Schlagwortarchiv für: 31. August 2009

Auch wenn der OB inzwischen nicht mehr daran erinnert werden will, dass er zu Beginn seiner Amtszeit den ungeliebten Kämmerer unbedingt loswerden wollte, so fragen wir uns heute um so mehr, was denn die beiden aktuell so innig miteinander verbindet? Weil uns nicht an Kaffeesatzleserei gelegen ist, interessieren uns nur Fakten, ggf. auch noch die Konsequenzen daraus. Ob also die CDU Fraktion kurz vor den letzten OB-Wahlen den von ihr so überaus geschätzten Herrn Dr. B. nur noch einmal gewählt hat, um dem OB-Kandidaten der SPD, also Herrn Hilgen, ein Kuckucksei ins Nest zu legen, mag ja vielleicht so gewesen sein, ist aber uninteressant. Bedeutsam ist für uns und die Politik in Kassel nur, dass Hilgen mit dem von ihm seinerzeit überhaupt nicht geschätzten Kämmerer nun in und auf allen zentralen kommunalpolitischen Feldern harmonisch und (scheinbar) konfliktfrei zusammenarbeitet. Inzwischen, als wäre der Schaden, den Dr. B. als Kämmerer anrichtet noch nicht groß genug, hat der OB ihn sogar zusätzlich noch zum Sozialdezernenten gemacht und ihn damit erheblich aufgewertet. Er überlässt ihm außerdem große und folgenreiche Politikbereiche (wie z.B. die Bädersanierung) , ohne überhaupt die Frage zu thematisieren, ob er damit für die Stadt und seine Bürger, für sich und die SPD etwas Positives erreicht.

Dass die Kasseler SPD mit der äußerst rigiden Auslegung und Praktizierung der unsozialen Hartz IV Gesetze an Ansehen verliert – der kürzlich verlorene Prozess der Stadt ist hierfür nur ein Symbol und wird an anderer Stelle in dieser Zeitung besprochen – ist klar. Klar ist vor allem, dass mit der Barthel’schen Sozialpolitik viele Menschen unnötig gedemütigt werden und dass viele Möglichkeiten, Armut erträglicher zu gestalten, ungenutzt bleiben. Hierfür steht die eiskalte Ablehnung des Sozialtickets, das für die Armen dieser Stadt einen besonders hohen Stellenwert hat und ihnen eine bessere Teilhabe am kulturellen Leben der Stadt ermöglichte. Das alles wird der SPD am Ende keine Stimmen bringen. Klar ist auch, dass die Unverschämtheit von Dr. B., Kassels Schwimm- und Hallenbäder erst kaputt zu sparen und dann in feudaler Manier zwei wichtige Standorte – Stadtbad Mitte und Hallenbad Ost – platt zu machen, der SPD am Ende viele Stimmen kosten kann. Gegen alle Vernunft, gegen den fachlichen Widerstand vieler beteiligter Dienststellen, gegen die Ortsbeiräte, viele Initiativen und auch gegen engagierte Bürger ein Spaß- und Kombibad mitten in die sensible Auelandschaft zu „pflanzen“, wird sich noch bitter rächen. Diese Entscheidung von Dr. B., das neue Kombibad an der ökologisch, stadtplanerisch und sozialpolitisch ungünstigsten Stelle im Stadtgebiet unterzubringen, wird als fataler Fehler in die Stadtgeschichte eingehen. Und wenn das allen klar geworden ist, werden in Bezug auf die Kosten die Bürger und in Bezug auf die Wahlergebnisse die SPD die Zeche zu zahlen haben. Bis dahin verzehrt besagter Dr. B. in aller Ruhe seine auskömmliche Pension.

Und warum macht das alles der OB mit, der ja 2011 wieder gewählt werden will? Warum interveniert er nicht? Warum besteht weder auf einer Sozialpolitik, die zumindest den Anspruch erhebt, einige der schlimmsten sozialen Ungerechtigkeiten kommunal abzufedern? Warum prüft er nicht wenigstens, wie andere Städte, was die Einführung eines Sozialtickets real kosten würde? Warum lässt er den Abriss des ideal gelegenen Stadtbades Mitte zu, obwohl er doch erkennen müsste, dass die Innenstadt alles braucht, nur keinen Funktionsverlust dieser Größenordnung? Warum legt er sich mit den legitimierten Interessenvertretern aus den Ortsbeiräten in einer derart heftigen Weise an?

