Wir haben uns in den letzten Wochen im Umfeld des Flughafens umgesehen und sind
dabei aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Überall wird die Landschaft von Straßen und Zuwegungen zersägt und zerschnitten!

Nehmen Sie sich doch auch mal die Zeit für einen Sonntagsspaziergang und schauen Sie mal, was da so alles läuft und passiert. Wer die Gegend um Calden bisher für seine Radtouren und Spaziergänge zu schätzen wusste, muss umdisponieren und den Bereich zukünftig großräumig umfahren.

Und das gilt schon für die Bauzeit, nicht nur für die Phase des späteren Betriebes. Wer da wohnt, hat allerdings das Nachsehen.

 

Jahrgang 4, 3/10

Nachlese zur Antiatomdemo am 24. April 2010

Was am Anfang der Mobilisierung kaum jemand für möglich gehalten hat: am 24. April 2010 waren um die 150.000 Antiatomgegner auf den Beinen – gegen
den Versuch der Bundesregierung, die Atommeiler der Republik um Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, länger am Netz zu lassen – was den Energiekonzernen
Milliarden in die ohnehin prall gefüllten Kassen spült.
Mit der Menschenkette zwischen Krümel und Brunsbüttel, der Umzingelung von Biblis und der Demo am Atomzwischenlager Ahaus haben wir, die Demonstranten aus allen Teilen Deutschlands, der Atomwirtschaft und der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin die gelb-rote Karte gezeigt. Mit Erfolg hat die unübersehbare und beeindruckende Manifestation sowohl den Atomkonzernen als auch den sie fördernden Parteien Feuer unter dem Hintern gemacht. Es ist keine Überheblichkeit, davon auszugehen, dass dieses Großereignis Auswirkungen auf die Wahlen in NRW gehabt hat. Das war natürlich auch ein Ziel dieser Demo und Grund dafür, den Demo-Termin so unmittelbar vor diese Landtagswahl zu legen.
Die Atomwirtschaft, mit ihren unzähligen Skandalen, der (ewig) ungelösten Endlagerung der radioaktiven Abfälle und der offenen Absicht, den Energiewechsel, den Umstieg auf umweltfreundliche und nachhaltige Energieproduktion zu verhindern bzw. deutlich zu verzögern, hat viele mächtige und einflussreiche Freunde. Die sitzen nicht nur in der aktuellen Regierung, sondern auch in vielen Redaktionsstuben der Republik. Die HNA darf hierfür als Beispiel dienen: Am Samstag vor der Demonstration, obwohl es da schon alle Spatzen
von den Dächern pfiffen, bringt die HNA irgendwo im Innenteil – mit einer billigen Bildunterschrift – den kleinen Hinweis, dass wohl mit 20.000 Demonstranten an eben diesem Samstag zu rechnen sei. Ein Blick ins Internet hätte den Herrschaften aus der zuständigen Redaktion längst gezeigt, dass alle Züge aus den verschiedenen Teilen der Republik ausgebucht waren. Die Veranstalter rechneten mit rund 120.000 Demonstranten für die Menschenkette auf 120 km Länge … Der Knaller kam dann aber am Montag, dem 26.April, in der Berichterstattung über die Antiatomdemonstration am 24. April. Was macht die HNA? Sie spricht, auf der Seite 12 – also schon weit hinten im politischen Teil der Zeitung – von nur 100.000 Demonstranten!

Wieder nur in einer Bildunterschrift. Das Ereignis ist der HNA nur ein Foto mit einer verzerrenden, untertreibenden, leicht verlogenen Mitteilung wert, obwohl doch so viele bedeutende Fragen von größter politischer Tragweite damit verbunden sind. Dass der Streit um die Verlängerung der Laufzeit der AKWs inzwischen auch in der Berliner Koalition tobt und die verschiedenen CDU geführten Landesregierungen bissig übereinander herfallen, könnte einen, wenn das Thema nicht so bitter ernst wäre, zum Schmunzeln bringen. Jetzt wird ja auch überlegt, die Verlängerung der Atomkraftwerke unter Umgehung des Bundesrates zu beschließen. Das aber darf der Atomlobby und ihren Wasserträgern in der schwarz-gelben Regierung nicht gelingen.

Mehrheiten bei Wahlen gewinnt man damit ohnehin nicht, das wissen Frau Merkel und Herr Westerwelle in Berlin nur zu genau. Also gehen solche Spielchen, derartig bedeutungsvolle Beschlüsse an der Länderkammer vorbei zu fassen nur dann, wenn längere Zeit keine wichtigen Wahlen stattfinden. Pikant auch immer wieder: Wieso wird eine Physikerin, die sogar mal Umweltministerin war und bestimmt einiges dabei mitbekommen hat (verheimlichte Störfälle, gefälschte Gutachten etc.), zu einer Atomlobbyistin? Sei’s drum!
Die große Mehrheit der Bevölkerung muss für das Abschalten der AKWs und das Umsteuern in der Energiepolitik auf der Straße sorgen. Die besseren Argumente sind auf der Seite der Atomgegner. Den Rest besorgt hoffentlich das abgesoffene Atommülllager Asse und die Unmöglichkeit, Gorleben mit Atommüll voll zu stopfen, nachdem die Wahrheit über die gefälschten Gutachten von jedermann nachgelesen werden kann …

 

