Hans Eichel: Er kämpft mit allen Mitteln um ‚seine‘ documenta. Und da es für ihn um deren Rettung geht, also um alles, darf auch gerne mal gelogen werden. Was zu beweisen wäre …

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Auf meinem offenen Brief an Hans Eichel nach dem Erscheinen der Broschüre des Bündnisses gegen Antisemitismus Kassel/1 und des erneuten Aufsehens, das damit verbunden war, sind einige Dinge passiert, die nun auch zur documenta-15-Debatte gehören. Zum einen gibt es keine Antwort auf meinen offenen Brief (was natürlich niemanden verwundert angesichts des Bekanntheits-Gefälles), zum anderen macht Hans Eichel mit seiner „Stand with documenta“–Initiative ordentlich Furore, auf allen Kanälen. Auf jeder Vernissage springen seine Leutchen rum und sammeln Unterschriften: Das kultur- und kunstaffine Publikum wird so konsequent abgegrast. Dass er nebenbei auf und mit den vielfältigen Medien – Zeitungen, Rundfunk, TV – spielt, wie andere auf Gitarre oder Klavier, wundert nicht. War doch Hans Eichel so ziemlich alles, was man sein und werden kann in dieser Republik, wenn man fleißig, klug und ehrgeizig ist und rechtzeitig in die richtige Partei eintritt. Für so eine explosive Karriere kam ab den späten sechziger und frühen siebziger Jahren in Kassel und in Nordhessen nur eine Partei in Frage: die SPD! Und davor natürlich noch die JUSOS. Nach seiner Zeit als OB in Kassel war Eichel noch Ministerpräsident in Hessen und danach Schröders Finanzminister und einer der Vollstrecker in Sachen Hartz IV, was – das aber nur nebenbei – zehntausende SPD-Mitglieder aus der SPD trieb.

Aber es gibt noch anderes in der Pipeline: Am 30. Januar 2024 gibt Hans Eichel ein Interview im Deutschlandradio und ganz zuletzt äußerst er sich in der HNA vom 27. Februar 2024/2 auf und zu einem langen Bericht in der HNA vom Wochenende davor, also am 24.02.2024/3, über eine erfolgreiche und gut besuchte Veranstaltung des Bündnisses (BgA Kassel) im Philipp-Scheidemann-Haus am 22. Februar 2024. Hier „feierte“ eben dieses Bündnis das Erscheinen des 2 Jahre nach dem documenta-Skandal fertiggestellten Readers mit einem umfassenden Rückblick auf den d15-Eklat und seine Vorgeschichte, die mit dem Furore machenden Artikel vom Januar 2022 seinen Anfang nahm. Mit just diesem Artikel, von dem in Kassel niemand etwas wissen wollte, der dann jedoch von den Ruhrbaronen und der NZZ weiterbreitet wurde und daraufhin die Weltpresse auf Kassel auf eher unangenehme Art und Weise aufmerksam machte, begann das, was noch heute die Gemüter erregt, auch und vor allem das von Hans Eichel.

Nachdem ich mich im schon angeführten offenen Brief ausführlich mit Eichels Positionen auseinandersetzte und schlüssig nachwies, wie weit Hans Eichel mit seinen zu kurz gegriffenen Lösungsvorschlägen für die Zukunft der documenta daneben liegen könnte, besteht nun erneut Anlass, vor dem Hintergrund der neueren Entwicklungen, sich mit Hans Eichel’s Positionen zu befassen. Sind doch seine Einstellungen und die der „Stand with documenta“–Initiative alles andere als zu Ende gedacht. Aber das ist ja inzwischen so gut wie abgehandelt und wird, hoffentlich, auf andere Weise gelöst, als es sich Hans Eichel und seine Anhänger und die Verfechter der alten documenta-Strukturen so vorstellen: Falls der neue OB durchhält und seinen Worten, dass es keine documenta mehr mit antisemitischen Auswüchsen geben wird, auch Taten folgen lässt! Denn: Ohne Schutzwall vor neuen antisemitischen Exzessen – wie die Berlinale Schlussveranstaltungsgala gerade jüngst überdeutlich zeigte – wird es keinen Aufbruch zu neuen Ufern geben können.

