Am 22. Mai ist in der HNA zu lesen, dass das Grundstück des ehemaligen Stadtbades Mitte an einen Investor verkauft worden ist, der schnell ein Gebäude mit Büros für den RP hochziehen will. Wo es über Jahrzehnte Schwimmsport und – spaß für alle gab, bekommen wir jetzt offensichtlich einen schlichten Bürobau hin- und vorgesetzt, so die HNA. In ihm soll es neben Bußgeld- und Beihilfestelle für den RP (was eine Landesbehörde ist) vielleicht auch noch ein bisschen Gastronomie geben und weit über hundert neue Tiefgaragenplätze, die dort mit Sicherheit nicht nötig sind. Um zu begreifen, was für ein faustdicker Skandal sich hier anbahnt, muss man sich ein bisschen mit der jüngeren Stadtgeschichte befassen.

Dazu soll zurückgeblättert und daran erinnert werden, dass mit diesem Schachzug ein von Dr. Barthel und der SPD lang geplanter und gezielt angestrebter Akt der Zerstörung wichtiger kommunaler Einrichtungen seinen vorläufigen Schlusspunkt findet.

Dr. Barthels Ziel war und ist es bis heute, die aus kameralistischer Sicht defizitären Bäder zuerst kaputt zu sparen und dann die verbleibenden – bis auf das eine Neue am Auedamm und das Hallenbad Süd – zu zerstören, zu verkaufen, abzureißen…. Wie viel Vermögen dabei vernichtet wird, wie viel Lebensqualität dabei unter die Räder gekommen ist, kann und soll hier nicht aufaddiert werden. Fest steht nur, dass damit Dr. Barthel und seine Mitstreiter voll im neoliberalen Trend liegen. Dass ihm die Bürgerinitiativen für die Freibäder in Wilhelmshöhe und Harleshausen erst mal einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, wird ihn schmerzen. Ob es allerdings tatsächlich gelingt, die beiden Freibäder der Stadtgemeinschaft auch wirklich zu erhalten und langfristig zu retten, steht auf einem anderen Blatt.

Ich jedenfalls bleibe bei meiner oft und laut geäußerten Kritik daran, dass mit dem Stadtbad Mitte ein Hallenbad für alle – für Kinder, Schüler, Rentner, Berufstätige und alle anderen – von der richtigen, optimal erreichbaren Stelle im Herzen der Stadt an einen Platz verlegt worden ist, der ökologisch bedenklich und verkehrlich alles andere als günstig ist. Die Zukunft wird zeigen, was diese Fehlentscheidung noch für Konsequenzen und Folgekosten nach sich zieht. Ich prognostiziere schon jetzt, dass man dafür nicht erst auf eines der immer häufiger auftretenden sog. hundertjährigen Hochwasser warten muss!

Damit komme ich zurück zum Artikel in der HNA: Dort wird korrekt berichtet, dass für den Investor nun eine Fläche zur Verfügung steht, die aus dem ehemaligen Areal des eigentlichen Hallenbades, dem dazugehörigen Parkplatz (beides städtisch bzw. im Besitz der Städtischen Werke) und dem anschließenden Grundstück der Ev. Diakonie besteht. Letzteres schließt direkt an die Kurt-Schumacher-Straße an. Alles in allem ein hochattraktives Areal, ein absolutes Sahnestück! In den nun schon einige Jahre zurückliegenden politischen Auseinandersetzungen um die Kasseler Schwimmbäder wurde den Gegnern der von Dr. Barthel betriebenen radikalen Bäder-Rosskur vorgehalten, es gäbe für ein modernes Hallen-Spaß-Bad an der Stelle gar nicht genügend Platz. Das war immer eine glatte Lüge, ein plumper Täuschungsversuch. Denn aufgrund seiner ausgezeichneten Kontakte zur Ev. Diakonie bzw. zur Ev. Kirche wusste Dr. Barthel natürlich haarnadelgenau, dass es bei der Diakonie durchaus Bereitschaft zur Aufgabe des besagten Gebäudes zugunsten eines größeren, modernen Hallenbades gegeben, so denn die Stadt das gewollt hätte. Das aber wollten ja Dr. Barthel, OB Hilgen und die willig hinter den beiden her trottende SPD-Fraktion genau nicht!! Auch neue Parkplätze wären für den Betrieb eines größeren Bades an dieser Stelle der Stadt nicht nötig gewesen, weil es genügend Kapazitäten an dieser Stelle gab und gibt und außerdem die Haltestellen an der Mauerstraße und am Königsplatz für eine geradezu ideale Anbindung an den öffentlichen Verkehr sorgen.

Bei dieser Serie kommunalpolitischer Fehler – vor allem aber der Schwächung der ohnehin schwächelnden Kasseler Innenstadt durch die Amputation eines wichtigen städtebaulichen Elementes mitten in der Stadt und der Verlagerung des neuen Hallenbades in einen ökologisch hochsensiblen Grün-Bereich – verwundert es nicht, wenn nun dem Ganzen die Krone aufgesetzt wird. Und das – man traut seinen Ohren nicht – aus vorgetäuschter Zeitnot. Was für ein lächerliches, blamables Argument. Die HNA zitiert süffisant das Ganze so, als hätte „das schnelle Interesse des RP an einem Einzug in das Gebäude“ das Planungsamt in Zeitnot gebracht. Um genau zu sein: Ein vom Planungsamt selbst in Auftrag gegebenes Gutachten zu einer Bebauung dieses Areals, das ausgesprochen interessante Details enthält, auf die ich noch eingehen werde, stammt vom Januar 2011! Nicht zu fassen! Und jetzt, nach dreieinhalb Jahren (!), kommt urplötzlich der RP aus dem Gebüsch des Lutherplatzes gehüpft und es bleibt keine Zeit mehr, etwas „Ordentliches“ aus der Wiederbebauung zu machen! Anscheinend war nicht einmal mehr genug Zeit, das selbst in Auftrag gegebene Gutachten zu lesen, geschweige denn es zu berücksichtigen!!

So aber läuft es schon seit Jahren in Kassel, leider nur allzu oft. Hochkarätige Chancen werden aus vermeintlicher, meist jedoch nur vorgeschobener oder selbstverschuldeter Zeitnot verspielt, verjuxt, vertan. Statt Zeitnot kann man auch das Adjektiv alternativlos einsetzen. Nachdem der Abriss des Stadtbades Mitte ja schon als alternativlos gehandelt wurde, ist es jetzt anscheinend der hektische Verkauf an einen Investor, damit der ein schnödes, schlichtes Bürogebäude errichten kann – für die Bußgeldstelle!! Alles alternativlos natürlich.

