einen Bogen um Vellmar und den Landkreis machen.
Außerdem wird gesagt, die Eigentümer der besagten Flächen im Innern von Vellmar seien entweder nicht bereit gewesen, Grundstücke zu veräußern oder hätten überzogene Preise gefordert. Dem muss und kann entgegen gehalten werden, dass in so einem Fall entweder mehr geboten werden muss oder dass entsprechende Paragrafen des Baugesetzbuches (BauGB) angewendet werden müssen. Im BauGB ist detailliert geregelt und beschrieben, wie öffentliche Instanzen bei Vorliegen gewichtiger Gründe ein Baugebot (vgl. § 176 BauGB) aussprechen können. Niemand sagt, dass das einfache Wege sind, aber sie können – wie viele Beispiele zeigen – durchaus erfolgreich begangen werden. Insbesondere dann, wenn damit wesentliche Schutzgüter wie der Boden geschont werden können.
Um nach der Verschiebung des Beschlusses in der vorangegangenen Sitzung im März d.J. die Zustimmung zur erforderlichen Flächennutzungsplanänderung doch noch zu erreichen, hat es in Vellmar und beim Zweckverband erste Überlegungen gegeben, das Gebiet energetisch und bautechnisch so zu konzipieren, dass einige wichtige ökologische Forderungen vielleicht oder teilweise eingelöst werden können. Es gibt dafür aber nicht viel mehr als schöne Worte, eine Förderzusage für ein entsprechendes Planungskonzept (der Auftrag an ein bestimmtes Büro ist bereits erteilt) und die Absichtserklärung der Stadt Vellmar, viele dieser Planungsergebnisse am Ende in den aus dem Flächennutzungsplan abgeleiteten Bebauungsplan zu übernehmen. Wer das für den o.a. Beschluss zur Änderung des Flächennutzungsplans vorgelegte dünne Papier mit dem Namen „Integriertes Energie- und Quartierskonzept“ jedoch aufmerksam liest, wird feststellen, dass die beiden am häufigsten benutzen Verben darin ‚können‘ und ‚sollen‘ sind. Die AutorInnen dieses 2-seitigen Papiers wissen genau, wie unsicher das alles ist.
Zum einen ist völlig unklar, ob es am Ende des Tages tatsächlich relevante Fördermittel für die bauliche Umsetzung gibt, zum anderen ist noch unsicherer, ob sich die privaten Erwerber von Baugrundstücken für Passivhäuser mit Gründächern auch wirklich erwärmen können. Denn die Privaten kann niemand zwingen, den bisher nur als Vision existierenden Städtebaulichen Vertrag tatsächlich zu unterschreiben. Der soll nämlich all das regeln, vor allem jedoch genau die Dinge, die rechtlich verbindlich im Bebauungsplan nicht festsetzt werden können.
Am Ende haben alle begründete Kritik und alle guten Argumente gegen diese Form der Bebauung nicht ausgereicht. Mit nur 4 Gegenstimmen und einer ganzen Reihe von Enthaltungen gab es dann leider doch eine klare Mehrheit für die Pläne der Stadt Vellmar.
Wir bedauern dieses Ergebnis zutiefst, denn ohne ersichtliche Notwendigkeit wird hier ein hoher Flächenverbrauch in Kauf genommen, der weder der Natur noch dem Menschen gut tut.

Für den Beirat,
Dr. Anna Kuntzsch
Eckhard Jochum

Es kam, wie es kommen musste: Mitte Juni 2019 beschließt die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Raum Kassel (ZRK) mit den Stimmen von SPD und CDU das viele Hektar große Neubaugebiet am Nordrand von Vellmar, das mit Arrondierung so viel zu tun hat, wie ein bleischwerer, fetter, übergewichtiger, PS-starker SUV mit der Verkehrswende. Die mit den Stimmen von SPD und CDU durchgeboxte Bebauung wird ein Geschwür in der Landschaft und ist überflüssig wie ein Kropf.

Und bestimmt erinnern Sie sich noch: Die SPD und die CDU sind genau die beiden Parteien, die jüngst bei den Europawahlen im Mai 2019 von den Wählern – insbesondere den jungen – zum Nachdenken über ihre dramatischen Stimmenverluste veranlasst wurden. In den Tagen und Wochen danach ging diesen beiden früher mal Volksparteien genannten Gruppierungen derart die Muffe, dass es die SPD Parteivorsitzende, Andrea Nahles, buchstäblich vom Hocker gerissen hat. Aber auch die CDU bekam das Zipperlein und große Furcht…
In Nordhessen – das weiß hier jeder – gehen die politischen Uhren anders. Hier ficht ein derartiges Wahldebakel die Vertreter von SPD und CDU (noch) nicht wirklich an. Man glaubt oder hofft, dass die Wähler hier weiter treu bei der Stange bleiben, im Prinzip wie immer.

Im Dezember 2018 und im März 2019 haben SPD und CDU in der ihnen von Linken und Grünen aufgenötigten ökologischen Grundsatz-Debatte zu Vellmar Nord zwar aufmerksam zugehört, dann aber in der Juni-Sitzung genau das gemacht, was sie immer tun: Neues Bauland ausgewiesen! Sie taten das, auch wenn ihnen der Beschluss vom März 2019, den Tagesordnungspunkt der Baulandausweisung und die dafür erforderliche FNP-Änderung erst einmal abzusetzen, noch mächtig in den Knochen steckte. Die Gefahr war zu groß war, dass die Stimmen dafür nicht reichen könnten. Wer will, kann mit dem Direktlink weiter unten die Details noch einmal in Ruhe nachlesen. (1)

Was die beiden Parteien nun gemeinsam ausgewiesen haben, ist genau das, was keiner braucht: Noch mehr Einfamilien- und Reihenhäuser! Was vielmehr dringend gebaut werden müsste, ist öffentlich geförderter Wohnungsbau, d.h. passgenaue und günstige Wohnungen, wie sie von großen und kleinen Familien und von Menschen mit kleinem Geldbeutel so dringend benötigt werden. Und das gilt nicht nur für Nordhessen. Gab es in der BRD von solchen Wohnungen 1990, nach dem Ende der DDR, noch 2,87 Millionen, so waren es 2016 nur noch knapp 1,24 Millionen. Und obwohl die Debatte darüber jetzt schon seit einigen Jahren läuft, also die Diskussion um die vielbeschworene Wende in der Wohnungsbaupolitik, tut sich kaum etwas auf diesem sozialpolitisch so überaus bedeutsamen Feld. Obwohl es sich doch beim Wohnen um ein wahrhaft elementares Menschenrecht handelt!

In der Dezember-Sitzung 2018 fuhren die Linken und die Grünen schweres Geschütz auf und machten klar, dass die FNP-Änderung für das neue Baugebiet im Norden von Vellmar überflüssig und ökologisch nicht mehr vertretbar ist. Innenentwicklung sei das Gebot der Stunde und außerdem würden Wohnungen gebraucht für die eben erwähnten kleinen Leute. Angesichts der Tatsache, dass schon ab 2025 die Einwohnerzahlen auch in unserer Region wieder spürbar sinken werden, sind weitere Bodenversiegelungen und das Bauen für Privilegierte wahrhaft nicht das Gebot der Stunde.

