Und wie im vergangenen Jahr, so haben sich auch am 15. Mai diesen Jahres eine ganze Reihe von Aktivisten verschiedener Umweltorganisationen vor und auf dem Platz der Stadthalle eingefunden, um den Aktionären von K+S verbal, schriftlich und plastisch ihren Widerstand gegen die aktuelle Politik von K+S entgegen zu halten… Daran kann auch die vielzitierte Charmeoffensive des neuen K+S Chefs nichts ändern. Denn in der Sache bleibt alles mehr oder weniger beim Alten: So setzt K+S unter anderem nach wie vor auf die 140 km lange Monsterleitung quer durch Nordhessen, auf die Haldenabdeckung (die bislang nirgendwo auf der Welt richtig funktioniert) und auf die weitere Verpressung von Salzabwässern in den Untergrund – zumindest bis 2021. Es ist nicht erkennbar, dass sich K+S ernsthaft damit beschäftigt, wie die Halden bis zum Ende der Salzausbeutung in den Revieren abgebaut und verwertet werden könnten. Genauso wenig lässt sich absehen, wann K+S endlich bereit ist, im großen Stil auf die andernorts längst erfolgreich angewandte Verdampfungstechnologie zu setzen und damit ein nachhaltiges, umweltgerechtes Wirtschaften einzuläuten.
Wir, die Mitglieder des Naturschutzbeirats des Landkreises Kassel, drängen jedenfalls weiterhin darauf, dass sich K+S nicht nur mit der Dividende und dem Unternehmensgewinn auseinandersetzt, vielmehr endlich den Aufwand für die Beseitigung eingetretener Umweltlasten und die Vermeidung neuer Umweltschäden in seine Bilanzen einpreist.
Und wir kündigen erneut an: Wir werden keine Ruhe geben und weiterhin mit aller Kraft vor allem gegen das Monstrum von Salzabwasserleitung mobil machen, weil mit diesem Bauwerk genau nichts erreicht wird. Die Leitung verlagert das Problem nur. Sie ist kein Beitrag zur Lösung.
Im Folgenden geben wir den aufmerksamen Leserinnen und Lesern der Kassel-Zeitung unser Flugblatt zur Kenntnis, das wir in über 100 Exemplaren an die Aktionäre verteilt und ihnen als Lektüre mit auf den Weg in besagte Versammlung gegeben haben…
Flugblatt – Text ab hier:
Der Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel bittet Sie, liebe Aktionäre der heutigen Versammlung hier in der Stadthalle in Kassel, um ein wenig Geduld. Da die Versammlung bestimmt nicht immer spannend sein wird, bleibt Ihnen ja vielleicht die Zeit, das Wirken Ihres Konzerns mal aus einem ganz anderen Blickwinkel zu betrachten. Denn mit der Ihnen gewährten Dividende in Höhe von 0,35 Cent je Stückaktie ist die Sache wahrhaftig nicht getan. Die nach wie vor immensen Umweltschäden, die von K+S den Flüssen Werra und Weser, dem Untergrund und dem Trinkwasser zugefügt werden, sind nur ganz unzureichend in der Bilanz abgebildet. Zudem soll nun auch noch eine gigantische, 140 km lange Salzabwasserleitung quer durch Nordhessen geführt werden, nur um die Salzfracht weiter oben in die Weser zu leiten… Die große Mehrheit der Menschen in Nordhessen, die Mehrzahl der Gemeinden und ihre politischen Vertretungen lehnen diese unsinnige und unnötige Maßnahme ab.
Lesen Sie die folgenden 2 DIN A4 Seiten, die wir vom Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel dazu schon Mitte März 2018 geschrieben und veröffentlicht haben: Anlässlich der vom Regierungspräsidium Kassel (RP) am 12. März d.J. veranstalteten Anhörung zum vorgelagerten Raumordnungsverfahren (ROV):
… es war ein langer Tag: Für den 12. März hatte der RP zum großen Anhörungstermin in die Mehrzweckhalle Frommershausen eingeladen. Und der dauerte dann auch viele Stunden. Zahlreiche Behördenvertreter, viele Mitglieder von Bürgerinitiativen und eine ganze Reihe betroffener Einzelpersonen waren der Einladung des RP gefolgt. Ansonsten war keine Öffentlichkeit zugelassen. Diese Behörde war auch gleich mit vielen Fachleuten angerückt und die Firma K+S als Antragstellerin für das Projekt – was Erstaunen auslöste – rückte gleich in Geschwaderstärke an. So mit ungefähr 25 Experten und Profis!