Um nur ein vergleichbares Beispiel zu nennen – wo es ähnlich lief und wo auch das Land Hessen der Partner der Stadt war – wird auf den „Steuer- bzw. Finanzamt-Bunker“ am Altmarkt verwiesen. Obwohl die neugegründete Unterneustadt nur einen Steinwurf entfernt liegt, für die die Stadt nicht nur als Expo 2000 Projekt gekürt und ausgezeichnet wurde, sondern auch eine ganze Reihe hochkarätiger Städtebaupreise in Empfang nehmen durfte, ließ sie es zu, dass das Land Hessen dort, wo die Stadt Kassel vor 1100 Jahren gegründet wurde, ein monster-langweiliges, öd-beiges Finanzamt hochzieht. Der Hinweis auf die Unterneustadt ist nicht nur wegen der räumlichen Nähe zum Finanzamt am Altmarkt pikant und von Bedeutung, vielmehr auch deshalb, weil die Auszeichnungen, die die Stadt Kassel für dieses Projekt voller Stolz einheimste, viel mit Kritischer Rekonstruktion, mit der Mischung von Nutzungen und mit mutiger Verkehrspolitik zu tun hatten. All das hat man allem Anschein nach schon wenige Jahre nach dem Empfang eben dieser Preise vergessen und verspielt schräg gegenüber so gut wie alle Chancen auf eine städtebaulich zukunftsweisende Bebauung. Und das, obwohl es seitens des Landes bzw. des damals zuständigen Ministers im Vorfeld durchaus Versprechungen und Zusagen gab, auf die Stadtgeschichte Rücksicht zu nehmen, einen Architektenwettbewerb durchzuführen und vor allem auf die Mischung der Nutzungen zu achten! Nichts davon hat das Land – am Ende dann auch auf das dämliche Zeitargument pochend – eingehalten und realisiert. Ein holländischer Baukonzern hat schließlich den hurtig durchgeführten Investorenwettbewerb gewonnen (da ging‘s in erster Linie um die Höhe der Miete!!), das Grundstück gekauft und es für 30 Jahre an das Finanzministerium – kostensparend, versteht sich – vermietet. Sichere und langfristige Einnahmen für den Konzern sind gewährleistet.

Die Stadtspitze jedoch, die mit dem Bebauungsplan, der funktioniert wie ein kommunales Gesetz und ohne den das Land an dieser Stelle gar nicht so hätte bauen können, macht gute Miene zum bösen Spiel und verzichtet gänzlich darauf, eigene städtische Interessen einzubringen. Ob aus Inkompetenz, Interesselosigkeit oder Verhandlungsschwäche – jedenfalls wird der Hebel des Baurechts nicht genutzt und in keiner Weise auf die Einhaltung der Zusagen der Landesregierung gedrungen. Zumindest nicht erfolgreich! Stattdessen wird, brav und gehorsam, der Bebauungsplan im Eilverfahren durchgepaukt. Und so wurde am Altmarkt – wie vielleicht bald auch oben am Lutherplatz – mal wieder eine Großchance vertan. Nun steht der Klotz am Fuldaufer und glänzt spätestens ab 17.00 Uhr mit abweisender Dunkelheit, weil alle Bediensteten, von den Reinigungskräften abgesehen, das Weite gesucht haben. Alle Fachleute und alle klugen Kommunalpolitiker, die mit Städtebau zu tun haben, wissen, dass solche Gebäude von gestern sind.

Was ich mir am Altmarkt gewünscht hätte: Ein Furore machendes , schönes Gebäude, das an die Stadtgeschichte erinnert, das deutlich stärker mit dem Fluss korrespondiert, das Wohnen (mindestens im letzten Geschoss) zulässt, das andere Nutzungen (Gastronomie, Fitness, Freizeit und Kultur im Erdgeschoss) integriert und das vor allem auf einen großen Teil der Stellplätze in der Tiefgarage verzichtet. Das wäre bei der zentralen Lage durchaus möglich gewesen. Nichts davon wurde realisiert.

Was die Fachleute weltweit wissen – dass man solche monofunktional genutzten Bürokomplexe nicht mehr in die Stadtlandschaft ballert – dürfte sich auch bis zu unserer Stadtregierung herumgesprochen haben. Selbst der SPD-Spitze darf man solche Kenntnisse unterstellen. Sie haben die Ergebnisse des oben schon angesprochenen Gutachtens als Auftraggeber wohl auch gelesen. Auf der Seite 15 steht darin in gut verständlicher Eindeutigkeit: „Die Analyse der Angebots- und Nachfragesituation in der Innenstadt machen deutlich, dass lediglich ein qualitativer Nutzungsmix aus Büro-, Dienstleistungs- und Wohnnutzungen auf dem Areal Stadtbad Mitte als marktgerecht und standortgerecht einzustufen ist“. Dem ist nichts hinzuzufügen! Die Büros Prof. Wachter und Junker und Kruse sind renommiert und kompetent, so dass man sich ernsthaft fragen muss, warum in aller Welt weder die in Kassel gemachten Erfahrungen noch die guten Ratschläge Dritter Anwendung finden.

• Wie kommt’s, dass an dieser im Vergleich mit dem Altmarkt vielleicht noch sensibleren Stelle im Stadtgefüge die Fehler von dort wiederholt werden?
• Wie kommt‘s, dass hier die Schlichtheit in der äußeren Form und die Phantasielosigkeit in Bezug auf den Nutzungsmix derart triumphieren können?
• Wie kommt’s, dass die HNA mit ihrem Aufmacher „EIN SCHLICHTER BÜROBAU FÜRS RP“ den Kern der Sache trifft?

Ist das Banale, Schlichte, Unspektakuläre zum bedauerlichen Markenzeichen für die Kasseler Stadtentwicklungspolitik geworden? Und: Was ist das Motiv für ein derart stures Handeln wider besseres Wissen?