Pressekonferenz der Kasseler Linken stößt auf großes Interesse

Das war kein Tag wie jeder andere. Und auch wenn es noch viele Highlights im noch gar nicht richtig begonnenen Wahlkampf geben wird: Die Pressekonferenz des Bündnisses
Kasseler Linke ASG am 19. Mai war schon etwas Besonderes. Dass sich mit unserem parteilosen Stadtverordnetenmitglied, Kai Boeddinghaus, ein Kandidat links von SPD und Grünen zur Wahl stellt, ist ein Novum, ein Zeichen für das gestiegene Selbstbewußtsein des Kasseler Linksbündnisses, aber auch dafür, dass das arrogante Gehabe der rot-grünen Rathauskoalition mehr braucht als nur ein politisches Gegengewicht in der Stadtverordnetenversammlung!
Aber bevor sich Kai Boeddinghaus ins Rampenlicht begibt und damit die „Katze aus dem Sack“ lässt , stellt Norbert Domes, zusammen mit Marianne Bohlbach, Eckhard Jochum und Rogelio Barroso vom Bündnisses der Kasseler Linke.ASG die Konzeption für die Wahlen im Frühjahr 2011 vor. In einer Serie von öffentlichen Plenumsveranstaltungen und 2 kommunal-
politischen Seminaren im Sommer sollen Mitstreiterinnen gesucht und gewonnen werden für einen Wahlkampf, die Erarbeitung eines Programms, eine attraktive KandidatInnenliste und die kommunalpolitische Arbeit. Ganz oben auf der Agenda steht dabei der Versuch, in den vielfältigen außerparlamentarischen Bewegungen, die sich gegen die verfehlte Stadtpolitik der Hilgen-Mannschaft (Sozialticket, Langes Feld, Flughafen, Schwimmbadentwicklung etc.) gebildet haben, Mitstreiter und Interessierte für die Arbeit in einer gestärkten linken Fraktion im neuen Parlament zu suchen. Es gibt viele parteilose, teilweise aber auch von ihren Parteien Enttäuschte, die möglicherweise nach neuen Betätigungsfeldern suchen. Bei der Kasseler Linken sind sie gut aufgehoben!

Kai Boeddinghaus für Kassel
Dass in diesem Wahlkampf Kai Boeddinghaus für die Kasseler Linke.ASG auch zu den Wahlen für den Oberbürgermeisterposten antritt, wird nur vor dem Hintergrund der harten und erfolgreichen Arbeit von Bündnis und Fraktion plausibel und dem Tatbestand, dass die an Auseinandersetzungen reiche Wahlperiode ein gewachsenes Selbstbewußtsein hat entstehen lassen.
Folgende Themen sind nur durch unsere Fraktion auf den Tisch gekommen:

  • die gesetzwidrige Pauschale bei den Heizungskosten (jetzt endlich abgeschafft),
- die Standortfehlentscheidung für das neue Kombibad am Auedamm,
die
  • Verweigerung des Einstiegs in das Sozialticket,
  • das Millonengrab Flughafen Kassel Calden,
  • die versprochene und nicht durchgeführte Bürgerbeteiligung und
  • die Konzeptionslosigkeit beim Ausbau des Langen Feldes …

Damit ist die Kasseler Linke seit vielen Jahren die einzige konsequente Opposition in der Stadtverordnetenversammlung. Das aktive Personenbündnis hat sich zum Interessenvertreter der kleinen Leute, zum Ansprechpartner des außerparlamentarischen Widerstands und zur Stimme all derer gemausert, die sich von diesem Magistrat nicht mehr ein X für ein U vormachen lassen wollen. Immer dann, wenn Barthel und Hilgen etwas als alternativlos hinstellen, egal ob es ums Sparen oder ums Investieren geht, haben wir als einzige Fraktion konsequent
Gegenvorschläge gemacht und dabei häufig die besseren Ideen und Argumente auf den Tisch gepackt. Wir hatten manchmal sogar juristisch die besseren Karten. Kürzlich musste Kassels Unsozialdezernent, Dr. Barthel, zähneknirschend zurück rudern. Wenn es darum geht, an den Armen zu sparen und ihnen die Krisenfolgen der Marktwirtschaft aufzubürden, dann wird gerne mal am Gesetz vorbei gehandelt – wider besseres Wissen.

Weil es ist, wie es ist und die unsoziale Politik von rot-grün einen Dämpfer braucht, deshalb kandidiert Kai Boedinghaus gegen Hilgen.

Wer kritisiert, dass der Flughafen Kassel/Calden gebaut werden soll, wem es nicht gefällt, dass er inzwischen 75 Mio. Euro mehr kosten soll als geplant (das sind schon mal 225 Euro!), wer den Prognosen aller Experten in Sachen Luftverkehr glaubt, wer weiß, dass sich der Landkreis und die Stadt Kassel für viele Jahrzehnte mit hohen Defiziten aus dem Betrieb des Flughafens werden rumschlagen müssen, der muss das Projekt mit allen Mitteln bekämpfen. Und wenn man als Abgeordneter in den entsprechenden Gremien sitzt, die über das Projekt, direkt oder indirekt befinden, was muss man dann machen? Jawohl, genau – man muss DAGEGEN stimmen! Und? Haben das die Kasseler Grünen gemacht? Nein, lautet die bittere Antwort.
Die Bi’s gegen den Ausbau liegen richtig: Finger weg vom Fluchhafen Calden
Im Gegenteil: Statt in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD das Projekt klar als nicht zustimmungs- und verhandlungsfähig zu erklären, haben sie von Anfang an
für den einen Sitz im Magistrat ihre „grüne Seele“ auf dem Verhandlungstisch geopfert und verkauft. Sie haben nicht nur dem Flughafenausbau, so widersinnig und
antiökologisch das Projekt in den Augen all derer ist, die vom Thema was verstehen, immer wieder zugestimmt – sie haben sogar die Zustimmung zum Ausbau des
Langen Feldes noch hinterher geschoben, auch wenn dieses Projekt im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen nicht explizit genannt wird. Da die Grünen aber sicher sein
können (und die SPD auch), dass bei diesem Gewerbeprojekt die CDU auf jeden Fall mitmachen wird, konnten sie es sich leisten, auf dieses Projekt im Vertrag gar nicht erst
einzugehen. Den Flughafen jedoch mussten sie schlucken, auch wenn das Schluckbeschwerden und massive Kritik von vielen Seiten mit sich brachte. Denn es gibt da ja noch die Grünen im Landtag, die Grünen im Landkreis und – genau – eine grüne Basis, die über den Flughafen verständlicher Weise ganz anders denkt als die grünen Kommunalpolitiker um Frau Janz, die für den einen Sitz im Magistrat und das bisschen Mitsprache in der großen Kasseler Politik locker mal grünes „Tafelsilber“ auf dem Verhandlungstisch opfern.
Was ist denn so ein Magistratssitz wert?
Wie viel so ein Sitz im Magistrat wirklich wert ist, werden die Grünen, wenn die ersten Millionen mit Minuszeichen in den Haushalten von Stadt, Landkreis, Land Hessen und Calden verkraftet und versteckt werden müssen, schon noch sehen. Und wenn keiner sich mehr daran erinnert: Wir werden es auf keinen Fall vergessen und ihnen vorrechnen bzw. sie immer wieder fragen: War es das wert? Hat sich der eine Sitz im Magistrat gelohnt im Verhältnis zu diesem unsinnigen Projekt und seinen fatalen Folgen? Denn eins ist doch heute schon klar: Wenn das Projekt realisiert wird, werden weitere Projekte mit zusätzlichen negativen Folgewirkungen nicht lange auf sich warten lassen. Denn wer A sagt, muss dann auch B sagen und zum defizitären Flughafen noch das eine oder andere Straßenprojekt zur verbesserten Anbindung des Flughafens hinterher bauen.
Wir meinen: Das ist der Magistratssessel von Frau Janz nicht wert!

