Am 12. Dezember 2023 schreibt die HNA, relativ unaufgeregt, dass – vermutlich am Tag zuvor – ein 54-Jähriger Mann in Nikolaus-Kostüm, unterwegs zu einem Auftritt, zwischen Stern und Königsplatz, angefallen und belästigt wird. Von 5 bis 6 Jugendlichen. So um die 15 Jahre alt. Die kommen schimpfend und pöbelnd auf ihn zu. Rainer B., besagter als Nikolaus verkleideter Mann, erinnert sich noch an die Vokabeln, „Hurensohn“ und „Fettsack“. Die Jugendlichen fordern ihn saufrech auf, das Nikolaus Kostüm auszuziehen und lassen ihn wissen, dass das ihr Land sei, nicht seins!

 

Da sich Rainer B. weigert, sich vor den migrantisch aussehenden Jungs zu entkleiden, sie aber darauf bestehen und nun Hand anlegen, zerreißt das Nikolaus-Gewand und weist nach der Attacke der Jugendlichen größere Löcher auf. Das Glück war insofern auf der Seite von R.B., als er, nikolauskonform, eine Rute am Start respektive in der Hand hatte. Die lässt er, offensichtlich schmerz- und fühlbar, ins Gesicht des einen oder anderen niedergehen. Daraufhin flüchten die Jungs Richtung Martinskirche.

 

Bei der beschriebenen Szene gab es genug Zuschauer. Keiner hat etwas unternommen. Keiner kam R.B. zu Hilfe; einige lachten … Nun ermittelt der Staatschutz, weil ein politisches Motiv nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Was können wir aus der beschriebenen Szene lernen? Und gibt es überhaupt etwas zu lernen, zu begreifen? Ich meine schon. Aber bevor ich erkläre, was sich meiner Meinung daraus ableiten lässt, erzähle ich vorher noch eine andere kleine Geschichte:

 

Die Kasseler-Linke, das ist etwas anderes gewesen, als die Partei Die Linke, die sich im Bundestag gerade in Auflösung befindet und die in Hessen jüngst aus dem Landtag geflogen ist. Die Kasseler Linke ist – u. a. von mir und einigen anderen Parteilosen Linken wie auch parteilich gebundenen Personen 2005 gegründet – ein Personenbündnis gewesen, das über viele Jahre hinweg respektable Wahlergebnisse erzielt hat auf der Basis einer ausgesprochen anerkennenswerten und guten Parlamentsarbeit in der Stadtverordnetenversammlung. Der Auf- und Niedergang dieses Bündnisses im Lauf der Jahre ist ein anderes Thema und steht nicht in Zusammenhang mit dem hier zu Beschreibenden.

 

Für dieses Bündnis habe ich, als verantwortlicher Redakteur, mehr als 20 Zeitungen produziert und viele Artikel geschrieben. Zuerst, solange ich noch im Planungsamt aktiv war, unter Pseudonym (Drake Schmidt), später dann unter meinem Namen. Nach den Kommunalwahlen 2016 und dem damaligen guten Abschneiden unseres Bündnisses schrieb ich in der Zeitung, die sich, wie könnte es anders sein, LinKSzeitung, nannte, über alle in die StaVo eingezogenen Parteien eine entsprechende Einschätzung und natürlich auch ein großes Lob zu und über die Kasseler Linke. Über die AfD, die damals auch ins Kasseler Parlament einzog, schrieb ich, und das ist der Bezugspunkt zum oben geschilderten Ereignis:

 

Aber auch wenn es heute mit der AfD die Falschen sagen: An einer großen gesamtgesellschaftlichen Debatte, in allen Parteien und Gruppierungen um den Islam, kommt niemand mehr vorbei. Natürlich hat die übergroße Mehrheit der Muslime in Kassel und andernorts nichts zu tun mit Islamismus und Terror – sie sind zum Teil ja selber Opfer. Aber alle Terroristen berufen sich auf den Islam und entsprechende Textstellen im Koran. Das zu verschweigen, führt nicht wirklich weiter. Neue Denkansätze müssen her, sonst können aus dieser Unterlassung wahrhaft große Probleme erwachsen.

 

Wegen dieses Abschnitts auf der Seite 7 der Ausgabe 23 in der Einschätzung über das Abschneiden der AfD verlor ich meinen „Posten“ und bin meinen „ehrenamtlichen Job“ losgeworden. Mit dürren Worten des Dankes und Lobes für die Jahre davor, aber einer klaren Ansage: In der sich links fühlenden Fraktion hätten islamkritische Positionen keinen Platz. Die Passage in meinem Artikel sei antimuslimischer Rassismus o. ä. und dafür gäbe es keinen Raum in einer linken Zeitung. Was antimuslimischer Rassismus ist, der bei der AfD ja offen und stilbildend sehr wohl vorhanden ist, wurde nicht ge- und erklärt. Mit meinem Widerspruch, dass meine Einlassungen nicht das Geringste mit antimuslimischem Rassismus zu tun hätten, vielmehr mit Kritik am islamischen Kosmos und Machtanspruch, kam ich nicht durch.

 

Inzwischen leben wir in Europa in anderen Zeiten: Lehrer und andere werden auf offener Straße von Islamisten geköpft, was bis heute in einer langen islamischen Tradition steht. Nach den IS-Zeiten findet die Praxis aktuell im Irak und Afghanistan fleißig Anwendung. Und es werden wieder Synagogen angegriffen … Die Universitäten sind teils im Griff oder zumindest unter dem Druck von islamistischen Stoßtrupps und ihren verharmlosenden (oft linken oder pseudolinken) Mitstreitern. Der 7. Oktober im Süden Israels wird, wie der 11. September in New York, eine Art Zeitenwende einläuten. Und die documenta 15 hat ja auch schon die hier lebenden Jüdinnen und Juden in Angst versetzt und stark verunsichert.

 

Aber was, das ist nun die Frage, hat das eine mit dem anderen zu tun? Also die Attacke auf den Nikolaus in der Unteren Königsstraße am 12. Dezember 2023 mit meinem Rauswurf aus dem Zeitungskollektiv der Kasseler Linken 2016? Die Antwort ist einfach: Auch wenn zwischen Sommer 2016 und Dezember 2023 nur 7 ½ Jahre liegen, ist der offene Angriff auf den als Nikolaus* in der Vorweihnachtszeit verkleideten Mann eben auch das Ergebnis der unterlassenen großangelegten gesellschaftlichen Debatte über Islamismus und den Politischen Islam, eine Debatte, die zu Konsequenzen hätte führen müssen. Auf vielen gesellschaftlichen Feldern. Denn auch bei aller Anerkennung von Fehlern bei der Integration von Geflüchteten und Eingewanderten hätte klar sein müssen: Wer sich mit dem, was viele in dieser großen Menschengruppe mit nach Europa bringen, und zwar nicht im Handgepäck, vielmehr im Kopf

 

  • in Form von lange angelernten und tradierten Frauenbildern,
  • in Form von Auffassungen über andere Kulturen und Glaubensrichtungen,
  • in Form vom Umgang mit Abweichlern aus den eigenen Reihen,
  • in Form von Überzeugungen für einen islamischen Gottesstaat und vor allem
  • in Form eines massiven, kranken Judenhasses und eines ebensolchen Bildes vom Staat Israel

 

nicht auseinandersetzten will, muss mit schmerzhaftem Erwachen rechnen. Einem Erwachen, das nun mit dem nach dem Holocaust schlimmsten Massaker an Jüdinnen und Juden im Süden Israels zusammenfällt. Aber eben auch mit neuen Formen von Antisemitismus und Israelhass, wie er sich nach dem 7. Oktober auf den Straßen der Bundesrepublik austobte: Jubelnde Hamasfreunde verteilen Süßigkeiten. Große Freude also über die barbarischen Gewaltakte und kein Gramm Mitgefühl oder Empathie für die Familien der Ermordeten und Entführten.

 

Man darf es einfach nicht vergessen und klein reden: Die Agenda des politischen Islam ist auf eine Übernahme der Macht, auch in Europa gerichtet. Wer das für absurd hält, sollte sich die Mühe machen und das Buch, DIE UNTERWERFUNG von Michel Houellebecq lesen. Aber auch der Koran hilft weiter, denn er ist mehr als eine Handlungsanweisung zum Beten und religiösem Verhalten, wie es vielleicht im 7. Jahrhundert nach Christus angebracht gewesen schien. Er ist ebenso Regelwerk zur Staatsführung und Machtaneignung und gibt vor, wie Religion und weltliche Macht zusammenzuführen sind. Laizismus und Trennung von Staat und Kirche gibt es in diesem Kosmos nicht, vielmehr klare Vorgaben zum Herbeiführen und Erkämpfen eines Gottestaates, wie er uns heute beispielhaft und lupenrein im Iran gegenübersteht.

 

Und wenn gerade Linke einen Diskurs über den Islam unterdrücken oder für überflüssig halten, obwohl er viele überaus bedeutende gesellschaftliche Problemfelder berührt, schlagen sie sich, wissentlich oder unwissentlich, auf die Seite der Kräfte, die die hart erkämpften Werte – Demokratie, Frauenrechte und soziale Errungenschaften … – geringschätzen, verachten und oft genug direkt bekämpfen. Solidarität mit solchen Kräften ist eine Gefahr, ein Missverständnis. Und alle diese Problemfelder werden weiterwachsen, solange die ungeregelte Zuwanderung weiter zunimmt.