Viele komplizierte Fragen, eine klare Antwort: Dafür trägt der Magistrat – wie auch immer – die Verantwortung. Seit Jahren überlässt er wichtige Bereiche des Städtebaus und der Stadtentwicklung einem dilettierenden Laien, dessen Horizont das Spardiktat ist. Wenn ein OB den Kämmerer zum Stadtplaner macht, darf man sich über solche Ergebnisse wie hier in Kassel nicht wundern.

Statt nach der Arie um das den Menschen der Stadt gestohlene zentrale Bad mit einem wirklich beispielhaften Gebäude für eine Wiedergutmachung auf höchstem Niveau zu sorgen, kommt jetzt – allen Erkenntnissen zum Trotz, trotz des Wissens und der Erfahrungen um bessere Alternativen, trotz eines treffenden Gutachtens im Vorfeld – ein schlichtes Bürogebäude für den RP an den Lutherplatz. Kein Wohnen hier, ein bisschen Gastronomie vielleicht. Keine Aufwertung des Lutherplatzes, kein Highlight in einem Teil der Innenstadt, der Aufwertung so dringend nötig gehabt hätte! Nein: es reicht nur für einen schlichten Bürobau! Trauriger hätte das verlogene Schmierentheater um die Kasseler Bäder und den Abriss des zentralen Hallenbades nicht zu Ende gehen können.

Alle diejenigen, die mit dem Ausgang der Geschichte um den Verlust des Stadtbades Mitte und der übereilten Bebauung mit einem dürftigen Bürogebäude nicht einverstanden sind, alle Stadtverordneten, die das Resultat dieses langjährigen Prozesses nicht zufriedenstellt, müssen jetzt aktiv werden und sich querstellen. Kapitulation ist der falsche Weg und wäre der finale Triumph für Dr. Barthel, der – wie man gesehen hat – alles andere ist, als ein kompetenter Stadtplaner. Denn noch sind weder der Bebauungsplan und auch nicht der notwendige städtebauliche Vertrag mit dem Investor unter Dach und Fach. Die SPD-Fraktion hat in der letzten Sitzung der Bau- und Planungskommission am 22. Mai den Punkt „Areal ehemaliges Stadtbad Mitte“ von der Tagesordnung genommen. Offensichtlich gab es für sie noch offene Fragen und Gesprächsbedarf. Jetzt kommt es, am 11. Juni schon, zu einer Sondersitzung. Es ist also nur noch ganz wenig Zeit zum Argumentieren, zum Überzeugen. Denn: So wie jetzt kann und darf das Ergebnis nicht zufriedenstellen, nicht bleiben. Es muss unbedingt für mehr städtebauliche Qualität gesorgt werden.

Und das genau ist die Aufgabe derjenigen Parlamentarier, die von der Stadtverordnetenversammlung wegen ihrer Sachkunde in die Bau- und Planungskommission delegiert worden sind. Die fordere ich auf: Machen sie einen guten Job dort und lassen sie die ihnen vorgelegte Lösung nicht durchkommen! Es ist Zeit genug, für Besseres.

Am 14. Mai 2014 existiert der Staat Israel 66 Jahre. Für das Kasseler Bündnis gegen Antisemitismus ist das ein Grund zum Feiern. Am kommenden Mittwochnachmittag werden deshalb einige Freunde und Mitglieder des Bündnisses mit denen öffentlich darauf anstoßen, für die das auch ein erfreulicher Anlass ist. Den Text, der auf den Sektflaschen zu lesen sein wird, gibt es hier schon vorab:

66 Jahre Israel

Wir – die Mitglieder und Freunde des Bündnisses gegen Antisemitismus in Kassel – gratulieren Israel ganz herzlich!!

Wenn Sie möchten: stoßen Sie mit uns auf das Wohl dieses – nicht nur aus der Sicht der Juden weltweit – einzigartigen Staates an! Unter schwierigsten Bedingungen hat es Israel geschafft, seinen kleinen Staat nicht nur zu bewahren, sondern zu einem einzigartigen demokratischen Gebilde im Nahen Osten zu machen.
Allen Zerstörungsphantasien zum Trotz, umgeben von einem Meer des Hasses und nach vielen Kriegen ist es Israel dennoch gelungen, zu überleben und Juden aus der ganzen Welt aufzunehmen und vor Verfolgung zu schützen. Und während um Israel herum Bürgerkriege toben, der sog. arabische Frühling zu einem kalten Winter erstarrt: An Israel wird ein wie auch immer gearteter Frieden mit den Palästinensern nicht scheitern. Mit der Hamas allerdings, die Israel von der Landkarte tilgen will, wird das allerdings eher nicht zu machen sein.

Lassen Sie uns dennoch anstoßen: 66 Jahre unter solchen Umständen überstanden zu haben, ist ein großer Erfolg!

Das BgA Kassel ist allein verantwortlich für den Inhalt dieses Flaschen-Textes! Nicht verantwortlich jedoch für die Folgen des in Freude über dieses Jubiläum getrunkenen Sekts.

