Der Zweckverband Raum Kassel folgt der Stadt Kassel auf Irrwegen und verletzt dabei erneut eigene Spieregeln!

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Auch wenn Kassel inzwischen einen grünen Oberbürgermeister hat: Geändert hat sich beim Flächenverbrauch und beim Zubauen von Kaltluftschneisen leider erst mal nichts. Aber schön der Reihe nach.

Für den 15. November 2023 lädt der Vorstand des Zweckverbandes Raum Kassel (ZRK)* zur letzten Vollversammlung des Jahres 2023. Und auch wenn die Tagesordnung noch einigen anderen Zündstoff enthielt, soll es hier nur um den Tagesordnungspunkt 2 gehen: die Flächennutzungsplan-Änderung, ZRK 76, „SO Hospiz“, Harleshausen. Auf Wunsch bzw. Betreiben der Stadt Kassel soll im alten Ortskern von Harleshausen der Neubau eines Hospizes realisiert werden. Allerdings: So harmlos wie das klingt, ist dieser Neubau aber nicht, weil der vorgesehene Bauplatz an einer geradezu neuralgischen Stelle liegt. Der Bauplatz liegt am Rand des Geilebaches, eines hochempfindlichen Bereichs, der unter allen Umständen von einengender Bebauung freigehalten werden sollte. Denn genau hier fließt an heißen Sommertagen kühlere Frischluft aus dem Geilebach – Tal in die sich anschließenden Stadtteile. Man spricht von Frischluftschneisen bzw. Luftleitbahnen, die in ihrer Funktion nicht beeinträchtigt werden sollen.

Um es klarzustellen: Auch meine Fraktion (Die Linke, für die ich als Parteiloser im ZRK sitze) steht, ebenso wie die anderen Fraktionen, dem Neubau eines Hospizes grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings, so unsere Auffassung, nicht an einer für das Klima, von dem alle immer so kompetent und entschlossen daherreden, derart wichtigen Frischluftschneise. So etwas zu tun, wider besseres Wissen, gegen die eigenen Regeln, die man sich mehrheitlich gegeben hat, steht im klaren Widerspruch zu allen Klimabeschlüssen, die sich die Stadt selbst auferlegt hat. Planerisch und ökologisch ist so ein Beschluss quasi eine „Todsünde“.

Neben dem Klima- und Frischluftaspekt ist außerdem von Bedeutung, dass mit einer Bebauung in diesem Bereich die Belange des Hochwasserschutzes beeinträchtigt werden. Da die Bebauung an den Geilebach bis auf die sogenannte Hq100 Hochwasser-Linie heranrücken würde, wären angesichts des Klimawandels und zu erwartender stärkerer Hochwässer folgenreiche Überschwemmungen zu befürchten. Und die könnten bei derartigen baulichen Einengungen entsprechend stärker ausfallen als möglicherweise ohnehin.

Für eine ökologisch ambitionierte Stadt wie Kassel, die sich zumindest verbal (wie der Zweckverband auch) auf den Weg zur Klimaneutralität bis 2030 gemacht hat, ist das ein ganz und gar kontraproduktiver Beschluss. Dass jetzt erneut, wie einst unter Ex-OB Geselle, eine Kaltluftbahn zugebaut werden soll (Geselle wollte seinerzeit mit seiner neuen Sporthalle auf den Giesewiesen den elementar wichtigen Kalt- und Frischluftstrom vom Park Schönfeld her massiv einengen), verwundert sehr. Hat Kassel doch inzwischen nicht nur einen grünen OB, sondern auch eine grüne Stadtklimarätin. Deren Aufgabe muss oder müsste es nun sein, auch wenn das an dieser Stelle so unsinnige Projekt vor ihrer Ernennung ausgeheckt worden ist, es rasch aufzugeben.

Aus der Stadtplanungsecke hört man, wie immer in solchen Fällen: „Es gibt leider keine Alternative zu diesem Standort“. Bullshit würde man auf der Straße sagen, aber auch aus Expertensicht ist so eine angebliche planerische Alternativlosigkeit natürlich Unsinn. Geeignete Ersatzstandorte in einer Stadt dieser Größe sind immer vorhanden, man muss nur das Such- und Auswahlverfahren entsprechend ausweiten. Konkret hieße das, den Suchbereich zu vergrößern und gleichzeitig die Suchkriterien zu modifizieren. Selbstverständlich müssen auch Gewerbe- und andere Brachflächen mit ins Auswahlverfahren einbezogen werden …

Die Berufung auf die Alternativlosigkeit hat hier in Kassel jedoch Tradition. Wir erinnern uns noch alle – um nur ein einziges Bespiel zu nennen – an den Neubau des Auebads mitten hinein in die grüne Lunge der Stadt, mit all den fatalen Folgen und Nachteilen, die die Konsequenz waren. Statt das Bad ideenreich und innovativ dort neu zu errichten, wo es war. Modern, auf dem neuestens Stand der Badetechnik und eben zentral in der Innenstadt gelegen, gut erreichbar für alle, mitten im Herz der Stadt! Es gibt leider eine unrühmliche Tradition hier in Kassel mit dem Argument hausieren zu gehen, es gäbe keinen anderen geeigneten Standort als eben diesen am Geilebach. Aber dem ist nicht so!