In der März-Sitzung 2019 wurde das Neubauprojekt erneut scharf kritisiert. Negativ bewertet wurde auch, dass der ZRK permanent selbstgefasste Beschlüsse und Ziele verletzt, wie z.B. das der Innenentwicklung… Allerdings signalisierten die GRÜNEN in dieser Sitzung schon vorab, dass sie sich dann – falls Vellmar für die Realisierung des Neubaugebiets ein vernünftiges Energiekonzept vorlege – möglicherweise enthalten könnten. Da sich die CDU der geübten Kritik teilweise anschloss, sieht die SPD ihre Felle davon schwimmen und erklärt sich bereit, den Beschluss zur FNP-Änderung von der Tagesordnung zu nehmen. So kam dieser wichtige Teilerfolg zustande. Aber mehr als Teilerfolg war nicht drin…

Am 13. Juni, in der 3. Sitzung zum selben Thema, kommt es dann zum „Schwur“. Der ZRK und die Stadt Vellmar legen ökologische Absichtserklärungen in Form eines 2 seitigen, ausgesprochen dünnen Papiers vor, das von Verben wie „können“ und „sollen“ geprägt ist. Es ist in Wirklichkeit nicht mehr als eine Vision auf ein zu entwickelndes „Integriertes Energie- und Quartiers-Konzept“. Es soll die Grundlage sein für einen aus Landesmitteln geförderten Planungs- und Beratungsauftrag an ein dafür geeignetes Ingenieurbüro. Mehr nicht.

Mit diesem Bonbon, diesem ungedeckten Scheck auf eine energetisch bessere Bauweise und eine innovativere Energieversorgung im zukünftigen Quartier, haben sich die Grünen ihre Enthaltung schließlich „abkaufen“ lassen. Auch wenn niemand abstreitet, dass die fromme Hoffnung auf ein vernünftiges Energiekonzept besser ist als nichts, hat sich doch substanziell daran, dass hier völlig unnötig und unwiederbringlich wertvolle Ackerflächen für nicht erforderliche Wohnformen verbraten werden, nichts geändert.

Natürlich sind die Grünen in einer anderen Situation als die Linken. Sie regieren in Kassel mit und sie werden in Kürze vermutlich – wenn die Trends bei den Wahlergebnissen auch in Nordhessen anhalten – deutlich mehr Verantwortung übernehmen. Trotzdem wäre es klüger gewesen, das Projekt planerisch erst weiter zu konkretisieren, damit wirklich erkennbar und ablesbar wird, wohin die Reise am Ende geht. Deshalb bleibt unsere Kritik bestehen: Ohne Klarheit darüber, wozu sich die Grundstückserwerber später in einem noch nicht einmal schemenhaft existierenden „Städtebaulichen Vertrag“ beim Kauf der Grundstücke bereit erklären müssen, sollte die Änderung des FNP nicht in Aussicht gestellt und nicht beschlossen werden. So bleibt nur zu hoffen, dass von dem Wunschzettel mit der Überschrift „Integriertes Energie- und Quartiers-Konzept“ viele Punkte später tatsächlich umgesetzt werden. Aber das ist alles andere als sicher.

Wenn es schon nicht zur Innenentwicklung kommt, also zum Bauen im Ortsinneren mit einem guten Mix an Wohnungen, die am Markt fehlen, dann hätten wir gerne vor einer abschließenden Beschlussfassung zum FNP, der einzigen Steuerungsmöglichkeit die der ZRK hat, das konkrete ökologische Gesamtpaket zu sehen bekommen. So hängt jetzt alles daran, was die Stadtverordneten von Vellmar an ökologischen Inhalten in dem zu beschließenden Bebauungsplan noch durchsetzen können. Und das wird auch davon abhängen, wie viel Fördermittel eingeworben werden können. Fließt kein oder nicht genügend Geld, wird gebaut wie immer. Das ist genau das Szenario, das man befürchten muss!

Vermutlich entsteht in Vellmar–Nord ein neues, stink-normales Wohngebiet mit ein bisschen mehr Fassaden- und Dachbegrünung, mit ein bisschen Regenwassernutzung, mit ein klein wenig Regenrückhaltung, mit ein bisschen Grün zwischen den Eigenheimgrundstücken und einem halbwegs vernünftigen Energieversorgungskonzept. Die große Chance, den ZRK endlich mal so zum Handeln zu bewegen, dass er im Einklang mit den selbst beschlossenen Zielen und Plänen handelt, ist vertan. Der Passus in der Koalitionsvereinbarung von Schwarz-GRÜN in Hessen, endlich dem klimaschädlichen Flächenverbrauch von über 3 ha pro Tag einen Riegel vorzuschieben, bleibt folgenlos. Das ist bedauerlich!

(1) Im Zweckverband Raum Kassel (ZRK) rumort es: Nach einer ernsthaften Debatte über gravierende ökologische Probleme unserer Zeit und einer überflüssigen Baulandausweitung im Norden von Vellmar

An dieser ist Stelle ist schon oft vom Versagen der deutschen Regierung(en) die Rede gewesen. Dieses Versagen hat ganz verschiedene Gründe und passt natürlich nicht in ein paar Zeilen. Aber für eine Kritik an Klöckner und Scheuer sollte es reichen. Da genügt, alle Mal, die Kurzform.

Einer der Gründe für Ministerversagen, was es natürlich auch früher immer wieder gab, ist geballte Inkompetenz. Dort wo diese sich mit ekelerregender Nähe zum verbrecherischen Treiben einschlägiger Konzerne verbindet, wird es unerträglich. So in den aktuellen Fällen dieser beiden CSU Kabinettsmitglieder.

Dass Scheuer nicht geeignet und nicht ausreichend qualifiziert ist für seine Aufgabe, weiß jeder. Und das nicht erst seit der gescheiterten Maut für Ausländer, die ihm sein genau so wenig talentierter Vorgänger, A. Dobrindt, eingebrockt hat. Scheuer selbst wurde aber nicht müde, seit er sein Amt angetreten hat, eben diese Maut immer wieder lauthals zu preisen. Als gänzlich unfähig geoutet hat er sich spätestens mit der Beleidigung aller anderen europäischen Regierungen, indem er diese zu Idioten erklärte ob der Tempolimits, die dort längst der Umwelt nützen, Abgase einsparen helfen und Tausenden von Menschen das Leben retten. Auch sein unsägliches Management der Dieselkrise, seine Weigerung, den betrügerischen Autokonzernen Paroli zu bieten und endlich wirksame Nachrüstungen durchzusetzen: All das trägt dazu bei, diesem Minister die Fähigkeit abzusprechen, ein solches Amt zu bekleiden. Wer, wie Scheuer, aus den Gedärmen der großen Autokonzerne gar nicht mehr rauskommt, kann es höchstens noch zum bestbezahlten Tretrollerfahrer der Republik bringen. Aber selbst hier wird er kläglich scheitern. Der Elektro-Tret-Roller ist weder ein schlaues noch ein praktisches Mittel zur Bekämpfung der Mobilitätsprobleme in den Städten, noch wird er die Umwelt entlasten. Die Verantwortlichen in den Städten werden es richten müssen: Und vermutlich werden sie den Scheuer-Roller bald wieder abräumen.

Im nicht weniger wichtigen Agrar-Ressort – auch hier geht es um wahrhaft große Aufgaben – glänzt Frau Klöckner mit einer traurigen Nullnummer. Was von ihr verlangt wird, ist nicht weniger als der dringend erforderliche Umbau der Landwirtschaft, dergestalt, dass es nicht nur Aldi, Bayer und den anderen Giganten im Agrar- und Ernährungsbusiness gut geht und dass der Export von Schweine- und Hühnerfleisch und Milch etc. gut laufen, sondern dass auch das Grundwasser in guter Qualität erhalten bleibt, die Artenvielfalt und die Gesundheit der Verbraucher. Aber überall dort, wo Klarheit und Durchschlagskraft, Überzeugungsarbeit und wirksame Gesetze nötig wären: Fehlanzeige. Wo hält sich diese ewig in irgendeine Kamera lächelnde Ministerin am liebsten auf? Ja, genau, in den Gedärmen irgendeines der großen Lebensmittelkonzerne. Die ganze Republik hat sich darüber (zurecht) er- und aufgeregt. Selbst einige ihrer CDU Fraktionskollegen waren der Meinung, dass sich eine Ministerin nicht derart zu einer wandelnden Litfaßsäule von Nestlé hätte machen lassen dürfen. Aber das ist ihre Politik. Statt den Konzernen genau vorzuschreiben, wie viel Zucker und andere schädliche Stoffe in den Lebensmitteln versteckt und verarbeitet werden dürfen, setzt diese Dame auf Freiwilligkeit. Eine fulminante Idee, die den Konzernen mächtig Dampf unterm Hintern machen wird.

