Vögeln statt Hamstern (SZ vom 09.05.2020), sich ausreichend mit Parisern und Rotwein versorgen (in Frankreich), Klopapier horten bis zum hellen Wahnsinn bzw. bis der Keller platzt (in Deutschland) und häufiger die einschlägigen Pornoportale besuchen: Alles gut, alles richtig und vielleicht ist sogar alles wahr…

Aber wer glaubt, die heute noch als Heldinnen und Helden gefeierten, mit einer vermutlich einmaligen Anerkennung von max. 1.500 Euro geehrten Altenpflegerinnen und Altenpfleger kämen am Ende der Krise in den Genuss einer spürbaren Lohnsteigerung, der irrt gewaltig. Sie werden weiterhin krass unterbezahlt bleiben, wie alle die anderen auch, die deutlich mehr schuften durften und mussten in diesen Corona-Wochen…
Boni erhalten und bekommen, systembedingt, die Zocker und Spekulanten aller Art. Auch nach dieser Krise. Wie es schon 2008 ff war. Am Ende sahnen die Spitzenmanager der großen Firmen und Banken wieder ab, also genau diejenigen, die der Staat jetzt erst mal rettet muss, damit das marktwirtschaftliche Schwungrad wieder Fahrt kommt…

Deswegen ist ja auch das eine ein Bonus: So was beginnt bei einer Million und kennt nur die nach oben offene Bonus-Skala, das andere hingegen ist ein müdes Trostpflaster: So was endet in diesem Fall schon bei 1.500 €! Nehmen wir mal einen bescheidenen Bonus von 5 Millionen, der das an sich schon fürstliche Gehalt eines Spitzenmanagers so angenehm aufrundet, meist noch aufgewertet durch entsprechende Aktienpakete und andere Vergünstigungen, so wäre das in etwa das dreitausenddreihundertfache des Anerkennungsbetrages für die schwer ackernden Altenpfleger, die anfangs noch nicht mal adäquat mit Schutzkleidung und Masken versorgt waren. Und damit die besagten Heldinnen und Helden diese Summe auch erhalten, dürfen sie noch einen akribisch ausgefüllten und bitte fehlerlosen Antrag beim zuständigen Landesamt für Pflege einreichen. So was muss ein Bonus-Empfänger definitiv nicht machen!

Auf die herrlich insistierende Frage des Sprechers der Tagesthemen, Ingo Zamperoni, an VW Chef Herbert Diess, ob er sich angesichts der Tatsache, dass der Staat ggf. auch bei VW wieder mit Milliardenbeträgen aushelfen müsse, wenigstens vorstellen könne, die für 2019 zur Verteilung anstehenden Boni für die Manager und die Dividende für Aktionäre zu streichen bzw. auszusetzen, gab es nur ausweichende Antworten. Man werde, so Diess ausgesprochen widerwillig, auch das, aber nur als allerletzte aller Möglichkeiten, in die Überlegungen der Konzernleitung einbeziehen.

Was bei den Überlegungen der Konzernleitung wohl rauskommt?

Quarantäne klingt so nach gleich, weil es ja alle trifft. Alle gleichermaßen. Das wird so auch den ganzen Tag über alle Kanäle verbreitet. Davon kann jedoch keine Rede sein. Das Gegenteil ist der Fall. Die eigentliche Frontlinie ist die einer sich weiter auftuenden sozialen Ungleichheit… Danach, so wird man ganz ohne prophetische Gabe schon jetzt verkünden können, wird sich die Schere zwischen arm und reich erneut weiten. Und die Armut wird sich neue Kreise erschließen, weil die Schutzschirme der Regierung nicht werden bewirken können, dass jeder „kleine Laden“, den die Krise trifft, mit Mann und Maus gerettet werden kann.

In einem Interview in der SZ vom 03.04.2020, sagt Thomas Ostermeier, künstlerischer Leiter der Berliner Schaubühne: „Arme leiden mehr unter der Corona-Krise als die Wohlhabenden. Ausgangsbeschränkungen bedeuten für eine Alleinerziehende in einer kleinen Sozialwohnung mit zwei kleinen Kindern und geringem Einkommen etwas anderes als für Gutverdienende mit Au-Pair-Mädchen, Haus und Garten“. Damit hat er recht.

Und wer am Ende die Zeche bezahlt, die Abermilliarden, die jetzt in die Wirtschaft gepumpt werden, damit das Schiff nicht sinkt oder zumindest nicht zu sehr leckschlägt, muss auch nicht gerätselt werden: Genau diejenigen, die in der Krise (mit) die Hauptlast zu tragen hatten, d.h. die Verkäuferinnen in den noch offenen Geschäften zur Lebensmittelversorgung, die Krankenschwestern und Altenpflegerinnen in Kliniken und Heimen, die im Internetversandhandel Schuftenden, die Warenausfahrer- und -austrägerinnen aller Art, oder anders: die kleinen Leute eben, der Mittelstand, das Handwerk, alle die prekär beschäftigt oder ganz arbeitslos sind. Aber letztere bekommen ja vielleicht nächstes Jahr wieder 5,50 Euro mehr im Monat bei Hartz IV?

Und natürlich wird nach der Corona-Krise nicht das Geld da sein, für das, wofür es in den Jahren vor der Krise auch nie gereicht hat: Für gute Bildung für alle, von den Kitas bis zu den Universitäten, für die Bekämpfung des Klimawandels und die Energiewende, für die Wende in der Mobilität, für den Umbau der Städte mit einer Offensive im sozialen Wohnungsbau und mit einer massiven (Nach-) Begrünung, damit sich die Städte für die nächsten Sommer-Hitzewellen wappnen können, für die Digitalisierung etc. Und es wird sicher außerdem am Geld dafür mangeln, den Gesundheitssektor von einer gigantischen Gewinnmaschine für wohlhabende Private, Fondgesellschaften aller Art, die Pharmaindustrie etc. umzuwandeln in ein sozialen Kriterien gehorchendes Gesundheitswesen, dem es bei der nächsten Krise nicht an Schutzmasken fehlt für die, die Kranke am Leben erhalten sollen.

In Italien, das die Krise härter getroffen hat als (bislang) Deutschland, soll – so sagen es jedenfalls viele Fachleute – die hohe Belastung mit Feinstaub aus Verkehr und Industrie einer der Faktoren gewesen sein, zumindest gilt das so für Norditalien, der sich zusätzlich negativ auf den Verlauf der Pandemie ausgewirkt hat. Angesichts dieser Tatsache, die natürlich auch in allen anderen Ländern der EU mehr oder weniger relevant gewesen sein dürfte, sollte jetzt jeder vernünftige Mensch annehmen, dass an den neuen Abgas Grenzwerten in der EU im Rahmen des „Green Deal“ festgehalten wird. Aber: Alle Organisationen, die zur Gang der Lobbyisten in diesem ultramächtigen Industriesektor gehören, laufen jetzt schon Sturm dagegen. Und der nichts kapierende Scheuer wuselt schon wieder vor und hinter den Kulissen herum, um seinen Freunden aus der Autoindustrie zu Willen zu sein: Mit den durch Corona verursachten Verlusten müssen die schärferen Vorgaben für die Autoindustrie unbedingt vom Tisch! Wen interessiert schon – jetzt und nach der Krise erst recht nicht – das Pariser Klimaabkommen und wen der Tatbestand, dass die stark abgasbelasteten europäischen Städte für Hundertausende von Corona Patientinnen durchaus eine Herausforderung dargestellt haben.

Das Corona Thema ist medizinisch, sozial und ökonomisch komplex. Das gilt für die auf allen Ebenen unseres Landes getroffenen Maßnahmen. Nicht überall auf dem Globus – auch wenn die Corona Pandemie, wie schon im Wort enthalten, eine globale Erscheinung ist – wird gleich gehandelt…

Ganz unabhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie hier in Kassel, in der Region, in Deutschland und in der Welt: Die Diskussion darüber, was aus der Krise für Konsequenzen zu ziehen sind, hat begonnen. Überall und intensiv. Denn dass nicht alles optimal läuft, zumindest da und dort nicht, bekommen wir alle mit. Dass die gutachterlichen Erkenntnisse und Ratschläge aus den Jahren 2012/13 zum Schutz der Bevölkerung bei zukünftigen Pandemien (Drucksache des Bundestages 17/12051) weder zur Kenntnis genommen noch umgesetzt worden sind, spürt das Land jetzt teils sehr schmerzhaft. So fehlt es an vielen Stellen an den allernötigsten, an den allerbanalsten Mitteln, will man erfolgreich gegen eine Pandemie dieser Art bestehen: an Mundschutz, an Schutzkleidung, am Ende vielleicht auch an Notfallbetten. Aber auch an Medikamenten. Und das nicht erst seit Corona.