Wie gut, dass es vor Ort eine kompetente Bürgerinitiative gibt, die mit guten und fachlich ausgefeilten Argumenten gegen die Standortwahl der Stadt angeht. Bislang aber findet sie kein Gehör bei den involvierten Institutionen und Ämtern. Dennoch sollte sich die Stadt warm anziehen, wie man salopp sagt, denn es kann davon ausgegangen werden, dass die dort in einer Bürgerinitiative zusammen geschlossenen Personen auch wissen, was man macht, wenn alle guten und qualitätvollen Argumente kein Gehör finden. Am Ende kann so ein Bebauungsplan, der so voller böser Webfehler steckt und gegen so grundsätzliche planerische Leitlinien verstößt, am Ende auch noch vor Gericht scheitern. Und für die neue Stadtklimarätin wäre das kein schöner Einstieg in den fraglos spannenden Job zu wahrhaft spannenden Zeiten, den sie vor sich hat.

Aber nicht nur die BürgerInnen vor Ort sind im Kampf- oder zumindest im Kontra-Modus. Auch von den Naturschutzverbänden, wie dem BUND und dem NABU, gibt es schwerwiegende Einwände. Das darf man auch erwarten, ist es doch deren Aufgabe, auf solche planerischen Defizite hinzuweisen. Schwerer noch fällt ins Gewicht, dass sich übergeordnete Behörden, wie z.B. die Dezernate des Natur- und Hochwasserschutzes beim Regierungspräsidium (RP) fast genauso eindeutig ablehnend und kritisch geäußert haben wie die Naturschutzverbände. Dass sich Behörden, Verbände und andere Organisationen an solchen Planverfahren nach bestimmten Regeln beteiligen, bezeichnet man in schönem Planer-Deutsch als „Beteiligung der Träger öffentlicher Belange“. Dass sich die kompetenten Behörden in diesem Fall auch so eindeutig gegen das Projekt Hospiz am Geilebach stellen, ist erfreulich und verständlich gleichermaßen. Denn beim Hochwasserschutz tendieren die aktuellen Hochwässer in vielen Bereichen der BRD dazu, die üblichen Hochwassermarken des 100 jährlichen Hochwassers aufgrund des Klimawandels mit seinen zunehmend heftiger ausfallenden Unwettern noch zu überschreiten.

Was mich und meine Fraktion angeht, werden wir mit aller Kraft gegen dieses Projekt an dieser für das Klima so wichtigen Nahtstelle eintreten.

*Der Zweckverband Raum Kassel (ZRK) ist eine durchaus bedeutsame kommunalpolitische Institution und Instanz. Nach seiner Satzung und Geschäftsordnung hat dieser Verband nicht nur die Aufgabe, für alle Gemeinden und Städte, die ihm angehören – als da sind Kassel, Ahnatal, Baunatal, Calden, Fuldabrück, Fuldatal, Kaufungen, Lohfelden, Niestetal, Schauenburg und Vellmar – den Kommunalen Entwicklungsplan, den Flächennutzungsplan, den Landschaftsplan und sonstige gemeindeübergreifenden Entwicklungsmaßnahmen aufzustellen und fortzuschreiben. Der ZRK ist darüber hinaus auch mit der Wahrnehmung von interkommunalen Aufgaben und Projekten dann zuständig, wenn er hierfür einen Auftrag erhält. Hierzu gehörte z.B. das interkommunale Projekt des Güterverkehrszentrums. Auch beim Flughafen Calden ist der ZRK eingebunden gewesen, u.a. bei der Entwicklung eines neuen, rund 80 Hektar großen Gewerbegebiets im Bereich des alten Flughafens. Man kann sagen, dass praktisch bei allen relevanten raumgreifenden oder raumbeanspruchenden Maßnahmen der ZRK, meist über die Flächennutzungsplanung, mit im „Geschäft“ ist. Neben den beiden Ausschüssen, Finanzen und Planung, in denen zu fassende Beschlüsse vorbereitet werden, ist die Verbandsversammlung (VV) der Ort, quasi die Legislative, in der die Entscheidungen über die Inanspruchnahme bestimmter Flächen letztlich fallen. Der Vorstand bereitet viele dieser Beschlüsse vor und hat letztendlich das Sagen …

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