Wir kommen zu dem einfachen und simplen Schluss, dass es nicht die Übermacht und der Ideenreichtum des Dr. B. ist, die Hilgen daran hindert, umzusteuern. Es ist schlicht die Politik Bertram Hilgens selbst, die Dr. B. formuliert und sich anschickt umzusetzten. So einfach ist das. Die Frage, was die beiden denn so „innig“ miteinander verbindet führt in die Irre. Es ist ganz platt und einfach. Die beiden wollen einfach nur dasselbe.

Das gilt es bei den kommenden OB Wahlen im Hinterkopf zu behalten. Was uns anbetrifft: wir werden genau daran rechtzeitig und immer wieder erinnern!

 

 

Neue Projekte mit Chancen

Gerade bei den Projekten Umbau Friedrich-Ebert-Straße (FES) und Entenanger wird deutlich, dass es in Kassel seit Jahren keine Verkehrspolitik mehr aus einem Guss gibt. Oder anders formuliert: es gibt seit Jahren keine Politik, die anknüpft an dem Prozess, der in den 80iger Jahren zum Generalverkehrsplan geführt hat. Und es gibt erst recht keine Politik, die auch nur im Entferntesten den Namen Mobilitätspolitik verdiente. Aber genau darum geht es eigentlich: Das kommunalpolitische Oberziel dessen, was in Kassel immer verkürzt Verkehrspolitik genannt wird, ist eine optimale, d.h. sichere, umweltfreundliche, platzsparende und Ressourcen schonende Mobilitätspolitik. Eine solche Form von Verkehrspolitik sieht im Mittelpunkte aller Raum in Anspruch nehmenden planerischen Aktivitäten nicht das Auto und seine Halter, sondern vielmehr alle Menschen, die sich im urbanen System bewegen wollen und müssen: zu Fuß, mit dem Rad, den öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Auto. Wie die Debatte über die beiden eingangs erwähnten Projekte zeigt, ist unsere Stadt, im Gegensatz zu vielen anderen Städten in der Bundesrepublik, von Skandinavien, Holland etc. ganz zu schweigen, weit entfernt von einem solchen Verständnis von Mobilität.

Mobilitätspolitik ist mehr als Verkehrspolitik

Verkehrspolitik in Kassel reduziert sich leider all zu oft auf die kompromisslose Forderung nach einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen in allen Projektphasen. Häufig sind diese Forderungen regelrechte „Totschlags-Argumente“, Argumente, die den Status quo zementieren. Und häufig sind sie, je nach Planungsbereich, gekoppelt mit Forderungen nach Qualitätsverbesserungen auch für den fließenden Individualverkehr. Beide Projektbereiche – FES und Entenanger – leiden aber weder unter Stellplatzmangel noch an Platz und Raum für den Individualverkehr, vielmehr unter einem Geflecht ganz unterschiedlicher Defizite. Geringe Aufenthaltsqualitäten haben aber beide und zwar in erster Linie deshalb, weil bestimmte positive Potentiale – gerade wegen der einseitigen Orientierung auf den Individualverkehr – nicht oder fast nicht zur Geltung kommen. Während der Entenanger förmlich zugestellt ist mit Autos, deren Insassen hauptsächlich zum Shoppen in die Obere Königsstraße enteilen (obwohl mehr als genügend Stellplätze in der Kasseler Innenstadt zur Verfügung stehen), leidet die FES zusätzlich daran, dass ein großer Teil des Individualverkehrs hier ausschließlich „durchrauscht“. Es ist in beiden Fällen, so unterschiedlich die räumliche Ausgangs- und Problemlage auch sein mag, gerade die mangelnde Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Interessen anderer am Verkehrsgeschehen Beteiligter, die dazu führt, dass neue Freiraum- und Aufenthaltsqualitäten nicht erreicht werden. Wenn es nämlich gelänge, die FES und den Entenanger wie z.Z. vorgesehen und geplant, zum baumüberstandenen, interessanten Boulevard einerseits und zur multifunktionalen grünen Oase im Herz der Stadt andererseits umzuwandeln, wären die Probleme mit den unwirtlichen und wenig einladenden Leerständen der Geschäfte schnell Vergangenheit. Diejenigen, die sich häufig am lautesten und am heftigsten gegen einen Umbau sträuben, die Geschäftsleute, sind am Ende – nach den realisierten Verbesserungen – die Gewinner. Und mit ihnen auch die Eigentümer der Immobilien, die von weiterem Wertverlust verschont bleiben. Und so verrückt es klingt: diejenigen, deren Interessen bei Straßen- und Platzplanungen oft genug nicht ausreichend gewürdigt werden – seien es Fußgänger, Radfahrer, Kinder und/oder Behinderte – müssen ihre Interessen durchsetzen lernen gegen den lauten und professionellen Widerstand der Eigentümer und Gewerbetreibenden. Auch wenn die am Ende – ökonomisch zumindest – mit profitieren.

