Ein breites linkes Bündnis zieht nach den Kommunalwahlen im März 2006 in die Kasseler Stadtverordnetenversammlung ein

Als im März 2006 die neu gegründete Kasseler Linke ASG mit beachtlichen 6,8 % und 5 Sitzen in die Kasseler Stadtverordnetenversammlung einzog, war die Freude unter den Kasseler Linken – den alten, den jungen, den radikalen und den eher angepaßten, den wilden und den ökologischen, den organisierten und den nicht organisierten – groß. Groß war auch die Erleichterung bei allen Beteiligten, denn der Versuch, das schon eine Legislaturperiode erfolgreich wirkende Bündnis von PDS und Kasseler Linken um WASG, SAV und viele andere Gruppierungen zu erweitern, war recht kompliziert und drohte zwischendurch fast zu scheitern. Der Wille jedoch, den etablierten Parteien eine linke Opposition entgegen zu setzen, vereinte viele derjenigen in Kassel, die der Auffassung sind, daß es sehr wohl Alternativen zur neoliberalen Politik der Rathausfraktionen gibt. Das Bündnis zu erweitern stellt vor allem den Versuch dar, die Interessen der Arbeits- und Wohnungslosen, der Armen und Benachteiligten, der Schwachen und all jenen, denen die neoliberale Politik keine Chancen mehr offeriert, im Kasseler Parlament wirksamer zu vertreten. Das erweiterte Bündnis ist aber auch Ausdruck des Willens, ökologiefeindlichen Großprojekten, Fehlentwicklungen in der Stadtplanung und einseitiger Orientierung auf das Auto eine Stimme der Vernunft entgegen zu setzen.

Das Programm (sehr lesenswert übrigens!!) kommt zustande, der Wahlkampf wird engagiert, solidarisch und ideenreich geführt. Das gute Ergebnis belohnt die Bemühungen der WahlkämpferInnen und Kassel hat für weitere 5 Jahre eine Opposition, an der SPDCDUGRÜNEFDP in allen wichtigen sozialen und ökologischen Fragen nicht vorbeikommen werden….

Das größere Bündnis erfordert besondere Organisationsformen

Die Besonderheit des Bündnisses bringt aber auch besondere Probleme mit sich: Mehrere eigenständige Parteien wie Linkspartei, DKP, SAV, WASG und DIDIF, politische Gruppen wie Attac und viele politisch Engagierte ganz ohne Partei- und Gruppenzugehörigkeit benötigen ein bißchen mehr an Organisation und Struktur als ein klassische Partei. Es gibt deshalb, neben regelmäßigen öffentlichen Fraktionssitzungen, noch sogenannte Bündnisplenums-Sitzungen, die von einer Koordinationsgruppe, die das ganze politische Spektrum widerspiegelt, vorbereitet und geleitet werden. Diese Plenums-Sitzungen sind der Versuch, das breite politische Bündnisspektrum der Linken in Kassel in die Arbeit der Fraktion einzubeziehen, vor allem aber den Kontakt zu den vielen außerparlamentarischen Initiativen sicherzustellen und Impulse für außerparlamentarische Aktionen zu initiieren. Dieses Strukturmodell entspricht, ergänzt durch verschiedene Arbeitsgruppen (Zeitung/Soziales etc.), zumindest theoretisch der „Philosophie“ der Linken, daß Parlamentarismus ohne außerparlamentarischem Kampf nichts ist bzw. nicht ausreicht. Nur beides zusammen, gut koordiniert, macht politisch Sinn.

Wie weit das Modell der (neuen) Kasseler Linken trägt, werden die nächsten Jahre zeigen. Die bisherige Arbeit mit diesem Modell aus Fraktion, öffentlichen Fraktionssitzungen, Bündnisplenum und als verbindendem Element der Koordinationsgruppe mit verschiedenen Arbeitsgruppen scheint sich zu bewähren. Und die neue Zeitung, sie wird Linkszeitung heißen und ab März diesen Jahres einige Male im Jahr vom Bündnis herausgebracht, ist genau das Medium, um weitere Erfahrungen mit diesem Modell zu publizieren, zu diskutieren und vernünftig auszuwerten. Wir werden sehen.

 

(aus LinksZeitung Jg. 1/07 S. 5)
E. Jochum