Die Jahrzehnte der Privatisierung, der Deregulierung, der Auslagerung lebenswichtiger Produktionen, wie z.B. die für Medikamente, Schutzkleidung etc., rächen sich nun. Noch mehr jedoch die vielfältigen Überlastungssituationen in den Krankenhäusern und in den Pflege- und Altenheimen. Und alles war lange bekannt. Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sind dennoch weiterhin mit ungeheurem Druck, gegen alle Warnungen und gegen jede Vernunft, privatisiert worden. Die meisten Pflegekräfte und das Krankenhauspersonal, Chefärzte natürlich ausgenommen, sind – alle wissen es – krass unterbezahlt…

In vielerlei Hinsicht bekommt das Land jetzt die Quittung. Bei Anerkennung und Würdigung der Leistungen der im Gesundheitswesen Arbeitenden, ja es stimmt, da sind viele Heldinnen und Helden im Einsatz, gibt es dennoch viele zu beklagende Missstände. Daran ändern auch alle Bemühungen, der Einsatz und der Fleiß vieler Regierungsmitglieder nichts, denn sie können das fehlende Material und die fehlenden Pflegekräfte ja nicht herbeizaubern. D.h.: Über die schmerzhaften Defizite kann das alles nicht hinweghelfen. Und was am Ende, in der Gesamtbilanz, noch zu Tage tritt, wird man erst noch sehen…

Es wird nun viel über die Zukunft und die Zeit danach, also die Zeit nach der Corona Krise geredet. Was alles besser werden soll, auch wenn Vieles schon vorher und längst bekannt war. Zehntausende Pflegekräfte haben, allen Spahn‘schen Bemühungen zum Trotz, die Heime inzwischen verlassen oder haben die Arbeitszeit reduziert: Weil es einfach nicht mehr zum Aushalten war. Diese Kräfte fehlen jetzt schmerzlich, an allen Ecken und Enden… Da und dort, wir haben es gesehen und gehört, sind dramatische Situationen entstanden.

Vieles, so hört man jetzt allerorten, soll nun anders, besser werden: Medikamente sollen wieder hier produziert werden, Pflegekräfte, Krankenschwestern besser bezahlt, eine vorausschauende Materialbevorratung für Krisenfälle und zukünftige Pandemien, so wie es der Bericht aus 2012 ja gefordert hat (auf den aber niemand professionell reagiert hat), soll in ausreichendem Umfang stattfinden…

Statt abzuwarten, welche Konsequenzen aus der Corona Krise auf welcher Ebene und in welchem Bereich zu ziehen sind – die Liste dessen, was sich da wird ändern müssen, ist viel länger als oben angedeutet – handelt die Stadt Kassel jetzt schon. Aber nicht klug, vorsichtig und analytisch, unter sorgfältiger Auswertung der in der Krise gemachten Erfahrungen, vielmehr mit dem Verkauf der unter kommunaler Regie stehenden städtischen Pflegeheime. Bevor also die möglicherweise zu ziehenden Konsequenzen auf der kommunalen Ebene analysiert, diskutiert und ausgearbeitet sind, schafft der SPD geführte Magistrat Fakten. Begründet sind die rein betriebswirtschaftlich, nicht jedoch belegt mit den Erfahrungen aus dem Kampf gegen die Pandemie! Damit setzt der Magistrat die Privatisierung im Pflegebereich fort, die zweifelsfrei ein Teil des Problems der Krise ist.

Am vergangenen Wochenende, den 28. März 2020, durfte die geneigte HNA Leserin, ohne eine Silbe der Kritik natürlich, der Wochenendausgabe entnehmen, dass die kommunale Trägerschaft der beiden Altenheime am Lindenberg und am Fasanenhof im Juni 2020 endet. Danach gehen die beiden bisher zur Gesundheit Nordhessen Holding (GNH, eine 100 Prozent Tochter der Stadt) gehörenden Traditionshäuser in die Hände der Convivo GmbH über. Diese Firma besitzt bereits 100 Pflegeheime und andere Einrichtungen dieser Art.

Dass Privatisierungen nicht allein dafür verantwortlich sind, dass es bei der Bewältigung der Corona Krise da und dort so heftig knirschte und weiter knirscht, weiß auch der Unterzeichner. Die Verlagerung zentraler Bereiche des Gesundheits- und Pflegewesens in private Hände dient jedoch in erste Linie dem Interesse der Eigentümer an den Gewinnen, die dort zu generieren sind. Deshalb investieren ja Fondgesellschaften aus der ganzen Welt in diesem offensichtlich lukrativen Bereich. Aber ob das gut ist für die Menschen, die dort leben und arbeiten, darf gefragt und bezweifelt werden. Der Lindenberg und der Fasanenhof wären, meiner Meinung nach, besser in kommunaler Hand bzw. unter dem Dach der GNH geblieben.

Nun wissen wir es alle: Die nächste Pandemie kommt, so sicher wie das Amen in der Kirche und sie wird die Stadt Kassel nicht besser vorbereitet finden als bisher. Eher schlechter, denn Teile des Pflegewesens sind dann in privater Hand.

Corona allüberall. 24 Stunden am Tag. Und das noch lange. Viele interessante Begleiterscheinungen gibt es zu beobachten. Und nun wird bzw. ist das Klopapier knapp, im Land der Dichter und Denker!

Meine Frau fuhr gestern – statt, wie sonst, mit dem NVV – mit dem Auto zur Arbeit, in Richtung City. Auf dem Weg dahin, wollte sie Toilettenpapier besorgen. Auch wenn wir so gar nicht zu denen gehör(t)en, deren Haupt- und Lieblingsgericht nach Ausbruch der Krise Spaghetti in Tomatensoße an Clopapier gewesen ist: Irgendwann braucht man aber auch in solchen Haushalten Nachschub. In sechs Läden auf dem Weg von Ahnatal Weimar in die Stadt gab es kein solches Papier. Erst im Vorderen Westen, in der Nähe von Rossmann und Rewe, begegneten ihr FußgängerInnen mit der heißbegehrten Ware. Sie entschied sich für Rossmann am Karl-Marx-Platz und bekam dort, große Erleichterung, das heißbegehrte Produkt…

Die Geschichte erzählte ich einer Bekannten, die – wie ich – bislang auch keine Erklärung für den rätselhaften, angstgesteuerten Run der Deutschen auf das besagte Papier hatte. Was sie aber zu erzählen wusste, waren Informationen zu den Hamsterkäufen in Frankreich: Präservative und Rotwein! Was lernen wir daraus? Deutsche haben andere Präferenzen.

Während man die Hamsterkäufe in Frankreich gut nachvollziehen kann, habe ich bislang noch keine plausiblen Erklärungen für den Hang meiner Landleute zum Bevorraten von Toilettenpapier.

Der hier so oft und so überaus klug schreibende und erklärende Dr. Martin Reuter: Weiß der vielleicht, was da in die Deutschen gefahren ist?

Weil politische Debakel – auf welcher politischen Ebene auch immer – oft und gleich personalisiert werden, reden jetzt viele über einen „untreuen“ Liberalen, der das Dreier-Bündnis aus SPD, Grünen und diesem einen freischwebenden Liberalen hat über die Klinge springen lassen. Was darüber so alles kolportiert und berichtet wird: Das meiste davon ist Unsinn, Kaffeesatzleserei und/oder überflüssig. Denn solche fruchtlosen Debatten über ein bestimmtes Abstimmungsverhalten führen weg vom eigentlichen Problem: Warum hat dieser Abgeordnete die Koalition verlassen und damit gegen zwei wichtige rot/grüne Projekte gestimmt bzw. eine Abstimmung darüber verhindert?

