Schlagwortarchiv für: 13. Mai 2009

In Kassel OB zu sein, scheint auch für Bertram Hilgen nicht ganz so einfach, zumindest schwerer, als er sich das bei seiner Kandidatur und seinem versprechungsreichen Wahlkampf so vorgestellt hat. Und Versprechungen gab’s ja genug. Wir erinnern uns: Regionalreform, anderer Umgang mit den Ortsbeiräten, Bürgerbeteiligung und Mitsprache bis hin zur Haushaltsaufstellung, Lernen aus dem Arroganz-Debakel der SPD von 1993, Regieren mit wechselnden Mehrheiten….. Und jetzt, heute, Frühjahr 2009, wo sich die beiden kommenden und ganz bestimmt spannenden Wahlen in Kassel im Frühjahr 2011 und ……. OB- Wahlen schon abzuzeichnen beginnen, wie sieht es da aus mit der bisherigen Hilgen‘schen Regentschaft? Läßt sich eine positive Bilanz ziehen oder eher nicht?

Wir meinen, und das können und werden wir gut belegen, dass Hilgen faktisch nichts vorzuweisen hat, was überzeugend für eine zweite Amtsperiode spräche. Die Liste, die wir aufmachen werden, spricht eher von Versagen, von nicht eingehaltenen Versprechungen und von ungelösten Problemen in „seinem“ Magistrat. Aber schön der Reihe nach….