Wer sich mit seinen Vorstellungen durchsetzen will, so ist das auch in diesem hochaktuellen Konflikt um die Zukunft der documenta, muss seine Kritiker – wenn sie überhandnehmen, wenn sie sich zumindest teilweise eine „gute Presse“ organisieren können und wenn ihre Argumente von Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen getragen sind – in ein schlechtes Licht rücken, sie diskreditieren, um sie so aus dem Ring werfen zu können. Um im Bild des Boxrings zu bleiben: Wo unerlaubte Schläge, speziell die, die unter die Gürtellinie gehen (was unfair ist und vom Regelwerk nicht gedeckt ist), verboten sind, werden dennoch genau solche Hiebe gerne verteilt. Und so ist es auch im Moment in diesem Konflikt, in dem unfaire und von der Wahrheit nicht gedeckte Behauptungen in die Welt gesetzt werden, um den Gegner k.o. zu schlagen bzw. argumentative Vorteile zu erlangen.

Ich möchte hier nur auf 2 Bespiele näher eingehen, quasi als ‚pars pro toto‘, denn es gibt noch einige andere diffamierende und schlicht falsche Behauptungen über und zum BgA Kassel von Hans Eichel, der immer mehr dem unfairen Boxer von oben ähnelt:

1. Die erste Unwahrheit vertritt Hans Eichel im oben verlinkten Interview mit dem Deutschlandradio-Kultur am
30. Januar 2024. Dort, in den fast 8 Minuten, die ihm zur Verfügung stehen, macht er das BgA Kassel allein dafür verantwortlich, dass – weil die Kuratoren aus einem muslimisch geprägten Land kommen – es der (Kunst-)Welt erfolgreich vorgegaukelt hätte, noch Monate vor Beginn der d 15, dass diese antisemitisch ausufern werde, eben und weil die Kuratoren aus Indonesien kommen würden. Das ist eine dreiste Lüge. Entweder hat Hans Eichel besagten Artikel gar nicht gelesen oder ihn nicht verstanden. Oder er plappert das nach, was da und dort über das BgA gemunkelt wird. Denn dort, also in besagtem Artikel, werden nur die Verbindungen einiger ausgewählter Künstlerkollektive und deren Background resp. deren Verankerung in der antizionistisch geprägten Kunst-Welt beschrieben und damit das Risiko benannt, dass es wegen des analytisch und investigativ gründlich belegten und nachgewiesenen Antizionismus bzw. der Verquickung solcher Künstler-Kollektive mit der BDS-Bewegung zu antisemitischen Eklats kommen könne. Letzteres ist ein Konjunktiv. So was nennt man begründete Hypothese. Es hätte ja auch anders kommen können. Kam es aber nicht, wie nun alle wissen. Dennoch behauptet Eichel wacker, das BgA hätte die Herkunft der Kuratoren aus einem islamisch geprägten Land gleichgesetzt mit potentiell erwartbarem Antisemitismus. Richtig ist das nicht, weil nur vor Antisemitismus gewarnt wurde, das aber nicht aufgrund der Herkunft von ruan grupa. Zwischen Minute 1 und 2 im angeführten Interview im DR schwadroniert Hans Eichel dann, auf die insistierende Nachfrage der Moderatorin, dem BgA förmlich eine imaginäre Macht zusprechend, dass durch die BgA-Recherche „gesetzt“ gewesen sei, was dann der Rest der Weltpresse so übernommen habe, also dass die Kuratoren die d15, weil muslimisch bzw. islamisch geprägt, antisemitisch ausrichten könnten … Hans Eichel aber übersieht das Wesentliche: Die Presse hat unsere Warnungen natürlich erst überprüft, dann als korrekt recherchiert anerkannt und dann selbst weiter recherchiert, darüber geschrieben und berichtet. Teils ganz Unterschiedliches … Eine ernsthafte Behandlung und Würdigung der BgA-Vorarbeit durch Hans Eichel steht noch aus. Allerdings kommen wir auch gut ohne seine Anerkennung aus. Zu groß ist inzwischen der Kreis der Zustimmenden, was diesen Text angeht …