Der Grund, kurz zusammengefasst, ist der, dass bei diesen beiden bedeutenden städtebaulichen Projekten – Markthalle und documenta Institut auf dem Karlsplatz – wieder einmal weder professionelles Projektmanagement stattfand noch eine ausreichende, kohärente und transparente Kommunikation. Letzteres gilt für den parlamentarischen Bereich, d.h. die rechtzeitige und umfassende Information und Einbindung aller Fraktionen, wie auch für die jeweils betroffenen bzw. fach-interessierten Gruppierungen der Kasseler Bürgerschaft. Vieles bei diesen beiden bedeutenden Projekten erinnert sehr an die dilettantischen Versuche, in Kassel eine Multifunktionshalle (zuerst auf den Giesewiesen und dann bei Salzmann) zu bauen bzw. das Technische Rathaus aus dem Zentrum der Stadt weit ab davon in den Kasseler Osten zu verlagern. Beide Projekte sind, wie sich alle Interessierten bestimmt noch gut erinnern, kläglich gescheitert…

Wer nach dem schon früh und zu Recht in die Kritik geratenen Standort an der Universität, am verkehrsumtosten Holländischen Platz, nur noch einspurig und verengt auf den Karlplatz setzt und diesen dann mehr oder weniger gut begründet zum „Non Plus Ultra – Standort“ erklärt, ohne auf die fundierte Kritik z.B. vom AK Denkmalschutz und Stadtgestalt (Dr. C. Presche) einzugehen, verspielt vielleicht mal wieder Chancen, von denen man als Stadt nicht allzu viele geboten bekommt. Denn dass das documenta Institut eine Großchance ist, die zu nutzen für Kassel selbstverständlich und notwendig sein sollte, bestreitet niemand. Damit aber aus der Chance auch ein Plus für Kassel wird, muss der Standort in jeder Hinsicht geeignet sein und entsprechende Voraussetzungen besitzen. Und die hat der Karlsplatz für ein Gebäude der Dimension, die das documenta Institut haben muss, genau nicht. Denn wenn man über den Karlsplatz als potentiellen Standort spricht, gehört die Würdigung des kulturellen Erbes der hugenottischen Oberneustadt, also der kritische und sensible Umgang mit Stadtgeschichte, zwingend dazu. Sonst würde dieses Erbe, nachdem schon der Filmpalast für die Situation dort und vor allem die Karlskirche zu groß und nachgerade erdrückend geraten ist, erneut mit Füßen getreten. Wer die für das Institut in Rede stehenden 6500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche mit dem vorhandenen Raumangebot auf dem Karlsplatz in Beziehung setzt, wird schnell feststellen: Das Gebäude erschlägt den kleinen Platz! Großzügige Förderung von Bund und Land machen ein gründliches Nachdenken über die Eignung eines Standorts nicht überflüssig. Und die wie so oft ins Feld geführte Zeitknappheit ist kein inhaltliches Argument…

Viel schlauer wäre es gewesen, für die Standortwahl einen komplexen und tiefgehenden nutzwertanalytischen Ansatz anzustoßen und parallel dazu eine transparente, öffentliche Debatte mit den Fraktionen im Parlament und interessierten Kreisen der Stadtgesellschaft zu führen, die entsprechende Interessen und Kenntnisse mitbringen. Als da sind: Stadtplaner und ihre Organisationen, der Bund Deutscher Architekten (BDA), der Fachbereich 06 der Universität (Architektur, Landschafts- und Stadtplanung) und andere mehr. Wäre dieser Dialog, entsprechend breit angelegt und mit der dafür notwendigen Zeit klug auf die Schiene gesetzt worden, wäre der Zug für die Realisierung des documenta Instituts auch nicht auf dem Abstellgleis gelandet – wo er sich nun ja gerade befindet. Und dann wäre man gar nicht auf dem Karlsplatz gelandet, der einen ganz anderen Gebäudetyp braucht: Einen mit Bezug auf den alten Grundriss der Oberneustadt, mit einer stimmigen, den Ort belebenden Nutzung und einer u.a. für die Karlskirche verträglichen Dimension… Für das documenta Institut stehen im Besitz des Landes oder der Stadt besser geeignete Standorte zur Verfügung: Zum einen im Bereich vom Ottoneum oder den RP-Parkplätze bzw. an der Torwache an der Wilhelmshöher Allee… Und nicht zuletzt gäbe es durchaus auch Umbau-Alternativen, also die Nutzung vorhandener Gebäude – wie z.B. das Polizeipräsidium im Königstor, das leer steht und ggf. geeignet sein könnte.

Im Übrigen und nur ganz am Rande: Das ewige und subtanzlose Argument der Ladenbetreiber, die Parkplätze seien zum ökonomischen Überleben unerlässlich, darf bei einer zukünftig mehr als wünschenswerten Bebauung des Karlsplatzes, keine Rolle spielen. Denn zum einen ist dieses Argument wissenschaftlich längst widerlegt (vom einen oder anderen Behindertenplatz mal abgesehen), zum anderen existieren diese Parkplätze nach einem immer noch gültigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung aus den 80iger Jahren gar nicht mehr: Zu dieser Zeit ist mehrheitlich beschlossen worden, dass nach Vollendung des 2. Abschnitts der Tiefgarage unter dem Friedrichplatz die oberirdischen Stellplätze auf den Plätzen der Stadt abzubauen sind! Und dieser Abbau steht bis heute aus!

Beim Projekt Markthalle sieht es nicht viel besser aus: Ein für die Stadtgesellschaft derart prominentes, bedeutendes Projekt muss von der Vorbereitung der Ausschreibung bis hin zu den Kriterien für die Vergabe transparent und ergebnisoffen geführt werden. Dass da nur in 2 städtischen Gremien (Grundstücksausschuss und Grundstückskommission), ganz ohne fachliche Beratung, ohne Einbeziehung der heutigen Nutzer (der Marktbeschicker) und ohne Einbindung der Fraktionen ein Konzept mit derart weitgreifenden Veränderungen über Erbpacht für Jahrzehnte an eine Investorengruppe gehen soll, stößt bei vielen Menschen in Kassel auf Unverständnis und Kritik.

Fazit: Dass der Kasseler Magistrat ohne Mehrheit dasteht, ist nicht das Problem (*); das kann sich vielmehr bis zur Neuwahl 2021 durchaus noch als Vorteil erweisen. Das Problem vielmehr ist, dass es die sozialdemokratisch geführte Stadt mal wieder an Professionalität einerseits und Transparenz seiner Bürgerschaft gegenüber andererseits hat fehlen lassen. Die Fraktion der Kasseler Linken fordert deshalb zu Recht eine Transparenz-Wende!

* Keine Mehrheit zu haben, ist in parlamentarischen Demokratien kein Problem. Das müssen aktuell auch die Sozialdemokraten in Spanien neu lernen, die nun zusammen mit Podemos koalieren, aber eben ohne eine Mehrheit zu haben. Und gute Beispiele, wo das Regieren ohne bzw. mit immer neu zu schmiedenden Mehrheiten zu guten Ergebnissen führen kann, gibt es genug. Z.B. in Skandinavien. Ob das in Kassel klappt und vielleicht sogar zu positiven Ergebnissen führt, wird man bald sehen.

Am 9. Oktober verübte ein ultrarechter deutscher Nazi während des Jom-Kippur-Gottesdienstes einen Terroranschlag auf die Synagoge in Halle. Nur die Robustheit der Synagogen-Tür bewahrte die anwesenden jüdischen Mitglieder der Gemeinde davor, Opfer eines Terrorangriffs zu werden. Stattdessen erschoss der Attentäter 2 unbeteiligte Personen. Eine Spende aus New York in Höhe von 12.000 Dollar für die Verstärkung der Eingangstür verhinderte offensichtlich Schlimmeres. Dieser Tür und natürlich auch der Ladehemmung der Waffe des Angreifers war es geschuldet, dass die verängstigten, am Gottesdienst Teilnehmenden unbeschadet überlebten. Das Ereignis ist wie eine Schockwelle durch die Bundesrepublik gegangen. Fassungslosigkeit hat um sich gegriffen, auch ob des Tatbestandes, dass den Bitten der Gemeinde um mehr Polizeischutz nicht nachgekommen worden war.

