Sehr geehrter Herr Eichel,

ich verfolge mit großem Interesse alle Ihre Bemühungen, nach der Präsentation antisemitischer und antiisraelischer Machwerke auf der vergangenen documenta in 2022, diese nun ganz ohne Eingriffe und Schutzmechanismen zu lassen und beim – aus Ihrer Sicht – Erfolgsrezept der vergangenen Jahrzehnte zu bleiben. Sie sind mit solchen Vorstellungen ja nicht allein, wie man allenthalben hören, lesen und sehen kann. Es gibt allerdings eine ganze Reihe guter Gründe, sich um solche Schutzmechanismen sehr wohl Gedanken zu machen.

Wie Sie bin auch ich der Auffassung, dass die documenta für Kassel etwas Großartiges gewesen ist und ich verstehe natürlich, dass gerade jemand wie Sie, der mit Kassel so innig verbunden ist, mit Leib und Seele für diese inzwischen zum Markenzeichen gewordene Ausstellung kämpft.

Aber bei allem Respekt: Sie haben bei Ihren Argumenten für die Beibehaltung der bisherigen Verfahrensmodalitäten und die alleinige Betonung der Kunstfreiheit in Zusammenhang mit Art. 5 GG etwas übersehen: etwas sehr Gewichtiges! Dieses „Gewichtige“ kommt aber in Ihrem langen Artikel in der HNA vom 25.01.2024 und den darauffolgenden Aktivitäten erst gar nicht vor. Es sind die Jüdinnen und Juden, die – wie die Kunst – unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen. In diesem Fall unter dem Schutz der Artikel 1 und 3 GG.

Es leben bei uns in Deutschland, mit abnehmender Tendenz, noch rund 90.000 gemeldete jüdische Gemeindemitglieder. Und diese Juden, das ist sozialempirisch belegt, empfanden in ihrer übergroßen Mehrheit nach Abhaltung der d15 in Kassel, vor allem natürlich in Hessen, ein deutlich gestiegenes Gefühl von Unsicherheit und Angst. Noch während der documenta zählte die hessische Registrierungsstelle RIAS einen signifikanten Anstieg antisemitischer Vorfälle. Die Jüdinnen und Juden waren und sind bis heute – auch weil sich Ereignisse von noch größerer Tragweite wie der 7. Oktober 2023 im Anschluss daran ereignet haben – antisemitischer Gewalt, Beleidigungen und Verächtlichmachungen ausgesetzt, d. h. in ihrer Würde angetastet und wegen ihrer Religion und Abstammung benachteiligt. Das darf nicht sein.

Und deshalb, Herr Eichel, widerspreche ich Ihnen, wenn Sie postulieren, nur das Recht dürfe die Kunstfreiheit einschränken. Die Kunstfreiheit kann, das ist natürlich richtig, durch Gerichte eingeschränkt werden, aber eben nicht nur durch diese. Denn neben der Judikative sind – aber wem sage ich das – die beiden anderen Säulen der BRD, Legislative und Exekutive, ebenfalls involviert, betroffen und genauso verpflichtet, zur Einhaltung der angesprochenen Grundgesetzartikel beizutragen.

Diese Verpflichtung aller Organe des Staates, den Jüdinnen und Juden Deutschlands zur Seite zu stehen, hat mit Moral, Verantwortung und Einhaltungen von gegebenen Schutzversprechungen wegen des millionenfachen Mordes an jüdischen Mitbürgern während des Holocaust in Deutschland zu tun. Ob Staatsräson dafür das ideale Wort ist, spielt hier keine Rolle. Aber dieser Begriff ist die Metapher für die unabdingbare Verpflichtung aller Staatsorgane und aller mit öffentlichen Mitteln geförderten Veranstaltungen dafür zu sorgen, dass dieser Verpflichtung Genüge getan wird.

Während der Ausstellung der d15 sind diese Verpflichtungen mit Füßen getreten worden. Wenn jüdische Künstler – der BDS Ideologie der Kuratoren folgend – auf dieser großen Kunstausstellung boykottiert werden, nicht dabei sein dürfen und damit Israel zum Juden unter den Staaten abgestempelt wird, wenn allenthalben antisemitische Zerrbilder und Israel diffamierende Konstrukte und Filme gezeigt werden (unabhängig davon ob sie, wie das große Banner von Taring Padi auf dem Friedrichsplatz, zu- und später abgehängt werden), so verletzt genau das die Würde der Menschen, deren Schutz ganz besonders Deutschland zu garantieren hat.

Nun zu glauben, dass – wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und die Jüdinnen und Juden in Deutschland einen Zuwachs an Angst und Unsicherheit nach einer Ausstellung wie der d 15 verspüren – die Gerichte es noch richten könnten (was so oder so nicht geschehen ist), kann nur als Irrtum bezeichnet werden. Weil Israel- und Judenhass unter allen Umständen schon im Vorfeld verhindert werden müssen, bedarf es ganz dringend und unbedingt einer Reform „an Leib und Gliedern“ der documenta. Wie die konkret auszusehen hat und ob die von besagter Unternehmensberatung vorgeschlagenen Änderungen an den Strukturen, Abläufen und den sogenannten Codes of Conducts in der Zukunft antisemitische Verirrungen werden verhindern können, muss man abwarten. Ich persönlich meine, dass die Überlegungen in die richtige Richtung gehen. Schon im Gutachten von Frau Prof. Deitelhoff war ja überdeutlich erkennbar, dass bei der documenta erheblicher Reformbedarf besteht. Dass bei Ihren aktuellen Aktivitäten jeder Bezug zu dieser bedeutenden Untersuchung gänzlich fehlt, ist bedauerlich und vielsagend.

Ich jedenfalls hoffe, dass der neue OB Schoeller die Kraft und das Standing hat, die notwendigen Reformen für eine bessere, würdigere documenta umzusetzen.

Das Thema ist natürlich zu groß und zu komplex für einen (einzigen) Brief. Aber eins steht schon jetzt fest: Die Zukunft der documenta ist unsicher! Das spüren Sie, das mobilisiert Sie. Was ich gut verstehe, ist doch die documenta nicht nur das Tafelsilber, vielmehr das Tafelgold der Stadt. Aber gerade deshalb bitte ich Sie: Weiten Sie Ihren Blick für die ganz offensichtlich andere Seite der komplexen Problematik, weil sonst Ihre Bemühungen vielleicht ganz ohne Erfolg bleiben! Denn: So wie der Anti-BDS Beschluss des Bundestages aus 2019 die antisemitischen Exzesse auf der d15 nicht hat verhindern können (wäre der Inhalt dieses Beschlusses eingehalten worden, hätte es die d15 so ja gar nicht gegeben und eben auch keine BDS-Kuratoren), so werden in der Zukunft halbherzige Reformen oder gar deren Boykott erneut zu antisemitischen Auswüchsen führen. Und das wäre für Kassel und die Zukunft der documenta eine Katastrophe.

Der Beschluss des Bundestages sollte meiner Auffassung nach Gesetzeskraft bekommen und die documenta nach entsprechenden Reformen wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden. So in etwa sehe ich das.

Zum Schluss erlaube ich mir noch eine Frage: Selbst wenn es bei der d15 nicht zu der antisemitischen und israelfeindlichen Agitation und Propaganda gekommen wäre: Glauben Sie ernsthaft, in einer sich immer schneller verändernden (Kunst-) Welt ein Ausstellungskonzept aufrecht erhalten zu können, das sich nach dem Krieg (auch durch eine Kaskade sehr glücklicher Zufälle) zu einem Erfolgsrezept für die Präsentation aktueller Kunst entwickelt hat? Und das noch für viele weitere Jahrzehnte? Spricht da nicht schon die Logik dagegen?

Mit freundlichen Grüßen

E. Jochum

PS 1:

Das Bündnis gegen Antisemitismus (BgA), dessen Gründungsmitglied ich bin und dessen Recherchen im Januar 2022 zu einer weltweiten Debatte führten über das, was auf der d15 passieren könnte (und was dann ja bedauerlicherweise auch eintrat), hat – sehr passend zu Ihrer Kampagne – einen Reader herausgegeben, den ich mir erlaube, diesem Brief an Sie beizulegen.

PS 2:

In Anbetracht der Bedeutung des Themas erlaube ich mich mir außerdem, diesen Brief auf dem Blog, auf dem ich meistens schreibe (Kassel-Zeitung.de) und auch auf meiner Seite (eckhard-jochum.de) zu veröffentlichen. Auf der Kassel-Zeitung.de finden Sie außerdem eine ganze Reihe weiterer Artikel von mir zur d15, zum documenta Institut und vielen weiteren kommunalen Themen unsere Stadt betreffend.

Am 12. Dezember 2023 schreibt die HNA, relativ unaufgeregt, dass – vermutlich am Tag zuvor – ein 54-Jähriger Mann in Nikolaus-Kostüm, unterwegs zu einem Auftritt, zwischen Stern und Königsplatz, angefallen und belästigt wird. Von 5 bis 6 Jugendlichen. So um die 15 Jahre alt. Die kommen schimpfend und pöbelnd auf ihn zu. Rainer B., besagter als Nikolaus verkleideter Mann, erinnert sich noch an die Vokabeln, „Hurensohn“ und „Fettsack“. Die Jugendlichen fordern ihn saufrech auf, das Nikolaus Kostüm auszuziehen und lassen ihn wissen, dass das ihr Land sei, nicht seins!

 

Da sich Rainer B. weigert, sich vor den migrantisch aussehenden Jungs zu entkleiden, sie aber darauf bestehen und nun Hand anlegen, zerreißt das Nikolaus-Gewand und weist nach der Attacke der Jugendlichen größere Löcher auf. Das Glück war insofern auf der Seite von R.B., als er, nikolauskonform, eine Rute am Start respektive in der Hand hatte. Die lässt er, offensichtlich schmerz- und fühlbar, ins Gesicht des einen oder anderen niedergehen. Daraufhin flüchten die Jungs Richtung Martinskirche.

 

Bei der beschriebenen Szene gab es genug Zuschauer. Keiner hat etwas unternommen. Keiner kam R.B. zu Hilfe; einige lachten … Nun ermittelt der Staatschutz, weil ein politisches Motiv nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Was können wir aus der beschriebenen Szene lernen? Und gibt es überhaupt etwas zu lernen, zu begreifen? Ich meine schon. Aber bevor ich erkläre, was sich meiner Meinung daraus ableiten lässt, erzähle ich vorher noch eine andere kleine Geschichte:

 

Die Kasseler-Linke, das ist etwas anderes gewesen, als die Partei Die Linke, die sich im Bundestag gerade in Auflösung befindet und die in Hessen jüngst aus dem Landtag geflogen ist. Die Kasseler Linke ist – u. a. von mir und einigen anderen Parteilosen Linken wie auch parteilich gebundenen Personen 2005 gegründet – ein Personenbündnis gewesen, das über viele Jahre hinweg respektable Wahlergebnisse erzielt hat auf der Basis einer ausgesprochen anerkennenswerten und guten Parlamentsarbeit in der Stadtverordnetenversammlung. Der Auf- und Niedergang dieses Bündnisses im Lauf der Jahre ist ein anderes Thema und steht nicht in Zusammenhang mit dem hier zu Beschreibenden.