Und es ist wirklich eine verrückte Welt: Bayer, Sie erinnern sich, der deutsche Agrarmulti, der kürzlich Monsanto kaufte, hält am 26. April 2019 seine Hauptversammlung ab. Und was meinen Sie, haben die Großaktionäre, Vermögensverwalter etc. dort gemacht? Sie haben, Experten meinen, das sei ein einmaliger Vorgang in der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte, mit 55,52 Prozent dem Unternehmensvorstand das Misstrauen ausgesprochen. Und auch, wenn es schwer fällt zu glauben: Erhebliche Anteile dieser 55,52 Prozent Gegenstimmen zur Politik vom Bayermanagement stammten von großen Investment Banken und Anlegern, die den aggressiven, gegen Natur und Mensch gerichteten Kurs dieses Konzerns nicht mehr mittragen wollten. Auch wenn sich der Aufsichtsrat – eilig noch in der direkt folgenden Nacht zusammengetrommelt – hinter den Vorstand stellte und das Votum der Anleger damit überstimmte: Bayer wird zur Kenntnis genommen haben, dass sich das Verhalten der großen Akteure auf dem Weltmarkt gerade ändert. Der Markt für nachhaltige Anlagen wächst dreimal so schnell und stark wie der Gesamtmarkt!

Damit will der Schreiber dieser Zeilen bestimmt nicht der Hoffnung Ausdruck verleihen, die Anleger würden es schon richten. Vielmehr nur, dass solche Luschen wie Scheuer und Klöckner vielleicht mal den Blick auf‘s große Ganze werfen und sich endlich beeilen sollten mit den dringend notwendigen Beschlüssen für einen ökologischen Wandel. Denn wenn sie es nicht machen, machen sie sich vielleicht bald überflüssig. Entweder durch schlichte, hoffentlich baldige Abwahl oder weil das, was eigentlich ihre Aufgabe wäre oder gewesen wäre, am Ende vielleicht da und dort durch die Anleger von Konzernen erzwungen wird: Der ökologische Umbau der Wirtschaft. Die beiden total unfähigen CSU Minister werden diesen Wandel jedenfalls nicht anstoßen. Davon kann ausgegangen werden…

Wer alles und wie die Welt retten will, kriegt man nicht mehr auf ein großes Blatt Papier. Was aber noch viel mehr nervt, ist – ohne damit die entschuldigen zu wollen, denen die ganzen Ökologiefragen, das ganze Drama um soziale Gerechtigkeit und die weltumspannenden Wanderungs- und Fluchtbewegungen zu kompliziert und bedrohlich geworden sind und die deshalb den Populisten aller Länder und Schattierungen in die Arme laufen – dass die seit Jahrzehnten in Europa und Deutschland die Politik bestimmenden politischen Kräfte derart begriffsstutzig und inkompetent sind.

Die, die sich jahrzehntelang mehr oder weniger regelmäßig abgewechselt haben beim Regieren, Verteilen und Unterlassen, kommen nun aus dem Staunen nicht mehr raus. Das erinnert schon fast an den Verein, der sich katholische Kirche nennt und dessen männlich-chauvinistische Führungsgang bass erstaunt darüber ist, dass angesichts tausendfachen Missbrauchs durch eben diese Gang und des jahrhundertelangen Ausschlusses von Frauen aus dem Kerngeschäft die Mitglieder nun fluchtartig den heiligen Schoß eben dieser Kirche verlassen. Schnauze voll.

Um weiter am Ruder und den Fressnäpfen zu bleiben, reichen jetzt – wie aktuell bei der Europawahl gesehen – nicht mal mehr die alten Monsterbündnisse für neue Koalitionen. Großes Stöhnen, großes Staunen, aber kein wirklich großes Nachdenken. Auch kein Umdenken. Höchstens verbales Herumeiern und sofort neue Personalschiebereien. Beispiel: Die Bundes-SPD mit dem sofort ausgebrochenen Theater um die Nachfolge von Andrea Nahles. Oder der witzige Lindner mit seinem: Lasst uns Profis das mal machen! Die relevanten Beschlüsse werden in diesem Kabinett und im aktuellen Bundestag aber nach wie vor nicht gefasst. Zumindest nicht so, wie es tendenziell die Jüngeren wollen und wie es die SchülerInnen mit ihren Schulstreiks freitäglich fordern. Die Unzufriedenheit, nicht nur weil der Autor längst nicht mehr zu den eben genannten Jüngeren zählt, ist aber nicht nur ein bei SchülerInnen und StudentInnen ein weit verbreitetes Phänomen. Vielmehr hat dieses Syndrom mehr oder weniger alle Altersklassen erfasst (in unterschiedlichen Ausmaßen natürlich) und das auf allen Kontinenten. Dennoch fallen wie bei uns in der Bundesrepublik die entscheidenden Beschlüsse immer noch so, wie immer. Als wäre nichts geschehen und als hätten wir alle Zeit der Welt.

In der Medizin und Pflege so, wie es die pharmazeutischen Konzerne und privaten Anleger in der Altenpflege wollen, bei der Mobilität so wie es die Chefs von VW, Audi, BMW und Mercedes sich wünschen, in der Wohnungspolitik so wie es am besten für die privaten Anleger und Wohnungskonzerne ist, bei Energieversorgung so wie es die alten Strom-, Öl- und Kohle Kartelle gern haben und in der Landwirtschaft so, wie es die großen Betriebe, Bayer und die Großtierhalter sich eben vorstellen. Beispiele dafür lassen sich beliebig finden und aufzählen.

Durch das gezielte Ausbremsen des Ausbaus der erneuerbaren Energien sind von irgendeiner der inkompetenten Großen Koalitionen der letzten Jahre 80.000 zukunftsfähige Arbeitsplätze in diesem Bereich vernichtet worden. Kaltlächelnd und nahezu kommentarlos. Der Ausstieg aus der Braunkohle, einem der Schlüssel für das Erreichen der Vorgaben des Pariser Klimaabkommens, soll aber in jeder Hinsicht voll abgefedert und wegen der in Rede stehenden 20.800 Arbeitsplätze bis 2038 hinausgeschoben werden. Was für eine krasse Fehlentscheidung zugunsten einer Technologie, die so oder so keine Zukunft mehr hat. Wer soll das verstehen? Dazu muss man kein Anhänger des Youtuber’s Rezo sein, denn das ist Allgemeinwissen, seit langem. Und auf all den anderen Feldern sieht es ähnlich aus: So beim Export von Schweine- und Hühnerfleisch aus den großen Anlagen. Da dort alles auf maximalen Gewinn, Export und Antibiotika getrimmt ist, essen hier bei uns viele schlechte Lebensmittel. Außerdem werden mit den Resten die afrikanischen Märkte geflutet und gestört, weil die dortigen Produzenten sich gegen die von der EU hochsubventionierten Fleischreste nicht zur Wehr setzen können. Die Gülle zerstört außerdem die Grundwasserspeicher und die EU klagt fruchtlos gegen die übermächtige BRD, die die EU Gesetze auch auf diesem Sektor einfach nicht einhalten will. Die bezahlt lieber Kohorten von PR-Profis, die dafür sorgen, dass alle Welt glaubt, die Deutschen seien auch in Sachen Ökologie Weltmeister. Das ist aber Unsinn; das Gegenteil ist wahr. Weltmeister beim Export, beim Umweltschutz eher das Gegenteil. Bei der Versalzung der Werra und Weser durch K+S ist es nicht anders. Auch hier stehen peinliche Prozesse mit der EU auf der Tagesordnung, weil die sog. Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 noch immer nicht eingehalten wird… Während die Autokonzerne sich mit verbrecherischen Betrugsmanövern um die Einhaltung von Abgasgesetzen drücken, unterstützt unsere Regierung eben diese Konzerne in den EU Gremien andauernd, wenn es um schärfere Umweltgesetze geht. Und so atmen wir alle zu viel Feinstaub und zu viel Stickoxid ein, während man gleichzeitig die Kommunen mit den Problemen allein lässt. Sie müssen die Fehler und Unterlassungen der „großen“ Politik auslöffeln. So, wie hier bei uns gewurschtelt wird und wie Lösungen regelrecht verhindert werden, werden sie wohl kommen – die gefürchteten Fahrverbote.