Auch wenn Jüdinnen und Juden sich in den letzten Jahren sowohl von rechts als auch von islamistischer Seite zusehends bedrängt und angegriffen sahen: Mit einem derartig brutalen Angriff haben jedoch die wenigsten gerechnet. Wie diese Tat ausgegangen wäre ohne die erwähnte Spende aus den USA, kann sich jeder selbst ausmalen… Die aktuellen Statistiken zu Übergriffen und Anfeindungen gegenüber Jüdinnen und Juden sind eindeutig: Die Angriffe werden härter und brutaler und sie breiten sich in allen Bereichen der Gesellschaft aus. Dass viele dieser Übergriffe islamistische Hintergründe haben, wird gern und schamhaft verschwiegen, ist aber ein offenes Geheimnis und Gegenstand von Kritik an der offiziellen Statistik.

Die Stadt Kassel hat, in Person ihres Oberbürgermeisters, Herrn Christian Geselle, als Zeichen der Solidarität mit den Juden in Deutschland, die nun erneut verängstigt sind und um ihre Sicherheit bangen, am Tag nach dem Attentat die Flagge Israels vor dem Rathaus aufgezogen. Ob das die beste aller denkbaren Formen von Solidarität, von offen gezeigtem Beistand und Mitgefühl gewesen ist, darüber kann und darf man durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Intuitiv oder bewusst hat der Oberbürgermeister jedoch begriffen, dass der jüdische Staat für die Selbstermächtigung der Juden steht, die damit nicht mehr vom mal gewährten und mal nicht gewährten Wohlwollen einzelner Länder abhängig sind. Vielmehr haben die Juden der Welt zum ersten Mal nach über 2000 Jahren die Möglichkeit, in ihrem Land über die eigenen Geschicke selbst zu bestimmen. Deshalb ist unstrittig, weil das jeder Wohlmeinende sehr genau hat erkennen können (wenn er denn nur wollte!), dass das Hissen der Flagge als eindeutiger Akt der Solidarität mit den Juden in Deutschland gemeint war. Wenn allein im Jahr 2014 knapp 25.000 Juden Frankreich verlassen und sich in Israel in Sicherheit gebracht haben, wird klar, was Israel in der Praxis für die Juden der Welt bedeutet.

In der darauf folgenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kassel, am 4. November 2019, hat Simon Aulepp, vom Bündnis KASSELER LINKE, diesen Vorgang heftig kritisiert. Er nahm die Fragestunde zum Anlass, den Oberbürgermeister regelrecht zur Rede zu stellen: Wie der denn dazu komme, die Situation der Jüdinnen und Juden in Deutschland mit dem Staat Israel gleichzusetzen. Da die Antworten Simon Aulepp nicht zufrieden stellten, formulierte er weitere Nachfragen (einen Audio-Mitschnitt ab der 8. Minute der besagten Fragestunde gibt es hier). In der HNA vom 6. November erschien außerdem ein Interview mit ihm. Im Mitschnitt der Fragestunde und im HNA-Interview wird gleichermaßen erkennbar: Sowohl der Vergleich des demokratischen Israel mit dem wahhabitischen Gottesstaat Saudi Arabien als auch Simon Aulepps Beharren darauf, dass mit der israelischen „Besatzungspolitik“ seine Kritik an Oberbürgermeister Christian Geselle allemal berechtigt gewesen sei, zeigen eines überdeutlich: Simon Aulepp ist ein überzeugter Antizionist, der nicht verstanden hat, was der Staat Israel für die Juden in der Welt bedeutet.

Auch wenn dem so ist, nehme ich meine Simon Aulepp gegenüber geäußerte Kritik, die ich am 10.11.2019 im Blog der KasselZeitung gepostet habe – Simon Aulepp sei ein „Antisemit in Reinkultur“ – zurück. Das, was Simon Aulepp in Zusammenhang mit den oben geschilderten Vorkommnissen gesagt, gefragt, in Abrede gestellt und/oder sonst verlautbart hat, rechtfertigt nicht den von mir erhobenen Vorwurf des „Antisemitismus“ bzw. den des „Antisemitismus in Reinkultur“.

Dass Simon Aulepp mit seinem Verhalten jedoch ein überaus eindeutiges, in der Linken alles andere als unübliches und gestörtes Verhältnis zu Israel offenbart hat, ist nichts Neues oder gar Besonderes. Seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 ist die deutsche Linke, in fast allen ihren Schattierungen, nicht in der Lage gewesen, ein von Antisemitismus und Antizionismus freies Verhältnis zu Israel zu entwickeln. U.a. mit ihrem zu kurz gegriffenen Antifaschismus-Begriff und Verständnis gehört sie bedauerlicher Weise mit zu der großen Gemeinde der Israel-Hasser und Kritiker, die mit ihrer Sympathie, wenn es um Jüdinnen und Juden geht, viel leichter auf die Toten (die der Shoa) denn die lebendigen Jüdinnen und Juden (die im Staat Israel) positiv Bezug nehmen. Antizionismus und zum Teil auch offener Antisemitismus innerhalb der Linken ziehen sich wie ein roter Faden, hier in der Kürze natürlich nur beispielhaft angerissen, durch von 1976 über 2010 bis heute. So haben 1976 zwei an der palästinensischen Flugzeugentführung in Entebbe beteiligte Mitglieder der sog. Revolutionären Zellen, die beiden deutschen Linken Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann, zum ersten Mal nach dem 2. Weltkrieg wieder Juden bzw. Israelis aus den Flugzeugpassagieren aussortiert. 2010 haben Linke, zusammen mit Islamfaschisten, die Schiffsreise mit der Mavi Marmara zur Befreiung von Gaza bzw. zur Durchbrechung der Gaza-Blockade organisiert. Und gerade eben, in 2019, hat Jeremy Corbyn von der Labour Party die Parlamentswahlen in Großbritannien vergeigt. U.a. deshalb hat er so krachend gegen Boris Johnson verloren, weil er die seit vielen Jahren offen antisemitischen Umtriebe in seiner Partei nicht aus der Welt geschafft hat und weil auch er selbst alles andere als frei war von Vorwürfen und Kritik in Sachen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit. Völlig zu Recht führt ihn deshalb das Simon Wiesenthal-Centrum als ersten in der aktuellen, jährlich herausgegebenen Liste der 10 schlimmsten Antisemiten. Seine Freundschaft zur Hamas ist Legende. Die Kritik an ihm kam auch von eigenen Parteigenossinnen, obwohl seine schärfsten Kritikerinnen inzwischen längst aus der Partei entweder ausgetreten sind und heraus gemobbt wurden. Dass zum ersten Mal nach 1945 mit Oberrabbiner Ephraim Mirvis der höchste Vertreter des Judentums in Großbritannien in einem offenen Brief in die Wahlen eingegriffen hat, zeigt, wie weit die Linke dort herunter gekommen ist. Die Frage des Oberrabbiners in diesem Brief – „Was wird aus uns Juden in GB, wenn Corbyn an die Macht kommt?“ – offenbart das ganze Desaster der Linken.

Unabhängig von dieser Problematik des Antizionismus in der Linken, wie er auch bei Simon Aulepp und seiner SAV, einer trotzkistischen Gruppe innerhalb der Linkspartei, feststellbar ist, nehme ich den Vorwurf des Antisemitismus in Bezug auf Simon Aulepp zurück und verwandle den o.a. Artikel bzw. das Posting in der KasselZeitung so um, dass er über Google nicht mehr auffindbar ist. Es gibt an der bisherigen Stelle im Blog lediglich einen Screenshot davon. Er zeigt nur noch die Stelle auf, an der der alte Artikel vorher gestanden hat. (Ich habe das soeben, am 30.12.2019, 14.00 Uhr, wie angekündigt realisiert).

Diese Rücknahme bzw. Richtigstellung ist das Ergebnis eines Gesprächs zwischen Simon Aulepp, Kai Boeddinghaus und mir. Darüber hinaus hat es ein klärendes Gespräch mit der Fraktion der KASSELER LINKEN gegeben, zu deren Mitbegründern ich selbst gehöre und deren kommunalpolitische Arbeit über jeden Zweifel erhaben ist.