Eckhard Jochum
(aus LinksZeitung Jahrgang 4 – 2/10)

Kannibalismus zwischen den Flughäfen – gepaart mit Unverschämtheit und Ignoranz

Alle Profis in der Republik, die von Flughäfen und deren Betrieb etwas verstehen (wie z.B. der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften/BDF), fassen sich in Bezug auf Kassel-Calden an den Kopf. Sie sprechen, weil sich die benachbarten Flughäfen gegenseitig die Kunden abspenstig machen werden, von Kannibalismus und weil die Baukosten und der langfristige Zuschussbedarf enorm hoch sein werden, von einem „Fass ohne Boden“. Dass diese Experten recht haben, zeigt sich schon daran, dass keine einzige (deutsche) Fluggesellschaft erkennbares Interesse an Kassel-Calden zeigt. Calden soll dennoch, gegen alle Vernunft und vor allem gegen alle Spielregeln, gebaut werden.
In jeder Hinsicht symbolisch für die Zukunft dieses Projekts ist die winterliche Wüstenei, die die ersten Baumfällarbeiten an der B 7 zurückgelassen haben. Diese Arbeiten stellen den Anfang des Flughafenausbaus dar, dessen Kosten noch in keiner Weise greifbar und abgesichert sind. Obwohl große Unsicherheiten in Bezug auf die Kosten vorliegen, wurden schon jetzt
erste Aufträge vergeben und sofort ausgeführt. Man stelle sich einfach vor: Ohne eine abgesicherte, geprüfte und aktualisierte Kostenzusammenstellung fangen Sie an, Ihr Haus zu bauen! Niemand, weder im privaten noch im öffentlichen Bereich darf, sollte und wird so etwas tun. Hier jedoch, bei diesem so in der Kritik stehenden Projekt, werden alle Regeln verletzt. Auch
der Regierungspräsident, der in Kassel mit dem Kostenargument schon so manches vernünftige Projekt zu Fall gebracht hat, winkt das absehbare Millionengrab Kassel – Calden einfach durch. Der schon angesprochene BDF spricht von mindestens 250 Millionen Ausbaukosten, während das Land Hessen, die Stadt Kassel und der Landkreis Kassel gebetsmühlenartig an
den ursprünglichen 150 Millionen festhalten. Ein böses Erwachen steht bevor!

Wir finden das skandalös und werden, auch wenn unser letzter Antrag zur Kostenermittlung beim Flughafen keine Mehrheit gefunden hat und bei den anderen Fraktionen auf allgemeines Desinteresse stieß, an dieser „Front“ keine Ruhe geben. Der Flughafen ist und bleibt eine Entwicklungs- und Kostenfalle. Von all den Versprechungen und Hoffnungen, mit denen
man die Bewohner der Region lange genug „gefüttert“ und belogen hat, werden am Ende nur die Defizite für die kommunalen Haushalte bleiben. Dafür gibt es in der Re-
publik schon Beispiele genug.

 

Es gibt viel zu tun! Packen wir‘s an!
Tips und Anregungen für den neuen Chef im Baudezernat

Wir sind da ganz pragmatisch: Ein guter Baudezernent ist ein Guter, ein schlechter Baudezernent ein Schlechter!! Was Lohse in den Jahren vor seiner Wahl gemacht hat, was er gar studiert hat, interessiert uns nicht oder nur am Rande. Gute Führungspersönlichkeiten (wie andere Persönlichkeiten auch) können sich weiter entwickeln, können lernen, können sich fehlendes Fakten- und Fachwissen aneignen. Mehr oder weniger schnell. Das gilt aus unserer Sicht bis auf Weiteres auch für den „Neuen“ im Baudezernat, für den Nachfolger von Herr Witte. Wer sich darüber aufregt, dass Herr Lohse die Weihen des Stadtplaners oder die eines Straßenbauingenieurs nicht hat, kann uns nur ein müdes Lächeln abringen. Man/frau kann zwar ein solches Diplom mit sich rumtragen und dennoch ein grottenschlechter Mann bzw. Frau an dieser Stelle sein. Gerade in Kassel hat man da so seine Erfahrungen. Also: Aufregungen über die vermeintliche oder reale Vorbildung des neuen Chefs im Baudezernat lohnen sich nicht. Es kommt darauf an, wie er handeln wird in Zukunft.