 

Jetzt, leider erst nach dem blutigen Massaker vom 7. Oktober und dem hasserfüllten Jubel über eben dieses Massaker auf unseren Straßen, beginnt sie endlich, diese überfällige Debatte. Jetzt wird auch bei uns, längst überfällig, über die DITIB und andere Organisationen, die bis zum 7. Oktober offen für die Hamas und das mörderische Iran-Regime Werbung machen durften, geredet. Teils werden einschlägig bekannte Organisationen verboten. Viel zu spät natürlich, nach allem, was über deren Aktivitäten schon lange bekannt war. Aber es ist etwas in Bewegung gekommen!

 

Für viele in der Vergangenheit schon Angegriffene, Verunglimpfte (siehe unseren Nikolaus aus Kassel in der Unteren Königsstraße) und Ermordete (siehe den 2018 enthaupteten Geschichtslehrer Samuel P.) gibt es natürlich keine Hilfe mehr. Aber es bleibt immerhin die Hoffnung, dass zukünftig – wenn die von mir so dringend geforderte umfassende Debatte Wirkung zeigt – zukünftig keine Lehrer mehr sterben müssen, wenn sie Mohammed-Karikaturen erläutern und in dem Zusammenhang die Bedeutung von Presse- und Religionsfreiheit erklären. Lassen wir uns damit jedoch zu viel Zeit, könnte es leicht zu spät werden: Und Houellebecq hätte am Ende recht mit seiner extrem negativen Sicht auf die Zukunft Europas.

 

*Unser Nikolaus kommt vom Altgriechischen Nikólaos und findet über das Mittelalter hinweg weite Verbreitung unter Bezugnahme auf Nikolaus, der im 4. Jahrhundert Bischof von Myrna in Lykien war. Um seine Person bildeten sich zahlreiche Legenden, deren biografische Inhalte sich mit denen des 564 gestorbenen Abtes und späteren Bischofs von Pinora, Nikolaus von Sion, vermischten. (Siehe auch Wikipedia)

Die sozialdemokratischen Ex-Oberbürgermeister, Eichel, Bremeier, Hilgen, Geselle, die immer wieder und in immer neuen Konstellationen – von Auftritten im Tetra-Format bis hin zu verschiedenen Solis – wirklich alles gaben, um „ihre“ documenta für „ihre“ Stadt zu bewahren, haben bis heute nicht verstanden, worum es bei der Krise um die d15 eigentlich ging bzw. immer noch geht. Insofern war es leicht für mich, schon im Spätsommer des vergangenen Jahres 2022, kurz vor den Wirren um die Entlassung von Frau Schormann, die als Bauernopfer herhalten musste und ihren Job verlor, vorausahnend zu formulieren:

 

„Das 7-Punkte-Programm der 4 SPD-Herren geht am Problem des Antisemitismus-Skandals vorbei und wird bei der weiteren Suche nach Lösungen wohl eher nicht herangezogen werden, weil jede Selbstkritik am bisherigen Regelwerk zur Durchführung der documenta abgewehrt wird. Ohne diese Kritik, ohne die Analyse der Fehler, die zu diesem Debakel führten, wird es aber keine Lösung und keine Rettung der documenta geben …“ (Kassel-Zeitung)

 

Ich sollte Recht behalten.

Angesichts der Weigerung aller Verantwortlichen, das Problem als das anzunehmen, was es war – der größte antisemitische und antizionistische Skandal im bundesrepublikanischen Kunstkosmos und in diesem Zusammenhang auch eine mehr oder weniger unverhohlene Bedrohung für die Gesamtheit der jüdischen Community – konnte es eigentlich nur heißen: Zurück auf Start. Und genau da ist die Stadt Kassel nun seit dem November 2023, allerdings gänzlich unfreiwillig. Denn eigentlich stand ja die Kür der Findungskommission ins Haus mit der Benennung der KuratorInnen für die d16 im Sommer 2027. Das aber nicht aus Vernunft, nicht weil man aus den eklatanten Fehlern bei der d15 gelernt hätte. Nein. Man befindet sich nun im Reset–Zustand, weil erneut grobe Fehler gemacht wurden und man tatsächlich davon ausgegangen ist, einfach so weiter machen und weiter wurschteln zu können, ohne entsprechende Lehren aus dem d15 Debakel zu ziehen, ohne eine fundierte Würdigung des Gutachtens von Frau Prof. Deittelhoff vorzunehmen und ohne die Ergebnisse der noch laufenden Untersuchungen zur Organisationsanalyse für eine mögliche Strukturreform der documenta abzuwarten.

 

Dennoch bekommen wir nun, in einem ganzseitigen Interview mit Hans Eichel am 24. November 2023 in der HNA erneut zu lesen, dass im Prinzip alles bleiben soll, wie es ist und es ausreichend sei, dass in Kunst und entsprechende Ausstellungen erst dann eingegriffen werden kann und darf, wenn eine Straftat vorliegt. Damit ist Hans Eichel sicher nicht allein, aber die Position ist vollkommen unhaltbar und unzureichend. Letztlich ist sie unsinnig und derartige Einstellungen werden die documenta nicht retten und in Kassel halten. Bei der Frage, was Kunst darf, was also „erlaubt“ ist oder „erlaubt“ sein sollte, muss vielmehr als oberstes Kriterium gelten: Was ist moralisch vertretbar, was entspricht humanistischen Vorgaben und Essentials. Alles andere ist sekundär.

 

So lange die Spielregeln der documenta nicht so umgeformt sind, dass derartige Kriterien garantiert eingehalten werden können bzw. bei Fehlentwicklungen sicher und wirksam korrigierend eingegriffen werden kann, wird es keine weitere documenta geben. So muss z.B. gefragt werden: Ist es nicht zutiefst inhuman, sich kalt über die Sicherheitsbedürfnisse und Ängste von über 120.000 Jüdinnen und Juden hinweg zu setzen in einem Land wie Deutschland, das im Holocaust den millionenfachen Mord an Jüdinnen und Juden organisiert hat?

 

Nachdem das Bündnis gegen Antisemitismus (BgA Kassel) im Januar 2022 faktenreich und punktgenau analysierte, was da mit der d15 auf Kassel zurollen könnte, wollte das örtliche und verantwortliche Personal von unseren Warnungen nichts wissen. Gesprächsangebote, die wir u.a. Ex-OB Geselle unterbreiteten, wurden geflissentlich übergangen. Erst mit der Geschichtsstunde, die Bundespräsident Frank Walter Steinmeier bei der Eröffnung der d15 – während wir wenige Meter vom Fridericianum entfernt gegen Antisemitismus, Israelhass und BDS Verherrlichung auf eben dieser documenta demonstrierten – den beratungsresistenten, verantwortlichen Herrschaften aus Kassel wie auch den erlauchten VertreterInnen des Landes Hessen erteilte, dämmerte es dem einen oder anderen, dass die anfangs hochgelobten indonesischen Kuratoren vielleicht doch Hand anlegen könnten an eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte … Das galt natürlich erst recht, nachdem mit der notwendigen Abhängung des Werks von Taring Padi mit seinen antijüdischen Hetzbildern in Stürmer-Manier der Beweis für die Richtigkeit der Kritik am Ruangrupa Konzept erbracht war. Was da im Juni 2022 herauf dämmerte, sollte dann tatsächlich auch eintreten.

 

Bei allem Verständnis für das übergroße Bedürfnis, dieser vom Krieg so geschundenen Stadt, in der es dazu noch zu einem fatal in Szene gesetzten Wiederaufbau kam und in der auch danach viele städtebaulichen Großchancen verspielt worden sind (dafür ist das peinliche Gezerre um den Bau des documenta Instituts nur ein Beispiel!) etwas Welt-Kunst-Glanz schenken zu wollen, darf man sich bei der Lösung der d15-Problematik nicht krampfartig und katatonisch an das scheinbar goldene Erfolgsrezept der vergangenen Jahrzehnte halten. Nichts überdauert die Zeit und eine global renommierte Welt-Kunst- Schau derart lange – immerhin von 1955 bis 2022 – in einer nordhessischen Provinzstadt erfolgreich gehalten zu haben, verdient Respekt und darf gefeiert werden. Denn wer hätte das 1955 auch nur geahnt? Niemand. Ganz unstrittig war die lange Abfolge von meist großartigen Kunstausstellungen also ein wahrhaft großer Erfolg.

 

Nun aber scheint, nach der gründlich vergeigten und missglückten d15 und einer am Ende in eine trotzige und offen propalästinensische Propaganda-Show umgeschlagene Kunstausstellung, bedauerlicher Weise der Starrsinn über die Fähigkeit zur Selbstkritik zu obsiegen. Das ist traurig, weil eine Reform der Strukturen immer noch möglich wäre. Allerdings sind hierzu Einsichten und Konsequenzen erforderlich, die aus einer kritischen Analyse der gemachten Fehler für die Planung und Durchführung der d16 hervorgehen müssten. Danach sieht es gerade allerdings gar nicht aus.