Dass die Debatte über Fragen von Antisemitismus und Antizionismus in der deutschen Linken und der Linken in Kassel damit nicht zu Ende ist, versteht sich von selbst. Angesichts der Tatsache, dass z.B. in der Partei die Linke gleichzeitig eine Untergruppierung existiert, die sich Bak Shalom nennt (eine Gruppe, die eindeutig und solidarisch zu Israel steht) und parallel dazu antisemitisch und antizionistisch angehauchte Mitglieder mit türkischen Faschisten zusammen gen Gaza in See stechen (wie 2010 mit der oben schon erwähnten Mavi Marmara), gibt es erheblichen Klärungsbedarf, um es neutral und diplomatisch zu formulieren. Darüber, dass sich 2014 Gregor Gysi im Reichstagsgebäude vor schlagfesten Israelhassern, die von Mitgliedern der eigenen Bundestagsfraktion der Linkspartei „angeschleppt“ worden waren, die nicht minder israelfeindlich eingestellt waren und sind, aufs Klo hat retten müssen, hat sich die Republik amüsiert. Obwohl das alles andere als lustig war. Für die Entschuldigungen der beiden Linkspartei-Frauen, Groth und Höger, beide waren auf der Mavi Marmara mit dabei und letztere ist sogar aktuelle Landesvorsitzende der Linkspartei in NRW (!!), wird sich Gregor Gysi nichts kaufen können.

Alle reden vom Klimawandel, weil er für die Städte und seine Bewohnerinnen enorme Belastungen mit sich bringen wird. Und natürlich wird viel darüber gesprochen, wie man dem begegnen kann. Die meisten Fachleute und Stadtplaner wissen längst, was angesagt ist: Eine massive Nach-Begrünung in den Stadtzentren! Aber alle reden auch und gleichzeitig von Innenentwicklung und Nachverdichtung, weil nur so der Flächenraubbau an den Rändern der Städte gebremst werden kann. Da beide Ziele grundsätzlich richtig sind – auch wenn es den Artikel sprengte, hier zu sehr ins Detail zu gehen – so gibt es jedoch, wenn bei der Realisierung beider Zielkomplexe nicht klug, gekonnt und rasch gehandelt wird, relevante negative Überschneidungspotentiale mit möglicherweise unerwünschten Nebenwirkungen…

Die massive (Nach-)Begrünung der Stadt mit Baumpflanzungen, mit der Erhaltung und Ausweitung von Grünanlagen, mit massiver Begrünung von Fassaden und Dächern möglichst vieler Häuser und Nebengebäude, mit Entsiegelungen, mit der Rückhaltung von Regenwasser und der Integration von offenen Wasserflächen in die privaten und öffentlichen Freiräume… Damit wird verstärkt Verdunstungskälte produziert, Staub und Schadstoffe gebunden, die Luftqualität verbessert und vor allem: Die Temperatur effektiv gesenkt. Nichts von diesen Maßnahmen ist irgendwie geheimnisvoll, nichts davon ist technisch besonders kompliziert oder gar unlösbar. Positive Erfahrungen liegen zur Genüge vor, weltweit. Was bisher, auch wenn der Klimawandel und innerstätische Temperaturbelastungen nicht ganz so neu sind, wie dauernd getan wird, sträflich unterlassen wurde – sei es aus Ignoranz, Geldknappheit oder falscher Schwerpunktsetzung – muss nun rasch und ernsthaft auf- und nachgeholt werden. Ich bezeichne das, was sich da als gigantische Herausforderung vor den Städten unserer Klimazone regelrecht auftürmt, als eine „große, grüne Rolle vorwärts“ in der Stadtentwicklung. Ohne diese „Rolle vorwärts“ wird es ungemütlich werden in den Städten. Darüber dürfen die als meistens positiv empfundenen Trends des Südens – langes und gemütliches im Freien Sitzen bis in die Nacht und den Spätherbst hinein, das Feiern und Genießen an Straßen und auf Plätzen – nicht hinwegtäuschen.

So wie es keine Kunst ist, bewaldete Häuser zu bauen, so sind auch alle die anderen oben skizzierten Begrünungsaufgaben relativ leicht umzusetzen. Was die Maßnahmen im öffentlichen Bereich angeht, haben die Kommunen freie Hand und könnten längst optimierend in diese Richtung handeln. Die Maßnahmen jedoch an und um die privaten Häuser herum sind planungsrechtlich komplizierter, weil Eigentum heilig ist und kein Kommunalpolitiker gern zu Zwangsmaßnahmen greift. Ein weites, nicht unkompliziertes Feld, das aber beackert werden muss. Denn ohne begrünend in den Bestand der Gebäude einzugreifen und zwar massiv, wird das genannte und anzustrebende Ziel zur Verbesserung des Stadt-, des urbanen Mikroklimas nicht zu haben sein. Und natürlich auch nicht ohne massive Förderung durch EU, Bund und Land… Vor allem aber müssen die jetzt schon vorhandenen planungsrechtlichen Instrumente des Baugesetzbuches geschärft und kreativ eingesetzt werden. Bei Neubau und im vorhandenen Bestand gleichermaßen. Zu den Erfolgsaussichten: Wo der Wille sich mit Kreativität, gestützt durch positive Beispiele, vereinen, werden die notwendigen Veränderungen auch durchzusetzen und zu realisieren sein.

Auch wenn das Haus nicht in der hochverdichteten urbanen Problemzone steht, also
eigentlich nicht so richtig passt: So ist es doch schon seit bald 30 Jahren rundherum
grün. Und grüne Dächer plus solare Stromproduktion sind kein Widerspruch!

Wer die Bilder bewaldeter Gebäude in verschiedenen, experimentierfreudigen Städten betrachtet – z.B. in Mailand, Paris oder Singapur – sieht, was geht. Dass sich ein technisch hochentwickeltes Land wie die Bundesrepublik Deutschland demgegenüber erlaubt, Jahr für Jahr viele weitere Hundertausend Quadratmeter an eingeschossiger Gewerbebauten in Stadt und Land zu genehmigen, fragt sich, warum dem niemand Einhalt gebietet. Derartige monotone, nutzlose, sich im Sommer bis auf 80 Grad aufheizende Flächen müssen verboten, d.h. dürfen nicht weiter genehmigt werden. Sie müssen wie die schon vorhandenen Flachdachgebäude – gewerblich und privat – nachträglich begrünt und zusätzlich mit Solarpanelen belegt werden; womit wir aber bei einem ganz anderen Thema wären…

Das Flachdachdebakel ist nur ein Beispiel dafür, wie trotz aller Klarheit in Bezug auf den Klimatrend und den damit einhergehenden Problemen für die Zukunft der Städte vollkommen falsch gehandelt wird bzw. wie erforderliche Gegenmaßnahmen unterbleiben. Begrünte Dächer sind schon lange vor der Zeitenwende erfolgreich realisiert worden, wie die sagenhaften Gärten der Semiramis belegen.

Und wer schon einmal im Lafayette, mitten in Paris, von den dort an den Fassaden angebauten Erdbeeren gegessen hat – im Moment jedoch noch mit einem gewissen Aufpreis – weiß oder ahnt, ganz im Sinne des Werbespruchs von Toyota, was in Bezug auf eine urbane Begrünungsoffensive alles möglich sein könnte…

Bevor aber der Jubel über die leicht schaffbare, grüne Stadt ausbricht, müssen wir noch mal zurück zum Ausgangspunkt. Denn: Wir brauchen diese kreativ und ideenreich nachbegrünte Stadt zeitlich und räumlich zeitgleich und zusammen mit einer baulichen Großoffensive zur Innenentwicklung und Nachverdichtung unserer Städte, um die unkontrollierte, weitere Ausdehnung der Städte an ihren Rändern angesichts des weiteren Zuzugs von immer mehr Menschen vom Land in die Stadt erfolgreich bewältigen zu können. Vor allem aber auch deshalb, weil der ärmere Teil unserer Gesellschaft drastisch unterversorgt ist mit günstigem, qualitätsvollem Wohnraum. Da man demographische Prozesse recht präzise prognostizieren kann, braucht über den Tatbestand des Zuzugs und damit des weiteren Wachstums der Städte (trotz der Abnahme der Gesamtbevölkerung) nicht streiten. Dieser Trend ist allseitig anerkannt. Wir haben es also mit einer doppelten urbanen Herausforderung zu tun: Einem zunehmenden Klima- und Temperaturstress bei zeitgleicher Zunahme der Bevölkerung, was einen mehr oder weniger starken Bauboom nach sich ziehen wird. Wie er im Übrigen überdeutlich und teils dramatisch in den Großstädten der Bundesrepublik bereits seit einigen Jahren stattfindet.