 

Für dieses Bündnis habe ich, als verantwortlicher Redakteur, mehr als 20 Zeitungen produziert und viele Artikel geschrieben. Zuerst, solange ich noch im Planungsamt aktiv war, unter Pseudonym (Drake Schmidt), später dann unter meinem Namen. Nach den Kommunalwahlen 2016 und dem damaligen guten Abschneiden unseres Bündnisses schrieb ich in der Zeitung, die sich, wie könnte es anders sein, LinKSzeitung, nannte, über alle in die StaVo eingezogenen Parteien eine entsprechende Einschätzung und natürlich auch ein großes Lob zu und über die Kasseler Linke. Über die AfD, die damals auch ins Kasseler Parlament einzog, schrieb ich, und das ist der Bezugspunkt zum oben geschilderten Ereignis:

 

Aber auch wenn es heute mit der AfD die Falschen sagen: An einer großen gesamtgesellschaftlichen Debatte, in allen Parteien und Gruppierungen um den Islam, kommt niemand mehr vorbei. Natürlich hat die übergroße Mehrheit der Muslime in Kassel und andernorts nichts zu tun mit Islamismus und Terror – sie sind zum Teil ja selber Opfer. Aber alle Terroristen berufen sich auf den Islam und entsprechende Textstellen im Koran. Das zu verschweigen, führt nicht wirklich weiter. Neue Denkansätze müssen her, sonst können aus dieser Unterlassung wahrhaft große Probleme erwachsen.

 

Wegen dieses Abschnitts auf der Seite 7 der Ausgabe 23 in der Einschätzung über das Abschneiden der AfD verlor ich meinen „Posten“ und bin meinen „ehrenamtlichen Job“ losgeworden. Mit dürren Worten des Dankes und Lobes für die Jahre davor, aber einer klaren Ansage: In der sich links fühlenden Fraktion hätten islamkritische Positionen keinen Platz. Die Passage in meinem Artikel sei antimuslimischer Rassismus o. ä. und dafür gäbe es keinen Raum in einer linken Zeitung. Was antimuslimischer Rassismus ist, der bei der AfD ja offen und stilbildend sehr wohl vorhanden ist, wurde nicht ge- und erklärt. Mit meinem Widerspruch, dass meine Einlassungen nicht das Geringste mit antimuslimischem Rassismus zu tun hätten, vielmehr mit Kritik am islamischen Kosmos und Machtanspruch, kam ich nicht durch.

 

Inzwischen leben wir in Europa in anderen Zeiten: Lehrer und andere werden auf offener Straße von Islamisten geköpft, was bis heute in einer langen islamischen Tradition steht. Nach den IS-Zeiten findet die Praxis aktuell im Irak und Afghanistan fleißig Anwendung. Und es werden wieder Synagogen angegriffen … Die Universitäten sind teils im Griff oder zumindest unter dem Druck von islamistischen Stoßtrupps und ihren verharmlosenden (oft linken oder pseudolinken) Mitstreitern. Der 7. Oktober im Süden Israels wird, wie der 11. September in New York, eine Art Zeitenwende einläuten. Und die documenta 15 hat ja auch schon die hier lebenden Jüdinnen und Juden in Angst versetzt und stark verunsichert.

 

Aber was, das ist nun die Frage, hat das eine mit dem anderen zu tun? Also die Attacke auf den Nikolaus in der Unteren Königsstraße am 12. Dezember 2023 mit meinem Rauswurf aus dem Zeitungskollektiv der Kasseler Linken 2016? Die Antwort ist einfach: Auch wenn zwischen Sommer 2016 und Dezember 2023 nur 7 ½ Jahre liegen, ist der offene Angriff auf den als Nikolaus* in der Vorweihnachtszeit verkleideten Mann eben auch das Ergebnis der unterlassenen großangelegten gesellschaftlichen Debatte über Islamismus und den Politischen Islam, eine Debatte, die zu Konsequenzen hätte führen müssen. Auf vielen gesellschaftlichen Feldern. Denn auch bei aller Anerkennung von Fehlern bei der Integration von Geflüchteten und Eingewanderten hätte klar sein müssen: Wer sich mit dem, was viele in dieser großen Menschengruppe mit nach Europa bringen, und zwar nicht im Handgepäck, vielmehr im Kopf

 

  • in Form von lange angelernten und tradierten Frauenbildern,
  • in Form von Auffassungen über andere Kulturen und Glaubensrichtungen,
  • in Form vom Umgang mit Abweichlern aus den eigenen Reihen,
  • in Form von Überzeugungen für einen islamischen Gottesstaat und vor allem
  • in Form eines massiven, kranken Judenhasses und eines ebensolchen Bildes vom Staat Israel

 

nicht auseinandersetzten will, muss mit schmerzhaftem Erwachen rechnen. Einem Erwachen, das nun mit dem nach dem Holocaust schlimmsten Massaker an Jüdinnen und Juden im Süden Israels zusammenfällt. Aber eben auch mit neuen Formen von Antisemitismus und Israelhass, wie er sich nach dem 7. Oktober auf den Straßen der Bundesrepublik austobte: Jubelnde Hamasfreunde verteilen Süßigkeiten. Große Freude also über die barbarischen Gewaltakte und kein Gramm Mitgefühl oder Empathie für die Familien der Ermordeten und Entführten.

 

Man darf es einfach nicht vergessen und klein reden: Die Agenda des politischen Islam ist auf eine Übernahme der Macht, auch in Europa gerichtet. Wer das für absurd hält, sollte sich die Mühe machen und das Buch, DIE UNTERWERFUNG von Michel Houellebecq lesen. Aber auch der Koran hilft weiter, denn er ist mehr als eine Handlungsanweisung zum Beten und religiösem Verhalten, wie es vielleicht im 7. Jahrhundert nach Christus angebracht gewesen schien. Er ist ebenso Regelwerk zur Staatsführung und Machtaneignung und gibt vor, wie Religion und weltliche Macht zusammenzuführen sind. Laizismus und Trennung von Staat und Kirche gibt es in diesem Kosmos nicht, vielmehr klare Vorgaben zum Herbeiführen und Erkämpfen eines Gottestaates, wie er uns heute beispielhaft und lupenrein im Iran gegenübersteht.

 

Und wenn gerade Linke einen Diskurs über den Islam unterdrücken oder für überflüssig halten, obwohl er viele überaus bedeutende gesellschaftliche Problemfelder berührt, schlagen sie sich, wissentlich oder unwissentlich, auf die Seite der Kräfte, die die hart erkämpften Werte – Demokratie, Frauenrechte und soziale Errungenschaften … – geringschätzen, verachten und oft genug direkt bekämpfen. Solidarität mit solchen Kräften ist eine Gefahr, ein Missverständnis. Und alle diese Problemfelder werden weiterwachsen, solange die ungeregelte Zuwanderung weiter zunimmt.

 

Jetzt, leider erst nach dem blutigen Massaker vom 7. Oktober und dem hasserfüllten Jubel über eben dieses Massaker auf unseren Straßen, beginnt sie endlich, diese überfällige Debatte. Jetzt wird auch bei uns, längst überfällig, über die DITIB und andere Organisationen, die bis zum 7. Oktober offen für die Hamas und das mörderische Iran-Regime Werbung machen durften, geredet. Teils werden einschlägig bekannte Organisationen verboten. Viel zu spät natürlich, nach allem, was über deren Aktivitäten schon lange bekannt war. Aber es ist etwas in Bewegung gekommen!

 

Für viele in der Vergangenheit schon Angegriffene, Verunglimpfte (siehe unseren Nikolaus aus Kassel in der Unteren Königsstraße) und Ermordete (siehe den 2018 enthaupteten Geschichtslehrer Samuel P.) gibt es natürlich keine Hilfe mehr. Aber es bleibt immerhin die Hoffnung, dass zukünftig – wenn die von mir so dringend geforderte umfassende Debatte Wirkung zeigt – zukünftig keine Lehrer mehr sterben müssen, wenn sie Mohammed-Karikaturen erläutern und in dem Zusammenhang die Bedeutung von Presse- und Religionsfreiheit erklären. Lassen wir uns damit jedoch zu viel Zeit, könnte es leicht zu spät werden: Und Houellebecq hätte am Ende recht mit seiner extrem negativen Sicht auf die Zukunft Europas.

 

*Unser Nikolaus kommt vom Altgriechischen Nikólaos und findet über das Mittelalter hinweg weite Verbreitung unter Bezugnahme auf Nikolaus, der im 4. Jahrhundert Bischof von Myrna in Lykien war. Um seine Person bildeten sich zahlreiche Legenden, deren biografische Inhalte sich mit denen des 564 gestorbenen Abtes und späteren Bischofs von Pinora, Nikolaus von Sion, vermischten. (Siehe auch Wikipedia)

Die sozialdemokratischen Ex-Oberbürgermeister, Eichel, Bremeier, Hilgen, Geselle, die immer wieder und in immer neuen Konstellationen – von Auftritten im Tetra-Format bis hin zu verschiedenen Solis – wirklich alles gaben, um „ihre“ documenta für „ihre“ Stadt zu bewahren, haben bis heute nicht verstanden, worum es bei der Krise um die d15 eigentlich ging bzw. immer noch geht. Insofern war es leicht für mich, schon im Spätsommer des vergangenen Jahres 2022, kurz vor den Wirren um die Entlassung von Frau Schormann, die als Bauernopfer herhalten musste und ihren Job verlor, vorausahnend zu formulieren:

 

„Das 7-Punkte-Programm der 4 SPD-Herren geht am Problem des Antisemitismus-Skandals vorbei und wird bei der weiteren Suche nach Lösungen wohl eher nicht herangezogen werden, weil jede Selbstkritik am bisherigen Regelwerk zur Durchführung der documenta abgewehrt wird. Ohne diese Kritik, ohne die Analyse der Fehler, die zu diesem Debakel führten, wird es aber keine Lösung und keine Rettung der documenta geben …“ (Kassel-Zeitung)

 

Ich sollte Recht behalten.