Im Dezember 2009 haben die Fraktionen von SPD und Grünen den von den Grünen vorgeschlagenen ehemaligen Umweltmanager Lohse aus Freiburg als neuen Baudezernenten und Nachfolger von Herrn Witte (CDU) gewählt. Kritik aus dem konservativ-bürgerlichen Lager bzw. einer bekannten Kasseler Zeitung hatte es im Vorfeld daran gegeben, dass Herr Lohse kein ausgewiesener Stadt- oder Verkehrsplaner sei.
Ich bin da ganz pragmatisch: Ein guter Baudezernent ist ein Guter, ein schlechter Baudezernent ein Schlechter! Was Lohse in den Jahren vor seiner Wahl gemacht hat, was er gar studiert hat, interessiert mich nur am Rande. Gute Führungspersönlichkeiten (wie andere Persönlichkeiten auch) können sich weiter entwickeln, können lernen, können sich fehlendes Fakten- und Fachwissen aneignen. Das gilt aus meiner Sicht auch für den „Neuen“ im Baudezernat, den Nachfolger von Herr Witte. Wer sich darüber aufregt, dass Herr Lohse die Weihen des Stadtplaners oder die eines Straßenbauingenieurs nicht hat, kann mir nur ein müdes Lächeln abringen. Man kann zwar ein solches Diplom mit sich rumtragen und dennoch ein grottenschlechter Mann bzw. Frau an dieser Stelle sein. Gerade in Kassel hat man da so seine Erfahrungen. Also: Aufregungen über die vermeintliche oder reale Vorbildung des neuen Chefs im Baudezernat lohnen sich nicht. Es kommt darauf an, wie er in Zukunft handelt. Mut wird der Neue auch brauchen, wenn es darum geht, die Stärken und Potentiale
der verschiedenen Ämter im Baudezernat auszuschöpfen. Er wird, wenn er es ernst meint mit einer neuen, mutigen, ökologisch und sozial ausgerichteten Umweltpolitik, diejenigen in seinen Ämtern stärken und fördern müssen, die eine solche Politik kreativ mit tragen und umsetzen wollen. Und er wird diejenigen, die z.B. an der ewig-gestrigen, am Auto orientierten Verkehrspolitik krampfhaft festhalten wollen, in ihrer Entfaltung einschränken müssen.
Einige Tips, Anregungen und Anforderungen für eine der wichtigsten Stellenbesetzungen im Rathaus will ich hier schon formulieren. Diese Anforderungen sind für mich so etwas wie Prüfsteine, an denen der Baudezernent sich messen lassen muss: Die Stadt braucht – und das sagen nicht nur die Linken – einen mutigen Neubeginn
• in der Verkehrsplanung, die sich endlich und konsequent von ihrer übermäßig starken Orientierung auf den Individualverkehr lossagen muss. Am besten wäre hier eine Neuauflage des Generalverkehrsplans, der in den Schubladen des Baudezernats schlummert und auf eine Aktualisierung wartet.
• in der Gewerbeentwicklung, weil seit langem eine fundierte, auf Nutzungen ausgerichtete Untersuchung der gewerblichen Potentiale auf städtischen und privaten Brachflächen überfällig ist. Die teilweise umstrittenen Neuausweisungen von Gewerbeflächen reichen hier nach längst nicht aus. Die Brachflächen wären so etwas wie das entscheidende Standbein der Gewerbeentwicklung und hier braucht es dringend neue Impulse
• in der Umwelt- und Ökologiepolitik, weil es sich die Stadt auf die Dauer nicht leisten kann, zur Umweltzone und vielen anderen umweltpolitischen Themen keine Meinung zu haben. Lärm- und Feinstaub sind zentrale Aufgabenfelder, die ein klares und koordiniertes Handeln im Oberzentrum Kassel erforderlich machen
• in der Kooperation und Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern, den Vereinen, Initiativen und Organisationen, die an den positiven Erfahrungen z.B. mit dem Forum Unterneustadt bei der Wiedergründung der Unterneustadt anknüpft. Auch in Bezug auf die Arbeit mit den Ortsbeiräten müssen endlich Taten folgen und neue Wege eingeschlagen werden,
nachdem sich die großspurigen Ankündigungen von Hilgen im letzten OB – Wahlkampf als Luftblasen erwiesen haben
• in der Kooperation mit dem Land, weil es sich die Stadt nicht leisten kann – wie beim städtebaulich unbefriedigenden Neubau des Finanzamtes am Altmarkt – weitere große Chancen zu verspielen. Es kann nicht sein, dass das Land vollmundig architektonische Wettbewerbe verspricht und dann, u.a. in Folge einer falschen Privatisierungspolitik, einen monotonen, langweiligen Klotz dort hinsetzt, wo die Geschichte der Stadt ihren Anfang genommen hat. Statt einen Architektenwettbewerb, wie versprochen und verabredet, auszuloben, statt historische Bezüge aufzunehmen (wie bei der kritischen Rekonstruktion der gegenüberliegenden Unterneustadt!) und statt das Gebäude mit verschiedenen Nutzungen zu mischen (auf dem Dach mit Penthäusern, Gastronomie und privaten Büroflächen!) hat das Land gemacht, was es wollte. Die Stadt hat klein beigegeben, statt auszuhandeln, was für Kassel wichtig gewesen wäre. Bei den vielen gemeinsamen Projekten in der Zukunft darf sich so etwas nicht wiederholen. Bei allen städtebaulich relevanten Projekten muss der neue Baudezernent zukünftig die Hosen anbehalten.