Und worum ging‘s genau? Es stand der Antrag von K+S zur Debatte, seine im Werra-Revier produzierten Salzabwässer möglichst elegant und kostengünstig wieder los zu werden. Dazu hat sich K+S im Rahmen von Verabredungen insbesondere mit dem Land Hessen – der Plan dazu nennt sich „Bewirtschaftungsplan Salz“ – darauf eingelassen, mit verschiedenen Maßnahmen die Salzbelastung von Werra und Weser zu verringern. Dazu gehören u.a. die Abdeckung der gigantischen Salz-Abfall-Halden und das Einstapeln von Salzabfällen in offengelassenen Salzgruben. Falls damit die Werra aber immer noch am Limit ihrer Salzaufnahmefähigkeit sein sollte, muss eben diese 140 km lange Abwasserleitung quer durch Nordhessen gegraben und zwei riesige Absetzbecken in den Reinhardswald geschlagen werden, bevor die Salzfracht dann bei Gieselwerder in die Oberweser eingeleitet werden kann. Bevor dazu ein entsprechender Bauantrag von K+S nach hessischem Wasserrecht gestellt werden kann, hat der RP im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens darüber zu befinden, mit welchen Auflagen ein solcher Antrag versehen werden kann, also welche Hausaufgaben K+S ggf. noch abzuarbeiten hat. D.h. das „Rennen“ um dieses Projekt ist in jeder Hinsicht noch offen. In Anbetracht der langen Vorgeschichte in Sachen Toleranz der angrenzenden Regierungen und Behörden K+S gegenüber, muss jedoch mit dem Schlimmsten gerechnet werden.
In Anbetracht der Tatsache, dass einer der Hauptentsorgungswege für die Salzabfälle von K+S – die Verpressung in tieferes Gestein – ab 1921 nicht mehr zur Verfügung steht und angesichts des Tatbestandes, dass die Abdeckung der riesigen Salz-Abfall-Halden mit ihren bis 45° steilen seitlichen Hängen bislang nirgends erfolgreich realisiert werden konnte, rückt diese Leitung immer näher.
Sie offenbart vor allem eins: Dass sich K+S nie wirklich der Aufgabe gestellt hat, die Vorgaben der EU zum Wasserrecht ernst zu nehmen und die hierzu erlassene Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 einzuhalten. K+S hat sich nie ausreichend Gedanken darüber gemacht, wie die gigantischen Schäden, die sie seit Jahrzehnten den Ökosystemen und den Menschen der Region zumutet, endlich vermieden und beseitigt werden könnten. Während ein ähnliches Salzbergwerk in der Nähe von Barcelona, die Firma dort heißt Iberpotash, unter dem Druck der EU bzw. der spanischen Zentralregierung damit angefangen hat, eine in Ansätzen abstoßfreie Produktion auf die Beine zu stellen – die Technik dazu ist vorhanden und erfolgreich getestet – hat K+S in unserer Region immer auf die Rückendeckung von Politik, Gewerkschaften und direkt angrenzenden Kommunen gesetzt. Das hat bis jetzt gut geklappt.