Angesichts der Weigerung aller Verantwortlichen, das Problem als das anzunehmen, was es war – der größte antisemitische und antizionistische Skandal im bundesrepublikanischen Kunstkosmos und in diesem Zusammenhang auch eine mehr oder weniger unverhohlene Bedrohung für die Gesamtheit der jüdischen Community – konnte es eigentlich nur heißen: Zurück auf Start. Und genau da ist die Stadt Kassel nun seit dem November 2023, allerdings gänzlich unfreiwillig. Denn eigentlich stand ja die Kür der Findungskommission ins Haus mit der Benennung der KuratorInnen für die d16 im Sommer 2027. Das aber nicht aus Vernunft, nicht weil man aus den eklatanten Fehlern bei der d15 gelernt hätte. Nein. Man befindet sich nun im Reset–Zustand, weil erneut grobe Fehler gemacht wurden und man tatsächlich davon ausgegangen ist, einfach so weiter machen und weiter wurschteln zu können, ohne entsprechende Lehren aus dem d15 Debakel zu ziehen, ohne eine fundierte Würdigung des Gutachtens von Frau Prof. Deittelhoff vorzunehmen und ohne die Ergebnisse der noch laufenden Untersuchungen zur Organisationsanalyse für eine mögliche Strukturreform der documenta abzuwarten.

 

Dennoch bekommen wir nun, in einem ganzseitigen Interview mit Hans Eichel am 24. November 2023 in der HNA erneut zu lesen, dass im Prinzip alles bleiben soll, wie es ist und es ausreichend sei, dass in Kunst und entsprechende Ausstellungen erst dann eingegriffen werden kann und darf, wenn eine Straftat vorliegt. Damit ist Hans Eichel sicher nicht allein, aber die Position ist vollkommen unhaltbar und unzureichend. Letztlich ist sie unsinnig und derartige Einstellungen werden die documenta nicht retten und in Kassel halten. Bei der Frage, was Kunst darf, was also „erlaubt“ ist oder „erlaubt“ sein sollte, muss vielmehr als oberstes Kriterium gelten: Was ist moralisch vertretbar, was entspricht humanistischen Vorgaben und Essentials. Alles andere ist sekundär.

 

So lange die Spielregeln der documenta nicht so umgeformt sind, dass derartige Kriterien garantiert eingehalten werden können bzw. bei Fehlentwicklungen sicher und wirksam korrigierend eingegriffen werden kann, wird es keine weitere documenta geben. So muss z.B. gefragt werden: Ist es nicht zutiefst inhuman, sich kalt über die Sicherheitsbedürfnisse und Ängste von über 120.000 Jüdinnen und Juden hinweg zu setzen in einem Land wie Deutschland, das im Holocaust den millionenfachen Mord an Jüdinnen und Juden organisiert hat?

 

Nachdem das Bündnis gegen Antisemitismus (BgA Kassel) im Januar 2022 faktenreich und punktgenau analysierte, was da mit der d15 auf Kassel zurollen könnte, wollte das örtliche und verantwortliche Personal von unseren Warnungen nichts wissen. Gesprächsangebote, die wir u.a. Ex-OB Geselle unterbreiteten, wurden geflissentlich übergangen. Erst mit der Geschichtsstunde, die Bundespräsident Frank Walter Steinmeier bei der Eröffnung der d15 – während wir wenige Meter vom Fridericianum entfernt gegen Antisemitismus, Israelhass und BDS Verherrlichung auf eben dieser documenta demonstrierten – den beratungsresistenten, verantwortlichen Herrschaften aus Kassel wie auch den erlauchten VertreterInnen des Landes Hessen erteilte, dämmerte es dem einen oder anderen, dass die anfangs hochgelobten indonesischen Kuratoren vielleicht doch Hand anlegen könnten an eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte … Das galt natürlich erst recht, nachdem mit der notwendigen Abhängung des Werks von Taring Padi mit seinen antijüdischen Hetzbildern in Stürmer-Manier der Beweis für die Richtigkeit der Kritik am Ruangrupa Konzept erbracht war. Was da im Juni 2022 herauf dämmerte, sollte dann tatsächlich auch eintreten.

 

Bei allem Verständnis für das übergroße Bedürfnis, dieser vom Krieg so geschundenen Stadt, in der es dazu noch zu einem fatal in Szene gesetzten Wiederaufbau kam und in der auch danach viele städtebaulichen Großchancen verspielt worden sind (dafür ist das peinliche Gezerre um den Bau des documenta Instituts nur ein Beispiel!) etwas Welt-Kunst-Glanz schenken zu wollen, darf man sich bei der Lösung der d15-Problematik nicht krampfartig und katatonisch an das scheinbar goldene Erfolgsrezept der vergangenen Jahrzehnte halten. Nichts überdauert die Zeit und eine global renommierte Welt-Kunst- Schau derart lange – immerhin von 1955 bis 2022 – in einer nordhessischen Provinzstadt erfolgreich gehalten zu haben, verdient Respekt und darf gefeiert werden. Denn wer hätte das 1955 auch nur geahnt? Niemand. Ganz unstrittig war die lange Abfolge von meist großartigen Kunstausstellungen also ein wahrhaft großer Erfolg.

 

Nun aber scheint, nach der gründlich vergeigten und missglückten d15 und einer am Ende in eine trotzige und offen propalästinensische Propaganda-Show umgeschlagene Kunstausstellung, bedauerlicher Weise der Starrsinn über die Fähigkeit zur Selbstkritik zu obsiegen. Das ist traurig, weil eine Reform der Strukturen immer noch möglich wäre. Allerdings sind hierzu Einsichten und Konsequenzen erforderlich, die aus einer kritischen Analyse der gemachten Fehler für die Planung und Durchführung der d16 hervorgehen müssten. Danach sieht es gerade allerdings gar nicht aus.

 

Neben den spezifischen Fehlern in Kassel im Vorfeld der d15 und während der Jahre der Vorbereitung hat man natürlich auch hier tunlichst vermieden, über das Eigentliche zu sprechen und zu debattieren: Den Tatbestand nämlich, tausendfach belegt und schon lange offen diskutiert, dass der gesamte Kunst-, Ausstellungs-, Universitäts- und Kulturkosmos der BRD, ähnlich wie das in vielen anderen westlichen Staaten auch der Fall ist, seit Jahrzehnten von einer woken, antisemitischen und antizionistischen Strömung unterwandert worden ist! Offensichtlich brauchte es erst den Eklat, den Kasseler Monsterskandal, um all die vielen Gesundbeter dieser gespenstisch großen Szene, die es jahrelang einfach nicht wahrhaben wollten, aufzurütteln.

 

Bedauerlicherweise kam dieses Aufrütteln noch gar nicht während des documenta Sommers zustande: Die Kuratoren von ruangrupa wurden vielmehr, obwohl sie gegen Ende der 100 Tage die documenta im Handstreich zu einer propalästinensischen Polit-Show transformierten, für ihre Umtriebe noch mit zwei Gastprofessuren in Kassel und Hamburg belohnt. Das eigentliche Aufrütteln gab es erst nach dem 7.10.2023, dem bestialischen Massaker an Jüdinnen und Juden durch die Hamas. Als dann zwei der Herrschaften von ruangrupa, einen das größte Blutbad an Juden nach dem Holocaust verherrlichenden Post entsprechend likten, war das Geschrei groß. Und vermutlich auch der Erkenntnisgewinn. Natürlich haben die ruangrupas den Aufschrei vernommen und angesichts der massiven weltweiten Kritik, den Like für besagten Post zurückgenommen und Bedauern geäußert. Aber wer glaubt das noch? Ein großer Teil der Weltpresse hat in der ersten Jahreshälfte 2022 unsere Kritik an der Auswahl der Indonesier gelesen, verarbeitet und ist meist zu sehr kritischen Einschätzungen in Bezug auf das Konzept und die Personen um die d15 herum gelangt. Das wirkt bis heute nach und erklärt die Unruhe im Führungspersonal der Stadt und eben auch unter den oben erwähnten Ex-OB’s.

 

Nachdem die israelische Künstlerin Brache Lichtenberg Ettinger, in Paris und Tel Aviv lebend, nach dem 7. Oktober darum bat, man möge die Arbeit der Findungskommission wegen persönlicher Betroffenheit durch das Massaker der Hamas aussetzen, wollte man dort diesem Ansinnen offensichtlich kein Verständnis entgegenbringen. Frau Lichtenberg-Ettinger legte daraufhin ihr Amt in der Findungskommission nieder. Danach löste die übersehene, erneut nicht beachtete Unterschrift unter ein ebenso hässliches wie eindeutiges BDS-ähnliches Dokument des indischen Kommissionsmitglieds, Kurators, Schriftstellers und Kunstkritikers …, Ranjit Hoskoté, in Mumbai lebend, ein erneutes Medienecho aus, in dessen Folge Hoskoté sein Amt ebenfalls niederlegte. Zum Schluss werfen die vier verbliebenen Kuratoren der ganzen BRD den Fehdehandschuh zu mit dem trotzigen Kommentar: In Deutschland könne man, wenn es keinen freien Zugang zu Antisemitismus und Israelhass auf einer geförderten Weltkunstausstellung mehr gibt, nicht richtig (unabhängig und ungestört!) arbeiten. Also haben auch sie ihre Arbeit niedergelegt. Nun stehen Stadt und documenta eGmbH komplett blamiert im Regen und vor einem Scherbenhaufen. Letzterer, das scheinen inzwischen wohl die meisten begriffen zu haben, kann nicht mehr geräuschlos beiseitegeschafft werden. Das Gesamtszenario kommt nun tatsächlich in eine kritische Phase und könnte zum Aus für die documenta in Kassel führen.

 

Auch Harald Kimpel, ein ausgewiesener documenta-Experte, sieht jetzt durchaus die Möglichkeit, dass nach der d15 etwas zu Ende gehen könnte, was – wenn auch durch viele Krisen gestärkt und gestählt – lange währte und weltweit große Erfolge feierte. Natürlich auch zum Nutzen und Ruhm der Stadt, die ohne die documenta tendenziell ein bisschen nackt dastünde. Denn dieses Mal sind es keine Kunst-Auseinandersetzungen, die da und dort schon früher für kleinere Skandale sorgten, und es handelt sich auch nicht um die Überziehung beschlossener Haushalte, was ebenfalls zu erregten Debatten führte. Vielmehr hat man es jetzt mit einem ausgewachsenen politischen Groß-Skandal zu tun, den man mit Reförmchen, Goodwill – Verlautbarungen und/oder Durchhalteparolen, weil es so schön war mit Kassel und seiner documenta, nicht so einfach wieder wird eingefangen können.

 

Aber genau so haben es sich die Provinzfürsten unterschiedlicher Parteieinfärbung wohl mal wieder gedacht: Einfach so weitermachen wie bisher. Es wird schon werden.

 

Statt auf den schon erwähnten Bericht von Frau Prof. Dr. Deitelhoff sensibel und professionell zu reagieren und viele andere Warnungen ernst zu nehmen, statt die Sorgen und Ängste jüdischer Organisationen zu beherzigen, wollte man hier in Kassel einfach nur schon mal die nächste Runde einläuten. Auch trotziges Aufbegehren dem Bund gegenüber – den braucht niemand usw. – und das Ignorieren der zunehmend kritischen Verlautbarungen von Kultus- Ministerin Claudia Roth, helfen da nicht weiter.