Nirgends sind auf der politischen Agenda die richtigen Vorgaben und Konzepte in Sicht, nirgends gibt es schlüssige Zukunftspläne, nirgends sind die politisch Verantwortlichen auf einer erfolgversprechenden Spur. Ein echtes Trauerspiel. Statt Scheuer und Klöckner wegen unerträglicher Inkompetenz, Dummheit und offenem Lobbyismus zu feuern, dürfen die beiden immerfort ihr beschämendes, fatales Verhalten an den Tag legen. Oder ist es noch witzig, wenn der Tretroller fahrende Scheuer alle anderen Europäer der Dummheit bezichtigt, weil sie ein Tempolimit befolgen? Ein Limit, das vielen Menschen einen Tod auf der Autobahn erspart und eindeutig nachgewiesen CO2 einspart? Muss nicht endlich ein IQ-Test zwangsangeordnet werden, bei diesem Mann, der Radfahrer unnötig sterben lässt, weil er zu feige, dumm und inkompetent ist, um den zusätzlichen Spiegel an LKW’s anzuordnen und sofort durchzusetzen?

Ob es die Grünen nun zukünftig richten werden, ob dank ihrer gewachsenen Macht die richtigen Entscheidungen zustande kommen, ob sie tatsächlich die Welt retten und den jungen streikenden SchülerInnen eine Zukunftsperspektive auf dem blauen Planeten aufzeigen können? Eher nicht. Aber wir werden ja bald sehen, wohin der Hase läuft. Vermutlich aber sind Erwartungen, wie sie in diesen Fragen enthalten sind, vollkommen übertrieben. Denn:

Was bei allen Debatten – um welchen Ausstieg aus welcher Technologie in welchem Tempo auch immer – fehlt, da helfen alle protestierenden SchülerInnen, Youtuber und Gelbwesten etc. genauso wenig wie alle bislang bekannt gewordenen Ideen und Vorstellungen der Grünen nichts, ist ein Plan und eine Idee davon, wo der Hund begraben liegt bei alle den vorher beschriebenen Versäumnissen. Wo liegen die Ursachen dafür, dass nahezu alle großen Problemfelder der Menschheit wissenschaftlich durchdrungen und großenteils gelöst sind, diese Lösungen aber kaum angewendet und nur unzureichend oder gar nicht umgesetzt werden? Was hat es damit auf sich, dass die Welt der Wissenschaft sich weitgehend darin einig ist, wie man den Klimakollaps aufhalten, wie man die Energiewende herbeiführen, wie die Mobilitätswende aussehen und wie man 8 Milliarden Menschen so ernähren könnte, dass der Planet dabei nicht für uns unbewohnbar wird?

Hier sei ein kleiner Einschub erlaubt, um diese aufgeworfenen Fragen mit einem schönen Bild plastisch zu machen: Erinnern sie sich, wie kürzlich durch die Medien ging, dass es gelungen sei – nach vielen Jahren der Kooperation von Hunderten von Wissenschaftlern auf dem ganzen Planeten – ein Foto eines Schwarzen Lochs zu machen? Ein Vorgang irgendwo im All, wo sich eine Masse von 6,5 Milliarden Sonnen auf einen Punkt konzentriert und an dem Raum und Zeit ihre Bedeutung verlieren. Ein Abgrund an Gravitation. Was nahezu unmöglich schien, gelang: Ein Foto von eben diesem Vorgang. Und während wir mit „unserer“ Wissenschaft derart grandiose Kooperationserfolge feiern können, bekommen wir es nicht hin, die Lösungen für die durchaus auch komplexen, aber letztlich doch einfachen Umweltprobleme politisch umzusetzen. Was für ein Jammer!

Es gelingt nicht, weil das Versagen systematische Ursachen hat. Ich weiß genau, wie sich das anhört und klingt, das „System“ verantwortlich zu machen. Mindestens vereinfachend. Aber ohne eine grundsätzliche Wende in der Ökonomie, ohne eine Überwindung des Kapitalismus und seiner strukturellen und zerstörerischen Mechanismen, werden auch ökologisch sensiblere Parteien nicht erfolgreich sein können. Das ist seit Marx gut in seinem Werk belegt. Zuerst aber hätte man es von Alexander von Humboldt lernen können. Und nach den beiden haben es Hunderte von Wissenschaftlern aus den verschiedensten Disziplinen immer und immer wieder eindringlich formuliert und nachgewiesen. Aber wer das Anwachsen der riesigen, weltweit operierenden Konzerne, und das längst nicht nur auf dem IT Sektor, dort aber vor allen Dingen, nicht stoppt, der braucht sich über Politikveränderung gar nicht mehr groß Gedanken zu machen. Viele global relevante Entscheidungen werden schon lange und häufig jenseits nationaler Parlamente getroffen, aber nicht im Interesse der Menschheit und der Lebensbedingungen auf der Erde, sondern so, wie es für die Aktionäre gut ist…

Der Regenwald wird nicht abgeholzt, weil die Wissenschaft und die meisten Menschen auf dem Planeten nicht wüssten, was damit angerichtet wird. Alle wissen, dass dieser Wald große Mengen CO2 speichert. Alle wissen um die Bedeutung der Artenvielfalt dort… Und mit den Problemen der Weltmeere, der sterbenden Korallenbänke, den Fischereisünden, der Plastikflut etc. ist es nicht anders. Die, die einen großen Teil der Verantwortung tragen für die Flutung des Planeten mit Gütern und Waren, die oft keine Sau braucht, aber gut damit verdienen und einen kleinen Teil der Menschheit immer reicher machen, werden die Erde bald überfordern. Nicht in dem Sinn, dass der Planet daran zerbräche. Nein, der bleibt so wunderschön. Er wird dann nur für unsere Spezies keine ideale Bleibe mehr sein. Alle die vielen in geologischen Zeiträumen immer wieder eingetretenen Zufälle, von der richtigen Mondgröße bis hin zu Meteoriten-Einschlägen, die den Aufstieg der Säugetiere überhaupt erst möglich machten, nützen uns dann nichts mehr. Kein Beethoven, kein Einstein, keine Mutter Teresa und auch keine Grünen mehr… Der Herkules verwaist.

Aber warum wird dann vor Ort nicht wenigstens die Reißleine gezogen? Wo es doch deutlich leichter ginge und die Probleme tendenziell überschaubar sind? Denn auch hier bei uns in Nordhessen haben die Wähler überdeutlich gesagt: So soll es nicht weiter gehen! Aber glauben sie mir: Wenn am 12. Juni der Zweckverband Raum Kassel (ZRK) im Stadtverordnetensaal im Rathaus in Kassel darüber entscheiden wird, ob wir 18 ha landwirtschaftliche Flächen für nicht benötigte Einfamilien- und Reihenhäuser am nördlichen Ortsrand von Vellmar – also außerhalb der Stadt – zusätzlich versiegeln, dann wird die dramatisch abgestrafte SPD genau diesen Beschluss herbeiführen. Und das, obwohl jeder, der Lesen kann, weiß, dass der Wohnungsbedarf ganz woanders liegt: Bei bezahlbaren, günstigen Wohnungen für Leute mit kleinem Geldbeute. Beschlossen wird das u.a., weil man Besitzern von geeignetem Bauland im Innern von Vellmar nicht mit Druck zum Bauen bringen will. Deren Verweigerungsgrund: Dollarzeichen in den Augen! Das heißt, sie wollen warten, bis sie noch mehr Kohle bekommen für ihre Grundstücke. Die Stimmen der Grünen und Linken werden jedenfalls nicht ausreichen, um die SPD parlamentarisch zu bremsen. Frei nach der Devise: weiter so! Kommen sie doch mal dort hin und schauen sie zu. Hören sie sich mal die Argumente an.