 

Neben den spezifischen Fehlern in Kassel im Vorfeld der d15 und während der Jahre der Vorbereitung hat man natürlich auch hier tunlichst vermieden, über das Eigentliche zu sprechen und zu debattieren: Den Tatbestand nämlich, tausendfach belegt und schon lange offen diskutiert, dass der gesamte Kunst-, Ausstellungs-, Universitäts- und Kulturkosmos der BRD, ähnlich wie das in vielen anderen westlichen Staaten auch der Fall ist, seit Jahrzehnten von einer woken, antisemitischen und antizionistischen Strömung unterwandert worden ist! Offensichtlich brauchte es erst den Eklat, den Kasseler Monsterskandal, um all die vielen Gesundbeter dieser gespenstisch großen Szene, die es jahrelang einfach nicht wahrhaben wollten, aufzurütteln.

 

Bedauerlicherweise kam dieses Aufrütteln noch gar nicht während des documenta Sommers zustande: Die Kuratoren von ruangrupa wurden vielmehr, obwohl sie gegen Ende der 100 Tage die documenta im Handstreich zu einer propalästinensischen Polit-Show transformierten, für ihre Umtriebe noch mit zwei Gastprofessuren in Kassel und Hamburg belohnt. Das eigentliche Aufrütteln gab es erst nach dem 7.10.2023, dem bestialischen Massaker an Jüdinnen und Juden durch die Hamas. Als dann zwei der Herrschaften von ruangrupa, einen das größte Blutbad an Juden nach dem Holocaust verherrlichenden Post entsprechend likten, war das Geschrei groß. Und vermutlich auch der Erkenntnisgewinn. Natürlich haben die ruangrupas den Aufschrei vernommen und angesichts der massiven weltweiten Kritik, den Like für besagten Post zurückgenommen und Bedauern geäußert. Aber wer glaubt das noch? Ein großer Teil der Weltpresse hat in der ersten Jahreshälfte 2022 unsere Kritik an der Auswahl der Indonesier gelesen, verarbeitet und ist meist zu sehr kritischen Einschätzungen in Bezug auf das Konzept und die Personen um die d15 herum gelangt. Das wirkt bis heute nach und erklärt die Unruhe im Führungspersonal der Stadt und eben auch unter den oben erwähnten Ex-OB’s.

 

Nachdem die israelische Künstlerin Brache Lichtenberg Ettinger, in Paris und Tel Aviv lebend, nach dem 7. Oktober darum bat, man möge die Arbeit der Findungskommission wegen persönlicher Betroffenheit durch das Massaker der Hamas aussetzen, wollte man dort diesem Ansinnen offensichtlich kein Verständnis entgegenbringen. Frau Lichtenberg-Ettinger legte daraufhin ihr Amt in der Findungskommission nieder. Danach löste die übersehene, erneut nicht beachtete Unterschrift unter ein ebenso hässliches wie eindeutiges BDS-ähnliches Dokument des indischen Kommissionsmitglieds, Kurators, Schriftstellers und Kunstkritikers …, Ranjit Hoskoté, in Mumbai lebend, ein erneutes Medienecho aus, in dessen Folge Hoskoté sein Amt ebenfalls niederlegte. Zum Schluss werfen die vier verbliebenen Kuratoren der ganzen BRD den Fehdehandschuh zu mit dem trotzigen Kommentar: In Deutschland könne man, wenn es keinen freien Zugang zu Antisemitismus und Israelhass auf einer geförderten Weltkunstausstellung mehr gibt, nicht richtig (unabhängig und ungestört!) arbeiten. Also haben auch sie ihre Arbeit niedergelegt. Nun stehen Stadt und documenta eGmbH komplett blamiert im Regen und vor einem Scherbenhaufen. Letzterer, das scheinen inzwischen wohl die meisten begriffen zu haben, kann nicht mehr geräuschlos beiseitegeschafft werden. Das Gesamtszenario kommt nun tatsächlich in eine kritische Phase und könnte zum Aus für die documenta in Kassel führen.

 

Auch Harald Kimpel, ein ausgewiesener documenta-Experte, sieht jetzt durchaus die Möglichkeit, dass nach der d15 etwas zu Ende gehen könnte, was – wenn auch durch viele Krisen gestärkt und gestählt – lange währte und weltweit große Erfolge feierte. Natürlich auch zum Nutzen und Ruhm der Stadt, die ohne die documenta tendenziell ein bisschen nackt dastünde. Denn dieses Mal sind es keine Kunst-Auseinandersetzungen, die da und dort schon früher für kleinere Skandale sorgten, und es handelt sich auch nicht um die Überziehung beschlossener Haushalte, was ebenfalls zu erregten Debatten führte. Vielmehr hat man es jetzt mit einem ausgewachsenen politischen Groß-Skandal zu tun, den man mit Reförmchen, Goodwill – Verlautbarungen und/oder Durchhalteparolen, weil es so schön war mit Kassel und seiner documenta, nicht so einfach wieder wird eingefangen können.

 

Aber genau so haben es sich die Provinzfürsten unterschiedlicher Parteieinfärbung wohl mal wieder gedacht: Einfach so weitermachen wie bisher. Es wird schon werden.

 

Statt auf den schon erwähnten Bericht von Frau Prof. Dr. Deitelhoff sensibel und professionell zu reagieren und viele andere Warnungen ernst zu nehmen, statt die Sorgen und Ängste jüdischer Organisationen zu beherzigen, wollte man hier in Kassel einfach nur schon mal die nächste Runde einläuten. Auch trotziges Aufbegehren dem Bund gegenüber – den braucht niemand usw. – und das Ignorieren der zunehmend kritischen Verlautbarungen von Kultus- Ministerin Claudia Roth, helfen da nicht weiter.

 

Die Idee, 4 Ex-KuratorInnen flugs eine neue Findungskommission aus der Taufe heben und ebenso flott von denen neue Kuratoren aussuchen zu lassen, als wäre nichts passiert, ist dreist. Tendenziell dummdreist. Damit muss die Süddeutsche Zeitung nicht unbedingt richtig liegen, wenn sie die in Kassel für die documenta Verantwortlichen als „Dorfdeppen“ bezeichnet. Aus meiner Sicht sollte es besser heißen: Hybris kommt vor den Fall.

 

Mit der Auflösung der Findungskommission ist erst einmal der alte Zeitplan gegenstandslos. Und wenn die nächste documenta 2027 nicht stattfindet, ist zumindest – und das ist ein Gewinn bzw. könnte einer sein – etwas mehr Zeit zum Nachdenken. Was dringend nötig ist!

Ich bin nicht der Einzige, der den Niedergang der SPD im Allgemeinen, in Nordhessen im Besonderen und mit 100-prozentiger Treffsicherheit für die Kasseler SPD schon vor vielen Jahren vorhergesagte. Und ich weiß natürlich, dass sich – vielleicht mit der Ausnahme der beiden iberischen Parteien (PSOE in Spanien und PS in Portugal, bei deren „Geburt“ 1973 die SPD übrigens zahlkräftige Hebamme gespielt hat) – auch viele andere sozialdemokratische Parteien im Niedergang bzw. im freien Fall befinden. Wenn für den Niedergang der sich sozialistisch nennenden Parteien ein Bild benötigt wird: Schon 2017 musste sich die Sozialistische Partei Frankreichs (PS) von ihrem noblen Hauptquartier am linken Ufer der Seine in der noch nobleren „Rue de Solférino“ trennen. Geldmangel aufgrund katastrophaler Wahlergebnisse und radikalem Bedeutungsverlust! Damit will ich nicht sagen, dass die SPD bald aus dem Willy-Brandt-Haus ausziehen muss: Aber bald wird massiv gespart werden müssen … Das wird noch spannend. Denn wenn die SPD bei den nächsten Wahlen im Bund vielleicht sogar unter die 10 Prozent-Marke fällt, wird sie vermutlich viele ihrer noblen Karossen nicht mehr weiterfahren können.

Das ist mehr als eine Analyse wert, führt aber hier zu weit. Sagen kann man nur jetzt schon: Wenn sich die SPD nicht bald auf Inhalt und Begriff ihres eigentlich so schönen Namens besinnt, sondern weiter irrlichtert in neoliberalen Sackgassen und weiter versucht, in der Mitte und rechts von der Mitte auf Stimmenfang zu gehen, wird sie bald in der kompletten Bedeutungslosigkeit versinken. Ob die Armen mit Bürgergeld erniedrigt werden oder mit Hartz IV, ist letztlich egal: Es käme vielmehr darauf an, dass sich SPD auf die besinnt, die hart und oft ungesichert arbeiten, die mit 1-Euro-, Minijobs, Mindestlohn und anderen unregulierten Formen der Ausbeutung gequält werden, gar keine Arbeit haben, studieren oder krank sind: Also auf alle diejenigen, die in diesem neoliberalen Land ökonomisch an den Rand gedrängt werden und die es schwer haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Völlig unabhängig davon, wie die Politiker, die Medien, die großen Unternehmen und die trotz weitverbreiteter öffentlicher Armut wachsende Zahl an Super-Reichen über die tiefe Spaltung der bundesdeutschen Gesellschaft so reden: Der Zustand der BRD ist katastrophal! Die früher mal als Partei der kleinen Leute geltende SPD traut sich nicht einmal mehr, die Vokabel Vermögenssteuer in den Mund zu nehmen oder sie in ihre Programme zu schreiben …

Das Wahlergebnis bei den letzten hessischen Wahlen im Oktober 2023 zeigt ein Bild des Jammers: Ganz Hessen, das ja mal ein rotes Bundesland war, ist nun tiefschwarz. Von den 55 Wahlkreisen gingen 52 an die CDU, 3 an die Grünen. In Kassel, wo über Jahrzehnte ohne die Zustimmung der SPD kein Sack Reis umfallen durfte, kräht kein Hahn mehr nach ebendieser SPD. Kassel ist insofern allerdings eine Besonderheit, das muss man in Erinnerung rufen, als hier der letzte Oberbürgermeister eigenhändig die Säge an den Stamm der Partei angesetzt hat. Ohne diesen Herrn Geselle, den Unsäglichen, wäre die Niederlage hier vielleicht nicht ganz so dramatisch ausgefallen. Was aber auch kein wirklicher Trost ist.