E. Jochum

Zusätzlich zu meinem 10-Punkte-Vorschlag gibt es zum Schluss noch einen kleinen OB-Nachschlag!
9. Wer sich die Entwicklung des Kasseler Ostens auf die Fahnen schreibt, darf dort nicht wertvolle, vorhandene Bildungsinfrastruktur zerschlagen. Wir plädieren, wie die Initiativen vor Ort, für den Erhalt der Joseph-von-Eichendorff-Schule und aller anderen relevanten Bildungseinrichtungen im Kasseler Osten. Es macht keinen guten Eindruck, wenn die Stadt Kassel von der Deutschen Gesellschaft ‚Club of Rome German Association‘ kritisiert und darauf hingewiesen werden muss, dass die vom Magistrat und dort vor allem von Frau Janz in vorausseilendem Gehorsam zum Abschuss freigegebene Joseph-von-Eichendorff-Schule erst im November 2009 ausgezeichnet worden ist. Erst im März 2010 wurde diese Ehrung groß gefeiert. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Joseph-von-Eichendorff-Schule ist eine von nur 16 Schulen bundesweit und von 4 Schulen hessenweit, die als erfolgreiche Musterschule so hoch ausgezeichnet und prämiert worden ist. Sie hat sich auf vielen Feldern, unter anderem bei der Integration von Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien, hervorgetan. Sie hat, alle wissen das, die Auszeichnung verdient. Die Stadt muss von den gefassten Beschlüssen abrücken und die Joseph-von-Eichendorff-Schule unter allen Umständen erhalten und in die Schulentwicklung des Kasseler Ostens integrieren.
10. Das A und O für das Gelingen eines Aufbruchs in Richtung auf eine nachhaltige Verbesserung der Situation in den östlichen Stadtteilen ist jedoch eine Bürgerbeteiligung, die den Namen verdient und die sich wie ein roter Faden durch den gesamten Prozess ziehen muss. Wenn es nach den Debatten um das Entwicklungskonzept – von „oben“ beauftragt und vor relativ wenig Publikum präsentiert (wie der Ortsvorsteher von Waldau, Herr Bonn, das treffend anmerkte) – schon wieder vorbei ist mit der Diskussion mit den Bürgern, bringt das rein gar nichts. Orientieren sollte sich die Stadt u.a. am erfolgreichen und weit über Kassel hinaus beachteten Beteiligungsprozess in der Unterneustadt, wo mit dem Forum Unterneustadt Maßstäbe in dieser Hinsicht gesetzt wurden. Nicht nur die EXPO 2000 fand diesen konsequenten Mitsprache-Ansatz beachtenswert und hat das Projekt zu einem seiner sog. ‚Weltweiten Projekte‘ gekürt. Auch bei anderen Preisen, mit denen das Unterneustadt-Projekt ausgezeichnet worden ist, hat die Beteiligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger lobende Erwähnung gefunden. Und so wie es damals viele engagierte Bürgerinnen und Bürger gab, die sich über Jahre hinweg aktiv engagiert und ideenreich eingebracht haben, so gibt es auch jetzt wieder durchaus bürgerschaftliche Potenziale, die es zu nutzen gilt. Zu erwähnen sind hier u.a. die Initiativen zum Erhalt von Salzmann wie auch der Joseph-von-Eichendorff-Schule. Auf keinen Fall sollte bei der Bürgerbeteiligung so vorgegangen werden, wie bei der von der SPD groß angekündigten Mitwirkung bei der Aufstellung des städtischen Haushalts. Schlecht und lieblos vorbereitet (weil nicht wirklich gewollt) schlief das ganze Projekt nach wenigen jämmerlichen Veranstaltungen wieder ein: und ruht bis heute! So darf das mit der Diskussion um den Kasseler Osten nicht laufen!!l

Ein kleines Nachwort zum OB (Herrn Bertram Hilgen) und zu seiner Rolle als selbsternannter Stadtentwickler sei erlaubt: Nicht nur, weil in der HNA zu lesen war, dass dieses Abenteuer eines Juristen in der Welt der Stadtplanung die Stadt insgesamt 538.000 Euro gekostet hat, sondern auch, weil am Ende die Stadt vor einem Scherbenhaufen bzw. einem Haufen unbeseitigter Altlasten stand und immer noch steht. Die Versuche von Herrn Hilgen, die heiß ersehnte Multifunktionshalle auf den Giesewiesen zu errichten sind – trotz des Angebots eines über 10 Millionen hohen öffentlichen verlorenen Zuschusses an einen windigen Investor – ebenso gescheitert wie der Versuch, diese Halle bei Salzmann unterzubringen. Dasselbe Schicksal, noch frisch in Erinnerung, erleidet der Wunsch, Salzmann mit der Verlegung aller technischen Abteilungen des Kasseler Rathauses zu retten. Geblieben von all diesen Bemühungen ist, real und symbolisch, eben dieser Haufen unbeseitigter Altlasten.

Das ganze Debakel um die Multi-Halle und die bis dahin gescheiterte Salzmannrettung sollte Anlass sein, darüber nachzudenken, wer zukünftig in Kassel bei ähnlichen Aufgaben der Stadtentwicklung zuständig sein soll. Ich persönlich plädiere strikt dafür, derartige Aufgaben in die Hand von Fachleuten zu legen. Das ist nicht nur billiger (in der Regel jedenfalls), sondern auch deutlich weniger riskant.

 

Und wieder einmal erfasst viele Deutsche eine Welle von unverhülltem Hass gegenüber Russland, vor allem aber deutsche Politiker und deutsche Medien! Was mich am meisten daran stört und nervt, ist das absolute Unverständnis Russland gegenüber. Aber das hat hierzulande eine lange Tradition. So wie die Aufrüstung der BRD u.a. mit der geschürten Angst vor sowjetischen Panzerarmeen durchgedrückt wurde, wo doch die Faktenlage nach den beiden deutschen Überfällen auf die Sowjetunion mit den bekannten Ergebnissen eine ganz andere Sprache spricht, so wird jetzt wieder als Folge der Krimabspaltung mit Angst Politik gemacht: Als würde Putin morgen zum Marsch auf den Westen blasen. Was für ein Schwachsinn, welch gefährliches politisches Roulette!

Ich empfehle dringend die Lektüre des Vertragstextes des sog. „Zwei-plus-Vier-Vertrages“ vom 12. September 1990:

http://www.documentarchiv.de/brd/2p4.html

Wenn man sich den durchliest, fällt einem nur Vertragsbruch ein! Im Vorspann dieses Vertrages heißt es dort u.a.:

BRD, DDR, Frankreich, England, Russland und die USA sind…..
„IN BEKRÄFTIGUNG ihrer Bereitschaft, die Sicherheit zu stärken, insbesondere durch wirksame Maßnahmen zur Rüstungskontrolle, Abrüstung und Vertrauensbildung; ihrer Bereitschaft, sich gegenseitig nicht als Gegner zu betrachten, sondern auf ein Verhältnis des Vertrauens und der Zusammenarbeit hinzuarbeiten sowie dementsprechend ihrer Bereitschaft, die Schaffung geeigneter institutioneller Vorkehrungen im Rahmen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa positiv in Betracht zu ziehen“, übereingekommen…

Europa läge richtiger, würde es sich an diesen Vertrag halten, in allen seinen Punkten. Wenn der Westen und seine Nato nach Abschluss eines solchen Vertrages in all den Ländern, die sich von der Sowjetunion nach 1990 lossagten, Nato-Truppen stationiert incl. neuer Raketen plus Schutzschirm gegen russische Raketen, dann ist so ein Verhalten jedenfalls das genaue Gegenteil einer vertrauensbildenden Maßnahme!