Wenn die SPD Nordhessens aber glaubt, dass es immer noch nicht an der Zeit wäre, die Zeichen zu verstehen und einen Wandel im eigenen Handeln einzuleiten, sollten sie einfach mal kurz nach Paris schauen: Auch die Sozialisten Frankreichs waren einst mächtig und groß. Manchmal auch arrogant. Ende 2017 mussten Sie jedoch ihr Parteigebäude in der Rue de Solférino für 45 Millionen verscherbeln. Beste Lage, ganz nah an der Seine, noch näher an den Jardins de Tuilieries und am Louvre. Alles was wirklich schön und sehenswert ist in Sichtweite. Aber das ist nun Geschichte. Warum? Die Sozis waren 2017 pleite, so gut wie jedenfalls. Kaum Mitglieder mehr und noch weniger WählerInnen. Alles vorbei. Der neoliberale Macron regiert jetzt noch in Paris, aber Marine le Pen – auch das zeigen die aktuellen Wahlergebnisse überdeutlich – steht auf Abruf. Nordhessen hat zwar mit Paris und Frankreich nicht allzu viel zu tun. Aber mit Abstieg und mit Verschwinden von dem, was sich mal sozial und demokratisch nannte und in Nordhessen jahrzehntelang quasi feudal regiert hat, sehr wohl… Erfreulich ist das alles nicht.

*Frei nach der Wahnsinnswerbung von BMW für den neuen 8er: Siehe auch hier…
http://kassel-zeitung.de/cms1/index.php?/archives/18049-Gebaut,-um-den-Atem-zu-rauben.html

Am 15. Mai war es wieder so weit: Die Chefetage und der Aufsichtsrat von K+S, einer der Salzgewinnungsgiganten des Planeten, rufen zur Hauptversammlung nach Kassel. K+S Vorstandschef Dr. Lohr trägt das Fazit aus 2018 vor und er macht keinen Hehl aus der Tatsache, dass angesichts des massiv gesunkenen Gewinns und der weiterhin hohen Schulden alle unzufrieden sind: Vorstand und Aktionäre. Er vergisst allerdings zu sagen, dass die, die am unzufriedensten mit der Politik von K+S sind, vor den Toren der Stadthalle erneut und mit gutem Grund demonstrieren. Es sind Umweltaktivsten vom BUND, vom Salzfreien Märchenland und wir vom Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel. Wir alle sind, wie jedes Jahr, so auch 2019, wieder mit einem knappen Dutzend Aktivisten vor der Stadthalle und protestieren gegen die unzureichende Umweltpolitik des Konzerns.

Die eingeladenen Damen und Herren Aktionäre schlendern an uns vorbei in die Halle. Nur wenige nehmen unser Flugblatt. Noch weniger von ihnen lassen sich in Dialoge ein. Aber immerhin: Einige von ihnen haben sich als durchaus interessiert und offen gegenüber unseren Argumenten gezeigt. Der eine oder andere versteht sehr wohl, dass es dringend einer Wende in der Politik seitens K+S bedarf, um die Lasten für die Umwelt und für das Grundwasser zu verringern und die Gewässerqualität von Weser und Werra zu verbessern. Perspektivisch, daran haben wir keinen Zweifel gelassen, muss sich die Salzproduktion im Werrarevier in Richtung „abstoßfrei“ verändern. Alles andere hinterließe den Bürgern und der Region Salzgebirge als Ewigkeitslast, die erst in mehr als 1000 Jahren verschwinden würden. Erst danach würden auch die Belastungen für das Flusssystem langsam abnehmen bzw. enden…

Die gigantischen Salzgebirge müssen deshalb entweder in die Hohlräume zurückgebracht oder – was am besten wäre – nach und nach mit modernen Verdampfungsmethoden erneut ausgebeutet werden. Denn, was die meisten gar nicht wissen: Die hoch aufgeschütteten und weithin sichtbaren Salzabfallberge stecken noch voller Rohstoffe. Mit aktuellen technischen Methoden lassen sich daraus Gewinne machen, Umweltprobleme lösen und Arbeitsplätze langfristig sichern. Die erforderlichen technischen Verfahren sind von einer erfolgreich agierenden Firma, der K-Utec AG Salt Technologies, entwickelt worden. Sie befinden sich weltweit in differenzierter Form in Anwendung und sie sind im Hinblick auf die Anwendung bei K+S im Werrarevier vom Umweltbundesamt als zielführend und geeignet bewertet worden. K+S selbst kooperiert auch für Detailfragestellungen der Salzgewinnung aus Salzabfällen mit ebendieser Firma. Genaugenommen steht einer Anwendung dieser positiven Umwelttechniken nichts entgegen. Es fehlt lediglich seitens K+S der Wille, in diese leistungsfähigen Techniken zu investieren und seitens der Politik, den Druck auf K+S entsprechend zu erhöhen. Statt über den Jahrhundertsommer 2018 zu lamentieren, der zu schmerzhaften Betriebsstilllegungen geführt hat, sollte endlich der mutige und überfällig Schritt in eine „abstoßfreie“ Zukunft getan werden.

Nicht verschweigen wollen wir, dass es die interessantesten Gespräche in dieser knappen Stunde vor dem jeweiligen Beginn der hier in Rede stehenden Hauptversammlung mit Herrn Willecke gibt, einem der Pressesprecher von K+S. Trotz unüberbrückbarer Gegensätze in Bezug auf die Einschätzung dessen, was K+S tut bzw. unterlässt, wenn es um die Eingriffe in den Natur- und Wasserhaushalt geht, so ist dieser Austausch von Argumenten jedes Mal ergiebig und interessant.

Was wir als Interessenvertreter der Umwelt immer wieder in Zusammenhang mit den Umweltsünden von K+S vorbringen, müssen sich der Vorstand um Herrn Dr. Lohr und diejenigen Aktionäre, denen es ausschließlich um ihre Rendite geht, natürlich auch im Verlauf der Hauptversammlung von anderen anhören: So hat z.B. Herr Russau für den Dachverband der Kritischen Aktionäre und für den BUND eine gemeinsame Erklärung verlesen, die es in sich hat und die hoffentlich entsprechend Beachtung gefunden hat.

Im Folgenden lesen Sie bitte unsere Erklärung zur diesjährigen Hauptversammlung von K+S:

„Zum 4. Mal werden Sie heute hier vor der Stadthalle in Kassel von Mitgliedern des Naturschutzbeirates des Landkreises Kassel auf Ihrem Weg zur diesjährigen Aktionärsversammlung begrüßt.

Während Sie sich ggf. um die Rendite Ihrer Aktien bekümmern, treibt uns die Sorge um den Erhalt der Natur auf die Straße. In unseren Augen macht die Politik von K+S aber auch die Arbeitsplätze im Kali-Revier unsicher, wenn nicht schleunigst in Richtung abstoßfreie Produktion – was schon lange technisch möglich ist – umgestellt wird. Bitte denken Sie daran, dass das Auf und Ab der Wertpapiere für Sie vielleicht das Wichtigste in Ihrem Leben ist. Für die Bevölkerung der Region jedoch, dort wo K+S das für Ihre Aktien so bedeutsame Salz zutage fördert, sieht es ganz anders aus: Sie interessiert sich mehr für den Zustand der Gewässer, das Grundwasser und die drohenden Ewigkeitslasten der gigantischen Salzgebirge, die die Salzproduktion von K+S mit sich bringt.