Genau deshalb wird, seit Jahren, landauf, landab die Innenentwicklung gepredigt (wie auch von mir), weil Innenentwicklung und Nachverdichtung die beste Lösung dafür ist, den Zuwachs an Wohnungen und Infrastruktureinrichtungen in den Städten ökologisch und nachhaltig zu bewältigen. Diese Erkenntnisse haben sich in Gesetzen, Förderungsmodalitäten etc. längst niedergeschlagen. Sie sind und bleiben, aus vielerlei Gründen, gut und sinnvoll. Das Ausufern der Städte an den Rändern, das Versiegeln wertvoller landwirtschaftlicher Nutzfläche ist – wie hier bei uns gerade das aktuelle Negativ-Beispiel Vellmar Nord zeigt – eine Sackgasse. Das Gegenteil von einer Lösung.

Ganz so leicht wie die Begrünungsoffensive wird sich eine konsequente Innenentwicklung und Nachverdichtung allerdings nicht verwirklichen lassen. Neben den schon erkannten Potentialen für Wohnungsbau über Einkaufsmärkten aller Art muss auch über die Aufstockung und den Bau deutlich höherer Gebäude nachgedacht werden. Nur so wird sich die Quadratur des Kreises – Intensivierung der Begrünung in Fläche und Vertikale und Platz für weiteren notwendigen Wohnungsbau erreichen lassen.

Kassel ist schon heute eine relativ grüne Stadt. Sie ist gesegnet mit einem waldreichen Umland und zwei überaus bedeutsamen Parkanlagen: dem Bergpark Wilhelmshöhe und der Karls- und der Fuldaaue. Sie hat darüber hinaus einen grünen Stadtbaurat und eine aufgeweckte und interessierte Bürgerschaft. Eine Wende, eine Offensive, eine „grüne Rolle vorwärts“ wie beschrieben scheint also durchaus möglich. Mit Klimakarten allein, die zeigen wie warm es demnächst in Kassel werden wird, lassen sich jedoch keine Erfolge erzielen. Da müssten Sie schon, Herr Stadtbaurat Nolda, noch eine Schippe drauflegen. Und vor allem: Sie müssten die Initiative ergreifen und für diesen Prozess die Richtung vorgeben. Die Impulse zu dem, war ihre ureigenste Aufgabe wäre, werden vermutlich nicht von der SPD kommen, die ja noch nicht einmal den Anflug von einer Wende zu einem fahrradfreundlichem Kassel hinbekommt.

Mehrfach habe ich mich hier schon darüber ausgelassen, warum es so unerfreulich ist, dass sich der Landkreis Kassel bei der Neubebauung im Norden von Vellmar nicht mit Ruhm bekleckert hat in Bezug auf die Schonung von Flächen- und Bodenressourcen. Den Nordrand von Vellmar mit weiteren Einfamilien- und Reihenhäusern zuzupflastern, steht nicht nur im Widerspruch zu den entsprechenden Erklärungen der aktuellen schwarz-grünen Koalitionsvereinbarung, es entspricht auch nicht den Planvorgaben, die sich der Zweckverband Raum Kassel (ZRK) selbst gegeben hat. Vor allem aber wird er nicht dem gerecht, was endlich in Sachen Ökologie bei der Beanspruchung von Bauland anders gemacht werden müsste.

Das alles soll hier nicht noch einmal wiederholt werden. Das wäre langweilig. Interessant ist es aber schon, dass es nicht allen so wurscht ist wie den politisch für das Debakel in Vellmar Verantwortlichen, wenn jetzt ohne Not erneut 17 ha wertvollen Ackerlandes für diejenigen in Bauland umgewandelt werden, die es gar nicht brauchen. Das genau hat der Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel erkannt und in seiner jüngsten Erklärung vom 27. Juni 2019, anlässlich seiner letzten Sitzung in Lohfelden, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Diplomatisch im Ton, deutlich in der Sache.

Die Erklärung schließt sich an diese wenigen Zeilen an.

Vorsitzende des Naturschutzbeirates des Landkreises Kassel
Dr. rer. nat. Anna Kuntzsch • Kaufungen, den 27.06.2019

Einstimmige Beschlussfassung zur Presseerklärung des Naturschutzbeirates des Landkreises Kassel

Vellmar Nord soll kommen: Gute Gründe sprechen jedoch dagegen!

Am 12. Juni 2019 hat die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Raum Kassel nach einer erneut intensiven, emotionalen und immer wieder kontroversen Debatte den Weg für die Ergänzungsbebauung am nordöstlichen Rand von Vellmar freigemacht, indem sie die erforderliche Änderung des Flächennutzungsplanes beschlossen hat. Damit wird – ganz ohne Not – die Entwicklungsmöglichkeit von drei bereits planungsrechtlich gewidmeten Bauflächen im Inneren von Vellmar, was man Innenentwicklung nennt, aufgehoben und eine wertvolle landwirtschaftlich genutzte Fläche am äußersten Rand der Stadt in erster Linie für Einfamilien- und Reihenhäusern verbaut.
Der Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel spricht sich erneut gegen diese knapp 17 ha große Baumaßnahme aus, weil damit unwiederbringlich Flächen versiegelt werden, obwohl
• im Koalitionsvertrag der hessischen Landesregierung überdeutlich gefordert wird, Maßnahmen gegen den immer noch anhaltend hohen Flächenverbrauch von über 2,5 ha pro Tag endlich einzuleiten und
• alle aktuellen Statistiken zeigen, dass es einen relevanten Bedarf an Einfamilien- und Reihenhäusern gar nicht gibt. Vielmehr sinkt – vor allem im Landkreis – der Wohnungsbedarf ab 2025 wieder mehr oder weniger deutlich. Was tatsächlich gebraucht wird, aber in Vellmar nur partiell als Lärmschutz Richtung Straße (L 3386) für die höherwertigen Grundstücke vorgesehen ist, sind günstige, geförderte Wohnungen für Menschen und Familien mit kleinem Einkommen.

Nach dem Dafürhalten des Naturschutzbeirates ist diese Baumaßnahme überflüssig. Was die Befürworter ins Feld führen, ist tendenziell ein Verbiegen von Fakten und Tatsachen. So wird beispielsweise von einer Arrondierung gesprochen, was den Gegebenheiten allerdings in keiner Weise entspricht. Tatsache ist vielmehr, dass die geplante Fläche deutlich sichtbar in die offene Landschaft ragt. Nach Vollendung wird sie erneut eine Arrondierung nach sich ziehen. Und so geht es scheibchenweise weiter, als gäbe es die Nöte des Planeten nicht bzw. als würden die einen Bogen um Vellmar und den Landkreis machen.
Außerdem wird gesagt, die Eigentümer der besagten Flächen im Innern von Vellmar seien entweder nicht bereit gewesen, Grundstücke zu veräußern oder hätten überzogene Preise gefordert. Dem muss und kann entgegen gehalten werden, dass in so einem Fall entweder mehr geboten werden muss oder dass entsprechende Paragrafen des Baugesetzbuches (BauGB) angewendet werden müssen. Im BauGB ist detailliert geregelt und beschrieben, wie öffentliche Instanzen bei Vorliegen gewichtiger Gründe ein Baugebot (vgl. § 176 BauGB) aussprechen können. Niemand sagt, dass das einfache Wege sind, aber sie können – wie viele Beispiele zeigen – durchaus erfolgreich begangen werden. Insbesondere dann, wenn damit wesentliche Schutzgüter wie der Boden geschont werden können.
Um nach der Verschiebung des Beschlusses in der vorangegangenen Sitzung im März d.J. die Zustimmung zur erforderlichen Flächennutzungsplanänderung doch noch zu erreichen, hat es in Vellmar und beim Zweckverband erste Überlegungen gegeben, das Gebiet energetisch und bautechnisch so zu konzipieren, dass einige wichtige ökologische Forderungen vielleicht oder teilweise eingelöst werden können. Es gibt dafür aber nicht viel mehr als schöne Worte, eine Förderzusage für ein entsprechendes Planungskonzept (der Auftrag an ein bestimmtes Büro ist bereits erteilt) und die Absichtserklärung der Stadt Vellmar, viele dieser Planungsergebnisse am Ende in den aus dem Flächennutzungsplan abgeleiteten Bebauungsplan zu übernehmen. Wer das für den o.a. Beschluss zur Änderung des Flächennutzungsplans vorgelegte dünne Papier mit dem Namen „Integriertes Energie- und Quartierskonzept“ jedoch aufmerksam liest, wird feststellen, dass die beiden am häufigsten benutzen Verben darin ‚können‘ und ‚sollen‘ sind. Die AutorInnen dieses 2-seitigen Papiers wissen genau, wie unsicher das alles ist.
Zum einen ist völlig unklar, ob es am Ende des Tages tatsächlich relevante Fördermittel für die bauliche Umsetzung gibt, zum anderen ist noch unsicherer, ob sich die privaten Erwerber von Baugrundstücken für Passivhäuser mit Gründächern auch wirklich erwärmen können. Denn die Privaten kann niemand zwingen, den bisher nur als Vision existierenden Städtebaulichen Vertrag tatsächlich zu unterschreiben. Der soll nämlich all das regeln, vor allem jedoch genau die Dinge, die rechtlich verbindlich im Bebauungsplan nicht festsetzt werden können.
Am Ende haben alle begründete Kritik und alle guten Argumente gegen diese Form der Bebauung nicht ausgereicht. Mit nur 4 Gegenstimmen und einer ganzen Reihe von Enthaltungen gab es dann leider doch eine klare Mehrheit für die Pläne der Stadt Vellmar.
Wir bedauern dieses Ergebnis zutiefst, denn ohne ersichtliche Notwendigkeit wird hier ein hoher Flächenverbrauch in Kauf genommen, der weder der Natur noch dem Menschen gut tut.

