Witte geht – Und wer kommt nach ihm??

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Vor dem Hintergrund der vielfältigen städtebaulichen Probleme der Stadt, die immer noch stark geprägt sind von einem verfehlten Wiederaufbau und einer einseitigen Orientierung auf den Individualverkehr, hatten es die Kasseler Baudezernenten schon immer recht schwer. Hinzu kamen und kommen bis heute die Folgen der nicht erfolgten Integration der Umlandgemeinden in das Stadtgebiet. Und wenn man von Herrn Hellweg und Frau Thalgott in den 90igern absieht, waren die Kasseler Baudezernenten dieser schweren Aufgabe eher nicht gewachsen. Das gilt auch für die beiden letzten CDU Baudezernenten Streitberger und Witte, vor allem aber für Herrn Dr. B., der in seinen vielen Vertretungsjahren als Interims – Stadtbaurat keine gute Figur machte.

Daß diese kritische Einschätzung im Grundsatz richtig ist, bestätigen einerseits die problematische Kasseler Realität in Sachen Städtebau und urbane Qualität und andererseits der Diskurs über Kassel an der Universität und in der Fachliteratur. Probleme gibt es z.B. in der Kasseler Innenstadt, die bis in den Kern hinein mit klassischem Siedlungswohnungsbau angefüllt und von vielspurigen Straßen eingeschlossen ist. Der Individualverkehr, das Auto haben überall Vorrang. Über und unter der Erde. Viele wertvolle Stadträume – wie der Entenanger und der Karlsplatz – sind im Grunde Parkplätze. Gestaltungs- und Werbesatzungen fehlen gänzlich. Das sieht und spürt man allerorten, wenn dafür eine gewisse Sensibilität vorhanden ist. Generell haben Projekte in Kassel nur Chancen auf Realisierung, wenn dabei kein Stellplatz entfällt. Das ist im Moment bei allen diskutierten Projekten so und schränkt die Planungs- und Verbesserungspotentiale erheblich ein. Herr Witte hat an diesem fatalen Tatbestand nichts geändert und insofern seine Aufgaben nicht erfüllt. Erhebliche Defizite gibt es aber auch in der Umweltpolitik, der Gewerbeentwicklung und in der Abstimmung divergierender Interessenlagen mit den Umlandgemeinden.

Witte selbst hat eigentlich keine (selbst produzierten) größeren Fehler gemacht, weil er – genaugenommen – überhaupt nichts „Eigenes“ gemacht hat. Das einzige, was vielleicht von ihm stammt ist die Idee, angesichts fehlender Flächen auf dem Karlsplatz ein Technisches Rathaus zu errichten, in Zusammenhang der seit langem geforderten und dringend notwendigen Umgestaltung dieses wichtigen Platzes. Angesichts des in Kassel üblichen Gezerres und Geschreis um wegfallende Stellplätze ist aber bislang aus diesem wichtigen, noch ausstehenden Stück Stadtreparatur bisher nichts geworden. Und nachdem der OB inzwischen bei der Multifunktionshalle bei Salzmann zum 2. Mal den planerischen Chefposten übernommen und dabei dem Investor einige Tausend Quadratmeter öffentliche Büroflächen zugesagt hat, ist es um das Technische Rathaus auf dem Karlsplatz wieder ruhiger geworden. Vielleicht muss sich der nächste Stadtbaurat neu um das Karlsplatzprojekt kümmern, wenn entschieden ist, wie die „Geschichte“ um Salzmann und die Arena ausgegangen ist. Den Bediensteten des Rathauses ist auf jeden Fall zu wünschen, dass aus den Plänen ihres Oberbürgermeistern nichts wird. Denn die Verbannung nach Bettenhausen ist gegenüber ihrem heutigen attraktiven City-Arbeitsplatz eine echte Verschlechterung. Aber das nur am Rande.