Zusammen mit vielen anderen Umweltorganisationen und noch mehr Wissenschaftlern, die sich mit Salz und Salzabbau und den dabei entstehenden Risiken für die Umwelt gut auskennen, möchten wir Ihnen unsere Bedenken vortragen hinsichtlich der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie hier in Deutschland, insbesondere in den Bereichen des Werra-Weser-Reviers. Bis heute vermissen wir effektive Maßnahmen seitens des Konzerns, die fortbestehenden Probleme bei der Belastung der Flüsse Weser und Werra, des Grundwassers und der Böden überall dort, wo jahrzehntelang Salzabwässer in den Untergrund verpresst wurden oder ausgewaschene Salze aus Halden und Produktion versickert sind.

• Wir sind besorgt, weil weder die Behörden noch K+S selbst die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die Qualitätsziele der EU-Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL) fristgemäß zu erreichen. Vielmehr werden Maßnahmen ergriffen, welche die Umsetzung der WRRL erschweren und das Erreichen der Qualitätsziele tendenziell unmöglich machen. Zu diesen Maßnahmen zählen u.a. die über 140 km lange Salz-Abwasser-Leitung, die kein Gramm Salz beseitigt, sondern es vielmehr lediglich von der Werra zur Weser transportiert, also nur verlagert. Dass darüber spekuliert wird, dass auf diese Maßnahme ggf. verzichtet wird, beruhigt uns erst, wenn verbindliche Entscheidungen der zuständigen Länderministerien vorliegen.

• Wir sind besorgt, weil die Behörden in Deutschland (in Spanien übrigens ebenso) gegen das Verschlechterungsverbot der EU-WRRL verstoßen (gem. Urteil des EuGH vom 01.07.2015 in der Rechtssache C-461/13, hier: Rn. 70, zweiter Satz). Dies betrifft zumindest die Einleitung von Produktionsabwässern und Haldenlaugen in die Flüsse, das Verpressen von Produktionsabwässern in das Grundwasser sowie das Versickernlassen von Haldenlaugen.

• Wir sind besorgt, weil in den deutschen Abbaugebieten die verbleibenden untertägigen Hohlräume nicht durch Versatz (also durch Wiedereinbau fester Produktionsrückstände) gesichert, sondern der Konversion überlassen werden sollen, obwohl ausreichend Versatzmaterial zur Verfügung stünde. Damit wird zum einen Geld gespart, zum anderen zusätzliches Geld verdient mit der Einlagerung verschiedener belasteter, teils hochgiftiger Müllfraktionen. Stattdessen sollen die festen Rückstände auf der Oberfläche weiter aufgehaldet werden. Die dort entstehenden Haldenlaugen behindern die Umsetzung der WRRL, weil sie in die Vorfluter geleitet werden bzw. durch Versickern dorthin gelangen.

Dazu wird es auch dann kommen, wenn probiert wird, die Halden abzudecken. Das Auswaschen der Salze wird dadurch nämlich nicht gestoppt, im besten Fall nur geringfügig gedrosselt. Es gibt in Deutschland Versuche, bei denen trotz aufgebrachter Abdeckungen bei Althalden (aber mit viel flacheren Flanken) weiter Salzlaugen in die Vorfluter gelangten und die Qualitätsziele der WRRL nicht erreicht bzw. nicht eingehalten wurden.

Aber solche Gedankenspiele sind ohnehin überflüssig, da Haldenabdeckungen bei derart steilen Haldenflanken wie im Werrarevier gar nicht realisiert werden können. Es gibt international kein einziges Beispiel, wo entsprechende positive Erfahrungen damit gemacht worden wären. Der Tatbestand, dass K+S im Netz einen Aufruf gestartet hat, um nach Ideen für das Abdeckungsprojekt zu suchen, spricht Bände. Im Übrigen bringt die ins Auge gefasste Verwendung schwermetallhaltiger Abdeckmaterialien eine weitere Altlast mit erneut wassergefährdendem Potential ins Spiel. Für uns ist das alles andere als die Lösung des Problems.

• Wir sind besorgt, weil die EU-Kommission und die zuständigen Behörden im Falle des Salzabstoßes durch Kalihersteller in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich vorzugehen scheinen. Dies betrifft zumindest die Aufhaldung von Salzrückständen.

Im Falle des spanischen Kaliherstellers Iberpotash hat die EU-Kommission 2014 die Beendigung der Salzaufhaldung und den Rückbau der Salzhalden gefordert. Dem sind die spanischen Behörden nachgekommen. Um auf die Salzaufhaldung verzichten zu können, will Iberpotash 800 Mio. Euro investieren, davon ca. 400 Mio. für zwei Aufbereitungsanlagen, mit denen das Haldenmaterial in Industriesalz umgewandelt werden kann.

In Deutschland ist die Salzaufhaldung jedoch immer noch nicht untersagt und der Rückbau bislang nicht gefordert worden. Hier werden Haldenerweiterungen immer noch genehmigt und neue Rückstandshalden beantragt. K+S steht damit weiterhin der billigste Entsorgungsweg für feste Salzabfälle zur Verfügung. Das ist eine klare Wettbewerbsverzerrung. Iberpotash und K+S bedienen nach eigenen Aussagen beide den europäischen Markt und sind deshalb zumindest in Europa direkte Konkurrenten.

Wir sind besorgt, weil die Salzgebirge von K+S nicht beseitigt, sondern als Altlasten zurückgelassen werden sollen. Die Entsorgung der anfallenden Haldenlaugen bliebe damit auf unbestimmte Zeit (nach K+S-Angaben mindestens 700 Jahre) Aufgabe des Staates, ebenso wie die Schäden durch Bergsenkungen, weil die nach dem Abbau verbleibenden untertägigen Hohlräume nicht durch Versatz, d.h. dem Material aus den Rückstandshalden gesichert werden.

Sie sehen: Unsere Sorgen sind nicht unbegründet. Wir, die Mitglieder des Naturschutzbeirates des Landkreises Kassel, fänden es toll, wenn Sie Ihren Einfluss als Aktionäre dafür nutzen würden, Ihren Aufsichtsratsvorsitzenden, Dr. Andreas Kreimeyer und das Team um Vorstandchef Dr. Lohr zu konsequentem ökologischem Handeln aufzufordern. Damit helfen Sie mit, die Natur im Werra-Revier zu schützen und zu entlasten und damit sichern Sie sich aber auch möglicherweise längerfristige Erträge aus Ihren Aktien. Und nicht zum Schluss tragen Sie damit außerdem dazu bei, dass die Arbeitsplätze im Werra-Weser-Revier zukunftsfähig gemacht werden…

Die Zeiten für eine ökologische Wende stehen gut. Wie wir der aktuellen Ausgabe der Internetzeitschrift „Der Aktionär“ entnehmen, kann derzeit von einem „recht ordentliche(n) Preisniveau sowie (einer) guten Nachfrage auf den Kalimärkten“ gesprochen werden. „…nicht zuletzt… (wird) die Produktion im neuen Kaliwerk Bethune in Kanada weiter steigen….“.