Und genau dieses Setzen auf politische Unterstützung, das ewige Drohen mit Arbeitsplatzverlusten, falls die Politik ernst machte mit klaren Forderungen nach einer Einhaltung der ökologischen Spielregeln, wie sie in der EU gelten und eigentlich auch im ökonomisch (über-)mächtigen Deutschland (!), war auch am Anhörungstag förmlich und spürbar mitzuerleben. Statt ein aufwändiges Raumordnungsverfahren für die Leitung einfach abzulehnen, einen Antrag dazu also gar nicht erst anzunehmen, weil der Antrag der weiter oben erwähnten Wasserrichtlinie der EU eklatant widerspricht und auch weil im „Bewirtschaftungsplan Salz“ nur von einer Leitung mit einer Kapazität von „lediglich“ 0,8 Millionen Kubikmeter die Rede ist, K+S diese Deckelung aber frech missachtet und gleich mal stattdessen 2,8 Millionen Kubikmeter beantragt, wird das Verfahren nach allen Spielregeln der Kunst durchgespielt. Um der Form Genüge zu tun und um damit K+S letztlich den „Segen“ für einen entsprechenden Bauantrag zu geben, selbst wenn der RP am Ende vermutlich nicht darum herum kommen wird, diesen „Segen“ mit einigen Auflagen zu versehen. Gegen einen solchen Bauantrag nach Hessischem Wasserrecht kann dann natürlich wieder Einspruch erhoben und geklagt werden; aber mit jedem Verfahrensschritt rückt das irrsinnige Projekt ein Stück näher…
Dieses Projekt widerspricht aber nicht nur den Vorgaben der EU und übersteigt die Salzabwassermenge der Planunterlagen um das 3,5 fache, nein, es verletzt auch zahlreiche andere rechtliche Vorgaben und Schutzgüter, die hier alle im Einzelnen gar nicht aufgezählt werden können. Das würde den Rahmen sprengen. Die Landwirte gehen auf die Barrikaden, weil viele Hektar wertvollen Ackerlandes verloren gehen. Die Naturschützer und ihre Organisationen sind schon dort, weil viele schützenswerte Bereiche tangiert und stark beeinträchtigt werden, sollte es zum Bau dieser Leitung kommen. Vor allem im Reinhardswald müssten für die riesigen Abwasserbecken großflächige Rodungen in empfindlichen Waldarealen stattfinden, für die man sich einen Ausgleich kaum vorstellen kann. Dazu sind auch viele Kommunen und vorneweg der Landkreis Kassel mit dem Vorhaben über Kreuz und alles andere als begeistert. Sie alle wollen nicht einsehen, dass diese Leitung quer durch Nordhessen geführt wird, Bad Hersfeld streift, an Felsberg, Gudensberg, Niedenstein, Schauenburg und Istha vorbeiführt und weiter nach Wolfhaben, Breuna, Hofgeismar, Trendelburg, um dann endlich bei Gieselwerder die salzige Fracht der Weser anzuvertrauen…
Unbeeindruckt von Dutzenden guter Argumente für eine Einstellung des Raumordnungsverfahrens wird der Anhörungstermin aber „regelkonform“ durchgezogen, obwohl so viele Regeln dabei verletzt werden. Und so muss leider damit gerechnet werden, dass weder K+S noch die Politik die Pferde wechseln werden und endlich auf eine abstoßfreie Produktion setzen. Dass erst eine solche die Arbeitsplätze langfristig sichern würde, wollen K+S und diejenigen, die ihre Hand schützend über K+S halten, nicht einsehen.
Und so ging an einem Montag im März in der Mehrzweckhalle Frommershausen ein Anhörungstermin seinem Ende entgegen, ohne dass die Hoffnung aufkommen wollte, dass der Region dieses Irrsinnsprojekt erspart werden könnte. Eine Einsicht beim Antragsteller K+S war jedenfalls nicht zu erkennen. Sonst wären ja die K+S Spezialisten nicht in Geschwaderstärke angerückt. Der finanzielle Aufwand dafür muss es wert gewesen sein. Den meisten Aktionären, die sich am 15. Mai in der Stadthalle wieder mal einfinden werden, um sich vom Vorstand erläutern zu lassen, wie es mit der Dividende aussieht, wird das ganze Verfahren und ihre unschönen Nebenwirkungen unbeeindruckt lassen, weil sie sich nun mal nur für ihre Rendite interessieren.
Wer will, dass diese Leitung nicht gebaut wird, muss aufhören, die Füße still zu halten. Vielmehr muss er oder sie sich überlegen, wen er oder sie auf welche Weise in seinem Engagement gegen die Politik von K+S unterstützen möchte.
Auch wenn Sie als Aktionäre verständlicherweise anders auf die Aktivitäten ihres Konzerns schauen: Vielleicht haben Ihnen die obigen Zeilen ja doch geholfen, das Handeln von K+S mit anderen Augen zu sehen und die negativen Konsequenzen für die betroffene Natur, die Flüsse, den Boden, das Trinkwasser dieser Region …
Flugblatt-Text Ende. (V.i.S.d.P: E. Jochum/Dr. A. Kuntzsch für den Naturschutzbeirat des Landkreises Kassel, am 15.05.2018)