Schluss mit der bornierten Stellplatzzählerei

Damit es aber zu den geplanten Verbesserungen auch wirklich kommt und damit nicht wieder die Autolobby das Rennen macht bzw. die sich durchsetzen, deren begrenzter Horizont den Pegelstand der Ladenkasse mit der Anzahl von Stellplätzen gleichsetzt, bedarf es deutlich mehr Mut, Transparenz und Durchhaltevermögen im Magistrat und im OB Büro, als das im Moment gegeben ist. Und die Führungsmannschaft im Rathaus und der Stadtbaurat müssen klar machen, dass städtische und urbane Qualität das Oberziel, die Anzahl von Stellplätzen untergeordnet ist.

 

 

Vor dem Hintergrund der vielfältigen städtebaulichen Probleme der Stadt, die immer noch stark geprägt sind von einem verfehlten Wiederaufbau und einer einseitigen Orientierung auf den Individualverkehr, hatten es die Kasseler Baudezernenten schon immer recht schwer. Hinzu kamen und kommen bis heute die Folgen der nicht erfolgten Integration der Umlandgemeinden in das Stadtgebiet. Und wenn man von Herrn Hellweg und Frau Thalgott in den 90igern absieht, waren die Kasseler Baudezernenten dieser schweren Aufgabe eher nicht gewachsen. Das gilt auch für die beiden letzten CDU Baudezernenten Streitberger und Witte, vor allem aber für Herrn Dr. B., der in seinen vielen Vertretungsjahren als Interims – Stadtbaurat keine gute Figur machte.

Daß diese kritische Einschätzung im Grundsatz richtig ist, bestätigen einerseits die problematische Kasseler Realität in Sachen Städtebau und urbane Qualität und andererseits der Diskurs über Kassel an der Universität und in der Fachliteratur. Probleme gibt es z.B. in der Kasseler Innenstadt, die bis in den Kern hinein mit klassischem Siedlungswohnungsbau angefüllt und von vielspurigen Straßen eingeschlossen ist. Der Individualverkehr, das Auto haben überall Vorrang. Über und unter der Erde. Viele wertvolle Stadträume – wie der Entenanger und der Karlsplatz – sind im Grunde Parkplätze. Gestaltungs- und Werbesatzungen fehlen gänzlich. Das sieht und spürt man allerorten, wenn dafür eine gewisse Sensibilität vorhanden ist. Generell haben Projekte in Kassel nur Chancen auf Realisierung, wenn dabei kein Stellplatz entfällt. Das ist im Moment bei allen diskutierten Projekten so und schränkt die Planungs- und Verbesserungspotentiale erheblich ein. Herr Witte hat an diesem fatalen Tatbestand nichts geändert und insofern seine Aufgaben nicht erfüllt. Erhebliche Defizite gibt es aber auch in der Umweltpolitik, der Gewerbeentwicklung und in der Abstimmung divergierender Interessenlagen mit den Umlandgemeinden.

Witte selbst hat eigentlich keine (selbst produzierten) größeren Fehler gemacht, weil er – genaugenommen – überhaupt nichts „Eigenes“ gemacht hat. Das einzige, was vielleicht von ihm stammt ist die Idee, angesichts fehlender Flächen auf dem Karlsplatz ein Technisches Rathaus zu errichten, in Zusammenhang der seit langem geforderten und dringend notwendigen Umgestaltung dieses wichtigen Platzes. Angesichts des in Kassel üblichen Gezerres und Geschreis um wegfallende Stellplätze ist aber bislang aus diesem wichtigen, noch ausstehenden Stück Stadtreparatur bisher nichts geworden. Und nachdem der OB inzwischen bei der Multifunktionshalle bei Salzmann zum 2. Mal den planerischen Chefposten übernommen und dabei dem Investor einige Tausend Quadratmeter öffentliche Büroflächen zugesagt hat, ist es um das Technische Rathaus auf dem Karlsplatz wieder ruhiger geworden. Vielleicht muss sich der nächste Stadtbaurat neu um das Karlsplatzprojekt kümmern, wenn entschieden ist, wie die „Geschichte“ um Salzmann und die Arena ausgegangen ist. Den Bediensteten des Rathauses ist auf jeden Fall zu wünschen, dass aus den Plänen ihres Oberbürgermeistern nichts wird. Denn die Verbannung nach Bettenhausen ist gegenüber ihrem heutigen attraktiven City-Arbeitsplatz eine echte Verschlechterung. Aber das nur am Rande.