Ohne allzu weit in die Geschichte der SPD einzutauchen, also nicht bis zur Zustimmung zu den Kriegskrediten für den 1. Weltkrieg 1914 oder den Berufsverboten in den 70igern (wo Willy Brandt ja mehr Demokratie wagen wollte!): Bei der SPD muss auf jeden Fall ein radikaler Kurswechsel stattfinden. Der wird das Land noch intensiv beschäftigen und er muss – wenn die furchtbaren Kriege gegen die Ukraine und gegen Israel dann vorbei sind – rasch in Angriff genommen werden. Gründlich, mutig, intelligent: Sonst landet die Parteizentrale doch noch in der Spree!

Für das gesamtdeutsche Projekt dieses notwendigen Wandels wage ich jetzt noch keine Prognose, auch weil Leute wie Kevin Kühnert sich jetzt noch vor allem und nahezu ausschließlich mit dem Konfliktmanagement in der trostlosen Berliner Ampel beschäftigen müssen. Aber auch diese Etappe geht vorbei und dann stehen die angesprochenen SPD-Entscheidungen über ihre Zukunft auf der Tagesordnung …

Was die notwendigen Reformen hier bei uns in der Region anbetrifft, kann ich schon mal so was wie eine Mini-Prognose wagen: Und die sieht düster aus. Das Bild dafür stammt aus der letzten Vollversammlung des Zweckverbandes Raum Kassel (ZRK*), die am 20.09.2023 im Kasseler Rathaus stattfand. Angesichts des Tatbestandes, dass in den ehemaligen nordhessischen SPD-Hochburgen par excellence, Kassel und Landkreis Kassel, die Wahlergebnisse in den vergangenen Jahren immer magerer ausgefallen sind, während die CDU z.B. immer stärker wird, leider auch die AfD, hätte die SPD die Möglichkeit gehabt, bei der Nachwahl für einen stellvertretenden Vorstandsposten der CDU ein Angebot zu machen. Aber nix da! Mit ihrer aktuell noch vorhandenen Mehrheit besetzt die immer noch machtbesoffene SPD den freien Platz wieder mit einer Genossin, der SPD-Bürgermeisterin von Baunatal, Frau Manuela Strube. Obwohl die SPD genau weiß, dass das den aktuellen Machtverhältnissen in der Region überhaupt nicht mehr entspricht.

Ich, als Parteiloser auf dem Ticket der Linkspartei in diesem Parlament, habe mich darüber genauso geärgert wie die CDU-Fraktion, die mit einem respektablen Gegenkandidaten ins Rennen gegangen ist: Mit Herrn Bürgermeister Karsten Schreiber.

Daran erkennt man deutlich, wie es im Inneren der Partei aussieht: Die schwarz-grüne Welle rollt heran (Hessen hat sie ja gerade unter Wasser gesetzt!), aber hier im ZRK wird schnell noch „eine Rote“ in ein Amt gehievt. Kein Gespür für Wandel und kollegiale Gesten. Nur Klüngel und Machterhalt – wenn auch für nur noch kurze Zeit.

Was gibt es Tröstliches? Der nächste Vorstand des ZRK wird vollkommen anders aussehen. Ganz anders!

*Der Zweckverband Raum Kassel (ZRK) ist eine durchaus bedeutsame kommunalpolitische Institution und Instanz. Nach seiner Satzung und Geschäftsordnung hat dieser Verband nicht nur die Aufgabe, für alle Gemeinden und Städte, die ihm angehören – als da sind Kassel, Ahnatal, Baunatal, Calden, Fuldabrück, Fuldatal, Kaufungen, Lohfelden, Niestetal, Schauenburg und Vellmar – den Kommunalen Entwicklungsplan, den Flächennutzungsplan, den Landschaftsplan und sonstige gemeindeübergreifenden Entwicklungsmaßnahmen aufzustellen und fortzuschreiben. Der ZRK ist darüber hinaus auch mit der Wahrnehmung von interkommunalen Aufgaben und Projekten dann zuständig, wenn er hierfür einen Auftrag erhält. Hierzu gehörte z.B. das interkommunale Projekt des Güterverkehrszentrums. Auch beim Flughafen Calden ist der ZRK eingebunden gewesen, u.a. bei der Entwicklung eines neuen, rund 80 Hektar großen Gewerbegebiets im Bereich des alten Flughafens. Man kann sagen, dass praktisch bei allen relevanten raumgreifenden oder raumbeanspruchenden Maßnahmen der ZRK, meist über die Flächennutzungsplanung, mit im „Geschäft“ ist. Neben den beiden Ausschüssen, Finanzen und Planung, in denen zu fassende Beschlüsse vorbereitet werden, ist die Verbandsversammlung (VV) der Ort, quasi die Legislative, in der die Entscheidungen über die Inanspruchnahme bestimmter Flächen letztlich fallen. Der Vorstand bereitet viele dieser Beschlüsse vor und hat letztendlich das Sagen .

Auf die Frage, ob die Hamas für Herrn Tubail eine Terrororganisation sei, die nicht nur Juden wegen ihres Jüdischseins abschlachtet, darunter Babys und viele andere kleine Kinder, teils geköpft, teils „nur“ erschossen, sondern auch die eigene Bevölkerung erneut als Schutzschild benutzt, wie in allen bisherigen kriegerischen Auseinandersetzungen mit Israel, meint doch dieser Herr: „Ich würde den Begriff nicht benutzen.“

Was aber heißt das? Selbst angesichts der Tatsache, dass am 7. Oktober 2023 das blutigste Pogrom an Juden nach der Shoah stattgefunden hat, möchte Herr Tubail das Wort Terrororganisation für die Schlächter der Hamas aus dem Gaza Streifen nicht in den Mund nehmen. Spätestens hier hätte das Interview zu Ende sein müssen. Allerspätestens. Aber es geht weiter und Herrn Tubail wird eine Bühne zur Verfügung gestellt, von der aus er all seine politisch abstrusen Theorien über den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ausbreiten kann und darf.

Dass Herr Tubail sich nach den furchtbaren Ereignissen vom 7. Oktober, die wie der 11. September 2001 ein neues Kapitel in der Weltgeschichte aufschlagen werden, Sorgen um seine Verwandten macht, denen Israel nun auch das Internet lahmgelegt hat, kann man durchaus verstehen. Was man jedoch überhaupt nicht begreift, ist die völlige Empathielosigkeit von Herrn Tubail allen Juden in Israel gegenüber, und nicht nur den vom Massaker direkt betroffenen Familien. Angesichts der Tatsache, dass der Raketenterror der Hamas ja täglich weitergeht.

Genauso fehlt die Anteilnahme den Jüdinnen und Juden in aller Welt gegenüber, die nun wieder um ihre physische Unversehrtheit fürchten müssen. Dass alle Jüdinnen und Juden allüberall, auch die, die hier bei uns und in allen Teilen der nicht „judenfreien“ Welt, jetzt wieder Ängste haben um ihre Sicherheit und bloße Existenz, ist unfasslich. „Judenfrei“, das sei hier nur nebenbei eingeflochten, sind nicht nur der Gazastreifen und die von der Palästinensischen Autonomiebehörde kontrollierten Gebiete der Westbank, sondern fast alle arabischen Länder, die auf mehr oder weniger blutige Art und Weise alle Juden nach der Staatsgründung Israels aus ihren Ländern vertrieben haben …

Eine kurze Schlussbemerkung. Hätte Herr Lohr von der HNA Herrn Tubail die Frage gestellt: Sie wissen doch bestimmt, dass es ein flügeltes Wort gibt, das in etwa so lautet: „Legt die Hamas die Waffen nieder, gibt es Frieden in Nahost, zumindest jedoch an der Südgrenze Israels. Legt Israel die Waffen nieder, wird das Land überrannt von der Hamas und alle Israelis finden den Tod.“ Gibt ihnen das nicht zu denken?

Aber auch darauf hätte Herr Tubail vermutlich erneut das Für und Wider abgewogen und sich natürlich nicht vom mörderischen Terror und Treiben seiner Glaubensbrüder distanziert.

Es ist nicht nur die Aufgabe von Politik, sich in dieser Situation klar und eindeutig an die Seite Israels zu stellen. Vielmehr ist es auch erforderlich, dass die Presse aufklärt und nicht unnötig den Relativierern einen derartigen Platz einräumt: mehr als eine halbe Zeitungsseite! Nur um Meinungen kund zu tun, die einfach nur unfasslich sind …

Meine Einlassung bezieht sich auf einen Artikel in der HNA vom 18.10.2023

 

https://epaper.meinehna.de/webreader-v3/index.html#/956351/4-5

Viele haben nicht richtig gelegen mit ihren Prognosen, was die OB Wahlen am 12. März 2023 angeht. Ich jedoch schon.