 

Die Idee, 4 Ex-KuratorInnen flugs eine neue Findungskommission aus der Taufe heben und ebenso flott von denen neue Kuratoren aussuchen zu lassen, als wäre nichts passiert, ist dreist. Tendenziell dummdreist. Damit muss die Süddeutsche Zeitung nicht unbedingt richtig liegen, wenn sie die in Kassel für die documenta Verantwortlichen als „Dorfdeppen“ bezeichnet. Aus meiner Sicht sollte es besser heißen: Hybris kommt vor den Fall.

 

Mit der Auflösung der Findungskommission ist erst einmal der alte Zeitplan gegenstandslos. Und wenn die nächste documenta 2027 nicht stattfindet, ist zumindest – und das ist ein Gewinn bzw. könnte einer sein – etwas mehr Zeit zum Nachdenken. Was dringend nötig ist!

Ich bin nicht der Einzige, der den Niedergang der SPD im Allgemeinen, in Nordhessen im Besonderen und mit 100-prozentiger Treffsicherheit für die Kasseler SPD schon vor vielen Jahren vorhergesagte. Und ich weiß natürlich, dass sich – vielleicht mit der Ausnahme der beiden iberischen Parteien (PSOE in Spanien und PS in Portugal, bei deren „Geburt“ 1973 die SPD übrigens zahlkräftige Hebamme gespielt hat) – auch viele andere sozialdemokratische Parteien im Niedergang bzw. im freien Fall befinden. Wenn für den Niedergang der sich sozialistisch nennenden Parteien ein Bild benötigt wird: Schon 2017 musste sich die Sozialistische Partei Frankreichs (PS) von ihrem noblen Hauptquartier am linken Ufer der Seine in der noch nobleren „Rue de Solférino“ trennen. Geldmangel aufgrund katastrophaler Wahlergebnisse und radikalem Bedeutungsverlust! Damit will ich nicht sagen, dass die SPD bald aus dem Willy-Brandt-Haus ausziehen muss: Aber bald wird massiv gespart werden müssen … Das wird noch spannend. Denn wenn die SPD bei den nächsten Wahlen im Bund vielleicht sogar unter die 10 Prozent-Marke fällt, wird sie vermutlich viele ihrer noblen Karossen nicht mehr weiterfahren können.

Das ist mehr als eine Analyse wert, führt aber hier zu weit. Sagen kann man nur jetzt schon: Wenn sich die SPD nicht bald auf Inhalt und Begriff ihres eigentlich so schönen Namens besinnt, sondern weiter irrlichtert in neoliberalen Sackgassen und weiter versucht, in der Mitte und rechts von der Mitte auf Stimmenfang zu gehen, wird sie bald in der kompletten Bedeutungslosigkeit versinken. Ob die Armen mit Bürgergeld erniedrigt werden oder mit Hartz IV, ist letztlich egal: Es käme vielmehr darauf an, dass sich SPD auf die besinnt, die hart und oft ungesichert arbeiten, die mit 1-Euro-, Minijobs, Mindestlohn und anderen unregulierten Formen der Ausbeutung gequält werden, gar keine Arbeit haben, studieren oder krank sind: Also auf alle diejenigen, die in diesem neoliberalen Land ökonomisch an den Rand gedrängt werden und die es schwer haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Völlig unabhängig davon, wie die Politiker, die Medien, die großen Unternehmen und die trotz weitverbreiteter öffentlicher Armut wachsende Zahl an Super-Reichen über die tiefe Spaltung der bundesdeutschen Gesellschaft so reden: Der Zustand der BRD ist katastrophal! Die früher mal als Partei der kleinen Leute geltende SPD traut sich nicht einmal mehr, die Vokabel Vermögenssteuer in den Mund zu nehmen oder sie in ihre Programme zu schreiben …

Das Wahlergebnis bei den letzten hessischen Wahlen im Oktober 2023 zeigt ein Bild des Jammers: Ganz Hessen, das ja mal ein rotes Bundesland war, ist nun tiefschwarz. Von den 55 Wahlkreisen gingen 52 an die CDU, 3 an die Grünen. In Kassel, wo über Jahrzehnte ohne die Zustimmung der SPD kein Sack Reis umfallen durfte, kräht kein Hahn mehr nach ebendieser SPD. Kassel ist insofern allerdings eine Besonderheit, das muss man in Erinnerung rufen, als hier der letzte Oberbürgermeister eigenhändig die Säge an den Stamm der Partei angesetzt hat. Ohne diesen Herrn Geselle, den Unsäglichen, wäre die Niederlage hier vielleicht nicht ganz so dramatisch ausgefallen. Was aber auch kein wirklicher Trost ist.

Ohne allzu weit in die Geschichte der SPD einzutauchen, also nicht bis zur Zustimmung zu den Kriegskrediten für den 1. Weltkrieg 1914 oder den Berufsverboten in den 70igern (wo Willy Brandt ja mehr Demokratie wagen wollte!): Bei der SPD muss auf jeden Fall ein radikaler Kurswechsel stattfinden. Der wird das Land noch intensiv beschäftigen und er muss – wenn die furchtbaren Kriege gegen die Ukraine und gegen Israel dann vorbei sind – rasch in Angriff genommen werden. Gründlich, mutig, intelligent: Sonst landet die Parteizentrale doch noch in der Spree!

Für das gesamtdeutsche Projekt dieses notwendigen Wandels wage ich jetzt noch keine Prognose, auch weil Leute wie Kevin Kühnert sich jetzt noch vor allem und nahezu ausschließlich mit dem Konfliktmanagement in der trostlosen Berliner Ampel beschäftigen müssen. Aber auch diese Etappe geht vorbei und dann stehen die angesprochenen SPD-Entscheidungen über ihre Zukunft auf der Tagesordnung …

Was die notwendigen Reformen hier bei uns in der Region anbetrifft, kann ich schon mal so was wie eine Mini-Prognose wagen: Und die sieht düster aus. Das Bild dafür stammt aus der letzten Vollversammlung des Zweckverbandes Raum Kassel (ZRK*), die am 20.09.2023 im Kasseler Rathaus stattfand. Angesichts des Tatbestandes, dass in den ehemaligen nordhessischen SPD-Hochburgen par excellence, Kassel und Landkreis Kassel, die Wahlergebnisse in den vergangenen Jahren immer magerer ausgefallen sind, während die CDU z.B. immer stärker wird, leider auch die AfD, hätte die SPD die Möglichkeit gehabt, bei der Nachwahl für einen stellvertretenden Vorstandsposten der CDU ein Angebot zu machen. Aber nix da! Mit ihrer aktuell noch vorhandenen Mehrheit besetzt die immer noch machtbesoffene SPD den freien Platz wieder mit einer Genossin, der SPD-Bürgermeisterin von Baunatal, Frau Manuela Strube. Obwohl die SPD genau weiß, dass das den aktuellen Machtverhältnissen in der Region überhaupt nicht mehr entspricht.

Ich, als Parteiloser auf dem Ticket der Linkspartei in diesem Parlament, habe mich darüber genauso geärgert wie die CDU-Fraktion, die mit einem respektablen Gegenkandidaten ins Rennen gegangen ist: Mit Herrn Bürgermeister Karsten Schreiber.

Daran erkennt man deutlich, wie es im Inneren der Partei aussieht: Die schwarz-grüne Welle rollt heran (Hessen hat sie ja gerade unter Wasser gesetzt!), aber hier im ZRK wird schnell noch „eine Rote“ in ein Amt gehievt. Kein Gespür für Wandel und kollegiale Gesten. Nur Klüngel und Machterhalt – wenn auch für nur noch kurze Zeit.

Was gibt es Tröstliches? Der nächste Vorstand des ZRK wird vollkommen anders aussehen. Ganz anders!

*Der Zweckverband Raum Kassel (ZRK) ist eine durchaus bedeutsame kommunalpolitische Institution und Instanz. Nach seiner Satzung und Geschäftsordnung hat dieser Verband nicht nur die Aufgabe, für alle Gemeinden und Städte, die ihm angehören – als da sind Kassel, Ahnatal, Baunatal, Calden, Fuldabrück, Fuldatal, Kaufungen, Lohfelden, Niestetal, Schauenburg und Vellmar – den Kommunalen Entwicklungsplan, den Flächennutzungsplan, den Landschaftsplan und sonstige gemeindeübergreifenden Entwicklungsmaßnahmen aufzustellen und fortzuschreiben. Der ZRK ist darüber hinaus auch mit der Wahrnehmung von interkommunalen Aufgaben und Projekten dann zuständig, wenn er hierfür einen Auftrag erhält. Hierzu gehörte z.B. das interkommunale Projekt des Güterverkehrszentrums. Auch beim Flughafen Calden ist der ZRK eingebunden gewesen, u.a. bei der Entwicklung eines neuen, rund 80 Hektar großen Gewerbegebiets im Bereich des alten Flughafens. Man kann sagen, dass praktisch bei allen relevanten raumgreifenden oder raumbeanspruchenden Maßnahmen der ZRK, meist über die Flächennutzungsplanung, mit im „Geschäft“ ist. Neben den beiden Ausschüssen, Finanzen und Planung, in denen zu fassende Beschlüsse vorbereitet werden, ist die Verbandsversammlung (VV) der Ort, quasi die Legislative, in der die Entscheidungen über die Inanspruchnahme bestimmter Flächen letztlich fallen. Der Vorstand bereitet viele dieser Beschlüsse vor und hat letztendlich das Sagen .

Auf die Frage, ob die Hamas für Herrn Tubail eine Terrororganisation sei, die nicht nur Juden wegen ihres Jüdischseins abschlachtet, darunter Babys und viele andere kleine Kinder, teils geköpft, teils „nur“ erschossen, sondern auch die eigene Bevölkerung erneut als Schutzschild benutzt, wie in allen bisherigen kriegerischen Auseinandersetzungen mit Israel, meint doch dieser Herr: „Ich würde den Begriff nicht benutzen.“

Was aber heißt das? Selbst angesichts der Tatsache, dass am 7. Oktober 2023 das blutigste Pogrom an Juden nach der Shoah stattgefunden hat, möchte Herr Tubail das Wort Terrororganisation für die Schlächter der Hamas aus dem Gaza Streifen nicht in den Mund nehmen. Spätestens hier hätte das Interview zu Ende sein müssen. Allerspätestens. Aber es geht weiter und Herrn Tubail wird eine Bühne zur Verfügung gestellt, von der aus er all seine politisch abstrusen Theorien über den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ausbreiten kann und darf.

Dass Herr Tubail sich nach den furchtbaren Ereignissen vom 7. Oktober, die wie der 11. September 2001 ein neues Kapitel in der Weltgeschichte aufschlagen werden, Sorgen um seine Verwandten macht, denen Israel nun auch das Internet lahmgelegt hat, kann man durchaus verstehen. Was man jedoch überhaupt nicht begreift, ist die völlige Empathielosigkeit von Herrn Tubail allen Juden in Israel gegenüber, und nicht nur den vom Massaker direkt betroffenen Familien. Angesichts der Tatsache, dass der Raketenterror der Hamas ja täglich weitergeht.