• In Sachen Aufwertung der Innenstadt, weil es hier trotz jahrzehnterlanger Bemühungen, u.a. mit Städtebauförderungsmitteln, nach wie vor viele strukturelle und gestalterische Defizite
gibt. Diese Defizite sind komplex und nicht einfach zu beheben. Die Defizite hängen, neben den Fehlern, die noch aus der Zeit des Wiederaufbaus stammen, u.a. mit Versäumnissen im Wohnungsbau, beim ruhenden Verkehr und einer die Innenstadt beeinträchtigenden Politik bei der Ausweisung von Einkaufzentren an den Rändern der Stadt zusammen. So ist z.B. der gigantische Ausbau des Ratiomarktes in Baunatal ein Symbol für eine falsche Gewerbeentwicklung, die der Innenstadt schadet.

Die Liste ist unvollständig. Wichtige andere Themen wären unter anderem noch:
• Guter, bezahlbarer Wohnraum
• Konzept zur Förderung von Baugemeinschaften
• Wohnen in der Alt- und Innenstadt
• Umbau der Kurt-Schumacher-Straße nach dem Strickmuster der Friedrich Ebert Straße
• Konzept für die Grünvernetzung der Parks und Grünzüge der Stadt
• Konzept für eine verbesserte regionale Kooperation mit den Zweckverbandsgemeinden
Auch wenn viel verlangt wird vom „Neuen“ – ich wünsche eine glückliche Hand und viel Erfolg. Die Stadt kann einen guten Baudezernenten brauchen. Sie hat schon lange keinen guten mehr gehabt.

 

 

Die grandiose Fehlentscheidung muss rückgängig gemacht werden

Wie beim Flughafen Calden wird auch beim Kombibad am Auedamm an längst überholten Zahlen festgehalten. Gerade der sich immer so konsequent als Oberbuchhalter gebende Dr. Barthel verhält sich hier wie ein Terrier, obwohl es doch längst alle Spatzen in Kassel von den Dächern pfeifen: Das besagte Bad wird deutlich teurer als projektiert und der jährliche Zuschussbedarf geht in die Millionen. Aber genau wie beim Flughafen wollen die eifrigen Befürworter dieser Fehlentscheidung den Weg zurück zu stadtplanerischer Vernunft nicht
antreten. Es gibt, wie wir mehrfach in unserer Zeitung und im Parlament nachgewiesen haben, mehrere bessere Standortalternativen.
Um so mehr begrüßen wir den Vorstoß der neuen Vorsitzenden der Grünen der Stadt Kassel, Frau Eva Koch, über den gewählten Standort für ein neues kombiniertes Hallen- und Freibad noch einmal grundsätzlich und neu nachzudenken. Auch wenn wir den von ihr konkret ins Gespräch gebrachten Standort am Unterneustädter Kirchplatz für nicht glücklich halten, weil
das schon aus verkehrlichen Gründen nicht funktionieren würde (der Kirchplatz kann trotz der optimalen Lage in Sachen Nahverkehr den zusätzlichen PKW-Verkehr dort nicht aufnehmen!), liegt Eva Koch richtig damit, die Grundsatzfrage nach der optimalen Lage einer solch bedeutsamen Einrichtung im Stadtgefüge erneut aufzuwerfen.
Und wir wiederholen, zusammen mit den Umweltverbänden, vielen Kritikern in den Parteien und den verschiedenen Verwaltungen: Karls- und Fuldaaue sind ökologisch, verkehrlich und sozial der falsche Standort für so ein Bad! Das alte Freibad dort liegt gut und richtig und die Perspektive, es zu einem kombinierten Flussbad auszubauen, ist die richtige. Für ein neues 
Spaß-, Sport- und Hallenbad hat die Stadt die allerbesten Potentiale – und das gleich an mehreren Stellen im Stadtgebiet. Wir wollen hier der von der Rathausverwaltung begonnenen, aber wegen Barthels vorzeitiger Intervention nicht zu Ende geführten Grundsatzanalyse nicht vorgreifen. Wenn die versierten Fachleute der Rathausverwaltung ihre Aufgabe ordentlich zu Ende führen dürfen, durchaus beraten von externen Spezialisten, wird es eine gute, städtebaulich positive, verkehrlich optimal erreichbare und für den Schulsport bestens angebundene Alternative für ein neues Bad geben. Eine Alternative, die auch finanziell darstellbar ist.
Vorher jedoch muss der Barthel’sche Schnellschuss mit den peinlichen und inzwischen längst zurückgenommenen Terminvorgaben für eine fiktive Baderöffnung aufgehoben werden. Es ist besser, die bislang aufgewendeten Planungsmittel als verloren anzusehen (gibt es eigentlich für derart grandiose Fehlleistungen von Magistratsmitgliedern eine Eigenhaftung??) als diese Fehlentscheidung durchzuziehen und auf Jahrzehnte einen irre hohen Zuschussbedarf zu riskieren.
Für Vernunft ist es nie zu spät!

Eckhard Jochum
(aus LinksZeitung Jg. 4 1/10 S. 7)

Auch wenn der OB inzwischen nicht mehr daran erinnert werden will, dass er zu Beginn seiner Amtszeit den ungeliebten Kämmerer unbedingt loswerden wollte, so fragen wir uns heute um so mehr, was denn die beiden aktuell so innig miteinander verbindet? Weil uns nicht an Kaffeesatzleserei gelegen ist, interessieren uns nur Fakten, ggf. auch noch die Konsequenzen daraus. Ob also die CDU Fraktion kurz vor den letzten OB-Wahlen den von ihr so überaus geschätzten Herrn Dr. B. nur noch einmal gewählt hat, um dem OB-Kandidaten der SPD, also Herrn Hilgen, ein Kuckucksei ins Nest zu legen, mag ja vielleicht so gewesen sein, ist aber uninteressant. Bedeutsam ist für uns und die Politik in Kassel nur, dass Hilgen mit dem von ihm seinerzeit überhaupt nicht geschätzten Kämmerer nun in und auf allen zentralen kommunalpolitischen Feldern harmonisch und (scheinbar) konfliktfrei zusammenarbeitet. Inzwischen, als wäre der Schaden, den Dr. B. als Kämmerer anrichtet noch nicht groß genug, hat der OB ihn sogar zusätzlich noch zum Sozialdezernenten gemacht und ihn damit erheblich aufgewertet. Er überlässt ihm außerdem große und folgenreiche Politikbereiche (wie z.B. die Bädersanierung) , ohne überhaupt die Frage zu thematisieren, ob er damit für die Stadt und seine Bürger, für sich und die SPD etwas Positives erreicht.