Zum Verhalten der Nato in den vergangenen Jahren passt das ganze aktuelle Krisenmanagement des Westens und der Bunderepublik in Sachen Ukraine: Während unser Außenminister den „Kämpfern“ auf dem Maidan so lange auf die Schulter klopft, bis eine neue Regierung unter Beteiligung von Neofaschisten installiert ist (der verjagten Regierung – immerhin durch Wahlen legitimiert – muss man nicht unbedingt nachweinen), sind die prorussischen Demonstranten in der Ostukraine schlichte Terroristen, obwohl sie genau das tun und genau die Methoden anwenden, die vor einigen Wochen ihre Landsleute weiter westlich praktizierten…..

In Folge 1 habe ich mich mit der Vorgeschichte des Salzmann-Debakels und den z.Z. auf verschiedenen Ebenen laufenden Aktivtäten für den Kasseler Osten beschäftigt. In den Punkten 1 bis 3 habe ich begründet, warum es eines Beschlusses der Kasseler Stadtverordnetenversammlung bedarf (Punkt 1), warum die Debatten um die Entwicklungsperspektiven des Kasseler Ostens an der den Stadtgrenzen nicht halt machen dürfen (Punkt 2) und warum es in diesem Zusammenhang keine Spar-Kameralistik geben darf (Punkt 3)…

4. Die intelligent umgebaute Leipzigerstraße muss Achse und Entwicklungsband sein, um das sich und an dem sich wesentliche Maßnahmen zur Quartiersentwicklung herum gruppieren und bündeln. Mit diesem guten Beispiel von Straßenumbau, der allen Verkehrsteilnehmern gleichermaßen versucht, gerecht zu werden, sind nicht nur gute Voraussetzungen für eine positive Weiterentwicklung gegeben, es ist schon jetzt – mit den reduzierten Geschwindigkeiten, den verbesserten Querungsmöglichkeiten und der guten Begrünung – eine Teil-Aufwertung des Kasseler Ostens erreicht worden. Die Potentiale, die hier noch ungenutzt brachliegen, gilt es zu nutzen. Jeder Laie, der sich auf der Leipzigerstraße bewegt, sieht und erkennt, dass rasch gehandelt werden muss. Sonst wird es in Bälde noch mehr hässliche, leer stehende Gebäude, Läden und vernagelte Fassaden und Ladengeschäfte geben… Hier bedarf es rascher Impulse.

5. Der Kasseler Osten hat, neben vielen interessanten Flächenpotentialen (die hier aus Platzgründen nicht einmal aufgelistet werden können), einige herausragende und bedeutsame städtebauliche Highlights und besonders wertvolle, prägende Elemente. Sie verdienen es, in das in Rede stehende Konzept eingebunden und bewahrt zu werden. Dazu gehören – an prominentester Stelle – das Salzmannareal und das ehemalige Hallenbad Ost. Insbesondere für Salzmann müssen nun, nach dem Scheitern der bisherigen städtischen Bemühungen, neue, tragfähige und ideenreiche Konzepte auf den Tisch. Es müssen in die Erarbeitung dafür nicht nur die bisherigen Mieter aus der vielfältigen, bunten Kasseler Kulturszene einbezogen werden, sondern vielmehr weitergehendes Know How der Universität und potentieller Nutzer und Mieter bzw. Erwerber eingeworben werden. Vor allem aber muss sofort und mit allen Möglichkeiten städtischer Interventionsmöglichkeiten dem weiteren Verfall ein Riegel vorgeschoben werden. Rücksichtnahmen auf den ganz offensichtlich in dieser Hinsicht handlungsunwilligen Eigentümer, Herrn Rossing, sind nicht angesagt. Vielmehr ist von der Stadt zu erwarten, dass sie – wie das viele inzwischen fordern – mit einer sogenannten Ersatzvornahme, also auf Kosten des Eigentümers, die erforderlichen Schutzmaßnahmen zur Sicherung des Gebäudes vor weiterem Vandalismus, Diebstahl und witterungsbedingtem Zerfall durchführt. Sie muss auch die per HNA kolportierten Scheinprojekte des Eigentümers in Bezug auf großflächigen Einzelhandel öffentlich und klar zurückweisen, weil die keinerlei Chance auf Realisierung haben. Hier ist der Schutz der Innenstadt und des vorhandenen, gut eingebundenen Einzelhandels an der Leipziger Straße zu beachten, was Herr Rossing im Übrigen genau weiß. Über Formen des (bau-) gemeinschaftlichen Wohnens oder die Integration genossenschaftlicher Wohnformen in das Salzmannareal nachzudenken: ein durchaus positiver, begrüßenswerter Ansatz! Rossings Ansinnen jedoch, in größerem Stil geförderten Wohnungsbau für Studenten dort unterzubringen, lässt eher vermuten, dass hier in erster Linie Fördermittel abgegriffen werden sollen. Die Zeit drängt und die Stadt kann nicht weiter so tun, als regele sich die Sache von allein. Wer jetzt nicht eingreift, macht sich mitschuldig am Verlust nicht nur des einmaligen Industriedenkmals, sondern verspielt auch die Potentiale, die in dem Projekt stecken.

6. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Kasseler Ostens ist ein Konzept für die Ansiedlung von wohnverträglichem Gewerbe, und zwar nicht nur auf noch freien Potentialen wie dem Bettenhäuser Bahnhof etc., sondern auch dort, wo Gewerbeflächen brach liegen oder auf eine Umnutzung (Konversion) warten. Auch davon findet sich im Kasseler Osten genug. Im Wort „wohnverträglich“ steckt sozusagen schon drin, was in der Stadtplanung zu einem zentralen Begriff geworden ist: die Herbeiführung lebendiger und gemischter Strukturen von Wohnen, Büros und Gewerbe. Beim Thema Wohnen muss immer darauf geachtet werden, dass für unterschiedliche Schichten und Gruppen, für Mieter und Eigentümer etc. mitgedacht, mit geplant wird. Nur so bekommt man am Ende lebendige und funktionierende Quartiere. Kassel hat gerade hierbei in den beiden letzten Jahrzehnten selbst durchaus positive Erfahrungen gemacht und Zeichen gesetzt. So in der Unterneustadt und auf der Marbachshöhe. Wohnen, Gewerbe, Büros, Läden, Bildungseinrichtungen aller Art: das alles gehört zusammen und führt u.a. zu einer Stadt der kurzen Wege. Die Zeit von öden und problematischen Monostrukturen ist – hoffentlich – endgültig vorbei.