  • Es vergeht ein Jahr um‘s andere und Kassel hat immer noch keine Multifunktionshalle. Jetzt bekommt der Investor (Rossing) schon eine Mietgarantie für einige Tausend m2 Rathausflächen über einen langen Zeitraum, zu den 11 Millionen, die das Parlament jedem Halleninvestor schon zugesagt hat, noch obendrauf. Dazu kommen noch Landesmittel aus dem Denkmaltopf (zu deutsch: Steuererleichterungen), aber die Halle ist trotz wiederholter Positivbotschaften in der HNA immer noch nicht in Sicht. Und das, obwohl Herr Hilgen von Anfang an gesagt hat: das mache ich allein. Multifunktionshalle – Fehlanzeige!
  • Der Dezernent, den Hilgen gleich zu Beginn seiner Amtszeit an die Luft setzen wollte (aus vielen guten Gründen), dieser Dezernent ist inzwischen nicht nur Kämmerer, sondern auch Sozialdezernent und für eine weitere Amtsperiode gewählt. Zu den vielen guten Gründen, die es schon beim Amtsantritt von OB Hilgen gab, den Kämmerer außerhalb des Rathauses mit anderen Aufgaben zu betrauen (wir erinnern uns alle, dass die CDU immer wieder betont hat: „Den nehmen wir glatt auf bei uns, wenn ihn die SPD mal nicht mehr haben will“), sind inzwischen viele neue Gründe hinzugekommen. Neben seinem Versagen im gesamten sozialpolitischen Bereich – dazu kommen wir noch gesondert – hat sich Dr. Barthel ohne den geringsten Widerstand im Magistrat, nach dem von ihm selbst verantworteten Kaputtsparen aller Hallen- und Freibäder mit der Schließung von 2 Hallenbädern und dem Ausbau eines mondänen Hallenbades am Auedamm durchgesetzt. Eine grandiose, teure, unsoziale, antiökologische und stadtentwicklungspolitisch fatale Fehlentscheidung!! Damit wird die Innenstadt geschwächt, Baudezernet und OB gleichermaßen blamiert (weil stadtentwicklungspolitische Entscheidungen eindeutig Chef- und Baudezernentensache ist), die Aue unnötig belastet…. Geglückte und gekonnte Bädersanierung – Fehlanzeige!
  • Wie man auch immer man zum Fuldauferweg stehen mag: die Kommunikation mit den traditionsreichen Vereinen und die Art, wie der OB die Gartenamtschefin „von der Kette“ gelassen hat, zeugt nicht von Fingerspitzengefühl und beweist, dass es mit der Einbeziehung der Bürger in wichtige, ihre Interessen tangierende, kommunalpolitischen Entscheidungen – im Wahlkampf noch vollmundig versprochen – nicht weit her ist. Fuldauferweg – Minuspunkte im Handling!
  • Die Grünen sind die neuen Steigbügelhalter für die SPD. Für einen Posten im Magistrat schweigen sie zum Langen Feld (davon ist in den Koalitionsvereinbarungen keine Rede!!!) und sie tolerieren den Flughafenausbau durch immerwährendes Durchwinken des Haushaltes, der natürlich Investitionen zu Calden enthält bzw. seit Jahren schon enthalten hat. Dass eben dieser Flughafen am Ende möglicherweise noch eine Spange von der A 7 direkt nach Calden nach ziehen wird, geht dann auch auf das Konto dieses Oberbürgermeisters und seiner grünen Koalitionspartner. Statt umweltorientierter Mobilitätspolitik und kreativem Flächenrecycling für Gewerbe – ein überflüssiger Flughafen als zukünftiges Millionengrab und die Verschleuderung der letzten ökologisch wertvollen Freiflächen im Süden der Stadt!!
  • Was im Wahlkampf Sympathie und Anerkennung ausgelöst hat, führt zur blamablen Pleite und zum völligen Offenbarungseid. Die Bürgerbeteiligung zum Haushalt. Nicht nur gänzlich unprofessionell vorbereitet und lieblos durchgeführt: Herr Dr. Barthel – da haben wir ihn wieder – will doch mit keinem noch so motivierten und ideenreichen Bürger ernsthaft über „seinen“ Haushalt debattieren!!?? Und wenn man das nicht will, organisiert man die Sache eben so, dass allen Interessierten die Lust schnell vergeht. Damit fährt man so ein an sich sinnvolles Vorhaben schnell gegen die Wand und zukünftig wird kein unbefugter Bürger bei der Haushaltsaufstellung mit diskutieren oder auch nur Fragen zum einen oder anderen Posten stellen können. Haushaltsdebatte öffentlich, bürgerfreundlich vorbereitet – Fehlanzeige!
  • Die HGO ist eindeutig: zuständig für die Verteilung der Aufgaben im Magistrat ist der OB. Und was bitte waren dann seine Motive, den Bock zum Gärtner, den plumpen, kurzsichtigen Sparkommissar zum Sozialdezernenten zu machen? Den Haushalt zu sanieren? Einen noch verschärfteren Privatisierungskurs zu fahren? Wenn dem so ist, dann hat das alles der OB zu verantworten. Denn auch wenn Dr. B. mit der Basis seiner Partei rein gar nichts mehr zu tun hat, ist für sein Handeln dennoch der OB – primus inter pares – verantwortlich. . Soziale Politik mit Dr. B. – Fehlanzeige!
  • Friedrich – Ebert – Straße? Ein Hilgen – Erfolg? Mitnichten. Fast sah es schon so aus, als wollte der OB einknicken vor der Parkplätze-fordernden-Kurzsichtigkeit einiger autoverliebter Gewerbetreibender. Ohne die teilweise mutigen Beschäftigten der Verwaltung, die die Chance zur „Humanisierung“ bzw. Boulevardisierung der Straße endlich gekommen sahen und dem besonnenen und mediationserfahrenen Ortsbeiratsvorsitzenden West – Wolfgang Rudolf – wäre das Projekt an nur scheinbar unvereinbaren Interessenlagen fast gescheitert. Dass hier – wie so oft in letzter Zeit – die HNA mit geköchelt, gestichelt und aufgewiegelt hat, stimmt zwar, aber davon kann und darf man als verantwortungsbewußter Stadtpolitiker seine strategischen Entscheidungen nicht abhängig machen. Und davon, dass Hilgen vorneweg den geplanten Umbau dieser Straße, die es seit Jahren schon so dringend nötig gehabt hätte, verteidigt und durchgefochten hätte, haben wir nichts mit bekommen. Und gerade hier hätten politische Bekundungen in eben der Klarheit wie zum Uferweg auch erwartet werden dürfen. Aber Mut für strategische Entscheidungen und aktives Eintreten dafür – Fehlanzeige! Auch hierzu gibt es in dieser Ausgabe noch einen gesonderten Kommentar.
  • Und da war doch noch was: Ja, genau, die Regionalreform! Das feste Versprechen des Noch-Nicht-Oberbürgermeisters Hilgen vor den Wahlen, wir erinnern ganz genau, die schmerzhaften Versäumnisse der 70iger Jahre mit modernen Methoden und Strukturen um das Oberzentrum Kassel herum zu überwinden und so zu gerechteren und besseren Lösungen für die vielen drängenden Fragen Mobilität, Kultur und Theater, Gewerbeentwicklung etc. zu gelangen. Und was hat Hilgen auf diesem Feld erreicht, wenn man von der Fusion des einen oder anderen Amtes und der VHS absieht?? Gar nichts. Regionalreform – Fehlanzeige!

Unser Fazit: Hilgen wieder zu wählen lohnt nicht. Er ist weit hinter den selbst geweckten Erwartungen zurück geblieben. Und mit den Grünen wird das Ganze auch nicht besser, solange die wirklichen Probleme der Stadt – zumindest teilweise – ausgespart bleiben. Und wie das erst werden soll, gerade mit diesem Kämmerer und Sozialdezernenten, wenn die Milliarden zur Bewältigung der kapitalistischen Wirtschaftskrise, die bislang in erster Linie an die Banken und damit indirekt an die Aktionäre geflossen sind, von uns allen zurückgezahlt werden müssen, wagen wir uns noch gar nicht so richtig vorzustellen.

Von unserer Einschätzung, das wissen wir, wird es allerdings nicht abhängen, ob Hilgen eine zweite Chance bekommen wird. Abhängen wird es davon, ob er u.a. seinen Dr. B. in den Griff bekommt und ihn zurückpfeift, sowohl was die Sozialpolitik angeht als auch die strategischen Entscheidungen der Stadtentwicklung. Fehler darf er auch keine mehr machen und neue Uferwege sollte er erst einmal lassen. Und er sollte vielleicht sein Wahlprogramm noch mal kritisch nachlesen, was da so alles drin steht. Dann kommt vielleicht noch das eine oder andere auf die Agenda, was ihm helfen könnte.