2. Die zweite Unwahrheit gibt Hans Eichel am 27.02.2024 in der HNA zum Besten. Dort unterstellt er dem BgA pauschale „Islamgegnerschaft“, natürlich ohne irgendeinen Beleg dafür zu nennen. Meiner Meinung nach gibt es im BgA jedoch keine plumpe Islamgegnerschaft, vielmehr eine religionskritische Grundausrichtung, die sich – bei allen erheblichen Unterschieden der 3 großen Schriftreligionen – auf alle erstreckt. Also darf und kann man das BgA natürlich auch als kritisch gegenüber dem Islam bezeichnen. Das ist aber etwas ganz anderes als die unterstellte plumpe Gegnerschaft zum Islam. Demgegenüber halte ich alle islamistischen Strömungen für brandgefährlich, weil sie demokratische Staaten und Bestrebungen allüberall angreifen, Frauen- und Menschenrechte missachten und Vorstellungen einer rückwärtsgewandten, stammesgeschichtlich begründeten Staatsauffassung propagieren, die allem zuwiderläuft, was es nach Aufklärung und bürgerlicher Revolution an Errungenschaften in der entwickelten Welt gab und gibt. Derartige Bestrebungen halten selbstverständlich viele für äußerst gefährlich, und das zurecht: Als Symbol für diese Gefahren möge der geköpfte französische Lehrer Samuel P. in Paris gelten und dienen, dem zum Verhängnis wurde, dass er in der Schule über Pressefreiheit in Zusammenhang mit den Mohammed Karikaturen in seinem Unterricht gesprochen hat.

Abschließend noch eine kurze Bemerkung zu einem typischen Hans-Eichel-Satz. Er ist ebenfalls der HNA vom 27. Februar/2 zu entnehmen. Hans Eichel schwingt sich dort nämlich nicht nur dazu auf, den geneigten HNA-Lesern zu erklären, was vom Bündnis gegen Antisemitismus zu halten sei, vielmehr belehrt er gleich noch den Antisemitismus-Beauftragten des Stadtstaats Hamburg, Herrn Stefan Hensel, wie der seine Arbeit zu machen habe. Hans Eichel Originalton: Wer sich wie Hensel mit Islamgegnern (also mit dem BgA! Sic!) verbünde, „schwächt diesen Kampf (gegen den Antisemitismus) und befördert neuen Unfrieden“.
Ich weiß zwar nicht, hätte der vom BgA anlässlich des Erscheinens der Broschüre zum Kasseler d15-Skandal eingeladene Stefan Hensel geahnt, dass er wenige Tag nach seinem Lob für die aufklärerische Arbeit des BgA der Kritik des Oberlehrers Hans Eichel unterliegen würde, was er gemacht hätte: Aber eins steht fest – er wäre sicher gänzlich unbeeindruckt geblieben. Dass ein Ex-OB und ein Ex-Bundesminister der Finanzen heute einem Antisemitismus-Beauftragten glaubt, ernsthaft Nachhilfeunterricht erteilen zu müssen, ist grotesk zum einen. Spricht aber auch Bände. Eichel legt damit ein sehr deutsches Verhalten an Tag. Wissen doch gerade die Deutschen über den Antisemitismus, über Israel und die hier lebenden Jüdinnen und Juden am besten Bescheid. Wie überheblich das ist, merken viele nicht. Auch Hans Eichel nicht.

/1 Die documenta 15 und der Antisemitismus-Skandal, Wer Antizionisten einlädt, erntet Antisemitismus, Hrsg.: BgA Kassel, Januar 2024
/2 HNA vom 27.02.2024, S. 3
/3 HNA vom 24.02.2024, S. 5

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