7. Damit das mit der Mischung richtig klappt, muss sich die Stadt auch wieder stärker für eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus (aber einen, der Namen „sozialen Wohnungsbau“ auch verdient: gut, günstig, intelligent, in der Hand von Genossenschaften o.ä.) einsetzen und ihn sich selbst auf die Fahnen schreiben. Es fehlt, alle wissen das, seit Langem an günstigem, bezahlbarem Wohnraum, der sich an den Bedürfnissen derjenigen orientiert, die eben den prall gefüllten Geldbeutel nicht haben und oft außerdem auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Auch wenn Stadt und Dr. Barthel nicht müde werden kundzutun, dass man es im Magistrat eher auf die tüchtig Einkommensteuer zahlende Klientel abgesehen hat: Wir brauchen unbedingt (und das nicht nur im Kasseler Osten!!) eine Wohnungspolitik, die den sozialen Ausgleich im Blick hat und weg kommt von der bewussten und ausschließlichen Ausweisung von Flächen für den Bau von Eigenheimen und Reihenhäusern! Ein solche Politik ist weder ökologisch, noch ökonomisch sinnvoll und bei der absehbaren Bevölkerungsentwicklung realitätsferner Unsinn. Statt dauernd und fieberhaft neue Bauflächen auszuweisen, sollte sich der Magistrat besser auf Bestandsentwicklung und behutsame Nachverdichtung konzentrieren. Hier gibt es viel zu tun und durchaus nennenswerte Potentiale zu erschließen!
8. Was nach der Datenerhebung und dem dann vorliegenden Überblick über die verschiedenen Flächenkategorien wichtig sein wird, ist die Verbindung aller Grünstrukturen und wohngebietsnahen Freiflächen. Sie müssen so miteinander verbunden und vernetzt werden, dass eine deutliche Qualitätssteigerung in der späteren Nutzung damit einhergeht. Solche grünen Netze sind nicht nur wichtig für alle Altersgruppen, insbesondere für Kinder und ältere Menschen, sie sind auch wichtig für Radfahrer, Fußgänger, Jogger etc. Ein deutlich verbessertes Radwegenetz muss Bestandteil eines den ganzen Kasseler Osten durchziehenden grünen Netzes sein. Und hierfür müssen unbedingt relevante, nennenswerte Beträge und Mittel eingesetzt werden, weil das Radfahren ein wichtiger Baustein der Mobilität der Zukunft sein wird.

Der folgende Artikel erscheint in drei Folgen. Er versteht als sich als Grundsatzbeitrag zur angelaufenen Diskussion um den Kasseler Osten. Vor dem Hintergrund mit dem von der Stadt selbst- bzw. mitverschuldeten Debakel um das Industriedenkmal Salzmann, wendet sich das Baudezernat nun (endlich!!) dem Osten der Stadt in Gänze zu. Dort bündeln sich, das wissen die Experten und Kommunalpolitiker vor Ort bestens und seit Langem, viele Probleme. Der Artikel ist gedacht für an Stadtplanung grundsätzlich Interessierte und für alle am Prozess beteiligten Bürgerinnen und Bürger. Es fließen ein unter anderem die vom Autor gemachten Erfahrungen um die Wiedergründung der Unterneustadt ab Mitte der Neunziger.

Nachdem sich die Aufregung um den vergeigten Versuch zum Erhalt von Salzmann einigermaßen gelegt hat und wieder freie Sicht möglich ist, kann nun konstruktiv an einem vernünftigen und tragfähigen Konzept für die Entwicklung der östlichen Kasseler Stadtteile gestrickt und gearbeitet werden. Insofern ist der von der Stadt gewählte Zeitpunkt für Zukunftskonferenzen und die Diskussion um das ‚Entwicklungskonzept Kassel Ost‘ als günstig anzusehen. Um die Chancen auf einen vielleicht gelingenden Dialog mit allen Fraktionen, allen Ortsbeiräten und allen am Thema interessierten Bürgerinnen und Bürgern steht es jetzt besser. Auch der Vorrang für das Wirken von Fachleuten am Anfang dieses Prozesses scheint von der politischen Führung der Stadt nicht mehr angefochten zu werden. Insofern ist es nur folgerichtig, dass der grüne Bau- und Planungsdezernent, Herr Nolda, die Steuerung des Prozesses jetzt zu seiner Sache gemacht hat.