Witte ist von seiner fachlichen Herkunft und seinen pragmatischen Neigungen her ein zupackender Baumensch. Er denkt praktisch. Auch an komplexe Planungsaufgaben geht er mit der Denke eines Bauleiters heran. Das ist nicht unbedingt falsch, aber häufig nicht ausreichend, weil vor den Bauleitungsaufgaben eben zuerst andere Fragestellungen zu lösen sind. Und da hapert es dann, weil seine Stärken nicht im konzeptionellen, strategischen Denken liegen. Das aber muss ein Stadtbaurat einfach können, sonst tanzen ihm alle anderen Magistratsmitglieder und die Fraktionen auf der Nase herum. Und das ist in der Ära Witte dann auch so gelaufen. Während der OB sich als stadtplanerischer Oberstratege übte (und dabei zumindest bei der ersten Multifunktionshalle eine Bauchlandung hingelegte), hat Wittes Kollege Barthel im Alleingang die Gewerbeentwicklung vorangetrieben (das Lange Feld läßt grüßen) und schickt sich an, die Bäderlandschaft Kassels nach seinen Vorstellungen zu sanieren und umzukrempeln. Dass dabei so ganz nebenbei der sensible Naturaum in der Fulda- und Karlsaue „zugeballert“ wird, lässt sich Bau- und Umweltdezernent Witte, der das eigentlich verhindern müßte, einfach gefallen und beschränkt sich darauf, für die jeweiligen Projekte bei seinem Planungsamt die erforderlichen Bebauungspläne „stricken“ zu lassen.

Wer hat Witte und warum nach Kassel geholt

Bleibt die Frage, warum Witte für diesen Job überhaupt ausgesucht worden ist? Das ist, wenn wir uns da nicht täuschen, schlicht dem Tatbestand geschuldet, dass OB Lewandoski keinen Stadtbaurat wie Uli Hellweg mehr haben wollte, der ihn in jeder Hinsicht um Haupteslänge überragte. Es musste ein Pragmatiker her, der die Aufträge der „führenden“ Partei – das war damals die CDU – pragmatisch umsetzt. Das jahrelange Gezerre um das Innenstadtleitbild, das nach jahrelangem Palaver endlich druckreif wurde und dabei zu einem belanglosen Katalog sich teilweise widersprechender Zielvorstellungen geriet, ist dafür das schönste Beispiel. . Großer Aufwand, hohe Druckkosten, keinerlei positive Auswirkung, keinerlei Verbindlichkeit…… Bei einem Baudezernenten mit Biss hätte es so eine Hängepartie mit so einem traurigen Ergebnis natürlich nicht gegeben. Und wie die Entwicklung in der Innenstadt weitergeht (ohne dass irgend jemand auch nur auf die Idee käme, das bunte Innenstadtleitbild aus der Schublade zu ziehen), sieht man an den Plänen für die Friedrichsplatz Ergänzungsbebauung, die Sanierungsüberlegungen zur Oberen Königsstraße und bei der blamablen Denkmalposse am Königsplatz.

Was soll die Neue und der Neue können?

  • Er/sie sollte die Situation, in der sich die Stadt stadtplanerisch befindet, messerscharf und kritisch analysieren können
  • Sie/er sollte fähig sein, schon bei der Antrittsrede, Teile dieser kritischen Analyse den Stadtverordneten wahrheitsgetreu aufzutischen. Er/sie muss ihnen dabei klar machen, dass es zur Durchsetzung bestimmter stadtplanerischer Ziele mehr als eine Legislaturperiode bedarf
  • Er/sie muss den Mut für komplexe und innovative Konzepte haben und sie mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern parteiübergreifend durchsetzen. Gute Stadtplanung muss überfraktionell durchgesetzt werden. Sie gehorcht nicht den ständig wechselnden Farbspielen von Koalitionen oder Kooperationen
  • Sie/er sollte politisch geschickt und erfahren sein, am besten parteiunabhängig, weil ihm/ihr sonst mindestens eine Partei immer am Rockzipfel hängt
  • Er/sie sollte ein Händchen für die guten, kreativen und mutigen Leute in der Verwaltung haben und nicht nur die angepassten Speichellecker und Jasager begünstigen und fördern
  • Sie/er sollte sich die richtigen Berater aussuchen und an den positiven Ansätzen, die es natürlich auch in dieser Stadt und in dieser Verwaltung anknüpfen.

Ganz klar: das ist kein leichter Job in Kassel. Genau deshalb darf auch nicht nur darauf geachtet werden, dass der/die Neue ins gerade angesagte rot – grüne Farbmuster passe. Wichtig ist vielmehr, dass Kassel wieder mal Glück hat und einen guten Baudezernenten bekommt. Was die Stadt vor allem und gar nicht braucht ist den besagten Herrn Dr. B. auch noch als Interimsbaudezernent.