Die Stadt hat sich vom selbst ausgesuchten Wunschpartner HBM getrennt. Nach langem Vorlauf hatte sie sich nach einer Ausschreibung für diese Firma entschieden. HBM war die einzige Firma, die versprach, ganz ohne öffentliche Zuschüsse beim Betrieb der Arena auszukommen. Ob es naiv war, das zu glauben, sei dahingestellt. Insidern und Interessierten war schon lange bekannt, dass es – abgesehen von der Schalke-Arena – keine derartige Halle in der Republik gibt, die ohne öffentliche Zuschüsse beim Betrieb auskommt.
Fest steht, dass die Stadt – auch wenn wir eine Reihe von Kritikpunkten hatten (ggf. Kasten hierzu) – ihren Teil der Aufgaben konsequent und zügig, letztlich professionell und zuverlässig erledigt hat. Ob die Begrenzung der städtischen Mittel auf 11,5 Mio. Euro ausgereicht hätte, die geplanten Erschließungsmaßnahmen tatsächlich herzustellen, nachdem schon die Sportplätze frühzeitig aus der Finanzierung herausgenommen worden sind (was einer Aufstockung der Mittel der Stadt gleichkommt), ist mehr als fraglich.
Nachdem der Oberbürgermeister HBM nun endgültig den Stuhl vor die Tür gestellt hat, gilt es jetzt, verschiedene Fragen neu aufzuwerfen und zu beantworten, weil der neue Arena-Standort natürlich auch Schwierigkeiten mit sich bringen wird. Das darf, bei aller augenblicklichen Euphorie bei Bürgern, Politik und HNA, bei aller Begeisterung des Investors Rossing, der jetzt eine rosige Zukunft für sein schwieriges Salzmann-Denkmal heraufziehen sieht, nicht vergessen werden.
Nach den Erfahrungen mit HBM gilt jetzt natürlich um so mehr, dass die Stadt – vor Verhandlungen über kommunale Kostenbeteiligung und städtische Planungsleistungen etc. – auf einem Gesamtkonzept bestehen muss. Dieses Konzept muss Lösungen für die Eissporthalle (sie wird als Trainingshalle für die Huskies benötigt) und Garantien für den Erhalt der vielfältigen und aktiven kulturellen Szene in der Salzmann Fabrik beinhalten. Das Konzept des Investors muss außerdem den Nachweis führen, dass der Arena-Betrieb ohne öffentliche Zuschüsse langfristig aufrecht erhalten werden kann und dass die zentralen Fragen des Verkehrs – Erreichbarkeit und ausreichend Stellplätze – befriedigend beantwortet werden können. Rossing muss auch klären, ob die Nähe zur Wohnbebauung planungsrechtlich überhaupt in den Griff zu bekommen ist. Statt jetzt schon wieder von Terminen zu reden und in der HNA zu verkünden, wann das erste Spiel der Huskies angepfiffen werden kann, sollten genau diese Punkte öffentlich und parlamentarisch ausdiskutiert und als klare Vorgabe für Verhandlungen mit dem Investor in den Raum gestellt werden.
Natürlich ist die Möglichkeit für viele verlockend, das auf den Giesewiesen „verbrannte“ Arena-Projekt jetzt in der Salzmann Fabrik zu realisieren. Das ist deswegen mehr als verständlich, weil damit gleichzeitig mehrere Probleme auf einmal gelöst werden könnten: der Stadtteil Bettenhausen und der gesamte Kasseler Osten wird aufgewertet, das wichtige Industriedenkmal Salzmann und seine über die Jahre gewachsenen kulturellen Nutzungen können erhalten werden und Sport und Kultur bekommen die von vielen herbeigesehnte Arena. Nur: neben den schon genannten Problemfeldern Verkehr und Lärm sind auch in Bezug auf die Kosten noch viele Fragen offen und klärungsbedürftig, u.a. weil aus Platzgründen bei diesem Standort nur ein oder mehrere Parkhäuser die Probleme mit dem ruhenden Verkehr lösen können. Und das kostet natürlich deutlich mehr als schlichte Parkplätze auf der grünen Wiese. Außerdem wir natürlich die Sanierung und der Umbau des Industriedenkmals erheblichen Aufwand verursachen.
Was unsere Fraktion anbetrifft: Wir bleiben dabei, dass in Bezug auf städtische Zuschüsse immer auch in Alternativen gedacht werden und die Balance zu anderen wichtigen kommunalen Maßnahmen gewahrt sein muss. Eine öffentliche Finanzierung von VIP Logen- oder Parkplätzen darf es natürlich nicht geben, solange an allen Ecken und Enden Mittel für wichtige soziale Maßnahmen einfach fehlen. Und was die Mittel aus anderen öffentlichen „Töpfen“ angeht – z.B. aus dem EFRE-Strukturfond der EU, aus dem Denkmaltopf des Landes oder Geld aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) – so ist sorgfältig abzuwägen, ob diese Gelder hier (d.h. in Zusammenhang mit der Arena) oder doch besser an anderer Stelle einzusetzen sind.
Und ganz zum Schluss wollen wir daran erinnern, dass es noch eine offene Rechnung gibt: Wenn die Zusage von HBM, den Betrieb der Arena gänzlich ohne öffentliche Mittel sicher zu stellen, von vorne herein eine gezielte Fehlinformation oder Täuschung war, hat die Stadt dann keine berechtigten Ansprüche in Bezug auf die Rückerstattung der Kosten, die insbesondere durch die Vergabe externer Aufträge entstanden sind? Warum ist man so vorsichtig und konziliant, wo es doch möglicherweise um einen hohen Betrag von einigen hunderttausend Euro geht? Mit Gentleman Agreement und mit Stillschweigen über getroffene interne Vereinbarungen hat das doch nichts zu tun? Ein Partner hat hier den anderen über den Tisch gezogen und seine gemachten Zusagen nicht eingehalten. Warum also diese Zurückhaltung? (Wer sich im Internet die Story des Engagements der HBM-Gruppe z.B. beim Stadionbau in Dresden genau ansieht, stellt fest, dass es offensichtlich eine „Masche“ ist, sich per Ausschreibung erst den Auftrag und das exklusive Verhandlungsrecht an Land zu ziehen und dann peu á peu mit millionenschweren Nachforderungen auf die Kommunen zu zukommen. Die Lektüre der einschlägigen Seiten ist sehr empfehlenswert und interessant!!) Wir werden dem Magistrat hierzu noch entsprechende Fragen stellen und empfehlen schon jetzt, an HBM sofort mit Regressforderungen heran zu treten.
Zusammengefasst gibt es gute Gründe, auf den einen Seite HBM mit Ansprüchen zu konfrontieren, die sich aus der Vorspiegelung falscher Tatsachen ableiten lassen und auf der anderen Seite dem neuen Investor klar zu machen, dass vor den Verhandlungen über vertragliche Lösungen erst einmal eine ganze Reihe von Grundsatzfragen zu klären sind. Schnellschüsse lohnen sich nicht, für niemanden.
Eckhard Jochum
(Aus LinksZeitung J. 1 2/07 S. 6)