Genauso fehlt die Anteilnahme den Jüdinnen und Juden in aller Welt gegenüber, die nun wieder um ihre physische Unversehrtheit fürchten müssen. Dass alle Jüdinnen und Juden allüberall, auch die, die hier bei uns und in allen Teilen der nicht „judenfreien“ Welt, jetzt wieder Ängste haben um ihre Sicherheit und bloße Existenz, ist unfasslich. „Judenfrei“, das sei hier nur nebenbei eingeflochten, sind nicht nur der Gazastreifen und die von der Palästinensischen Autonomiebehörde kontrollierten Gebiete der Westbank, sondern fast alle arabischen Länder, die auf mehr oder weniger blutige Art und Weise alle Juden nach der Staatsgründung Israels aus ihren Ländern vertrieben haben …

Eine kurze Schlussbemerkung. Hätte Herr Lohr von der HNA Herrn Tubail die Frage gestellt: Sie wissen doch bestimmt, dass es ein flügeltes Wort gibt, das in etwa so lautet: „Legt die Hamas die Waffen nieder, gibt es Frieden in Nahost, zumindest jedoch an der Südgrenze Israels. Legt Israel die Waffen nieder, wird das Land überrannt von der Hamas und alle Israelis finden den Tod.“ Gibt ihnen das nicht zu denken?

Aber auch darauf hätte Herr Tubail vermutlich erneut das Für und Wider abgewogen und sich natürlich nicht vom mörderischen Terror und Treiben seiner Glaubensbrüder distanziert.

Es ist nicht nur die Aufgabe von Politik, sich in dieser Situation klar und eindeutig an die Seite Israels zu stellen. Vielmehr ist es auch erforderlich, dass die Presse aufklärt und nicht unnötig den Relativierern einen derartigen Platz einräumt: mehr als eine halbe Zeitungsseite! Nur um Meinungen kund zu tun, die einfach nur unfasslich sind …

Meine Einlassung bezieht sich auf einen Artikel in der HNA vom 18.10.2023

 

https://epaper.meinehna.de/webreader-v3/index.html#/956351/4-5

Nie würde ich sagen oder schreiben, dass das Handeln des ZRK in den vergangenen Jahrzehnten das Hagelinferno, wie es sich am vergangenen Donnerstag in Kassel abgespielt hat, direkt ausgelöst hätte. Das wäre falsch oder zumindest nicht ganz richtig. Vor allem aber zu kurz gegriffen. Dennoch, und das ist wahr und bitter zugleich, hat die Vollversammlung (VV) des ZRK jahrzehntelang ignorant agiert. Sie hat

  • die bedrohlichen Fakten von Klima- und Ökologiekrise immer wieder zur Seite geschoben,
  • es immer nur beim Reden über Innenentwicklung, Begrünung, Entsiegelung, Ressourcenschonung etc. belassen und
  • bei unzähligen Bau- und Entwicklungsprojekten immer wieder massiv gegen bessere Einsichten und wissenschaftliche Erkenntnisse und die eigenen Pläne und Ziele gehandelt.

Damit hat der ZRK sehr wohl etwas mit der dramatischen halben Stunde am 22. Juni 2023 zwischen halb 5 und 5 zu tun. Schon vor langen Jahren sind genau solche Ereignisse – Dürren, Waldbrände, Starkregen und all das immer heftiger und in immer rascherer Abfolge – für unsere Region in Nordhessen präzise prognostiziert und angekündigt worden. Gebrannt hat es gerade auch hier bei uns, in Kaufungen und am Hohen Gras. Und besagter Nachmittag am 22. Juni 2023, so besonders er in seiner meteorologischen Besonderheit und Ausformung gewesen sein mag, war dennoch keine Einzigartigkeit. Denn auch wenn das je persönliche Gedächtnis solche Ereignisse nicht zuverlässig speichert und noch schneller wieder vergisst, so sind die regionalen Wetteraufzeichnungen längst exakt genug, um klar erkennen zu lassen: Die Anzahl ungewöhnlicher und gefährlicher Wetterphänomene hat auch bei uns deutlich zugenommen. Mit entsprechenden Risiken für eine unsichere Zukunft …

Es bestünde also auf jeden Fall Anlass genug, nachdenklich zu werden und aufzuhören, die selben Fehler ewig zu wiederholen. Denn es reicht eben nicht, teils schon richtige Öko-Vokabeln im Mund zu führen und in die mehr oder weniger verbindlichen Dokumente und Pläne hehre ökologische Ziele hinein zu formulieren. Das reicht und hilft nicht, wenn bei den Beschlüssen zu beinahe jeder Flächennutzungsplan-Änderung doch wieder, also beim konkreten Handeln, das Gegenteil von alledem gemacht wird, was eigentlich notwendig wäre.

Womit wir beim Bericht über die letzte Verbandsversammlung (VV) am 21. Juni 2023, also just am Vortag des Hagelinfernos, angekommen wären, wo sich das oben Gesagte und Kritisierte wunderbar belegen lässt. Diesem Bericht soll aber noch eine kleine Episode vorweggeschickt werden.

Dieselbe Kritik, die ich am 22. Juni 2023 erneut formulierte und die ich mit dem aktuellen Kurzbericht konkretisieren möchte, habe ich im Juni 2022, laut, vernehmlich und in Überlänge ebenfalls geäußert. Die Überlänge lag vor allem an den vielen ökologischen Katastrophen, die zu der Zeit, also im Juni 2022, den Planeten erfasst hatten. Denn es brannte nahezu überall: von Brandenburg bis Florida, von der französischen Mittelmeerküste bis Australien und in Griechenland und Spanien über Monate hinweg sowieso. Dass der Po kein Wasser mehr führte und ganz Oberitalien unter Wassernot ächzte, haben die meisten vermutlich schon wieder vergessen! Aber selbst die Grünen juckte das alles kein bisschen. Man wisse das doch alles und was das denn mit dem ZRK zu tun habe? Dennoch wollte man im Juni 2022 meinem Ansinnen nicht folgen und auf den Neubau einer neuen, großen Sporthalle auf den Giesewiesen im Süden Kassels, geplant mitten hinein in eine bedeutsame Kaltluftbahn, verzichten. Ohne jeden Sinn und Verstand, gegen jede Einsicht in Bezug auf die sich in den Sommermonaten stark erhitzenden Städte, wollte man eben dort so eine Halle errichten. Dass nun die Pläne von Ex-OB Geselle für dieses Bauprojekt erst einmal aufgeschoben sind, hat leider mit der Einsicht in die Notwendigkeit, solche Dummheiten tunlichst zu unterlassen, nichts zu tun.

Wer will, kann das Ganze hier noch einmal ausführlich nachlesen:

Zurück zum Juni 2023, wo es dann ganz ähnlich wie im Juni 2022 zugehen sollte, womit auch klar wurde, dass man in dem einen Jahr nichts dazugelernt hatte:

Beispiel 1: Aldi Nord will in Vellmar an der B 83/Zum Feldlager seine Verkaufsfläche von 950 auf 1300 qm erhöhen. Davon geht meiner Meinung nach die Welt nicht unter, auch wenn es unnötig wie ein Kropf ist, denn die Versorgung mit solchen Märkten ist längst übererfüllt. Dennoch wird weder auf der Ebene der Flächennutzungsplanung noch auf der Ebene der Bebauungsplanung etwas unternommen, damit sich die Gesamtsituation in diesem Bereich ökologisch und klimatisch verbessert. So wird weder Einfluss darauf genommen, dass der zubetonierte, riesige Parkplatz mit Bäumen begrünt wird, noch darauf gedrungen, dass nach Abriss und Neubau das wieder nur eingeschossige Gebäude z. B. mit einem 2. oder 3. Geschoss für Büroflächen ergänzt und anschließend mit einem Gründach incl. Photovoltaik versehen wird. Unser Ansinnen, in eben diese Richtung zu agieren und mit Aldi zu verhandeln, wird abgeschmettert. Der ZRK muss aber endlich aktiv werden und seine Möglichkeiten ausschöpfen. Denn ohne die vorauslaufenden kommunalen Planungen – in diesem Fall eben die Flächennutzungsplan-Änderung durch den ZRK und daraus abgeleitet der Bebauungsplan der Stadt Vellmar – können Private, in diesem Fall Aldi-Nord, ihre Pläne nicht umsetzen. Aber wie immer handeln beide, ZRK und Stadt Vellmar, nicht in diesem Sinne. Vielmehr lassen sie die Dinge laufen.

Beispiel 2: Wir wollten mit einem eigenen Antrag die VV des ZRK dazu veranlassen, die Stadt Baunatal von ihrem Vorhaben abzubringen, ein über 20 Hektar großes, neues Baugebiet zwischen Lützel und dem nördlichen Siedlungsrand von Großenritte zu errichten. Es steht im Widerspruch zu allem, was sich der ZRK für die kommenden Jahre vorgenommen hat. Es liefe auf den Verlust wertvoller Ackerflächen hinaus mit entsprechend großräumigen Versiegelungen. Aber auch da gab es keine Einsicht: Es sei eben Sache der Kommune zu entscheiden, in welche Richtung Sie sich entwickeln wolle und wieviel Einfamilienhäuser sie zusätzlich noch in die Landschaft setzen möchte. Wir sehen das anders: Auch wenn die Kommunen darüber letztlich zu entscheiden haben (das regelt die Hess. Gemeindeordnung), so könnte der ZRK durchaus seinen Mitgliedskommunen eindeutig signalisieren, dass es für solche aus der Zeit gefallenen Mammutprojekte die notwendige Flächennutzungsplan-Änderung eben nicht mehr geben wird. Und alle wissen außerdem genau: Die Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung auch in unserer Region zeigen, nach den Daten des Hessischen Statistischen Landesamtes, eher in Richtung Bevölkerungsabnahme. Die in Baunatal imaginierten Bevölkerungszuwächse sind eine reine Fata Morgana. Aber unserem Antrag wollte dennoch niemand folgen.

Nun liegt unsere Hoffnung auf dem Widerstand vieler aktiv gewordener, kluger Baunataler BürgerInnen, die das Projekt aus guten Gründen ablehnen und auch darauf, dass einige Bauern ihr Land nicht für so einen Irrsinn hergeben. Es muss wohl auch mit Klagen gerechnet werden, sodass in diesem Fall noch Hoffnung besteht.