Dass die Kasseler SPD mit der äußerst rigiden Auslegung und Praktizierung der unsozialen Hartz IV Gesetze an Ansehen verliert – der kürzlich verlorene Prozess der Stadt ist hierfür nur ein Symbol und wird an anderer Stelle in dieser Zeitung besprochen – ist klar. Klar ist vor allem, dass mit der Barthel’schen Sozialpolitik viele Menschen unnötig gedemütigt werden und dass viele Möglichkeiten, Armut erträglicher zu gestalten, ungenutzt bleiben. Hierfür steht die eiskalte Ablehnung des Sozialtickets, das für die Armen dieser Stadt einen besonders hohen Stellenwert hat und ihnen eine bessere Teilhabe am kulturellen Leben der Stadt ermöglichte. Das alles wird der SPD am Ende keine Stimmen bringen. Klar ist auch, dass die Unverschämtheit von Dr. B., Kassels Schwimm- und Hallenbäder erst kaputt zu sparen und dann in feudaler Manier zwei wichtige Standorte – Stadtbad Mitte und Hallenbad Ost – platt zu machen, der SPD am Ende viele Stimmen kosten kann. Gegen alle Vernunft, gegen den fachlichen Widerstand vieler beteiligter Dienststellen, gegen die Ortsbeiräte, viele Initiativen und auch gegen engagierte Bürger ein Spaß- und Kombibad mitten in die sensible Auelandschaft zu „pflanzen“, wird sich noch bitter rächen. Diese Entscheidung von Dr. B., das neue Kombibad an der ökologisch, stadtplanerisch und sozialpolitisch ungünstigsten Stelle im Stadtgebiet unterzubringen, wird als fataler Fehler in die Stadtgeschichte eingehen. Und wenn das allen klar geworden ist, werden in Bezug auf die Kosten die Bürger und in Bezug auf die Wahlergebnisse die SPD die Zeche zu zahlen haben. Bis dahin verzehrt besagter Dr. B. in aller Ruhe seine auskömmliche Pension.

Und warum macht das alles der OB mit, der ja 2011 wieder gewählt werden will? Warum interveniert er nicht? Warum besteht weder auf einer Sozialpolitik, die zumindest den Anspruch erhebt, einige der schlimmsten sozialen Ungerechtigkeiten kommunal abzufedern? Warum prüft er nicht wenigstens, wie andere Städte, was die Einführung eines Sozialtickets real kosten würde? Warum lässt er den Abriss des ideal gelegenen Stadtbades Mitte zu, obwohl er doch erkennen müsste, dass die Innenstadt alles braucht, nur keinen Funktionsverlust dieser Größenordnung? Warum legt er sich mit den legitimierten Interessenvertretern aus den Ortsbeiräten in einer derart heftigen Weise an?

Wir kommen zu dem einfachen und simplen Schluss, dass es nicht die Übermacht und der Ideenreichtum des Dr. B. ist, die Hilgen daran hindert, umzusteuern. Es ist schlicht die Politik Bertram Hilgens selbst, die Dr. B. formuliert und sich anschickt umzusetzten. So einfach ist das. Die Frage, was die beiden denn so „innig“ miteinander verbindet führt in die Irre. Es ist ganz platt und einfach. Die beiden wollen einfach nur dasselbe.

Das gilt es bei den kommenden OB Wahlen im Hinterkopf zu behalten. Was uns anbetrifft: wir werden genau daran rechtzeitig und immer wieder erinnern!

 

 

Neue Projekte mit Chancen

Gerade bei den Projekten Umbau Friedrich-Ebert-Straße (FES) und Entenanger wird deutlich, dass es in Kassel seit Jahren keine Verkehrspolitik mehr aus einem Guss gibt. Oder anders formuliert: es gibt seit Jahren keine Politik, die anknüpft an dem Prozess, der in den 80iger Jahren zum Generalverkehrsplan geführt hat. Und es gibt erst recht keine Politik, die auch nur im Entferntesten den Namen Mobilitätspolitik verdiente. Aber genau darum geht es eigentlich: Das kommunalpolitische Oberziel dessen, was in Kassel immer verkürzt Verkehrspolitik genannt wird, ist eine optimale, d.h. sichere, umweltfreundliche, platzsparende und Ressourcen schonende Mobilitätspolitik. Eine solche Form von Verkehrspolitik sieht im Mittelpunkte aller Raum in Anspruch nehmenden planerischen Aktivitäten nicht das Auto und seine Halter, sondern vielmehr alle Menschen, die sich im urbanen System bewegen wollen und müssen: zu Fuß, mit dem Rad, den öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Auto. Wie die Debatte über die beiden eingangs erwähnten Projekte zeigt, ist unsere Stadt, im Gegensatz zu vielen anderen Städten in der Bundesrepublik, von Skandinavien, Holland etc. ganz zu schweigen, weit entfernt von einem solchen Verständnis von Mobilität.