Bereits am 12. September 2022 habe ich in einem Artikel mit der Überschrift, OB Geselle möge seinen Job endlich an einen Profi oder eine besser dafür Geeignete abgeben, treffsicher beschrieben, wie die Ära Geselle wohl enden wird. Visionär ist dafür eher nicht das richtige Adjektiv, vielmehr die korrekte Analyse der schon im September sich abzeichnenden Ereignisse. Am Ende meines Artikels, der die wesentlichen Kritikpunkte an OB Geselles Amtszeit noch einmal zusammengefasst hat, wagte ich folgende Prognose:

„Wenn Sie (gemeint ist OB Geselle) unbedingt wissen wollen, wie beliebt Sie sind, dann können Sie ja als Solist kandidieren. Das ist ihr gutes Recht. Ich rate Ihnen allerdings davon ab, weil Ihre Eitelkeit vermutlich nach Verkündigung des Wahlergebnisses im Frühjahr 2023 Schaden nehmen könnte.“

Hier kann man das in voller Gänze noch einmal nachlesen …

Und nun, am Sonntagabend, also am Wahltag des 12. März 2023, ist es genau so gekommen. Im Prinzip zumindest. Denn eins ist glasklar: Vor allem Geselles Ego und seine Eitelkeit haben „Schaden genommen“ und sind nun erheblich geschrumpft, auf Normalmaß! Den größten Schaden allerdings trägt die „ruhmreiche“ Kasseler SPD davon. An dem in erster Linie vom Noch-OB Geselle angerichteten Flurschaden wird die SPD noch lange zu tragen haben, vermutlich schon bei den bald anstehenden Landtagswahlen in Hessen …

Als ich meine Prognose auf den Wahlausgang der OB Wahlen wagte, war noch längst nicht klar, dass aus dem parteiinternen SPD-Streit ein derartiges Debakel erwachsen würde. Aber man konnte sehr wohl erahnen, dass aus der mutwilligen Zertrümmerung von Partei und Fraktion tatsächlich eine Solokandidatur gegen die eigene Partei herauskommen könnte. Was im Übrigen andernorts schon andere Egomanen, teils mit, teils ohne Erfolg, vorexerziert hatten … Meine Prognose wagte ich nicht, weil es die Spatzen schon vom Rathausdach gepfiffen hätten! Nein, vielmehr habe ich mich zu ihr animiert gefühlt, weil eben das – die eitle Solokandidatur – genau zu Geselles egoistischem Verhalten und seiner übergroßen Selbstbezogenheit passte. Haarnadelgenau!

Nun hat Geselle am besagten Wahltag im Verhältnis zur Wahl vor 6 Jahren 25 Prozent der Stimmen verloren und nur noch einen Mini-Vorsprung vor seinem eigentlichen Herausforderer von den Grünen, Herrn Dr. Schoeller, gehabt. Da Geselle nicht blöd ist, war ihm kurz vor dem Ende der sonntäglichen Hessenschau schon klar, dass er zur Stichwahl gar nicht mehr anzutreten braucht. Niemand kann natürlich genau sagen, weil das auf reine Spekulation hinausliefe, wie das Rennen ausgegangen wäre: Aber sowohl Geselle als auch mir war klar, dass mit dem Wahlergebnis der Traum vom Solotrip zur zweiten OB-Wahl ausgeträumt war. Deshalb ist Geselle feig und flink ins Gebüsch gehüpft: Von einer bösartigen Kampagne gegen ihn schwafelnd, die es allerdings so gar nicht gab.

Das anonyme Schreiben eines nicht existierenden „Frauen-Widerstandes“, verteilt ausschließlich im Kasseler Rathaus, verdient nicht, dass man sich damit näher beschäftigt. Durch Geselles Selbstanzeige beim RP als Kommunalaufsicht ist das Machwerk quasi aus der Welt. Es hatte weder einen Beitrag zum Wahlkampf geleistet, noch das Image des Oberbürgermeisters wirklich angekratzt. Alle Parteien und alle OB KandidatInnen haben sich von dem Machwerk klar, eindeutig und sofort distanziert. Weitere Verleumdungen oder Diffamierungen hat es schlicht nicht gegeben.

Dass Geselle und seine Fan-Gruppe dennoch so sehr auf Diffamierungskampagne machten, hat einen ganz anderen Grund: Die Internetseite „geselligeWahrheiten.de“, dessen Impressum die Herausgeber korrekt benennt und damit den Standards des Presserechts im Internet genügt, hat objektiv den Wahlkampf bereichert. Zu 18 Themenfeldern werden hier – vom vergeigten Verfahren um das documenta Archiv über den ausmanövrierten Radentscheid bis hin zum Versagen in der Klimapolitik viele Kritikpunkte faktenreich und korrekt aufgelistet, belegt und bewertet. Damit diese Veröffentlichung im Netz seine aufklärerische Wirkung erst gar nicht entfalten konnte, musste massiv mit Dreck geworfen und mit bösartigen Unterstellungen gearbeitet werden. Genau dafür musste die Boy- und Girl-Gruppe der Geselle Fans herhalten! So konnte diese auf Fakten und Informationen beruhende Seite ihre Wirkung möglicherweise gar nicht erst entfalten. Was aber Spekulation ist.

Fest steht, dass diese fleißige und facettenreiche Aufarbeitung Gesellescher Politik nichts, aber auch gar nichts mit Verleumdung oder Diffamierung zu tun hat. Auch die Familie des OB’s spielte hier (natürlich) keine Rolle. Dass die hohe Qualität der Beiträge dennoch ohne AutorInnen – Nennung veröffentlicht worden ist, wirft ganz andere Fragen auf, als es die Geselle Verteidiger sich vielleicht träumen lassen. Da es sich bei den AutorInnen vermutlich meist um MitarbeiterInnen des Rathauses, der Universität und/oder Rathaus affiner Unternehmen handelt, haben sie sich – der Arm eines OB’s kann lang sein (!) – vielleicht einfach nicht getraut, sich mit ihrer Kritik zu outen. Ich frage Sie als LeserInnen der Kassel-Zeitung: Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen für einen OB, wenn dem so sein sollte? Ich meine jedenfalls, dass – hätten alle WählerInnen vom letzten Sonntag diese Texte auf der „geselligeWahrheiten.de“ Seite tatsächlich gelesen – Geselles Wahlergebnis noch viel schlechter ausgefallen wäre …

Im Übrigen muss jeder Mensch, Mann oder Frau, die oder der sich in diesem Land für ein so herausgehobenes öffentliches Amt zur Verfügung stellt, mit Kritik und Anfeindungen unterschiedlichster Art rechnen. Das ist leider ein bedauerlicher Tatbestand, der durch die Umtriebe im Internet an Widerwärtigkeit noch deutlich zugenommen hat. Während andere PolitikerInnen jedoch tatsächlich bedroht wurden und sogar oft schon physisch angegriffen und sogar verletzt wurden (Beispiel Köln) oder brutal bedroht und beschimpft worden sind (Bespiel NSU 2.0), hat Geselle nur den o.a. anonymen „Frauen-Widerstandsbrief“ erhalten bzw. ertragen müssen. Der Besuch von vermummten Gestalten vor Geselles Privatgrundstück ist, zugegeben, unangenehm und natürlich zu verurteilen, aber in der kolportierten Form auch eher harmlos. Wo hier eine Familie der realen Bedrohungen ausgesetzt bzw. ein Kommunalpolitiker durch eine Diffamierungskampagne zur Aufgabe seiner Karriere gezwungen sein sollte, bleibt schlicht ein Geheimnis des baldigen Ex-OB‘s.

Fazit, falls eins nötig ein sollte: Geselle hat den Wahlkampf verloren, weil er keine Mehrheit in der Bevölkerung für eine Fortsetzung seiner Art von Politik gefunden hat. Das ist ein gutes Zeichen für Kassel. Denn nun könnte es – vielleicht – endlich auch mal mutigere Veränderungen, sogar in Kassel, geben? Statt einer tendenziell dem Auto verpflichteten, dem Klima schadenden und einer sozial immer noch an den eher Wohlhabenden und den unternehmerisch Tätigen ausgerichteten SPD Politik könnten nun neue Ufer angestrebt werden. Eigentlich. Inwieweit derartige Hoffnungen allerdings berechtigt sind, muss sich erst noch zeigen. Denn: Allzu ideenreiche ökologisch-soziale Veränderungen werden die jahrzehntelang eher zahmen und einfallslos agierenden GRÜNEN, mit einer Koalition von FDP und CDU im Schlepptau, sich wohl kaum trauen.

Zu gerne würde ich mich irren …

Wäre Kommunalpolitik bloß Kirchturm – Politik, müsste man sich als Ahnataler nicht darum kümmern, welchen OB sich die Kasseler BürgerInnen am Sonntag aussuchen. Aber die Kommunalpolitik in Kassel ist wichtig, auch für die BewohnerInnen des Speckgürtels um das Oberzentrum Kassel herum. Fallen hier doch wichtige Entscheidungen in der Mobilitäts-, Klima-, Kultur- und Bildungspolitik, die unmittelbaren Einfluss auf die Umlandgemeinden des Landkreises haben. Deswegen ist es alles andere als egal, wer in den ausgesprochen wichtigen nächsten Jahren in Kassel auf dem OB – Sessel sitzt.