Witte ist von seiner fachlichen Herkunft und seinen pragmatischen Neigungen her ein zupackender Baumensch. Er denkt praktisch. Auch an komplexe Planungsaufgaben geht er mit der Denke eines Bauleiters heran. Das ist nicht unbedingt falsch, aber häufig nicht ausreichend, weil vor den Bauleitungsaufgaben eben zuerst andere Fragestellungen zu lösen sind. Und da hapert es dann, weil seine Stärken nicht im konzeptionellen, strategischen Denken liegen. Das aber muss ein Stadtbaurat einfach können, sonst tanzen ihm alle anderen Magistratsmitglieder und die Fraktionen auf der Nase herum. Und das ist in der Ära Witte dann auch so gelaufen. Während der OB sich als stadtplanerischer Oberstratege übte (und dabei zumindest bei der ersten Multifunktionshalle eine Bauchlandung hingelegte), hat Wittes Kollege Barthel im Alleingang die Gewerbeentwicklung vorangetrieben (das Lange Feld läßt grüßen) und schickt sich an, die Bäderlandschaft Kassels nach seinen Vorstellungen zu sanieren und umzukrempeln. Dass dabei so ganz nebenbei der sensible Naturaum in der Fulda- und Karlsaue „zugeballert“ wird, lässt sich Bau- und Umweltdezernent Witte, der das eigentlich verhindern müßte, einfach gefallen und beschränkt sich darauf, für die jeweiligen Projekte bei seinem Planungsamt die erforderlichen Bebauungspläne „stricken“ zu lassen.

Wer hat Witte und warum nach Kassel geholt

Bleibt die Frage, warum Witte für diesen Job überhaupt ausgesucht worden ist? Das ist, wenn wir uns da nicht täuschen, schlicht dem Tatbestand geschuldet, dass OB Lewandoski keinen Stadtbaurat wie Uli Hellweg mehr haben wollte, der ihn in jeder Hinsicht um Haupteslänge überragte. Es musste ein Pragmatiker her, der die Aufträge der „führenden“ Partei – das war damals die CDU – pragmatisch umsetzt. Das jahrelange Gezerre um das Innenstadtleitbild, das nach jahrelangem Palaver endlich druckreif wurde und dabei zu einem belanglosen Katalog sich teilweise widersprechender Zielvorstellungen geriet, ist dafür das schönste Beispiel. . Großer Aufwand, hohe Druckkosten, keinerlei positive Auswirkung, keinerlei Verbindlichkeit…… Bei einem Baudezernenten mit Biss hätte es so eine Hängepartie mit so einem traurigen Ergebnis natürlich nicht gegeben. Und wie die Entwicklung in der Innenstadt weitergeht (ohne dass irgend jemand auch nur auf die Idee käme, das bunte Innenstadtleitbild aus der Schublade zu ziehen), sieht man an den Plänen für die Friedrichsplatz Ergänzungsbebauung, die Sanierungsüberlegungen zur Oberen Königsstraße und bei der blamablen Denkmalposse am Königsplatz.

Was soll die Neue und der Neue können?

  • Er/sie sollte die Situation, in der sich die Stadt stadtplanerisch befindet, messerscharf und kritisch analysieren können
  • Sie/er sollte fähig sein, schon bei der Antrittsrede, Teile dieser kritischen Analyse den Stadtverordneten wahrheitsgetreu aufzutischen. Er/sie muss ihnen dabei klar machen, dass es zur Durchsetzung bestimmter stadtplanerischer Ziele mehr als eine Legislaturperiode bedarf
  • Er/sie muss den Mut für komplexe und innovative Konzepte haben und sie mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern parteiübergreifend durchsetzen. Gute Stadtplanung muss überfraktionell durchgesetzt werden. Sie gehorcht nicht den ständig wechselnden Farbspielen von Koalitionen oder Kooperationen
  • Sie/er sollte politisch geschickt und erfahren sein, am besten parteiunabhängig, weil ihm/ihr sonst mindestens eine Partei immer am Rockzipfel hängt
  • Er/sie sollte ein Händchen für die guten, kreativen und mutigen Leute in der Verwaltung haben und nicht nur die angepassten Speichellecker und Jasager begünstigen und fördern
  • Sie/er sollte sich die richtigen Berater aussuchen und an den positiven Ansätzen, die es natürlich auch in dieser Stadt und in dieser Verwaltung anknüpfen.

Ganz klar: das ist kein leichter Job in Kassel. Genau deshalb darf auch nicht nur darauf geachtet werden, dass der/die Neue ins gerade angesagte rot – grüne Farbmuster passe. Wichtig ist vielmehr, dass Kassel wieder mal Glück hat und einen guten Baudezernenten bekommt. Was die Stadt vor allem und gar nicht braucht ist den besagten Herrn Dr. B. auch noch als Interimsbaudezernent.