Ganz zum Schluss wird es natürlich davon abhängen, wen die CDU gegen ihn ins Rennen schicken wird. Und wer sich erinnert, wie sehr sich Roland Koch, der große Wahlverlierer und trotzdem weiter regierende hessische Ministerpräsident, über den Verlust von Lewandowskis OB Sessels in 2007 in Kassel geärgert hat, der weiß, dass er sich etwas einfallen lassen wird. Und wenn man sieht, mit welch kluger Voraussicht er „seine“ Frontfrau mit dem publikumswirksamen Kultusministerposten ausgestattet hat und mit welch ruhiger Souveränität sie diesen Job erfüllt, dann kann man sich die Konkurrentin für Hilgen schon lebhaft vorstellen. Und vermutlich hat der dann – mit dieser Bilanz – einen nicht ganz so leichten Stand.

 

 

8. Mai – Thank you! Spassiba! Merci!

Das Bündnis gegen Antisemitismus Kassel (BgA_Kassel@gmx.de) rief am 8. Mai am Opernplatz zu einer öffentlichen Gendenkfeier anläßlich der Zerschlagung des Deutschen Nationalsozialismus auf. Zeitweise bis zu 3 Dutzend gut gelaunte Anhänger des Bündnisses informierten unter dem Motto „Thank You! Spassiba! Merci!“ die Kasseler Passanten über das Ereignis vor 64 Jahren und luden sie auf einen Becher Sekt ein.

 

Der Umbau der Friedrich-Ebert-Straße muss einen positiven städtebaulichen Quantensprung bringen. Die aktuelle Chance für eine solche Maßnahme darf wegen einer Handvoll Stellplätze nicht auf’s Spiel gesetzt werden!

Wolfgang Rudolph – Ortsvorsteher des Ortsbeirates West – ist, das kann dem Interview unschwer entnommen werden, inzwischen Experte in Sachen Bürgerbeteiligung. Er ist erfahren und kompetent in der Vermittlung von stadt- und verkehrsplanerischen Projekten. Die Vorbereitung beim geplanten Umbau der Friedrich – Ebert – Straße mit rundem Tisch, Expertengesprächen und anderem im Vorfeld hätte besser und intensiver nicht sein können. Dann kommt noch so was wie ein Geldsegen, genau zum richtigen Zeitpunkt. Das neue Förderprogramm „Aktive Kernbereiche“ ist maßgeschneidert für das Projekt. Trotzdem lösen schon die ersten Vorschläge alles andere als freudige Erwartung und Optimismus aus, sondern blanke Angst und lauten Unmut. Es wird befürchtet, dass es weniger Parkplätze und vielleicht sogar Staus geben könnte. Diese eindimensionale Gewissheit, dass viele fahrende und parkende Autos gleichzusetzen sind mit hohen Umsätzen und urbaner Attraktivität feiert in Kassel immer wieder – und jetzt erneut in der Friedrich- Ebert – Straße – Urstände.

Und genau hier kommt die HNA ins Spiel. Spezialisiert darauf, kommunale Souveränität – damit ist nicht das souveräne Handeln kommunaler Würdenträger gemeint(!) – grundsätzlich und bei jeder konkreten sich bietenden Gelegenheit frontal anzugreifen, schießt sich von Anfang gegen die vorgelegten Planungen ein. Weil die HNA und ihre Firmenleitung auf die totale Privatisierung setzen und folglich gegen kommunale Hoheit polemisieren, wo und wie sie nur können, nimmt sie auch dieses Vorhaben zur Urbanisierung, Domestizierung, Boulevardisierung dieser Straße „auf die Hörner“. Statt differenziert zu berichten und zu kommentieren, werden die Ängste genau derjenigen, die das alleinige Heil in breiten Straßen und vielen Stellplätzen sehen, geschürt.

Dass die verantwortliche Städtebau – Redakteurin der HNA, Frau Schaab, so tendenziös, einseitig und so offen autolastig schreibt, fällt besonders auf. Es gab auch schon deutlich differenziertere Betrachtungen zu geplanten Projekten der Stadt Kassel von ihr. Möglicher Weise kommt das aber in diesem konkreten Fall auch daher, dass sie im Königstor wohnt und Verdrängungsverkehr aus der Friedrich – Ebert – Straße und damit Nachteile für sich selbst befürchtet. Dass eine derartige Befürchtung zu solchen journalistischen Einseitigkeiten führt, ist mehr als bedauerlich. Den Autofetischisten Stimme und derart viel Platz in der Berichterstattung einzuräumen, hat mit Ausgewogenheit nichts mehr zu tun.

Dass die Zukunft der Straße – der Anwohner und der Gewerbetreibenden, der Kunden und Hauseigentümer – genau darin liegt, die Defizite aufzuspüren und darin liegt, die vorhandenen Potentiale in der Interessenverteilung der Straße zugunsten der Fußgänger, Radfahrer, Nutzer des öffentlichen Verkehrs neu verteilt werden.