Ich sage es ganz offen, mit Namen und Adresse: Geselle hat auf keinen Fall das Zeug, ein guter Oberbürgermeister für Kassel zu sein und er verdient es nicht, dass man ihm erneut das Vertrauen für ein derart wichtiges Amt ausspricht.

Dazu habe ich mich in den vergangenen zwei Jahren schon verschiedentlich kritisch geäußert. Wer Lust und Zeit, kann das – den beigefügten Links folgend – hier noch einmal nachlesen.

Treten Sie zurück, Herr Geselle und überlassen Sie das Amt einem Profi!

Und sie wollen nicht hören! Debakel in der Verbandsversammlung des Zweckverbandes Raum Kassel/ZRK

Antisemitismusauf der documenta fifteen d15 oder Nachhilfeunterricht für einen Oberbuergermeister

OB-Geselle-überfordert

Das Mobilitätsdrama der Kasseler SPD und kein Ende!

Alle warten auf das Ergebnis eines OB Solos in Sachen documenta Institut

Entscheidend für mich – weil man die lange Liste Geselleschen Versagens gar nicht mehr aufzählen mag – ist sein Handeln in der Umwelt- und Klimapolitik (beispielhaft sei hier nur der unsinnige Versuch erwähnt, die zweite Eisporthalle in eine Frischluftschneise auf den Giesewiesen zu bauen), in der Stadtentwicklung (das Drama um den Standort für das documenta Institut hat man noch gut in Erinnerung) und in der Verkehrspolitik (beispielhaft sei hier nur sein Großversagen in der Radverkehrspolitik erwähnt) … Auch wie Geselle in aller Öffentlichkeit seinen Magistratskollegen Nolda von den Grünen in der Presse durch den Dreck gezogen hat, ist ganz ohne Frage ein Nachweis dafür, dass so ein Politiker-Typ ungeeignet ist für den Job als OB. Sein Verhalten der eigenen Partei gegenüber, als ihm wegen seines üblen Politikstils nicht mal mehr Partei und Fraktion folgen wollten, zeigt ein vollkommenes Unverständnis für parlamentarische Spielregeln und Gepflogenheiten. Er stellt sich schließlich gegen die eigene Partei, ohne die er heute vermutlich noch Polizist wäre. Denn die eröffnet ihm eine kleine Karrieremöglichkeit: vom Kämmerer zum OB Kandidaten. Ohne die SPD wäre er nie OB geworden.

Den allerletzten Beweis für seine geballte Inkompetenz liefert Geselle in der Antisemitismus Krise während der d 15: Hätte er auf die Hinweise des Bündnisses gegen Antisemitismus schon im Januar 2022 gehört, wäre möglicherweise alles anders gekommen. So aber musste er sich, wie ein Klippschüler vom aus Berlin angereisten Bundespräsidenten die Leviten lesen lassen. Ich werde nie vergessen, wie während der Eröffnungszeremonie Geselle angesichts der Kritik des deutschen Staatsoberhaupts die Gesichtszüge entgleisten … Nach der Enthüllung des Taring Padi – Kunstwerks auf dem Friedrichsplatz war es dann ohnehin vorbei mit lustig und Kassel stand monatelang und weltweit in der Kritik.

Und nun, nachdem aufgrund seiner Fehler und seines Versagens auf nahezu allen relevanten Politikfeldern Kassel inzwischen von Grün/Schwarz/Gelb regiert wird, bläst er zum letzten Gefecht und bittet seine UnterstützerInnen um Schützenhilfe. Und das bedauerlicherweise scheint nur mit Diffamierungen zu gehen.

Insgesamt, wenn man Wahlkampf-Schlamm-Schlachten in anderen Teilen der Republik oder gar der Welt anschaut, ging es im Kasseler Wahlkampf eher gemütlich, brav provinziell und alles in allem gesittet zu. Von Schmutzkampagnen, wie in der Hauspostille HNA zu lesen war, kann eigentlich keine Rede sein. Ein einziger anonymer Brief (von einem sog. Frauenwiderstand!?), von dem sich alle Parteien und alle Gegenkandidaten glasklar distanziert haben, ist eigentlich kein Grund, die Geselle-Fans in den Empörungsmodus oder gar in Wallung zu versetzen. So was ignoriert man. Anonym jemanden – egal wen – zu beschimpfen ist zwar ein Zeichen unserer Zeit, weil das im Internet und den sozialen Medien weite Verbreitung gefunden hat, muss aber nicht über Gebühr kommentiert werden.

Ganz anders verhält es sich mit der mit einem Impressum versehenen Internetseite „geselligeWahrheiten.de“. Auf dieser Seite finden sich kritische Würdigungen von Geselles Leistungen, Fehlern, Versäumnissen, Lügen und Halbwahrheiten in seiner Amtszeit. Derartige Kritik ist natürlich erlaubt, nötig und dient der Information von WählerInnen.

Wer irgend die Zeit bis zum Wahltermin noch hat, sollte diese Seite und die dort zusammen getragenen Artikel unbedingt lesen und studieren. Ein sehr interessantes Informationsmaterial zu den OB Wahlen: erstklassig recherchiert und gut in Szene gesetzt. Dass diese ausgesprochen faktenorientierte Seite den Jubel-PerserInnen von Geselle nicht gefällt, ist klar. Statt sich aber mit den auf „GESELLIGE WAHRHEITEN“ ausgebreiten Inhalten und Fakten zu beschäftigen, werden die AutorInnen dieser Seite pauschal und übelst beschimpft.

Ich hoffe, dass mit dem kommenden Sonntag diese unrühmliche OB Episode beendet werden kann und Geselle hoffentlich bald was anderes macht, als die Mehrheit der Kasseler BürgerInnen zu nerven.

Die Herren Großmann (RWE) und Teyssen (EON) haben der Kanzlerin klar gezeigt, wo‘s lang geht bzw. wie lange die teils überalterten und höchst störanfälligen AKW’s der BRD noch zu laufen haben. Damit haben die beiden bzw. ihre Aktionäre in den nächsten Jahren viel Grund zur Freude – kaum getrübt durch die jährlichen 2,3 Milliarden Steuer auf die unglaublichen 120 Milliarden Extra-Gewinne. Ganz offensichtlich haben die Protesttage im April diesen Jahres im Norden Deutschlands mit der 120.000 Menschen umfassenden Menschenkette und jüngst im September in Berlin mit der beeindruckenden Demo vor dem Kanzleramt nicht ausgereicht, um der Kanzlerin und ihren Ministern klarzumachen, dass ein derart fauler Kompromiß – am Ende dann noch als „Revolution“ verkauft – von der großen Mehrheit der Bürger in Deutschland abgelehnt wird.

Die energiepolitischen Fakten nach dem „revolutionären“ Beschluss der Bundesregierung lassen sich kurz und knapp zusammenfassen: Der atomare Müllberg wird weiter anwachsen, bei nach wie vor ungelöster Entsorgung. Statt auf die steuerfreien Rückstellungen der Energiekonzerne zurückzugreifen, die bei ca. 30 Milliarden Euro liegen, zahlt der Steuerzahler die Sanierung des maroden Atommülllagers Asse ganz allein. Warum eigentlich? Für die Atomkonzerne springen, auch weil die 2,3 Mrd. pro Jahr jetzt sogar noch steuerlich absetzbar sind und sich damit um ca. die Hälfte reduzieren, gigantische Extraprofite heraus. Die Aktionäre jubeln und stellen von Wasser auf Sekt um. Es wird nur minimale Sicherheitsauflagen und Investitionen in weitergehende Sicherheit geben, das geht aus den inzwischen nicht mehr geheimen Zusatzverträgen zwischen der schwarz-gelben Regierung und den 4 großen Energieversorgern klar hervor. Atomstrom wird jetzt bis weit nach 2050 die Netzte verstopfen und den zügigen Weg in die erneuerbaren Energien blockieren. Der Werbeslogan von der wohlklingenden Brückentechnologie ist eine platte Lüge, die sich für die Steuerzahler als teuer und die Umwelt und die Gesundheitsvorsorge als bittere Tatsache erweisen wird: ganz ohne Supergau!

Vor allem aber: die Macht der Atomkonzerne im Stromgeschäft wird zementiert, weil sie mit den Gewinnen nicht den erneuerbaren Energien zum Durchbruch verhelfen werden, vielmehr alles in ihren Kräften Stehende unternehmen werden, die umweltfreundliche und demokratische Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen oder massiv zu behindern. Der Beschluss dieser Regierung ist Beweis, was die 4 Energieriesen mit ihrer politischen und ökonomischen Macht anfangen. Technisch und wirtschaftlich wäre der schnelle Wechsel zu den erneuerbaren Energien in 2 Jahrzehnten möglich gewesen. Der erfolgreiche Umstieg hätte uns allen die Kosten für Klima-, Umwelt und Gesundheitsschäden zum größten Teil erspart. Reihen wir uns deshalb ein in die laufen Proteste gegen den Atomirrsinn, denn die Proteste werden andauern und zu den Castortransporten einen neuen Höhepunkt erreichen. Was uns vor allem zu interessieren hat, sind die Konsequenzen für die städtischen Werke. Durch den Beschluss in Sachen AKW-Laufzeit-Verlängerung werden ihnen Knüppel zwischen die Beine geworfen, weil ihre Anstrengungen, sich vom Atomstrom abzukoppeln, konterkariert werden.