Hier ist natürlich nicht der Ort, das muss einschränkend vorweggeschickt werden, ein komplexes und auf eine längerfristige Zukunft ausgerichtetes fachlich-stichhaltiges Konzept für den aus der Unterneustadt, Bettenhausen, Forstfeld und Waldau bestehenden Kasseler Osten in allen seinen vielfältigen Details auszuarbeiten. Was hier gemacht werden soll, ist vielmehr die Benennung einiger wichtiger zentraler Vor- und Rahmenbedingungen für einen solchen Planungsprozess und die Skizzierung von Faktoren, die für einen Erfolg dieses Prozesses bedeutsam sind.
1. Ähnlich wie beim einstimmigen Beschluss der Kasseler Stadtverordneten von 1994, das im Krieg zerstörte Zentrum der Unterneustadt neu zu ‚gründen‘ und die Fulda wieder zum zentralen Element der ganzen Stadt zu machen, braucht man für die Entwicklung des gesamten Kasseler Ostens so etwas wie einen politischen Grundsatzbeschluss. Denn genau so, wie der Impuls für den Wiederaufbau von großen Teilen der Unterneustadt, die Schließung der letzten großen Kriegswunde und die beherzte, mutige Verknüpfung von Innen- und Unterneustadt den Willen aller Parteien und relevanter Teile der Bürgerschaft brauchte, genauso muss es heute eine von vielen Kräften getragene Grundsatzentscheidung für eine weitreichende Entwicklung des Kasseler Ostens geben. Für eine solche grundlegende Änderung der kommunalpolitischen Schwerpunktsetzung, die sich über Jahre, ja Jahrzehnte hinziehen kann und muss, braucht es breite Mehrheiten und ein von großen Teilen der Bürgerschaft mitgetragenes Konzept!
2. Alles, was zur Definition von sinnvollen Zielen und Projekten für die Entwicklung der östlichen Stadtteile benötigt wird, darf an den „willkürlichen“ Grenzen der Stadt nicht enden. Die unverzeihlichen Fehler und Unterlassungen, zu denen es Mitte der 70iger Jahre hier in der Region im Zuge der Gebietsreform kam, dürfen bei derart wichtigen Planvorhaben nicht an der (heute noch gültigen) Stadtgrenze wie an einer Mauer enden. Vielmehr müssen überall dort, wo relevante Strukturen der Nachbargemeinden Niestetal, Kaufungen, Lohfelden und Fuldabrück an die Kasseler Stadtteile angrenzen, die Belange der Nachbargemeinden fachlich und politisch mit einbezogen werden. Es müssen regelrechte und belastbare Kooperationen gebildet werden. Aus den Versäumnissen der 70iger dürfen sich keine neuen Fehlerquellen auftun. Auf die in Sachen Regionalpolitik mehr oder weniger untätigen Politiker des Landes, des Kreises und der Stadt sollte man hier nicht noch länger warten.
3. Oft ertönt, bei neuen Projekten und ambitionierten Versuchen, Fehlentwicklungen zu korrigieren bzw. Defizite in bestimmten Stadtteilen zu beheben, der Ruf aus der Kämmerei: Städtebau darf nichts (oder zumindest nicht viel) kosten bzw. der städtische Haushalt darf nicht (über Gebühr!) belastet werden. Das ist Unsinn, denn guter Städtebau rechnet sich! Wenn gut durchdachte, gut erschlossene Wohnungs- oder Gewerbeprojekte in den besagten Stadtteilen definiert, an den richtigen Stellen angedockt und mit den schon gut funktionierenden Teilen anderer Quartiere intelligent vernetzt werden und die sozialen Belange dabei einen zentralen Stellenwert einnehmen, werden Projekt-Kosten häufig durch spätere Steuereinnahmen und andere positive Folgewirkungen wie Zuzug mehr als aufgewogen. Das Verhalten von OB und Kämmerer in Kassel ist häufig zwiespältig: Während eindeutig defizitäre und finanzpolitisch hochriskante Projekte – wie z. B. der Flughafen Calden und das Lange Feld – enorme Belastungen für den Haushalt darstellen und trotzdem in Kauf genommen werden, fehlt es vermeintlich an Geld für den Erhalt von Stadtteil-Bibliotheken und Schwimmbädern, die ganz wesentlich zur Qualität einer Stadt mit beitragen. Gute Ideen und Projekte im Kasseler Osten dürfen an falschen Kosten-Nutzen Argumenten nicht scheitern.

Als sich am zeitigen Morgen des 23. Dezember 2011 einige Linke im Amtsgericht in Kassel einfinden, ahnt noch keiner, was die Kasseler Justiz für sie bereithält. Sie kommen alle in erster Linie, um sich mit denjenigen, die während des Wahlkampfes im Frühjahr 2011 an einem Infotisch in der Nordstadt von einem angetrunkenen Neonazi tätlich angegriffen wurden, solidarisch zu zeigen. Die Angegriffenen, alles Mitglieder der ‚Kasseler Linken‘, waren als Zeugen geladen – allerdings wird es zu einer Vernehmung der Zeugen gar nicht kommen.
Der junge Neonazi, ganz lässig, immer in enger Abstimmung mit seinem Anwalt, gesteht den „Übergriff“ und – jetzt kommt’s – gibt vor, von den linken Wahlkämpfern „provoziert“ worden zu sein. Die jedoch hatten nichts anderes gemacht, als Wahlkampfmaterial zu verteilen – was alle andern auch tun, wenn Wahlen anstehen. Vermutlich ging es dem jungen Neonazi aber so wie ‚unserem‘ Verfassungsschutz, der die Parlamentarier der Linken im Bundestag und andernorts haarscharf im Visier behält, weil er sich davon, dass sie es bis in den Bundestag geschafft haben, halt auch ‚provoziert‘ fühlt. Statt die über Jahre mordend durchs Land ziehenden rassistischen Neonazi-Mörder auf dem Schirm zu behalten, werfen sie sich viel lieber mit Kraft, Ausdauer, Akribie und viel Aufwand und Kosten auf die Linken. Das hat Tradition in diesem Land.

Nach dem lächelnd vorgetragenen Schuldbekenntnis – mit dem wichtigen Hinweis auf erheblichen Alkoholkonsum – ergreift der Staatsanwalt das Wort und bemüht sich nach Kräften, Verständnis für den jungen Mann zu mobilisieren. Schön sei der Übergriff, die Handgreiflichkeiten den linken Wahlkämpfern gegenüber, ja nicht gewesen. Schön sei auch der Hitlergruß nicht gewesen. Nein, so was macht ‚man‘ nicht. Aber – nicht wahr – ohne Alkohol wäre ihnen, junger Mann, das doch sicher nicht passiert? Sie hätten sich bestimmt im Griff gehabt, wenn sie nicht so viel gesoffen hätten? Oder anders und noch sensibler gefragt: Ohne den Sprit im Hirn hätten sie doch weder zugeschlagen noch à la Adolf Hitler gegrüßt, oder!?

Die Anwesenden kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus: statt auf das erhebliche und einschlägige Vorstrafenregister des Angeklagten hinzuweisen und vor diesem Hintergrund die im deutschen Strafgesetzbuch vorgesehenen bzw. möglichen harten Strafen bei eindeutigen Verletzungen der §§ 86 und 86 a – u.a. der Hitlergruß fällt hier ganz klar darunter – zu fordern, greift der Staatsanwalt dem Plädoyer des Verteidigers vor und schlägt lediglich eine kleine Geldstrafe vor, die er selbst noch als hart einstuft, weil der junge Mann ja arbeitslos ist!! 600 läppische Euro statt Gefängnis! Wir erlauben uns, den Herrn Staatsanwalt dran zu erinnern, dass beim „Verwenden bzw. Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“, der Hitlergruß ist so ein Kennzeichen, bis zu 3 Jahre Gefängnis drin sind.

Was für eine Steilvorlage für den Verteidiger: der muss eigentlich nichts mehr machen, als dafür zu sorgen, dass sein rechtsradikaler Mandant die Schnauze hält und folgt daher schlicht und ergreifend dem Vorschlag des Staatsanwaltschaft. Auf die Vernehmung der Zeugen, die den Tathergang vollkommen anders in Erinnerung haben, wird ganz verzichtet. Für den Angeklagten kann Weihnachten ganz entspannt beginnen. Den Zeugen, die umsonst früh aufgestanden sind, bleibt nur Unverständnis und Wut. Da ist sie wieder: die Blindheit der deutschen Justiz auf dem rechten Auge!