Beispiel 3: Wir hätten uns im Kasseler Osten, wo anstelle des Pleite gegangenen Baumarkts Max Bahr nun ein neuer Möbelmarkt entstehen bzw. einziehen soll, einen mutigeren ZRK gewünscht. Denn planungsrechtlich ist das eigentlich nicht möglich, weil im sogenannten „Entwicklungsplan Zentren“ für diesen Bereich ein Bau-, aber kein Möbelmarkt zugelassen ist. Durch Ungeschicklichkeiten der beteiligten Ämter der Stadt Kassel konnte der Investor für sein Vorhaben aber ein Schlupfloch für seine Pläne finden. Wir regten deshalb an, dass der ZRK zumindest prüfen möge, ob nicht vielleicht auf der Ebene der Flächennutzungsplanung eine Klagemöglichkeit für diese klare Fehlentwicklung besteht. Denn ein weiterer Möbelmarkt in diesem Sektor der Stadt Kassel würde nur zu einer Überversorgung und Kannibalisierung führen. Aber auch das war nicht gewünscht. Es gab auch keinerlei Bereitschaft dafür, durch weitsichtige Planänderungen eine andere Entwicklung für diesen Bereich – z. B. mit ideenreichem Wohnungsbau, gemischt mit Büroflachen und ggf. anderen Nutzungen – ins Auge zu fassen. Erneut Fehleinzeige!

Beispiel 4: Mit einem schlichten, inhaltlich leicht zu erfassenden und ähnlich leicht umzusetzenden Antrag wollten wir eine zusätzliche Offensive in Sachen Nutzung der Solarenergie im ZRK-Bereich starten. Erfreulicherweise haben Landkreis und ZRK zusammen ja schon eine Initiative ergriffen, bei der es um die Nutzung von agrarischen und anderen Frei-Flächen außerhalb der Ortslagen geht. Das wird vom Land Hessen unterstützt und ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden. So z. B. kein Verbrauch wertvollen Ackerlandes oder wichtiger Biotop-Flächen. Es gibt noch anderes, was beim Ausbau der Photovoltaik (PV) auf derartigen Arealen zu beachten wäre. Das aber würde hier zu weit führen.

Wichtig und entscheidend, in Zusammenhang mit der hier vorgetragenen Kritik, ist, dass im Prinzip alle anderen Fraktionen unseren Antrag sinnvoll fanden, liegt doch die Nutzung vorhandener Dächer von Gewerbe- und privaten Immobilien aller Art zum einen auf der Hand, zum anderen ist sie für die anzustrebende Energiewende unerlässlich. Es wollte aber keiner unseren Antrag unterstützen, obwohl wir klarmachten, dass es uns gar nicht um eine sofortige Abstimmung über diesen Antrag ging, vielmehr nur um das Anschieben einer Debatte darüber. Auch das wollte keiner. Stattdessen zog man über uns her und unterstellte uns sozialistisches Gebaren, als würden wir tatsächlich fordern, dass der ZRK par ordre du mufti die Gemeinden und Städte des ZRK zum Handeln zwingen und für alle Gemeinden ein und dieselbe Satzung für die Entwicklung der PV-Nutzung auf privaten Dächern durchsetzen solle. Was natürlich Blödsinn ist: In der Erläuterung zu unserem Antrag steht, falls man denn seine Lesefähigkeit hätte nutzen wollen, klar und unmissverständlich: „Der ZRK macht dazu (für die Muster-Satzung) die fachliche Vorarbeit, die Gemeinden sind dafür zuständig, die Satzungen zu beschließen und dafür Sorge zu tragen, dass möglichst viele Akteure mitmachen.“ Spätestens seit dem Heizungsgesetz–Chaos der Bundesregierung müssten auch die Mitglieder des ZRK wissen, dass solche in die politischen Gremien eingebrachten Anträge niemals unverändert aus dem Beteiligungsprozess herauskommen. Aber das nur nebenbei.

Im Wegweiser für Kommunen im Landkreis Kassel vom April 2023, vom Landkreis Kassel und dem ZRK gemeinsam herausgegeben, wird – wie oben schon erwähnt – für die Errichtung von PV-Anlagen auf Freiflächen geworben. Nicht umsonst weisen die AutorInnen aber schon im Grußwort dieses Wegweisers darauf hin: „Insbesondere im weiteren Ausbau von PV Anlagen liegt eine große Chance. Unzählige Dachflächen eigenen sich etwa für Bebauung mit PV-Anlagen. Das hilft, den Flächenverbrauch und das damit verbundene Konfliktpotential (Gemeint ist damit das Konfliktpotential auf landwirtschaftlichen Nutzflächen) deutlich zu reduzieren.“ Genau so steht das auch in unserem Antrag.

Um zum Anfang des Artikels zurück zu kommen: Natürlich hat niemand am 22. Juni 2023 in der VV des ZRK auf einen Knopf gedrückt und damit das Unwetter am Folgetag ausgelöst. Das nicht. Aber dass der ZRK mit seinem jahrzehntelangen, ungenügenden, die evidenten Fakten der Klima- und anderer ökologischer Krisen leugnenden Handeln die aktuelle Klimasituation im Grunde mitverursacht hat (weil alle anderen Institutionen, auf welcher politischen Ebene auch immer, ja genau denselben Mist machen!), lässt sich nicht von der Hand weisen. Insofern steht der vielbeschworene Wandel, von dem alle quatschen, im ZRK noch aus.

*Der Zweckverband Raum Kassel (ZRK) ist eine durchaus bedeutsame kommunalpolitische Institution und Instanz. Nach seiner Satzung und Geschäftsordnung hat dieser Verband nicht nur die Aufgabe, für alle Gemeinden und Städte, die ihm angehören – als da sind Kassel, Ahnatal, Baunatal, Calden, Fuldabrück, Fuldatal, Kaufungen, Lohfelden, Niestetal, Schauenburg und Vellmar – den Kommunalen Entwicklungsplan, den Flächennutzungsplan, den Landschaftsplan und sonstige gemeindeübergreifenden Entwicklungsmaßnahmen aufzustellen und fortzuschreiben. Der ZRK ist darüber hinaus auch mit der Wahrnehmung von interkommunalen Aufgaben und Projekten dann zuständig, wenn er hierfür einen Auftrag erhält. Hierzu gehörte z.B. das interkommunale Projekt des Güterverkehrszentrums. Auch beim Flughafen Calden ist der ZRK eingebunden gewesen, u.a. bei der Entwicklung eines neuen, rund 80 Hektar großen Gewerbegebiets im Bereich des alten Flughafens. Man kann sagen, dass praktisch bei allen relevanten raumgreifenden oder raumbeanspruchenden Maßnahmen der ZRK, meist über die Flächennutzungsplanung, mit im „Geschäft“ ist. Neben den beiden Ausschüssen, Finanzen und Planung, in denen zu fassende Beschlüsse vorbereitet werden, ist die Verbandsversammlung (VV) der Ort, quasi die Legislative, in der die Entscheidungen über die Inanspruchnahme bestimmter Flächen letztlich fallen. Der Vorstand bereitet viele dieser Beschlüsse vor und hat letztendlich das Sagen …

Dass Dr. Barthel dem endlich und bald Ex-OB Geselle, nach dessen vergeigter Wahl und einer zerlegt hinterlassenen Partei, mit seinem Parteiaustritt folgt und die Partei mit dem schönen Namen verlässt, muss niemanden wundern. Und bedauern muss man das auch nicht. Ein richtiger SOZIAL-Demokrat ist er ohnehin nie gewesen. Wer als zuständiger Kassenwart einer Stadt per Presseverlautbarung vom Präsidenten des Landesozialgerichts dazu angehalten werden muss, geltendes Recht bei der Auszahlung der Kosten der Unterkunft (KdU) einzuhalten und dabei die Ärmsten der Stadt nicht um ein paar Euronen zu bescheißen, der muss nicht jammern, wenn Kritiker ihm das SOZIALE absprechen. Seine vielen anderen Untaten könnte man, hätte man die Zeit dafür, in den älteren Ausgaben der LinksZeitung hier nachlesen.

Über lange Jahre prägte dieser Dr. B., ein extrem konservativer Kämmerer, die Politik der Kasseler SPD, indem er Haushaltsdisziplin als einzige Kategorie kommunalpolitischen Handelns propagierte. Viele rot-grüne Koalitionen haben unter seiner rigiden, engstirnigen Politik gelitten. Und viele Probleme, die Kassel dem Einfluss dieses Politikers (mit-)verdankt, sind bis heute spür- und sichtbar. Manche davon haben das Image und den Ruf der SPD mehr oder weniger stark belastet. Zahlreiche Genossen wollten das seinerzeit jedoch nicht sehen, auch weil viele Dr. B. eigentlich kritisch gegenüberstehende Sozialdemokraten dann immer mehr in Barthels Fahrwasser gerieten. Exemplarisch gilt das insbesondere für Ex-OB Hilgen. Der wollte Barthel eigentlich anfangs loswerden, konnte ihn dann aber nicht mehr aus dem Magistrat werfen, weil Barthel die Stimmen der CDU bekam und so Kämmerer bleiben konnte. Das sollte fatale Auswirkungen haben. Teils bis heute …

Um nur ein Beispiel zu nennen, an dem man den unseligen Einfluss von Dr. B. ablesen kann, sei an die Zerstörung des Stadtbades Mitte erinnert. Dort, wo heute ein schlichter Büroklotz dem Lutherplatz Paroli bietet, hatte Kassel lange Jahrzehnte – genau an der richtigen Stelle und optimal an den Nahverkehr angebunden – sein zentrales Hallenbad. Mit dem Grundstück der Göttinger Diakonie und dem ehemaligen Parkplatz hinter dem Hallenbad hätte man, wäre Dr. B. nicht gewesen, ein wunderbares, modernes Stadtbad errichten können: Für Beschäftigte, Schüler und Schwimmerinnen aller Art gleichermaßen und optimal erreichbar. Stattdessen muss man heute zum Schwimmen quer durch die Stadt bis in die Karls- und Fuldaaue rammeln, wo dann am Ende Kolonnen von parkenden PKW’s Kassels grünes Herz belasten. Das Barthel’sche Spaßbad an der Fulda steht nun für lange Zeit am falschen Ort. Spätestens beim nächsten Hochwasser werden sich einige dann daran erinnern, wieviel Retentionsraum für das Bad dort vernichtet worden ist. Dann wird man wieder wissen, wo das Bad eigentlich hätte neu errichtet werden müssen!

Eine entsprechende Ausbildung, die Dr. B. qualifiziert hätte, derartige Entscheidungen begründet herbeizuführen, hat er nicht aufzuweisen, auch wenn er immer wieder mal fehlende oder abwesende Baudezernenten vertreten durfte. Leider sind weder die jeweils zuständigen Magistratsmitglieder noch die Oberbürgermeister dieser Politikperiode in der Lage gewesen, den unseligen Einfluss von Dr. B. zurück zu drängen. Es darf und muss auch daran erinnert werden, dass es nur dem außerparlamentarischen Druck und der konsequenten Politik der damaligen Fraktion der Kasseler Linken zu verdanken ist, dass das von Dr. B. beabsichtigte Zerstören und Abreißen weiterer Schwimmbäder nicht realisiert wurde. Bürgerinitiativen verhinderten das bei den Bädern in Harleshausen und Wilhelmshöhe. Das Hallenbad Mitte – wie oben beschrieben – und das Hallenbad Ost konnten der Abriss-Wut von Dr. B. jedoch nicht entgehen.