Warum tut sich einer so was an? Warum das ganze Wahlkampftheater mit den vielen Auftritten, den nervigen Interviews? Warum halst sich einer so viel zusätzliche Arbeit mit Veranstaltungen, Infotischen, Sitzungen auf? Warum verzichtet einer auf so viele Stunden zu Hause, zum Lesen, zum Entspannen etc.?

Ist es Kai’s Eitelkeit? Möchte er zu den vielen Jobs, die er schon hatte und hat, der vielen Arbeit in seiner Firma, den jetzt schon vielen Sitzungen in Rathaus und Fraktion noch neue hinzufügen? Glaubt er, dass auch in Kassel die Zeit für die Ablösung des Oberbürgermeisters aus den Reihen einer der sogenannten großen Parteien gekommen ist, wie in Tübingen oder andernorts Der Frage lohnt es sich nachzugehen. Oder anders gefragt: Was sind eigentlich Kai Boeddinghaus‘ Motive, B. Hilgen 2011 herauszufordern?

Als Parteiloser bemüht sich Kai im Herbst 2005 um einen Listenplatz im schon erfolgreichen Bündnis der Kasseler Linken. Er bekommt diesen Platz und zieht im Frühjahr 2006 mit der auf 5 Sitze angewachsenen Fraktion in die Stadtverordnetenversammlung ein. Gut zum Team passend und seiner bisherigen Lebensphilosophie treu bleibend, steigt Kai in den Ring und engagiert sich an vielen Fronten. Er wird zum Spezialisten der Fraktion für Haushaltsfragen und damit gleichzeitig zum „besten Freund“ von Dr. Barthel. Auch mit dem OB muss er sich permanent anlegen. Und es ist egal, ob es um klassische soziale und damit Gerechtigkeitsfragen geht oder um Fragen, wo und wie das Geld ausgegeben wird in dieser finanzschwachen Stadt. Kai macht Furore – im besten Sinne furcht- und respektlos, rhetorisch brillant, immer gut vorbereitet. Schön für uns, dass die anderen Fraktionen so ein „Kaliber“ nicht in ihren Reihen haben!

Mit dem amtierenden OB gibt und gab es deswegen ein Problem, weil er seine wesentlichen Versprechungen nicht eingelöst hat. Er hat nicht nur den Mann, den er anfangs selbst rausschmeißen wollte – eben diesen Dr. B. – nicht nur seinen Magistratssessel nicht weggenommen, was das einzig richtige gewesen wäre, sondern ihn in seinem Amt belassen. Und um das Maß voll zu machen, überlässt er ihm auch weiterhin die Rolle als Vollstrecker in Sachen Sozialpolitik. Dass die Gerichte gegen dessen Treiben inzwischen mehrfach einschreiten mußten, hat Kai immer dem OB angelastet. Dass der von seinen vielen Versprechungen nichts eingelöst und die vielen dicken Bretter, die er sich rühmte, durchbohren zu wollen, nur angebohrt hat, auch das hat ihm Kai übel genommen: wo ist die Regionalreform geblieben, wie sieht es mit der Bürgerbeteiligung aus und was ist mit den Ortsbeiräten, die er aufwerten wollte? Alles Fehlanzeige. Unsere Positionen hat er immer missachtet und nun baut er, seinem Kämmerer lammtreu ins Debakel folgend, das neue Multifunktions- und Spaßbad am falschen Standort, wie wir tausend Mal nachgewiesen haben, zusammen mit vielen anderen kompetenten, engagierten Menschen, Fachleuten und Organisationen. Auch den Flughafen, der sich zum Fluchhafen mausern wird, schickt er sich an zu bauen, obwohl schon heute klar ist, wie das Ganze ausgeht: die Region wird nicht aufsteigen in den Olymp moderner und umweltfreundlicher Mobilität, vielmehr wird das Projekt in einem ökologischen und finanziellen Desaster enden. Hier im Parlament kann Kai jetzt, aber das nur nebenbei, an sein jahrelanges Engagement im Kampf gegen dieses unselige Flughafen-Projekt anknüpfen, als er sich streitbar und laut gegen die IHK stemmt, die scheinbar im Namen aller Betriebe der Region Kassel vehement für eben diesen fatalen Ausbau von Calden eintritt.

Dem aufmerksamen Beobachter wird es in den vergangenen 4 ½ Jahren nicht entgangen sein, dass Kai in erster Linie ein Gerechtigkeitsfanatiker ist. Und wäre die Stadtverordnetenversammlung jedes Mal gefüllt wie eine Arena oder das Auestadion, müsste dieser Artikel gar nicht geschrieben werden. Denn dann wüßten die Kasseler Bürgerinnen und Bürger genau, was Sie an ihrem Kai Boeddinghaus haben und was ihn antreibt, u.a. auch zu dieser Kandidatur. Er ist einer, der das ewige Geschwätz – auch in der Kommunalpolitik in Kassel – von der Alternativlosigkeit in so vielen Angelegenheiten nicht mehr hören kann. Er sieht immer wieder, wie das Geld an der falschen Stelle verpulvert und immer wieder an den „kleinen Leuten“, die keine Lobby haben, gespart wird. Exemplarisch ist dafür die Sparerei bei den Ärmsten der Armen und deren Kosten für Unterkunft, Heizung etc. Diese Form von Sparen am Notwendigsten bei den Bedürftigen der Stadt, das hat ihn auf die Palme gebracht, das hat ihn veranlasst, das ganze Instrumentarium des Parlamentarismus zu nutzen, bis hin zu Sondersitzungen an Weihnachten, unter anderem. Da haben sie alle Kai mal richtig kennengelernt. Nicht aufgeben, immer nachhaken, immer unbequem bleiben. Und immer kompetent. Dass diese Kompetenz nicht vom Himmel fällt, sondern Fleiß, Einsatz, Lernen und Engagement verlangt, soll hier auch mal angemerkt werden.

Kai kandidiert, weil es notwendig ist. Weil der Amtinhaber viele Fehler macht, weil er die falschen Leute an der falschen Stelle arbeiten lässt, weil er seine Versprechen nicht einhält und eigentlich eine zweite Amtszeit nicht verdient hat. Und: weil er Vieles, von dem was zu tun wäre – eine neue Mobilitäts-, eine innovative Gewerbe-, eine sorgsame Ökologiepolitik und eine gerechtere Sozialpolitik nicht anpackt.

Wir finden: Würde Kai OB werden, wäre das gut für Kassel. Wenn er es nicht wird, wofür einiges spricht, wird sein gutes und achtbares Ergebnis den Amtsinhaber erkennen lassen, wo seine Schwächen und Fehler liegen. Vielleicht wird er ja einiges dann anders machen, in seiner zweiten Legislaturperiode. Wenn nicht, werden wir ihm, wie bisher, kluge, bissige und nicht nachlassende Kritiker und Ratgeber bleiben. Alles Weitere über Kais Ziele, seine Projekte, was ihm politisch am Herzen liegt und über seinen Wahlkampf – auch wie Sie ihn buchen können für eine Diskussion in Ihrem eigenen Umfeld – finden Sie im Internet, unter: www.kai-boeddinghaus.de

 

Wir haben uns in den letzten Wochen im Umfeld des Flughafens umgesehen und sind
dabei aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Überall wird die Landschaft von Straßen und Zuwegungen zersägt und zerschnitten!

Nehmen Sie sich doch auch mal die Zeit für einen Sonntagsspaziergang und schauen Sie mal, was da so alles läuft und passiert. Wer die Gegend um Calden bisher für seine Radtouren und Spaziergänge zu schätzen wusste, muss umdisponieren und den Bereich zukünftig großräumig umfahren.

Und das gilt schon für die Bauzeit, nicht nur für die Phase des späteren Betriebes. Wer da wohnt, hat allerdings das Nachsehen.

 

Jahrgang 4, 3/10

In Kassel OB zu sein, scheint auch für Bertram Hilgen nicht ganz so einfach, zumindest schwerer, als er sich das bei seiner Kandidatur und seinem versprechungsreichen Wahlkampf so vorgestellt hat. Und Versprechungen gab’s ja genug. Wir erinnern uns: Regionalreform, anderer Umgang mit den Ortsbeiräten, Bürgerbeteiligung und Mitsprache bis hin zur Haushaltsaufstellung, Lernen aus dem Arroganz-Debakel der SPD von 1993, Regieren mit wechselnden Mehrheiten….. Und jetzt, heute, Frühjahr 2009, wo sich die beiden kommenden und ganz bestimmt spannenden Wahlen in Kassel im Frühjahr 2011 und ……. OB- Wahlen schon abzuzeichnen beginnen, wie sieht es da aus mit der bisherigen Hilgen‘schen Regentschaft? Läßt sich eine positive Bilanz ziehen oder eher nicht?

Wir meinen, und das können und werden wir gut belegen, dass Hilgen faktisch nichts vorzuweisen hat, was überzeugend für eine zweite Amtsperiode spräche. Die Liste, die wir aufmachen werden, spricht eher von Versagen, von nicht eingehaltenen Versprechungen und von ungelösten Problemen in „seinem“ Magistrat. Aber schön der Reihe nach….