Mobilitätspolitik ist mehr als Verkehrspolitik

Verkehrspolitik in Kassel reduziert sich leider all zu oft auf die kompromisslose Forderung nach einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen in allen Projektphasen. Häufig sind diese Forderungen regelrechte „Totschlags-Argumente“, Argumente, die den Status quo zementieren. Und häufig sind sie, je nach Planungsbereich, gekoppelt mit Forderungen nach Qualitätsverbesserungen auch für den fließenden Individualverkehr. Beide Projektbereiche – FES und Entenanger – leiden aber weder unter Stellplatzmangel noch an Platz und Raum für den Individualverkehr, vielmehr unter einem Geflecht ganz unterschiedlicher Defizite. Geringe Aufenthaltsqualitäten haben aber beide und zwar in erster Linie deshalb, weil bestimmte positive Potentiale – gerade wegen der einseitigen Orientierung auf den Individualverkehr – nicht oder fast nicht zur Geltung kommen. Während der Entenanger förmlich zugestellt ist mit Autos, deren Insassen hauptsächlich zum Shoppen in die Obere Königsstraße enteilen (obwohl mehr als genügend Stellplätze in der Kasseler Innenstadt zur Verfügung stehen), leidet die FES zusätzlich daran, dass ein großer Teil des Individualverkehrs hier ausschließlich „durchrauscht“. Es ist in beiden Fällen, so unterschiedlich die räumliche Ausgangs- und Problemlage auch sein mag, gerade die mangelnde Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Interessen anderer am Verkehrsgeschehen Beteiligter, die dazu führt, dass neue Freiraum- und Aufenthaltsqualitäten nicht erreicht werden. Wenn es nämlich gelänge, die FES und den Entenanger wie z.Z. vorgesehen und geplant, zum baumüberstandenen, interessanten Boulevard einerseits und zur multifunktionalen grünen Oase im Herz der Stadt andererseits umzuwandeln, wären die Probleme mit den unwirtlichen und wenig einladenden Leerständen der Geschäfte schnell Vergangenheit. Diejenigen, die sich häufig am lautesten und am heftigsten gegen einen Umbau sträuben, die Geschäftsleute, sind am Ende – nach den realisierten Verbesserungen – die Gewinner. Und mit ihnen auch die Eigentümer der Immobilien, die von weiterem Wertverlust verschont bleiben. Und so verrückt es klingt: diejenigen, deren Interessen bei Straßen- und Platzplanungen oft genug nicht ausreichend gewürdigt werden – seien es Fußgänger, Radfahrer, Kinder und/oder Behinderte – müssen ihre Interessen durchsetzen lernen gegen den lauten und professionellen Widerstand der Eigentümer und Gewerbetreibenden. Auch wenn die am Ende – ökonomisch zumindest – mit profitieren.

Schluss mit der bornierten Stellplatzzählerei

Damit es aber zu den geplanten Verbesserungen auch wirklich kommt und damit nicht wieder die Autolobby das Rennen macht bzw. die sich durchsetzen, deren begrenzter Horizont den Pegelstand der Ladenkasse mit der Anzahl von Stellplätzen gleichsetzt, bedarf es deutlich mehr Mut, Transparenz und Durchhaltevermögen im Magistrat und im OB Büro, als das im Moment gegeben ist. Und die Führungsmannschaft im Rathaus und der Stadtbaurat müssen klar machen, dass städtische und urbane Qualität das Oberziel, die Anzahl von Stellplätzen untergeordnet ist.

 

 

Vor dem Hintergrund der vielfältigen städtebaulichen Probleme der Stadt, die immer noch stark geprägt sind von einem verfehlten Wiederaufbau und einer einseitigen Orientierung auf den Individualverkehr, hatten es die Kasseler Baudezernenten schon immer recht schwer. Hinzu kamen und kommen bis heute die Folgen der nicht erfolgten Integration der Umlandgemeinden in das Stadtgebiet. Und wenn man von Herrn Hellweg und Frau Thalgott in den 90igern absieht, waren die Kasseler Baudezernenten dieser schweren Aufgabe eher nicht gewachsen. Das gilt auch für die beiden letzten CDU Baudezernenten Streitberger und Witte, vor allem aber für Herrn Dr. B., der in seinen vielen Vertretungsjahren als Interims – Stadtbaurat keine gute Figur machte.

Daß diese kritische Einschätzung im Grundsatz richtig ist, bestätigen einerseits die problematische Kasseler Realität in Sachen Städtebau und urbane Qualität und andererseits der Diskurs über Kassel an der Universität und in der Fachliteratur. Probleme gibt es z.B. in der Kasseler Innenstadt, die bis in den Kern hinein mit klassischem Siedlungswohnungsbau angefüllt und von vielspurigen Straßen eingeschlossen ist. Der Individualverkehr, das Auto haben überall Vorrang. Über und unter der Erde. Viele wertvolle Stadträume – wie der Entenanger und der Karlsplatz – sind im Grunde Parkplätze. Gestaltungs- und Werbesatzungen fehlen gänzlich. Das sieht und spürt man allerorten, wenn dafür eine gewisse Sensibilität vorhanden ist. Generell haben Projekte in Kassel nur Chancen auf Realisierung, wenn dabei kein Stellplatz entfällt. Das ist im Moment bei allen diskutierten Projekten so und schränkt die Planungs- und Verbesserungspotentiale erheblich ein. Herr Witte hat an diesem fatalen Tatbestand nichts geändert und insofern seine Aufgaben nicht erfüllt. Erhebliche Defizite gibt es aber auch in der Umweltpolitik, der Gewerbeentwicklung und in der Abstimmung divergierender Interessenlagen mit den Umlandgemeinden.