U.a. deshalb wiederhole ich: Wenn Dr. B. jetzt der Partei, die ihm seine kleine Kassenwart-Karriere ermöglicht hat, den Rücken kehrt, muss sich darob niemand grämen. Und schon gar kein Sozialdemokrat, der die beiden Worte, die im Parteinamen enthalten sind, verinnerlicht hat und ernst nimmt.

Fazit: Mit Geselles Zeit als OB geht in wenigen Tagen für die Stadt und die SPD eine Ära zu Ende. Eine tendenziell unselige. Dass zusammen mit Geselle nun auch Dr. B. die SPD verlässt, kann man durchaus als positives Omen interpretieren, auch wenn der rechte Flügel wohl eher vom Verlassen eines sinkenden Schiffes sprechen wird. Und ob Herr Merz, der es jetzt allen diesen Flügeln recht machen soll, besagtes Schiff wieder flott machen kann, wird man sehen. Denn es gibt echt viel zu reparieren …

Für welche Konsequenzen wird er z.B. beim zurückliegenden documenta-15-Debakel sorgen, das Kassel und die documenta weltweit so schwer belastet hat? Soll es nach dem Willen der Ex-OB-Triade gehen, Eichel, Bremeier, Hilgen, hat ja gefälligst alles beim Alten zu bleiben. Was bestimmt keine gute Idee ist. Denn eins ist klar: Werden keine neuen Spielregeln eingeführt, die sicher ausschließen und verhindern, dass unter dem Label von Kunstfreiheit und Antikolonialismus erneut antisemitische und gegen Israel gerichtete Exzesse auf der hoch öffentlich geförderten documenta geschehen können, was im vergangenen Jahr weltweilt für Schockwellen der Empörung gesorgt hat, ist die documenta ernsthaft gefährdet. Und das wollen nicht nur die drei Ex-OB’s nicht.

Allerdings muss man sich in Stadt, Land und Bund dem hochbelasteten und hochkomplexen Thema offen stellen. Das gilt auch für den neuen SPD-Vorsitzenden. Denn er wird sich bestimmt noch erinnern, wie im Juni 2022, bei der Eröffnung der documenta 15, ein bedröppelter OB Geselle von Bundespräsident Steinmeier Geschichtsunterricht erhielt. Mit „sich dem Thema stellen“ ist gemeint, dass verinnerlicht wird, dass die documenta 15 für die Jüdinnen und Juden in Hessen lt. RIAS (Recherche – und Informationsstelle Antisemitismus) eine Zunahme an faktischem und konkretem Antisemitismus gebracht hat. Das berichtet die HNA am 2. Juni 2023. Diese Tatsache und die im Abschlussbericht des Gremiums zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta 15 unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Nicole Deitelhoff herausgearbeiteten Erkenntnisse müssen zur Grundlage der Aufarbeitung des Skandals und der Neuformierung der Strukturen gemacht werden. Die in falsch verstandener Heimat- und Kassel-Liebe aufs bloße Bewahren des Bewährten gerichteten Aktivitäten, wie sie im Verhalten der schon erwähnten Ex-OB-Triade zum Ausdruck kommen, helfen nicht wirklich weiter.

Viele haben nicht richtig gelegen mit ihren Prognosen, was die OB Wahlen am 12. März 2023 angeht. Ich jedoch schon.

Bereits am 12. September 2022 habe ich in einem Artikel mit der Überschrift, OB Geselle möge seinen Job endlich an einen Profi oder eine besser dafür Geeignete abgeben, treffsicher beschrieben, wie die Ära Geselle wohl enden wird. Visionär ist dafür eher nicht das richtige Adjektiv, vielmehr die korrekte Analyse der schon im September sich abzeichnenden Ereignisse. Am Ende meines Artikels, der die wesentlichen Kritikpunkte an OB Geselles Amtszeit noch einmal zusammengefasst hat, wagte ich folgende Prognose:

„Wenn Sie (gemeint ist OB Geselle) unbedingt wissen wollen, wie beliebt Sie sind, dann können Sie ja als Solist kandidieren. Das ist ihr gutes Recht. Ich rate Ihnen allerdings davon ab, weil Ihre Eitelkeit vermutlich nach Verkündigung des Wahlergebnisses im Frühjahr 2023 Schaden nehmen könnte.“

Hier kann man das in voller Gänze noch einmal nachlesen …

Und nun, am Sonntagabend, also am Wahltag des 12. März 2023, ist es genau so gekommen. Im Prinzip zumindest. Denn eins ist glasklar: Vor allem Geselles Ego und seine Eitelkeit haben „Schaden genommen“ und sind nun erheblich geschrumpft, auf Normalmaß! Den größten Schaden allerdings trägt die „ruhmreiche“ Kasseler SPD davon. An dem in erster Linie vom Noch-OB Geselle angerichteten Flurschaden wird die SPD noch lange zu tragen haben, vermutlich schon bei den bald anstehenden Landtagswahlen in Hessen …

Als ich meine Prognose auf den Wahlausgang der OB Wahlen wagte, war noch längst nicht klar, dass aus dem parteiinternen SPD-Streit ein derartiges Debakel erwachsen würde. Aber man konnte sehr wohl erahnen, dass aus der mutwilligen Zertrümmerung von Partei und Fraktion tatsächlich eine Solokandidatur gegen die eigene Partei herauskommen könnte. Was im Übrigen andernorts schon andere Egomanen, teils mit, teils ohne Erfolg, vorexerziert hatten … Meine Prognose wagte ich nicht, weil es die Spatzen schon vom Rathausdach gepfiffen hätten! Nein, vielmehr habe ich mich zu ihr animiert gefühlt, weil eben das – die eitle Solokandidatur – genau zu Geselles egoistischem Verhalten und seiner übergroßen Selbstbezogenheit passte. Haarnadelgenau!

Nun hat Geselle am besagten Wahltag im Verhältnis zur Wahl vor 6 Jahren 25 Prozent der Stimmen verloren und nur noch einen Mini-Vorsprung vor seinem eigentlichen Herausforderer von den Grünen, Herrn Dr. Schoeller, gehabt. Da Geselle nicht blöd ist, war ihm kurz vor dem Ende der sonntäglichen Hessenschau schon klar, dass er zur Stichwahl gar nicht mehr anzutreten braucht. Niemand kann natürlich genau sagen, weil das auf reine Spekulation hinausliefe, wie das Rennen ausgegangen wäre: Aber sowohl Geselle als auch mir war klar, dass mit dem Wahlergebnis der Traum vom Solotrip zur zweiten OB-Wahl ausgeträumt war. Deshalb ist Geselle feig und flink ins Gebüsch gehüpft: Von einer bösartigen Kampagne gegen ihn schwafelnd, die es allerdings so gar nicht gab.

Das anonyme Schreiben eines nicht existierenden „Frauen-Widerstandes“, verteilt ausschließlich im Kasseler Rathaus, verdient nicht, dass man sich damit näher beschäftigt. Durch Geselles Selbstanzeige beim RP als Kommunalaufsicht ist das Machwerk quasi aus der Welt. Es hatte weder einen Beitrag zum Wahlkampf geleistet, noch das Image des Oberbürgermeisters wirklich angekratzt. Alle Parteien und alle OB KandidatInnen haben sich von dem Machwerk klar, eindeutig und sofort distanziert. Weitere Verleumdungen oder Diffamierungen hat es schlicht nicht gegeben.

Dass Geselle und seine Fan-Gruppe dennoch so sehr auf Diffamierungskampagne machten, hat einen ganz anderen Grund: Die Internetseite „geselligeWahrheiten.de“, dessen Impressum die Herausgeber korrekt benennt und damit den Standards des Presserechts im Internet genügt, hat objektiv den Wahlkampf bereichert. Zu 18 Themenfeldern werden hier – vom vergeigten Verfahren um das documenta Archiv über den ausmanövrierten Radentscheid bis hin zum Versagen in der Klimapolitik viele Kritikpunkte faktenreich und korrekt aufgelistet, belegt und bewertet. Damit diese Veröffentlichung im Netz seine aufklärerische Wirkung erst gar nicht entfalten konnte, musste massiv mit Dreck geworfen und mit bösartigen Unterstellungen gearbeitet werden. Genau dafür musste die Boy- und Girl-Gruppe der Geselle Fans herhalten! So konnte diese auf Fakten und Informationen beruhende Seite ihre Wirkung möglicherweise gar nicht erst entfalten. Was aber Spekulation ist.

Fest steht, dass diese fleißige und facettenreiche Aufarbeitung Gesellescher Politik nichts, aber auch gar nichts mit Verleumdung oder Diffamierung zu tun hat. Auch die Familie des OB’s spielte hier (natürlich) keine Rolle. Dass die hohe Qualität der Beiträge dennoch ohne AutorInnen – Nennung veröffentlicht worden ist, wirft ganz andere Fragen auf, als es die Geselle Verteidiger sich vielleicht träumen lassen. Da es sich bei den AutorInnen vermutlich meist um MitarbeiterInnen des Rathauses, der Universität und/oder Rathaus affiner Unternehmen handelt, haben sie sich – der Arm eines OB’s kann lang sein (!) – vielleicht einfach nicht getraut, sich mit ihrer Kritik zu outen. Ich frage Sie als LeserInnen der Kassel-Zeitung: Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen für einen OB, wenn dem so sein sollte? Ich meine jedenfalls, dass – hätten alle WählerInnen vom letzten Sonntag diese Texte auf der „geselligeWahrheiten.de“ Seite tatsächlich gelesen – Geselles Wahlergebnis noch viel schlechter ausgefallen wäre …

Im Übrigen muss jeder Mensch, Mann oder Frau, die oder der sich in diesem Land für ein so herausgehobenes öffentliches Amt zur Verfügung stellt, mit Kritik und Anfeindungen unterschiedlichster Art rechnen. Das ist leider ein bedauerlicher Tatbestand, der durch die Umtriebe im Internet an Widerwärtigkeit noch deutlich zugenommen hat. Während andere PolitikerInnen jedoch tatsächlich bedroht wurden und sogar oft schon physisch angegriffen und sogar verletzt wurden (Beispiel Köln) oder brutal bedroht und beschimpft worden sind (Bespiel NSU 2.0), hat Geselle nur den o.a. anonymen „Frauen-Widerstandsbrief“ erhalten bzw. ertragen müssen. Der Besuch von vermummten Gestalten vor Geselles Privatgrundstück ist, zugegeben, unangenehm und natürlich zu verurteilen, aber in der kolportierten Form auch eher harmlos. Wo hier eine Familie der realen Bedrohungen ausgesetzt bzw. ein Kommunalpolitiker durch eine Diffamierungskampagne zur Aufgabe seiner Karriere gezwungen sein sollte, bleibt schlicht ein Geheimnis des baldigen Ex-OB‘s.