Diese hier dargestellten Auffassungen teilen wir mit vielen Bürgerbündnissen und Umweltinitiativen. So mit der Werra-Weser-Anrainerkonferenz e.V. (WWA). Sie ist ein gemeinnütziger Zusammenschluss von Kommunen, Verbänden, Vereinen und Wirtschaftsunternehmen, die als Anrainer von Werra und Weser von der Versalzung der Flüsse durch die Abwässer der Kali-Industrie betroffen sind. Ihre Mitglieder vertreten 14 Kommunen mit 150.000 Einwohnern, 150 Fischereivereine mit 31.500 Mitgliedern, elf Fischereigenossenschaften und fünf Berufsfischern. Aber auch mit dem BUND, dem Aktionsbündnis Salzfreies Märchenland, der Bürgerinitiative Giesenschacht e.V., der Bürgerinitiative Umwelt e.V. und vielen anderen.“

Schon im Dezember 2018, in der letzten Sitzung der Verbandversammlung des Zweckverbandes Raum Kassel (ZRK)*, kündigte es sich an: Die unbedachte, rücksichtslose und vollkommen unnötige Ausweitung von Bauflächen für Häuslebauer im Norden von Vellmar – östlich der neuen Endhaltestelle der Linie 1 – würde für heftige Diskussionen sorgen. Und so kam es dann auch. Während für den Beschluss zur Offenlage für die Änderung des gültigen Flächennutzungsplanes im Dezember 2018 noch eine knappe Mehrheit in besagter Versammlung zustande kam, war es mit Mehrheiten im Planungsausschuss Anfang März des neuen Jahres im Vorfeld der hier zu kommentierenden Verbandsversammlung dann vorbei: Der Ausschuss stimmte, nach einer emotionalen, qualifizierten und ausgesprochen ernsthaften Debatte gegen den Plan der Stadt Vellmar für diese Ausweitung von Bauflächen am Rand des Stadtgebietes. Zum ersten Mal seit vielen Jahren votierte damit ein Ausschuss gegen eine Vorlage von Verbandsvorstand und Verwaltung und damit gegen die Ausweitung von Bauland in einer der großen Umlandgemeinden. Damit haben die Abgeordneten der Verbandsversammlung zum ersten Mal in einem wichtigen Punkt der SPD Dominanz in diesem Gremium widerstanden: Allein mit der Qualität und Durchschlagskraft der Argumente! Das kommt einem Erdbeben gleich und gibt Anlass zu neuen Hoffnungen. Aber schön der Reihe nach.

Im August 2017 beschließt der Verbandsvorstand, an der Verbandsversammlung vorbei, die Einleitung eines Flächennutzungsplan-Änderungsverfahrens. Um es ins Parlamentarismus-Deutsch zu übersetzen: Vorbei an der Legislative, was hier der Verbandsversammlung entspricht, die dafür eigentlich zuständig ist. Aber damit nicht genug. Das Vellmarer Projekt widerspricht nicht nur dem gültigen Flächennutzungsplan, der ja eben deshalb geändert werden muss, es widerspricht auch dem 2009 beschlossenen Regionalplan Nordhessen. Der wird beim RP im zuständigen Ausschuss am 16. Februar 2018 geändert. Das Projekt widerspricht aber auch allen anderen Plänen, die sich der ZRK selbst als Grundlage für seine Arbeit gegeben hat: So ist dieses Areal nicht im Siedlungsrahmenkonzept 2015 enthalten genauso wenig wie im Landschaftsplan von 2007…

Die Argumente der Befürworter einer solchen Arie von Änderungen von übergeordneten Planungen, die alle ihren Sinn haben und die eigentlich eingehalten werden sollten, sind immer die gleichen: angebliche Wohnungsnot und erheblicher Bedarf insbesondere an Einfamilien- und Reihenhäusern! Aber schon die Ausgangsbehauptung ist falsch und von den aktuellen statistischen Prognosen in keiner Weise gedeckt. Nach einem weiteren, sehr moderaten Anstieg der Bevölkerungszahlen bis 2025 fällt die Einwohnerzahl – sowohl in Kassel als auch im Umland resp. Speckgürtel (dort sogar noch deutlicher) – nach verschiedenen Prognosen schon wieder deutlich. Und, darüber sind sich alle einig, die sich in Sachen Wohnungsbedarf auskennen: Relevante Wohnungsdefizite gibt es nahezu ausschließlich im günstigen Preissegment, also im wie auch immer gearteten öffentlich geförderten Geschosswohnungsbau, weil genau dieses Preissegment spätestens seit Mitte der 90iger Jahre sträflich vernachlässigt wurde: Was Fachleute, Linke und viele sozialen Verbände seit Jahren vehement kritisieren. Und all das lange bevor sich das Wohnungsdefizit durch Zuwanderung dann noch einmal zugespitzt hat.

Dass mit dem Vellmarer Projekt vor dem Hintergrund eines gestiegenen Umweltbewusstseins alle, aber auch wirklich alle Regeln für den sorgfältigen Umgang mit nicht vermehrbaren Ressourcen, vor allem Boden ist eine solche Ressource, gröblich – und wie wir noch sehen werden – ganz ohne Not verletzt werden, war Ursache und Hintergrund für die Debatten im Planungsausschuss Anfang März. Der Unterzeichner war mitnichten allein mit seiner wie immer deutlich ökologisch orientierten Betrachtungsweise und damit, dass dem schon pathologischen Flächenverbrauch endlich ein Riegel vorgeschoben werden muss. Die mehr als 3 Hektar, die allein in Hessen jeden Tag verbraucht und versiegelt werden, sind einfach zu viel. Das wissen eigentlich auch die Mitglieder des ZRK. Und so gingen die Stimmen gegen eine erneute Versiegelung in diesen Dimensionen auch quer durch alle Fraktionen, mit Ausnahme natürlich der SPD Fraktion. Sie blieb unbeirrt bei ihrer Position. Auch Bürgermeister Ludewig aus Vellmar gab sein Bestes, um für eine erneute Baulandausweitung zu werben. Er habe sich jahrelang dafür engagiert, dass das Bauland nun endlich bereit gestellt wird. Auch deshalb ist die Stadt Vellmar wohl vorgeprescht und hat schon vor der endgültigen Beschlussfassung im Internet den bald beginnenden Verkauf von Grundstücken angepriesen. Eigentlich ein Unding. Aber, wie schon geschildert, für eine Mehrheit sollte es an diesem Tag im besagten Ausschuss nicht reichen. Wütend verließ Bürgermeister Ludewig daraufhin die Sitzung.

Nach diesem Verlauf in der Ausschusssitzung war klar, dass eine spannende Verbandsversammlung bevorstand. Und die sollte es dann auch geben. Alle Fraktionen waren komplett am Start. Und tatsächlich hagelte es Kritik von allen Seiten. Für die CDU, vermutlich weil es innerhalb der Fraktion unterschiedliche Positionen zum Thema gab, läutete Fraktionsvorsitzender Stöter die Debatte ein und nahm Bezug auf die oben beschriebene Ausschusssitzung vom März. Stöter gibt die Abstimmung in der Fraktion frei; es soll also keinen Fraktionszwang geben. Er selbst sei jedoch als Bürger von Vellmar für die Baulandausweitung und würde entsprechend abstimmen. Aber er zeigt Verständnis für alle diejenigen, die aus den bekannten ökologischen Gründen gegen eine solche Bodenverschwendung stimmen wollten. Die SPD bleibt auch in der Verbandsversammlung unbelehrbar und uneinsichtig: Für sie gibt es nur eine Zukunft mit noch mehr Einfamilien- und Reihenhäusern, auch wenn es den Bedarf dafür nur noch bedingt gibt. Die Grünen wollen den Antrag von der Tagesordnung absetzen mit dem Ziel, bis zur nächsten Sitzung im Sommer die Inhalte des im Verfahren befindlichen Bebauungsplans der Stadt Vellmar noch mit „grünen“ Verbesserungen aufzuhübschen: Energieversorgung, begrünte Dächer, Umgang mit Wasser etc.. Wie das gelingen soll, ist allerdings völlig offen. Die Fraktion der Linken ist als einzige klar gegen diesen Plan, signalisiert jedoch, da eine Mehrheit für einen Verzicht ja nicht in Sicht ist, am Ende für den Antrag der Grünen stimmen zu wollen.