Für den Beirat,
Dr. Anna Kuntzsch
Eckhard Jochum

Es kam, wie es kommen musste: Mitte Juni 2019 beschließt die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Raum Kassel (ZRK) mit den Stimmen von SPD und CDU das viele Hektar große Neubaugebiet am Nordrand von Vellmar, das mit Arrondierung so viel zu tun hat, wie ein bleischwerer, fetter, übergewichtiger, PS-starker SUV mit der Verkehrswende. Die mit den Stimmen von SPD und CDU durchgeboxte Bebauung wird ein Geschwür in der Landschaft und ist überflüssig wie ein Kropf.

Und bestimmt erinnern Sie sich noch: Die SPD und die CDU sind genau die beiden Parteien, die jüngst bei den Europawahlen im Mai 2019 von den Wählern – insbesondere den jungen – zum Nachdenken über ihre dramatischen Stimmenverluste veranlasst wurden. In den Tagen und Wochen danach ging diesen beiden früher mal Volksparteien genannten Gruppierungen derart die Muffe, dass es die SPD Parteivorsitzende, Andrea Nahles, buchstäblich vom Hocker gerissen hat. Aber auch die CDU bekam das Zipperlein und große Furcht…
In Nordhessen – das weiß hier jeder – gehen die politischen Uhren anders. Hier ficht ein derartiges Wahldebakel die Vertreter von SPD und CDU (noch) nicht wirklich an. Man glaubt oder hofft, dass die Wähler hier weiter treu bei der Stange bleiben, im Prinzip wie immer.

Im Dezember 2018 und im März 2019 haben SPD und CDU in der ihnen von Linken und Grünen aufgenötigten ökologischen Grundsatz-Debatte zu Vellmar Nord zwar aufmerksam zugehört, dann aber in der Juni-Sitzung genau das gemacht, was sie immer tun: Neues Bauland ausgewiesen! Sie taten das, auch wenn ihnen der Beschluss vom März 2019, den Tagesordnungspunkt der Baulandausweisung und die dafür erforderliche FNP-Änderung erst einmal abzusetzen, noch mächtig in den Knochen steckte. Die Gefahr war zu groß war, dass die Stimmen dafür nicht reichen könnten. Wer will, kann mit dem Direktlink weiter unten die Details noch einmal in Ruhe nachlesen. (1)

Was die beiden Parteien nun gemeinsam ausgewiesen haben, ist genau das, was keiner braucht: Noch mehr Einfamilien- und Reihenhäuser! Was vielmehr dringend gebaut werden müsste, ist öffentlich geförderter Wohnungsbau, d.h. passgenaue und günstige Wohnungen, wie sie von großen und kleinen Familien und von Menschen mit kleinem Geldbeutel so dringend benötigt werden. Und das gilt nicht nur für Nordhessen. Gab es in der BRD von solchen Wohnungen 1990, nach dem Ende der DDR, noch 2,87 Millionen, so waren es 2016 nur noch knapp 1,24 Millionen. Und obwohl die Debatte darüber jetzt schon seit einigen Jahren läuft, also die Diskussion um die vielbeschworene Wende in der Wohnungsbaupolitik, tut sich kaum etwas auf diesem sozialpolitisch so überaus bedeutsamen Feld. Obwohl es sich doch beim Wohnen um ein wahrhaft elementares Menschenrecht handelt!

In der Dezember-Sitzung 2018 fuhren die Linken und die Grünen schweres Geschütz auf und machten klar, dass die FNP-Änderung für das neue Baugebiet im Norden von Vellmar überflüssig und ökologisch nicht mehr vertretbar ist. Innenentwicklung sei das Gebot der Stunde und außerdem würden Wohnungen gebraucht für die eben erwähnten kleinen Leute. Angesichts der Tatsache, dass schon ab 2025 die Einwohnerzahlen auch in unserer Region wieder spürbar sinken werden, sind weitere Bodenversiegelungen und das Bauen für Privilegierte wahrhaft nicht das Gebot der Stunde.

In der März-Sitzung 2019 wurde das Neubauprojekt erneut scharf kritisiert. Negativ bewertet wurde auch, dass der ZRK permanent selbstgefasste Beschlüsse und Ziele verletzt, wie z.B. das der Innenentwicklung… Allerdings signalisierten die GRÜNEN in dieser Sitzung schon vorab, dass sie sich dann – falls Vellmar für die Realisierung des Neubaugebiets ein vernünftiges Energiekonzept vorlege – möglicherweise enthalten könnten. Da sich die CDU der geübten Kritik teilweise anschloss, sieht die SPD ihre Felle davon schwimmen und erklärt sich bereit, den Beschluss zur FNP-Änderung von der Tagesordnung zu nehmen. So kam dieser wichtige Teilerfolg zustande. Aber mehr als Teilerfolg war nicht drin…

Am 13. Juni, in der 3. Sitzung zum selben Thema, kommt es dann zum „Schwur“. Der ZRK und die Stadt Vellmar legen ökologische Absichtserklärungen in Form eines 2 seitigen, ausgesprochen dünnen Papiers vor, das von Verben wie „können“ und „sollen“ geprägt ist. Es ist in Wirklichkeit nicht mehr als eine Vision auf ein zu entwickelndes „Integriertes Energie- und Quartiers-Konzept“. Es soll die Grundlage sein für einen aus Landesmitteln geförderten Planungs- und Beratungsauftrag an ein dafür geeignetes Ingenieurbüro. Mehr nicht.

Mit diesem Bonbon, diesem ungedeckten Scheck auf eine energetisch bessere Bauweise und eine innovativere Energieversorgung im zukünftigen Quartier, haben sich die Grünen ihre Enthaltung schließlich „abkaufen“ lassen. Auch wenn niemand abstreitet, dass die fromme Hoffnung auf ein vernünftiges Energiekonzept besser ist als nichts, hat sich doch substanziell daran, dass hier völlig unnötig und unwiederbringlich wertvolle Ackerflächen für nicht erforderliche Wohnformen verbraten werden, nichts geändert.

Natürlich sind die Grünen in einer anderen Situation als die Linken. Sie regieren in Kassel mit und sie werden in Kürze vermutlich – wenn die Trends bei den Wahlergebnissen auch in Nordhessen anhalten – deutlich mehr Verantwortung übernehmen. Trotzdem wäre es klüger gewesen, das Projekt planerisch erst weiter zu konkretisieren, damit wirklich erkennbar und ablesbar wird, wohin die Reise am Ende geht. Deshalb bleibt unsere Kritik bestehen: Ohne Klarheit darüber, wozu sich die Grundstückserwerber später in einem noch nicht einmal schemenhaft existierenden „Städtebaulichen Vertrag“ beim Kauf der Grundstücke bereit erklären müssen, sollte die Änderung des FNP nicht in Aussicht gestellt und nicht beschlossen werden. So bleibt nur zu hoffen, dass von dem Wunschzettel mit der Überschrift „Integriertes Energie- und Quartiers-Konzept“ viele Punkte später tatsächlich umgesetzt werden. Aber das ist alles andere als sicher.