Fazit, falls eins nötig ein sollte: Geselle hat den Wahlkampf verloren, weil er keine Mehrheit in der Bevölkerung für eine Fortsetzung seiner Art von Politik gefunden hat. Das ist ein gutes Zeichen für Kassel. Denn nun könnte es – vielleicht – endlich auch mal mutigere Veränderungen, sogar in Kassel, geben? Statt einer tendenziell dem Auto verpflichteten, dem Klima schadenden und einer sozial immer noch an den eher Wohlhabenden und den unternehmerisch Tätigen ausgerichteten SPD Politik könnten nun neue Ufer angestrebt werden. Eigentlich. Inwieweit derartige Hoffnungen allerdings berechtigt sind, muss sich erst noch zeigen. Denn: Allzu ideenreiche ökologisch-soziale Veränderungen werden die jahrzehntelang eher zahmen und einfallslos agierenden GRÜNEN, mit einer Koalition von FDP und CDU im Schlepptau, sich wohl kaum trauen.

Zu gerne würde ich mich irren …

Wäre Kommunalpolitik bloß Kirchturm – Politik, müsste man sich als Ahnataler nicht darum kümmern, welchen OB sich die Kasseler BürgerInnen am Sonntag aussuchen. Aber die Kommunalpolitik in Kassel ist wichtig, auch für die BewohnerInnen des Speckgürtels um das Oberzentrum Kassel herum. Fallen hier doch wichtige Entscheidungen in der Mobilitäts-, Klima-, Kultur- und Bildungspolitik, die unmittelbaren Einfluss auf die Umlandgemeinden des Landkreises haben. Deswegen ist es alles andere als egal, wer in den ausgesprochen wichtigen nächsten Jahren in Kassel auf dem OB – Sessel sitzt.

Ich sage es ganz offen, mit Namen und Adresse: Geselle hat auf keinen Fall das Zeug, ein guter Oberbürgermeister für Kassel zu sein und er verdient es nicht, dass man ihm erneut das Vertrauen für ein derart wichtiges Amt ausspricht.

Dazu habe ich mich in den vergangenen zwei Jahren schon verschiedentlich kritisch geäußert. Wer Lust und Zeit, kann das – den beigefügten Links folgend – hier noch einmal nachlesen.

Treten Sie zurück, Herr Geselle und überlassen Sie das Amt einem Profi!

Und sie wollen nicht hören! Debakel in der Verbandsversammlung des Zweckverbandes Raum Kassel/ZRK

Antisemitismusauf der documenta fifteen d15 oder Nachhilfeunterricht für einen Oberbuergermeister

OB-Geselle-überfordert

Das Mobilitätsdrama der Kasseler SPD und kein Ende!

Alle warten auf das Ergebnis eines OB Solos in Sachen documenta Institut

Entscheidend für mich – weil man die lange Liste Geselleschen Versagens gar nicht mehr aufzählen mag – ist sein Handeln in der Umwelt- und Klimapolitik (beispielhaft sei hier nur der unsinnige Versuch erwähnt, die zweite Eisporthalle in eine Frischluftschneise auf den Giesewiesen zu bauen), in der Stadtentwicklung (das Drama um den Standort für das documenta Institut hat man noch gut in Erinnerung) und in der Verkehrspolitik (beispielhaft sei hier nur sein Großversagen in der Radverkehrspolitik erwähnt) … Auch wie Geselle in aller Öffentlichkeit seinen Magistratskollegen Nolda von den Grünen in der Presse durch den Dreck gezogen hat, ist ganz ohne Frage ein Nachweis dafür, dass so ein Politiker-Typ ungeeignet ist für den Job als OB. Sein Verhalten der eigenen Partei gegenüber, als ihm wegen seines üblen Politikstils nicht mal mehr Partei und Fraktion folgen wollten, zeigt ein vollkommenes Unverständnis für parlamentarische Spielregeln und Gepflogenheiten. Er stellt sich schließlich gegen die eigene Partei, ohne die er heute vermutlich noch Polizist wäre. Denn die eröffnet ihm eine kleine Karrieremöglichkeit: vom Kämmerer zum OB Kandidaten. Ohne die SPD wäre er nie OB geworden.

Den allerletzten Beweis für seine geballte Inkompetenz liefert Geselle in der Antisemitismus Krise während der d 15: Hätte er auf die Hinweise des Bündnisses gegen Antisemitismus schon im Januar 2022 gehört, wäre möglicherweise alles anders gekommen. So aber musste er sich, wie ein Klippschüler vom aus Berlin angereisten Bundespräsidenten die Leviten lesen lassen. Ich werde nie vergessen, wie während der Eröffnungszeremonie Geselle angesichts der Kritik des deutschen Staatsoberhaupts die Gesichtszüge entgleisten … Nach der Enthüllung des Taring Padi – Kunstwerks auf dem Friedrichsplatz war es dann ohnehin vorbei mit lustig und Kassel stand monatelang und weltweit in der Kritik.

Und nun, nachdem aufgrund seiner Fehler und seines Versagens auf nahezu allen relevanten Politikfeldern Kassel inzwischen von Grün/Schwarz/Gelb regiert wird, bläst er zum letzten Gefecht und bittet seine UnterstützerInnen um Schützenhilfe. Und das bedauerlicherweise scheint nur mit Diffamierungen zu gehen.

Insgesamt, wenn man Wahlkampf-Schlamm-Schlachten in anderen Teilen der Republik oder gar der Welt anschaut, ging es im Kasseler Wahlkampf eher gemütlich, brav provinziell und alles in allem gesittet zu. Von Schmutzkampagnen, wie in der Hauspostille HNA zu lesen war, kann eigentlich keine Rede sein. Ein einziger anonymer Brief (von einem sog. Frauenwiderstand!?), von dem sich alle Parteien und alle Gegenkandidaten glasklar distanziert haben, ist eigentlich kein Grund, die Geselle-Fans in den Empörungsmodus oder gar in Wallung zu versetzen. So was ignoriert man. Anonym jemanden – egal wen – zu beschimpfen ist zwar ein Zeichen unserer Zeit, weil das im Internet und den sozialen Medien weite Verbreitung gefunden hat, muss aber nicht über Gebühr kommentiert werden.

Ganz anders verhält es sich mit der mit einem Impressum versehenen Internetseite „geselligeWahrheiten.de“. Auf dieser Seite finden sich kritische Würdigungen von Geselles Leistungen, Fehlern, Versäumnissen, Lügen und Halbwahrheiten in seiner Amtszeit. Derartige Kritik ist natürlich erlaubt, nötig und dient der Information von WählerInnen.

Wer irgend die Zeit bis zum Wahltermin noch hat, sollte diese Seite und die dort zusammen getragenen Artikel unbedingt lesen und studieren. Ein sehr interessantes Informationsmaterial zu den OB Wahlen: erstklassig recherchiert und gut in Szene gesetzt. Dass diese ausgesprochen faktenorientierte Seite den Jubel-PerserInnen von Geselle nicht gefällt, ist klar. Statt sich aber mit den auf „GESELLIGE WAHRHEITEN“ ausgebreiten Inhalten und Fakten zu beschäftigen, werden die AutorInnen dieser Seite pauschal und übelst beschimpft.

Ich hoffe, dass mit dem kommenden Sonntag diese unrühmliche OB Episode beendet werden kann und Geselle hoffentlich bald was anderes macht, als die Mehrheit der Kasseler BürgerInnen zu nerven.

Ja, die Zeiten sind gerade alles andere denn erfreulich: Es tobt der kranke Angriffskrieg auf die Ukraine, die Pandemie ist noch nicht vorüber, die hauptsächlich selbstverschuldete Energiekrise kostet Kraft und Nerven und die Klimaerwärmung wird immer noch nicht ernst genug genommen. Notwendige Lösungen werden auf die lange Bank geschoben. Aber da und dort gibt es, dennoch oder trotz alledem, auch Erfreuliches. Und darüber sollten dann und wann auch mal ein paar Zeilen aufgewendet werden.

So wie ich mich 2020 sehr darüber freute, dass es gelungen ist (vielleicht auch mit diesem treffsicheren, kleinen Artikelchen hier), einen städtebaulichen Kardinalfehler zu verhindern – den Karlsplatz nämlich mit einem für den Ort zu groß geratenen Archivgebäude für die documenta zu überfordern und außerdem die immer noch hugenottisch geprägte Oberneustadt damit schwer zu beschädigen – so freue ich mich jetzt darüber, dass die am Standort Giesewiesen geplante zweite Eissporthalle von der neuen Koalition in Kassel aus Grünen, CDU und FDP verhindert und gecancelt worden ist. Eine große Niederlage für den noch nicht parteilosen Geselle, aber bald und sicher Ex-OB. Dieser Niederlage werden für ihn weitere folgen.

Hier kann man noch einmal nachlesen, wie falsch es gewesen wäre – und aus welchen Gründen – diese zweite Halle, gleichsam als Pfropfen für die im Sommer kühlere Luft aus Richtung Park Schönfeld, in diese wichtige Kaltluftbahn in der mikroklimatisch ohnehin sehr gestressten Südstadt hinein zu bauen und dabei auch noch das für die ganze Stadt bedeutsame, grüne Kulturdenkmal Karlsaue zu bedrängen. Hier der entsprechende Artikel.

Die herrliche Karlsaue: Kassels wertvolle grüne Lunge …

Dass nun diese Verhinderung mit einer städtebaulich guten Idee verknüpft wird und der vorhandene Eissporthallenparkplatz als Bauplatz für die für die Huskies und den Jugendsport benötigte zusätzliche Halle incl. Parkhaus genutzt werden soll, das Ganze stark begrünt und mit Photovoltaik auf den Dachflächen ausgestattet, befriedigt mich und ist Anlass zur Freude. Nicht nur, weil ich selbst Vorschläge in diese Richtung in der Vergangenheit schon mehrfach unterbreitet hatte, sondern weil er schlicht das in dieser Situation und Gemengelage Richtige ist: So werden die Potentiale des Standorts richtig genutzt, so wird Spitzensport mit Breitensport sinnvoll verknüpft und so wird die vorhandene Halle aufgewertet.

Ich hoffe, dass das, was darüber kürzlich in der HNA – ausführlich bebildert und erläutert – zu lesen war, dann in etwa auch so kommt. Es wäre nicht die erste gute Idee, die in Kassel nicht realisiert oder am Ende dann „vergeigt“ worden wäre … Dafür steht z.B. das unsägliche, langweilige Finanzamt an der Fulda, am Altmarkt. Hässlich, öde, monofunktional! So darf eine Stadt mit ihren Chancen und Potentialen nicht umgehen.

Am meisten aber sollten sich die Südstädterinnen darüber freuen, dass es zu dieser kommunalpolitischen Dummheit ersten Ranges, dem Hallenneubau auf den Giesewiesen, nun nicht gekommen ist. Sie werden es möglicherweise schon in der nächsten Hitzewille im kommenden Sommer positiv wahrnehmen. Vielleicht lindernd.