Aber es waren nicht nur die Bedenken in Bezug auf den Flächenverbrauch mit seinen kritischen ökologischen Folgen und die falsche Wohnungspolitik, die diese Sitzung bestimmten. Im Kern ging es darum, dass der Innenentwicklung – d.h. dem Bauen innerhalb von städtischen Strukturen, wo Erschließung und technische und soziale Infrastruktur bereits vorhanden sind – unter allen Umständen der Vorzug einzuräumen ist. Und genau hier, beim Beispiel in Vellmar mit den 16 Hektar Neubauland am nördlichen Ortsrand, gab und gibt es diese Alternativen sehr wohl. Innenwicklung wäre an 3 Stellen möglich: So nordwestlich vom Einkaufzentrum Herkules, in Vellmar West nördlich vom Jungfernkopf und am (integrierten) Ortsrand von Frommershausen. An diesen drei Stellen, die vom Flächenvolumen in etwa den geplanten 16 Hektar entsprechen, hätte die Stadt Vellmar – sicherlich in mühsamen Verhandlungen – eine Bebaubarkeit durchsetzen können und müssen.

Niemand bestreitet, dass es bei vielen (nicht nur) kommunalen Projekten private Eigentümer gibt, die aus ganz unterschiedlichen Motiven nicht verkaufen wollen. Die einen haben Dollarzeichen in den Augen und pokern hoch, um das Maximale für ihr Eigentum heraus zu holen. Die anderen wollen es einfach nur ihren Kindern für später hinterlassen oder eine Erbengemeinschaft kann sich nicht einig werden über Verkaufen oder nicht. Aber wenn die auf dem Tisch liegenden Angebote von Stadt oder Gemeinde korrekt und ausreichend hoch sind, darf die Gemeinde, wenn alle Dialoge und Angebote fruchtlos geblieben sind, auch an die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten denken. Sinnvolle Projekte, die im Interesse einer Stadt und ihrer Bewohner*innen liegen, deswegen einfach fallen zu lassen und aufzugeben bzw. in ökologisch bedenklicher Weise an den Stadtrand auszuweichen, ist nicht oder nicht mehr in Ordnung. Vielmehr muss zum einen langer Atem an den Tag gelegt werden in den Verhandlungen mit den Privaten und es darf auch nicht davor zurück geschreckt werden, den „Herrschaften“ die Anwendung der rechtlich möglichen und zur Verfügung stehenden gesetzlichen Regelungen anzudrohen. Das ist legitim und vom Gesetzgeber durchaus gewollt.

Es kann und darf durchaus aufs Grundgesetz verwiesen werden, wie u.a. das aktuelle Beispiel Berlin zeigt. Vor dem Hintergrund realer und nicht imaginierter ökologischer Probleme in großem Maßstab sollte verstärkt daran erinnert werden, das „Eigentum verpflichtet“. So eröffnen die §§ 14 und 15 des Grundgesetzes („Eigentum verpflichtet“ und „Grund und Boden… können … in Gemeineigentum überführt werden“) durchaus Möglichkeiten. Sie werden im Übrigen, ohne dass die dabei beteiligten Behörden sozialistischer Umtriebe bezichtigt werden könnten, bei vielen Großprojekten regelmäßig genutzt. Ob, um beim Beispiel Vellmar zu bleiben, das Instrument Enteignung (natürlich mit gesetzlich geregelter Entschädigung!!) hier das Richtige ist, vermag der Autor als Nichtjurist nicht abschließend zu sagen. Aber es muss auch nicht zwingend dieser Pfad eingeschlagen werden. Das Baugesetzbuch (BauGB) ist ja auch noch da. So kommt dort z.B. der § 176, Abs. 2 (Baugebot für unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke etc.) in Frage. Geeignet wäre durchaus auch der § 47, der sich mit der Möglichkeit eines Umlegungsverfahrens befasst. Welches die beste Lösung für die Vellmar ist oder gewesen wäre, steht dahin. Vielmehr kommt es darauf an zu kritisieren, dass sich Vellmar und im Schlepptau der Zweckverbandsvorstand für die Schlechteste aller Lösungen entschieden haben: Für eine neue Einfamilien- und Reihenhaussiedlung vor den Toren der Stadt anstelle der viel sinnvolleren Innenentwicklung.

Beim Bauen wieder mehr den Gemeinschaftssinn im Zeichen großer ökologischer Probleme – Klimaerwärmung und Artensterben – in den Vordergrund zu stellen, ist das Gebot der Stunde. Das meint auch der Ex-Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl: „Eigentum verpflichtet: Das ist das vergessene Fundament des Sozialstaates“. Daran sollten wir beim Handeln, Diskutieren und Abstimmen bei den durchaus bedeutungsvollen Entscheidungen im ZRK denken.

Der Unterzeichner verwies in der o.a. Debatte in der letzten Verbandsversammlung nicht ohne Grund auf einen der ersten und bedeutendsten Ökologen, den Allroundwissenschaftler Alexander von Humboldt, der schon im ausgehenden 18. Jahrhundert, als Zeitgenosse von Goethe und eng mit diesem befreundet, zu begreifen begann, dass man nicht grenzen- und rücksichtslos in die natürlichen Zusammenhänge eingreifen darf. Dieser im Wortsinne bahnbrechende Wissenschaftler verdient allergrößte Aufmerksamkeit, nicht nur weil er gerade 250igsten Geburtstag hat…

Um der Vernunft, einer besseren Zukunft, den allseits be- und anerkannten ökologischen Anforderungen – nicht zuletzt auch dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag in Hessen (S. 104) – zum Durchbruch zu verhelfen, muss Schluss sein mit hirnlosem Flächenverbrauch. Auch wenn es weh tut und Mühe macht, muss der Verfassung und dem ökologischen Imperativ Genüge getan werden. Und das eben nicht nur in der Bundespolitik, sondern überall, also auch in Vellmar.

Als ersten kleinen Schritt in die (vielleicht) richtige Richtung wurde am Ende der Tagesordnungspunkt mit dem schönen Titel „Änderung des Flächennutzungsplans 45 ‚Wohnen in Vellmar-Nord‘“ von der Tagesordnung genommen werden. Das Thema wird nun im Juni erneut behandelt.

Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Auch wenn den ZRK so gut wie keiner kennt, auch wenn niemand Notiz von ihm nimmt und von seinen Beschlüssen, was nicht gut ist, so ist er dennoch eine wichtige Institution. Was dort passiert und beschlossen wird, wie das oben diskutierte Beispiel zeigt, ist durchaus von Bedeutung. Deshalb noch ein paar Zeilen über den ZRK, was er ist und wer dazu gehört.

Dazu noch ein Direkt-Link zur Internetseite des Zweckverbandes.

https://www.zrk-kassel.de/

*Was ist der Zweckverband genau?
Der Zweckverband (ZRK) ist eine bedeutsame kommunalpolitische Instanz. Nach seiner Satzung und Geschäftsordnung hat dieser Verband nicht nur die Aufgabe, für alle Gemeinden und Städte, die ihm angehören – als da sind Kassel, Ahnatal, Baunatal, Calden, Fuldabrück, Fuldatal, Kaufungen, Lohfelden, Niestetal, Schauenburg und Vellmar – den Kommunalen Entwicklungsplan, den Flächennutzungsplan, den Landschaftsplan und sonstige gemeindeübergreifende Entwicklungsmaßnahmen aufzustellen und fortzuschreiben. Der ZRK ist darüber hinaus auch mit der Wahrnehmung von interkommunalen Aufgaben und Projekten dann zuständig, wenn er hierfür einen Auftrag erhält. Hierzu gehört z.B. das interkommunale Projekt des Güterverkehrszentrums. Auch beim Flughafen Calden ist der ZRK eingebunden, u.a. bei der Entwicklung eines neuen, rund 80 Hektar großen Gewerbegebiets im Bereich alten Flughafens. Man kann sagen, dass praktisch bei allen relevanten raumgreifenden oder raumbeanspruchenden Maßnahmen der ZRK, meist über die Flächennutzungsplanung, mit im „Geschäft“ ist. Neben den beiden Ausschüssen, Finanzen und Planung, in denen zu fassende Beschlüsse vorbereitet werden, ist die Verbandsversammlung der Ort, quasi die Legislative, in der die Entscheidungen über die Inanspruchnahme bestimmter Flächen letztlich fallen. Der Vorstand bereitet viele dieser Beschlüsse vor…