Witte selbst hat eigentlich keine (selbst produzierten) größeren Fehler gemacht, weil er – genaugenommen – überhaupt nichts „Eigenes“ gemacht hat. Das einzige, was vielleicht von ihm stammt ist die Idee, angesichts fehlender Flächen auf dem Karlsplatz ein Technisches Rathaus zu errichten, in Zusammenhang der seit langem geforderten und dringend notwendigen Umgestaltung dieses wichtigen Platzes. Angesichts des in Kassel üblichen Gezerres und Geschreis um wegfallende Stellplätze ist aber bislang aus diesem wichtigen, noch ausstehenden Stück Stadtreparatur bisher nichts geworden. Und nachdem der OB inzwischen bei der Multifunktionshalle bei Salzmann zum 2. Mal den planerischen Chefposten übernommen und dabei dem Investor einige Tausend Quadratmeter öffentliche Büroflächen zugesagt hat, ist es um das Technische Rathaus auf dem Karlsplatz wieder ruhiger geworden. Vielleicht muss sich der nächste Stadtbaurat neu um das Karlsplatzprojekt kümmern, wenn entschieden ist, wie die „Geschichte“ um Salzmann und die Arena ausgegangen ist. Den Bediensteten des Rathauses ist auf jeden Fall zu wünschen, dass aus den Plänen ihres Oberbürgermeistern nichts wird. Denn die Verbannung nach Bettenhausen ist gegenüber ihrem heutigen attraktiven City-Arbeitsplatz eine echte Verschlechterung. Aber das nur am Rande.

Witte ist von seiner fachlichen Herkunft und seinen pragmatischen Neigungen her ein zupackender Baumensch. Er denkt praktisch. Auch an komplexe Planungsaufgaben geht er mit der Denke eines Bauleiters heran. Das ist nicht unbedingt falsch, aber häufig nicht ausreichend, weil vor den Bauleitungsaufgaben eben zuerst andere Fragestellungen zu lösen sind. Und da hapert es dann, weil seine Stärken nicht im konzeptionellen, strategischen Denken liegen. Das aber muss ein Stadtbaurat einfach können, sonst tanzen ihm alle anderen Magistratsmitglieder und die Fraktionen auf der Nase herum. Und das ist in der Ära Witte dann auch so gelaufen. Während der OB sich als stadtplanerischer Oberstratege übte (und dabei zumindest bei der ersten Multifunktionshalle eine Bauchlandung hingelegte), hat Wittes Kollege Barthel im Alleingang die Gewerbeentwicklung vorangetrieben (das Lange Feld läßt grüßen) und schickt sich an, die Bäderlandschaft Kassels nach seinen Vorstellungen zu sanieren und umzukrempeln. Dass dabei so ganz nebenbei der sensible Naturaum in der Fulda- und Karlsaue „zugeballert“ wird, lässt sich Bau- und Umweltdezernent Witte, der das eigentlich verhindern müßte, einfach gefallen und beschränkt sich darauf, für die jeweiligen Projekte bei seinem Planungsamt die erforderlichen Bebauungspläne „stricken“ zu lassen.

Wer hat Witte und warum nach Kassel geholt

Bleibt die Frage, warum Witte für diesen Job überhaupt ausgesucht worden ist? Das ist, wenn wir uns da nicht täuschen, schlicht dem Tatbestand geschuldet, dass OB Lewandoski keinen Stadtbaurat wie Uli Hellweg mehr haben wollte, der ihn in jeder Hinsicht um Haupteslänge überragte. Es musste ein Pragmatiker her, der die Aufträge der „führenden“ Partei – das war damals die CDU – pragmatisch umsetzt. Das jahrelange Gezerre um das Innenstadtleitbild, das nach jahrelangem Palaver endlich druckreif wurde und dabei zu einem belanglosen Katalog sich teilweise widersprechender Zielvorstellungen geriet, ist dafür das schönste Beispiel. . Großer Aufwand, hohe Druckkosten, keinerlei positive Auswirkung, keinerlei Verbindlichkeit…… Bei einem Baudezernenten mit Biss hätte es so eine Hängepartie mit so einem traurigen Ergebnis natürlich nicht gegeben. Und wie die Entwicklung in der Innenstadt weitergeht (ohne dass irgend jemand auch nur auf die Idee käme, das bunte Innenstadtleitbild aus der Schublade zu ziehen), sieht man an den Plänen für die Friedrichsplatz Ergänzungsbebauung, die Sanierungsüberlegungen zur Oberen Königsstraße und bei der blamablen Denkmalposse am Königsplatz.

Was soll die Neue und der Neue können?

  • Er/sie sollte die Situation, in der sich die Stadt stadtplanerisch befindet, messerscharf und kritisch analysieren können
  • Sie/er sollte fähig sein, schon bei der Antrittsrede, Teile dieser kritischen Analyse den Stadtverordneten wahrheitsgetreu aufzutischen. Er/sie muss ihnen dabei klar machen, dass es zur Durchsetzung bestimmter stadtplanerischer Ziele mehr als eine Legislaturperiode bedarf
  • Er/sie muss den Mut für komplexe und innovative Konzepte haben und sie mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern parteiübergreifend durchsetzen. Gute Stadtplanung muss überfraktionell durchgesetzt werden. Sie gehorcht nicht den ständig wechselnden Farbspielen von Koalitionen oder Kooperationen
  • Sie/er sollte politisch geschickt und erfahren sein, am besten parteiunabhängig, weil ihm/ihr sonst mindestens eine Partei immer am Rockzipfel hängt
  • Er/sie sollte ein Händchen für die guten, kreativen und mutigen Leute in der Verwaltung haben und nicht nur die angepassten Speichellecker und Jasager begünstigen und fördern
  • Sie/er sollte sich die richtigen Berater aussuchen und an den positiven Ansätzen, die es natürlich auch in dieser Stadt und in dieser Verwaltung anknüpfen.

Ganz klar: das ist kein leichter Job in Kassel. Genau deshalb darf auch nicht nur darauf geachtet werden, dass der/die Neue ins gerade angesagte rot – grüne Farbmuster passe. Wichtig ist vielmehr, dass Kassel wieder mal Glück hat und einen guten Baudezernenten bekommt. Was die Stadt vor allem und gar nicht braucht ist den besagten Herrn Dr. B. auch noch als Interimsbaudezernent.