  • Es vergeht ein Jahr um‘s andere und Kassel hat immer noch keine Multifunktionshalle. Jetzt bekommt der Investor (Rossing) schon eine Mietgarantie für einige Tausend m2 Rathausflächen über einen langen Zeitraum, zu den 11 Millionen, die das Parlament jedem Halleninvestor schon zugesagt hat, noch obendrauf. Dazu kommen noch Landesmittel aus dem Denkmaltopf (zu deutsch: Steuererleichterungen), aber die Halle ist trotz wiederholter Positivbotschaften in der HNA immer noch nicht in Sicht. Und das, obwohl Herr Hilgen von Anfang an gesagt hat: das mache ich allein. Multifunktionshalle – Fehlanzeige!
  • Der Dezernent, den Hilgen gleich zu Beginn seiner Amtszeit an die Luft setzen wollte (aus vielen guten Gründen), dieser Dezernent ist inzwischen nicht nur Kämmerer, sondern auch Sozialdezernent und für eine weitere Amtsperiode gewählt. Zu den vielen guten Gründen, die es schon beim Amtsantritt von OB Hilgen gab, den Kämmerer außerhalb des Rathauses mit anderen Aufgaben zu betrauen (wir erinnern uns alle, dass die CDU immer wieder betont hat: „Den nehmen wir glatt auf bei uns, wenn ihn die SPD mal nicht mehr haben will“), sind inzwischen viele neue Gründe hinzugekommen. Neben seinem Versagen im gesamten sozialpolitischen Bereich – dazu kommen wir noch gesondert – hat sich Dr. Barthel ohne den geringsten Widerstand im Magistrat, nach dem von ihm selbst verantworteten Kaputtsparen aller Hallen- und Freibäder mit der Schließung von 2 Hallenbädern und dem Ausbau eines mondänen Hallenbades am Auedamm durchgesetzt. Eine grandiose, teure, unsoziale, antiökologische und stadtentwicklungspolitisch fatale Fehlentscheidung!! Damit wird die Innenstadt geschwächt, Baudezernet und OB gleichermaßen blamiert (weil stadtentwicklungspolitische Entscheidungen eindeutig Chef- und Baudezernentensache ist), die Aue unnötig belastet…. Geglückte und gekonnte Bädersanierung – Fehlanzeige!
  • Wie man auch immer man zum Fuldauferweg stehen mag: die Kommunikation mit den traditionsreichen Vereinen und die Art, wie der OB die Gartenamtschefin „von der Kette“ gelassen hat, zeugt nicht von Fingerspitzengefühl und beweist, dass es mit der Einbeziehung der Bürger in wichtige, ihre Interessen tangierende, kommunalpolitischen Entscheidungen – im Wahlkampf noch vollmundig versprochen – nicht weit her ist. Fuldauferweg – Minuspunkte im Handling!
  • Die Grünen sind die neuen Steigbügelhalter für die SPD. Für einen Posten im Magistrat schweigen sie zum Langen Feld (davon ist in den Koalitionsvereinbarungen keine Rede!!!) und sie tolerieren den Flughafenausbau durch immerwährendes Durchwinken des Haushaltes, der natürlich Investitionen zu Calden enthält bzw. seit Jahren schon enthalten hat. Dass eben dieser Flughafen am Ende möglicherweise noch eine Spange von der A 7 direkt nach Calden nach ziehen wird, geht dann auch auf das Konto dieses Oberbürgermeisters und seiner grünen Koalitionspartner. Statt umweltorientierter Mobilitätspolitik und kreativem Flächenrecycling für Gewerbe – ein überflüssiger Flughafen als zukünftiges Millionengrab und die Verschleuderung der letzten ökologisch wertvollen Freiflächen im Süden der Stadt!!
  • Was im Wahlkampf Sympathie und Anerkennung ausgelöst hat, führt zur blamablen Pleite und zum völligen Offenbarungseid. Die Bürgerbeteiligung zum Haushalt. Nicht nur gänzlich unprofessionell vorbereitet und lieblos durchgeführt: Herr Dr. Barthel – da haben wir ihn wieder – will doch mit keinem noch so motivierten und ideenreichen Bürger ernsthaft über „seinen“ Haushalt debattieren!!?? Und wenn man das nicht will, organisiert man die Sache eben so, dass allen Interessierten die Lust schnell vergeht. Damit fährt man so ein an sich sinnvolles Vorhaben schnell gegen die Wand und zukünftig wird kein unbefugter Bürger bei der Haushaltsaufstellung mit diskutieren oder auch nur Fragen zum einen oder anderen Posten stellen können. Haushaltsdebatte öffentlich, bürgerfreundlich vorbereitet – Fehlanzeige!
  • Die HGO ist eindeutig: zuständig für die Verteilung der Aufgaben im Magistrat ist der OB. Und was bitte waren dann seine Motive, den Bock zum Gärtner, den plumpen, kurzsichtigen Sparkommissar zum Sozialdezernenten zu machen? Den Haushalt zu sanieren? Einen noch verschärfteren Privatisierungskurs zu fahren? Wenn dem so ist, dann hat das alles der OB zu verantworten. Denn auch wenn Dr. B. mit der Basis seiner Partei rein gar nichts mehr zu tun hat, ist für sein Handeln dennoch der OB – primus inter pares – verantwortlich. . Soziale Politik mit Dr. B. – Fehlanzeige!
  • Friedrich – Ebert – Straße? Ein Hilgen – Erfolg? Mitnichten. Fast sah es schon so aus, als wollte der OB einknicken vor der Parkplätze-fordernden-Kurzsichtigkeit einiger autoverliebter Gewerbetreibender. Ohne die teilweise mutigen Beschäftigten der Verwaltung, die die Chance zur „Humanisierung“ bzw. Boulevardisierung der Straße endlich gekommen sahen und dem besonnenen und mediationserfahrenen Ortsbeiratsvorsitzenden West – Wolfgang Rudolf – wäre das Projekt an nur scheinbar unvereinbaren Interessenlagen fast gescheitert. Dass hier – wie so oft in letzter Zeit – die HNA mit geköchelt, gestichelt und aufgewiegelt hat, stimmt zwar, aber davon kann und darf man als verantwortungsbewußter Stadtpolitiker seine strategischen Entscheidungen nicht abhängig machen. Und davon, dass Hilgen vorneweg den geplanten Umbau dieser Straße, die es seit Jahren schon so dringend nötig gehabt hätte, verteidigt und durchgefochten hätte, haben wir nichts mit bekommen. Und gerade hier hätten politische Bekundungen in eben der Klarheit wie zum Uferweg auch erwartet werden dürfen. Aber Mut für strategische Entscheidungen und aktives Eintreten dafür – Fehlanzeige! Auch hierzu gibt es in dieser Ausgabe noch einen gesonderten Kommentar.
  • Und da war doch noch was: Ja, genau, die Regionalreform! Das feste Versprechen des Noch-Nicht-Oberbürgermeisters Hilgen vor den Wahlen, wir erinnern ganz genau, die schmerzhaften Versäumnisse der 70iger Jahre mit modernen Methoden und Strukturen um das Oberzentrum Kassel herum zu überwinden und so zu gerechteren und besseren Lösungen für die vielen drängenden Fragen Mobilität, Kultur und Theater, Gewerbeentwicklung etc. zu gelangen. Und was hat Hilgen auf diesem Feld erreicht, wenn man von der Fusion des einen oder anderen Amtes und der VHS absieht?? Gar nichts. Regionalreform – Fehlanzeige!

Unser Fazit: Hilgen wieder zu wählen lohnt nicht. Er ist weit hinter den selbst geweckten Erwartungen zurück geblieben. Und mit den Grünen wird das Ganze auch nicht besser, solange die wirklichen Probleme der Stadt – zumindest teilweise – ausgespart bleiben. Und wie das erst werden soll, gerade mit diesem Kämmerer und Sozialdezernenten, wenn die Milliarden zur Bewältigung der kapitalistischen Wirtschaftskrise, die bislang in erster Linie an die Banken und damit indirekt an die Aktionäre geflossen sind, von uns allen zurückgezahlt werden müssen, wagen wir uns noch gar nicht so richtig vorzustellen.

Von unserer Einschätzung, das wissen wir, wird es allerdings nicht abhängen, ob Hilgen eine zweite Chance bekommen wird. Abhängen wird es davon, ob er u.a. seinen Dr. B. in den Griff bekommt und ihn zurückpfeift, sowohl was die Sozialpolitik angeht als auch die strategischen Entscheidungen der Stadtentwicklung. Fehler darf er auch keine mehr machen und neue Uferwege sollte er erst einmal lassen. Und er sollte vielleicht sein Wahlprogramm noch mal kritisch nachlesen, was da so alles drin steht. Dann kommt vielleicht noch das eine oder andere auf die Agenda, was ihm helfen könnte.

Ganz zum Schluss wird es natürlich davon abhängen, wen die CDU gegen ihn ins Rennen schicken wird. Und wer sich erinnert, wie sehr sich Roland Koch, der große Wahlverlierer und trotzdem weiter regierende hessische Ministerpräsident, über den Verlust von Lewandowskis OB Sessels in 2007 in Kassel geärgert hat, der weiß, dass er sich etwas einfallen lassen wird. Und wenn man sieht, mit welch kluger Voraussicht er „seine“ Frontfrau mit dem publikumswirksamen Kultusministerposten ausgestattet hat und mit welch ruhiger Souveränität sie diesen Job erfüllt, dann kann man sich die Konkurrentin für Hilgen schon lebhaft vorstellen. Und vermutlich hat der dann – mit dieser Bilanz – einen nicht ganz so leichten Stand.