Wenn es schon nicht zur Innenentwicklung kommt, also zum Bauen im Ortsinneren mit einem guten Mix an Wohnungen, die am Markt fehlen, dann hätten wir gerne vor einer abschließenden Beschlussfassung zum FNP, der einzigen Steuerungsmöglichkeit die der ZRK hat, das konkrete ökologische Gesamtpaket zu sehen bekommen. So hängt jetzt alles daran, was die Stadtverordneten von Vellmar an ökologischen Inhalten in dem zu beschließenden Bebauungsplan noch durchsetzen können. Und das wird auch davon abhängen, wie viel Fördermittel eingeworben werden können. Fließt kein oder nicht genügend Geld, wird gebaut wie immer. Das ist genau das Szenario, das man befürchten muss!

Vermutlich entsteht in Vellmar–Nord ein neues, stink-normales Wohngebiet mit ein bisschen mehr Fassaden- und Dachbegrünung, mit ein bisschen Regenwassernutzung, mit ein klein wenig Regenrückhaltung, mit ein bisschen Grün zwischen den Eigenheimgrundstücken und einem halbwegs vernünftigen Energieversorgungskonzept. Die große Chance, den ZRK endlich mal so zum Handeln zu bewegen, dass er im Einklang mit den selbst beschlossenen Zielen und Plänen handelt, ist vertan. Der Passus in der Koalitionsvereinbarung von Schwarz-GRÜN in Hessen, endlich dem klimaschädlichen Flächenverbrauch von über 3 ha pro Tag einen Riegel vorzuschieben, bleibt folgenlos. Das ist bedauerlich!

(1) Im Zweckverband Raum Kassel (ZRK) rumort es: Nach einer ernsthaften Debatte über gravierende ökologische Probleme unserer Zeit und einer überflüssigen Baulandausweitung im Norden von Vellmar

An dieser ist Stelle ist schon oft vom Versagen der deutschen Regierung(en) die Rede gewesen. Dieses Versagen hat ganz verschiedene Gründe und passt natürlich nicht in ein paar Zeilen. Aber für eine Kritik an Klöckner und Scheuer sollte es reichen. Da genügt, alle Mal, die Kurzform.

Einer der Gründe für Ministerversagen, was es natürlich auch früher immer wieder gab, ist geballte Inkompetenz. Dort wo diese sich mit ekelerregender Nähe zum verbrecherischen Treiben einschlägiger Konzerne verbindet, wird es unerträglich. So in den aktuellen Fällen dieser beiden CSU Kabinettsmitglieder.

Dass Scheuer nicht geeignet und nicht ausreichend qualifiziert ist für seine Aufgabe, weiß jeder. Und das nicht erst seit der gescheiterten Maut für Ausländer, die ihm sein genau so wenig talentierter Vorgänger, A. Dobrindt, eingebrockt hat. Scheuer selbst wurde aber nicht müde, seit er sein Amt angetreten hat, eben diese Maut immer wieder lauthals zu preisen. Als gänzlich unfähig geoutet hat er sich spätestens mit der Beleidigung aller anderen europäischen Regierungen, indem er diese zu Idioten erklärte ob der Tempolimits, die dort längst der Umwelt nützen, Abgase einsparen helfen und Tausenden von Menschen das Leben retten. Auch sein unsägliches Management der Dieselkrise, seine Weigerung, den betrügerischen Autokonzernen Paroli zu bieten und endlich wirksame Nachrüstungen durchzusetzen: All das trägt dazu bei, diesem Minister die Fähigkeit abzusprechen, ein solches Amt zu bekleiden. Wer, wie Scheuer, aus den Gedärmen der großen Autokonzerne gar nicht mehr rauskommt, kann es höchstens noch zum bestbezahlten Tretrollerfahrer der Republik bringen. Aber selbst hier wird er kläglich scheitern. Der Elektro-Tret-Roller ist weder ein schlaues noch ein praktisches Mittel zur Bekämpfung der Mobilitätsprobleme in den Städten, noch wird er die Umwelt entlasten. Die Verantwortlichen in den Städten werden es richten müssen: Und vermutlich werden sie den Scheuer-Roller bald wieder abräumen.

Im nicht weniger wichtigen Agrar-Ressort – auch hier geht es um wahrhaft große Aufgaben – glänzt Frau Klöckner mit einer traurigen Nullnummer. Was von ihr verlangt wird, ist nicht weniger als der dringend erforderliche Umbau der Landwirtschaft, dergestalt, dass es nicht nur Aldi, Bayer und den anderen Giganten im Agrar- und Ernährungsbusiness gut geht und dass der Export von Schweine- und Hühnerfleisch und Milch etc. gut laufen, sondern dass auch das Grundwasser in guter Qualität erhalten bleibt, die Artenvielfalt und die Gesundheit der Verbraucher. Aber überall dort, wo Klarheit und Durchschlagskraft, Überzeugungsarbeit und wirksame Gesetze nötig wären: Fehlanzeige. Wo hält sich diese ewig in irgendeine Kamera lächelnde Ministerin am liebsten auf? Ja, genau, in den Gedärmen irgendeines der großen Lebensmittelkonzerne. Die ganze Republik hat sich darüber (zurecht) er- und aufgeregt. Selbst einige ihrer CDU Fraktionskollegen waren der Meinung, dass sich eine Ministerin nicht derart zu einer wandelnden Litfaßsäule von Nestlé hätte machen lassen dürfen. Aber das ist ihre Politik. Statt den Konzernen genau vorzuschreiben, wie viel Zucker und andere schädliche Stoffe in den Lebensmitteln versteckt und verarbeitet werden dürfen, setzt diese Dame auf Freiwilligkeit. Eine fulminante Idee, die den Konzernen mächtig Dampf unterm Hintern machen wird.

Und es ist wirklich eine verrückte Welt: Bayer, Sie erinnern sich, der deutsche Agrarmulti, der kürzlich Monsanto kaufte, hält am 26. April 2019 seine Hauptversammlung ab. Und was meinen Sie, haben die Großaktionäre, Vermögensverwalter etc. dort gemacht? Sie haben, Experten meinen, das sei ein einmaliger Vorgang in der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte, mit 55,52 Prozent dem Unternehmensvorstand das Misstrauen ausgesprochen. Und auch, wenn es schwer fällt zu glauben: Erhebliche Anteile dieser 55,52 Prozent Gegenstimmen zur Politik vom Bayermanagement stammten von großen Investment Banken und Anlegern, die den aggressiven, gegen Natur und Mensch gerichteten Kurs dieses Konzerns nicht mehr mittragen wollten. Auch wenn sich der Aufsichtsrat – eilig noch in der direkt folgenden Nacht zusammengetrommelt – hinter den Vorstand stellte und das Votum der Anleger damit überstimmte: Bayer wird zur Kenntnis genommen haben, dass sich das Verhalten der großen Akteure auf dem Weltmarkt gerade ändert. Der Markt für nachhaltige Anlagen wächst dreimal so schnell und stark wie der Gesamtmarkt!

Damit will der Schreiber dieser Zeilen bestimmt nicht der Hoffnung Ausdruck verleihen, die Anleger würden es schon richten. Vielmehr nur, dass solche Luschen wie Scheuer und Klöckner vielleicht mal den Blick auf‘s große Ganze werfen und sich endlich beeilen sollten mit den dringend notwendigen Beschlüssen für einen ökologischen Wandel. Denn wenn sie es nicht machen, machen sie sich vielleicht bald überflüssig. Entweder durch schlichte, hoffentlich baldige Abwahl oder weil das, was eigentlich ihre Aufgabe wäre oder gewesen wäre, am Ende vielleicht da und dort durch die Anleger von Konzernen erzwungen wird: Der ökologische Umbau der Wirtschaft. Die beiden total unfähigen CSU Minister werden diesen Wandel jedenfalls nicht anstoßen. Davon kann ausgegangen werden…