Um, zum guten Schluss, die in der Überschrift aufgeworfene Frage zu beantworten: das Gemeinsame dieses viel zu schwachen, fast skandalösen Urteils am Kasseler Amtsgericht am 23. Dezember 2011 mit der Mordserie der Neonazi-Bande, auch wenn es sich dort um ein anderes Kaliber von Verbrechen handelt, ist eben diese Blindheit auf dem rechten Auge. Hier wird ein stadtbekannter, einschlägig vorbestrafter Nazischläger, über dessen Gesinnung sich niemand einer Illusion hingeben sollte, zu ein paar Euro Strafe verurteilt (die er abstottern oder in einer sozialen Institution ableisten kann), dort wird über Jahre die in der rechten Szene vorhandene Gewaltbereitschaft geflissentlich übersehen. Stattdessen, was für ein Schande, werden – über Jahre – die Verwandten der Ermordeten mit erfundenen mafiösen oder anderen verbrecherischen Strukturen in Verbindung gebracht, statt einfach nur und zu allererst bei jedem Mord an einem Menschen mit migrantischem Hintergrund Rassismus als Ursache anzunehmen. Das allein hätte genügt, zwischen den Morden eine Verbindung herzustellen. Vermutlich hätte das dann auch schnell zu den Tätern geführt. Aber anscheinend wollte das niemand, und schon gar niemand in den Organisationen, die sich rühmen, die Verfassung zu schützen. Deren Gedankengut geht – zumindest in Teilen – zurück, das ist leider unumstritten, auf genau die nationalsozialistischen den Organisationen, auf die sich die jungen Nazis aller Couleur bis heute berufen und beziehen. Statt den Nazisumpf mit knallhartem Durchgreifen trocken zu legen, wird gepennt, weggeschaut und über V-Leute noch Geld in die Szene gepumpt und statt vor Gericht hart durchzugreifen und die Paragraphen, die das deutsche Strafrecht ja hat, knallhart anzuwenden, werden verständnisvolle Streicheleinheiten verteilt.

Auf die Gerichte können wir uns, das wurde auch am 23.12.2011 beim Amtsgericht in Kassel mehr als deutlich, nicht verlassen. Es bleibt uns nur, den Druck auf der Straße und in allen gesellschaftlichen Bereichen selbst zu erhöhen, um dem Neonazi-Spuk möglichst bald ein Ende zu machen. Es darf nicht zugelassen werden, dass die Nazis den von ihnen angepeilten Platz in der Mitte der Gesellschaft, mitten im alltäglichen Leben – in den Vereinen, in manchen Parteien, in den Burschenschaften, der ländlichen Kirmes, der Feuerwehr etc. – einnehmen können. Dass das nicht einfach sein wird und dass es nicht schnell geht, muss nicht betont werden.

Am 23. Dezember wird vor dem Kasseler Amtsgericht ein stadtbekannter Neonazi mit langem Vorstrafenregister für tätliche Angriffe auf Mitglieder der Kasseler Linken im Wahlkampf in der Nordstadt und für das Entbieten des Hitlergrußes zu 600 Euro Geldstrafe verurteilt. Die 2,6 Promille im Blut veranlassten den Staatsanwalt, ein derart niedriges Strafmaß zu fordern. Das skandalöse Urteil und die Mordserie der Neonazi-Bande, auch wenn es sich dort um ein anderes Kaliber von Verbrechen handelt, hat etwas gemeinsam: Es ist die andauernde Blindheit auf dem rechten Auge deutscher Behörden, deutscher Justiz! Hier wird ein stadtbekannter, einschlägig vorbestrafter Nazischläger, über dessen Gesinnung sich niemand einer Illusion hingeben sollte, zu ein paar Euro Strafe verurteilt (die er abstottern oder in einer sozialen Institution ableisten kann), dort wird jahrelang die in der rechten Szene vorhandene Gewaltbereitschaft geflissentlich übersehen. Stattdessen, was für ein Schande, wer den – über Jahre – die Verwandten der Ermordeten mit erfundenen mafiösen oder anderen verbrecherischen Strukturen in Verbindung gebracht, anstatt zu allererst bei jedem Mord an einem Menschen mit migrantischem Hintergrund Rassismus als Ursache anzunehmen. Das allein hätte genügt, zwischen den Morden eine Verbindung herzustellen.

Vermutlich hätte das dann auch schnell zu den Tätern geführt. Aber anscheinend wollte das niemand, und schon gar niemand in den Organisationen, die sich rühmen, die Verfassung zu schützen. Deren Gedankengut geht – zumindest in Teilen – zurück, das ist leider unumstritten, auf genau die nationalsozialistischen Organisationen, auf die sich die jungen Nazis aller Couleur bis heute berufen und beziehen. Statt den Nazisumpf mit knallhartem Durchgreifen trocken zu legen, wird gepennt, weggeschaut und über V-Leute noch Geld in die Szene gepumpt. Und statt vor Gericht hart durchzugreifen und die Paragraphen, die das deutsche Strafrecht ja hat, knallhart anzuwenden, werden verständnisvolle Streicheleinheiten verteilt. Auf die Gerichte können wir uns, das wurde auch am 23.12.2011 beim Amtsgericht in Kassel mehr als deutlich, nicht verlassen. Es bleibt uns nur, den Druck auf der Straße und in allen gesellschaftlichen Bereichen zu erhöhen, um dem NeonaziSpuk möglichst bald ein Ende zu machen.

Es darf nicht zugelassen werden, dass die Nazis den von ihnen angepeilten Platz in der Mitte der Gesellschaft, mitten im alltäglichen Leben, in den Vereinen, in manchen Parteien, in den Burschenschaften, der ländlichen Kirmes, der Feuerwehr etc. – einnehmen können. Dass das nicht einfach sein wird und dass es nicht schnell geht, muss nicht betont werden. Insofern muss sich die Kasseler Initiative, die sich gebildet hat mit dem Ziel, den neuen Nazis keinen Millimeter öffentlichen Raum zu lassen, auf ein längerfristiges Projekt einstellen und mit Sicherheit einen langen Atem haben.